Mit einem Brief begann es.
Er trug Poststempel Bogota, Columbia, war mit der Luftpost gekommen, seit sechs Tagen unterwegs — obgleich kein Flugzeug sechs Tage von Kolumbien bis Hamburg braucht —, und das Auffallendste an ihm war zunächst die bunte Briefmarke. Sie zeigte eine tropische Landschaft mit Riesenbäumen, bunten Papageien und einem Gewirr von Lianen.
Dr. Peter Mohr betrachtete die Vorderseite des Kuverts, die Briefmarke, den Poststempel und drehte es dann erst um. Der Absender war ihm ein Rätsel; Fabril de farmacologia >H. Strothfeld<, Bogota City. Als Dr. Mohr vorhin das Ärztekasino betreten hatte, schwenkte die Serviererin schon von weitem den Brief in der Hand und lief auf ihn zu.
«Herr Doktor! Herr Doktor! Für Sie! Ein Brief aus Südamerika. Kann ich die Marke bekommen für meinen kleinen Bruder? Der sammelt alle Briefmarken, wo Bilder drauf sind.«
«Selbstverständlich, Anni. Ich gebe Ihnen das ganze Kuvert.«
Sechs Stunden Operation lagen hinter ihm. Ein Magendurchbruch, eine Galle, gefüllt mit sage und schreibe 32 gelbgrünen Gallensteinen; zuletzt eine Darmverkürzung mit Anus praeter, die nur eine Entlastungsoperation war. Der Mann war 64 Jahre alt. Sein Körper saß bereits voller Metastasen. Da nutzten auch keine Bestrahlungen mehr. Aber ein oder zwei Lebensjahre, die hatte man ihm noch schenken können mit dieser Operation.
Erschöpft ließ sich Dr. Mohr auf den plastikbezogenen Stuhl fallen, nahm zwei Schlucke von dem Tee mit Rum, den Anni ihm ungefragt hinstellte. Jeden Operationstag wiederholte sich der Ritus des Teetrinkens, kombiniert mit einem Stück Kuchen, meistens eine Biskuitrolle, mit Käsesahne gefüllt.
Pharmazeutische Fabrik Dr. H. Strothfeld, dachte Dr. Mohr, während er das Kuvert mit einem Messer aufschlitzte. Kenne ich nicht.
Reklamebriefe kommen doch entweder an die Krankenhausverwaltung oder an die Privatadressen der Ärzte. Was ihn vor allem stutzig machte, war die Anschrift. >Dr. Pit Mohr (nicht Othello)<, stand da. Dann die Adresse des Krankenhauses und in der oberen linken Ecke war in roten handschriftlichen Druckbuchstaben >Privat< hingeschrieben.
Pit Mohr (nicht Othello), diese Anrede kannte nur ein kleiner Kreis. Damals auf der Universität in Heidelberg war das ein geflügeltes Wort gewesen: Da kommt Othello. Man sagte das nicht nur wegen seines Namens Mohr; er trug damals auch seine pechschwarzen, kleingelockten Haare wie ein Farbiger kurz geschnitten. Die Mädchen waren wie wild hinter ihm her, und seine Kommilitonen beneideten ihn. Gute, alte Studentenzeit. Wie lange war das her? Sechs Jahre schon! Und nun, nach sechs Jahren, schrieb jemand aus Südamerika wieder Pit Mohr (nicht Othello)!
Der Brief war zwei Seiten lang. Dr. Mohr las zuerst die Unterschrift: Dein Ewald.
Ewald? Wer war Ewald? Er rekapitulierte schnell seine ehemaligen Freunde. Nach den Examina waren sie in alle Welt verstreut worden, nur wenige hatten Kontakt untereinander gehalten. Ein Ewald war nicht dabei.
Aber schon der erste Satz des Briefes klärte die Frage. Ewald schrieb:
«Du wirst Dich wundern, wieder etwas von Ewald Fachtmann zu hören, alter Junge! Erinnerst Du Dich? Ich kam von der Pharmakologie zu Euch Quacksalbern, und schon bei der ersten Paukpartie hast Du mir einen Zieher verpaßt. Wir haben dann drei Semester wie die Irren gesoffen, bis ich nach Freiburg überwechselte. Dich zu finden, war gar nicht leicht, aber es ist gelungen, wie Du siehst. Ich bin jetzt hier in Bogota und leite die deutsche Niederlassung der pharmazeutischen Werke H. Strothfeld mit der Aufgabe, neben den bekannten Antibiotika nun auch Anti-Babypillen in Kolumbien populär zu machen. Junge, das ist gar nicht so einfach. Erstens ist die Kirche dagegen, und zweitens erkläre einem Chibcha-Indianer in den Kordilleren einmal, daß nach den weißen Pillchen der Papa einen Freischußschein bekommen hat. Wie kann man das auch begreifen? Soweit mein Leben.
Frage: Bist Du fest an das Krankenhaus gebunden, Mehrjahresvertrag und so? Wenn nicht, Othello, komm 'rüber zu mir! Ich weiß, daß Du ein Abenteurertyp bist, daß die weite Welt mehr Dein Arbeitsgebiet ist als der schmale OP-Tisch in einem blutriechenden gekachelten Raum. Und hübsche Mädchen gibt's überall — vor allem hier! Glutäugig, schmalhüftig, langbeinig und rundbrüstig! Was willst Du mehr? Vor allem aber: Wir brauchen hier dringend gute Ärzte. Die medizinische Versorgung gerade auf dem Lande, bei den Indianern und den Schürfern, ist miserabel. Keiner traut sich dahin. Und hier bin ich beim Thema: Schürfer.
Auf eine tolle Sache bin ich da gestoßen! Smaragdschmuggel! Illegaler Minenbau in den Bergen. Jährlich gehen für % Milliarden DM >schwarze< Smaragde von Bogota nach Hongkong, USA, Japan und der Schweiz. Nahezu alle grünen Klunker, die Du bei den Frauen an Busen, Hals, Ohren und Händen siehst, sind gestohlen! Neun von zehn Steinen kommen über dunkle Kanäle in die Welt des Reichtums. Und sie kommen hierher aus einer Welt, die mehr einer Hölle gleicht! Wenn Du einmal die Minenstädte Muzo, Chivor und Cozques gesehen hast, von der Siedlung Penasblancas wollen wir voll Entsetzen schweigen, bist Du auf das letzte große Abenteuer unserer Menschheit gestoßen. Und hier, gerade hier brauchen wir Ärzte!
Reizt Dich das nicht? Überlege es Dir, Junge. Für einen Mann wie >Othello< wäre das eine Aufgabe. An vorderster Front der Menschheit, dort, wo Menschlichkeit ein Fremdwort ist. Hier ist ein Arzt hundertmal mehr wert als ein Missionar. Und auch der fehlt! Ruf mich an. Herzlichst Dein Ewald.«
Dr. Mohr las den Brief zweimal, steckte ihn dann in seinen Arztkittel, winkte Anni, gab ihr das Kuvert für ihren kleinen Bruder und aß bedächtig seine Biskuitrolle mit Käsesahne.
Bogota. Die Kordilleren. Urwaldarzt am Ende der Welt. Hier im Klinikum von Hamburg hatte er seinen festen, zunächst mäßig bezahlten Posten. Aber das änderte sich bald. Prof. Dr. Harrenbroich hatte es angedeutet. Der II. Oberarzt wechselte als Professor nach Marburg. Dr. Peter Mohr, das hörte man überall, sollte nachrücken. Dann sah die Lage besser aus. Gutachten, die Geld brachten, Privatpatienten, >Chefoperationen<, die dann er ausführte und sich mit Harrenbroich die Liquidation teilte (ein solch kollegialer Mensch war Harrenbroich, weit entfernt vom üblichen gottähnlichen Chefdenken). Seit einem Jahr arbeitete Mohr an seiner Habilitation über Tumor-Operationen mit Laserstrahlen. Eine verheißungsvolle Zukunft lag vor ihm. Außerdem gab es da noch Gabrielle, eine junge französische Ärztin der II. Medizinischen Klinik in Eppendorf. Eine wundervolle Frau mit langen, bis zu den Hüften wehenden roten Haaren. Im Klinikum erzählte man sich, daß seit Auftauchen von Gabrielle genau 48 Ärzte in ein wildes Jagdfieber verfallen waren. Sogar der I. Ober der Gynäkologie, Prof Neubruch, befand sich unter den Jägern. Nur einer hatte es bisher jedoch erreicht, Gabrielle in die Oper einzuladen und hinterher in die Atlantic-Bar auszuführen: Dr. Peter Mohr mit seinen pechschwarzen Kräusellöckchen. Nach der dritten Einladung kannte Pierre — wie Gabrielle ihn seitdem nannte —»alle anatomischen Vorzüge der schönsten Ärztin, die jemals im Klinikum Hamburg praktiziert hatte…«so Prof. Neubruch in einer lyrischen Anwandlung.
Bogota! Smaragd-Minen. Das letzte >Wild-West< auf unserer Erde. Die Welt der Glücksritter. Ein Eldorado der Gesetzlosen. Wenn es für diese Menschen noch einen Heiligen gab, dann war es ein Arzt! Lieber Gott — welch ein Abenteuer!
In der Nacht — in Bogota mußte es jetzt früher Morgen sein — rief Peter Mohr bei Ewald Fachtmann an.
«Ich wußte es!«brüllte Tausende von Kilometern entfernt Fachtmann ins Telefon.»Pit, ich wußte es! Sei in Gedanken umarmt! Hörst du das Radio? Frühsport. Das gibt es auch hier! Knieeee beugt. tiiiiief einatmen… und schnell hoch! Sprung! Ausaaatmen… Bitte nicht furzen! Diese Übung regt den Darm an!«Er lachte schallend. Auch Peter Mohr grinste im nachtschwarzen Hamburg. Er wohn-te außerhalb der Stadt, in einem Bauernhaus nahe der Elbe. Da gab es noch keine Straßenbeleuchtung. Der Feldweg war Privateigentum.
«Du hast dich nicht verändert, Ewald«, sagte er.»Immer noch die riesengroße Schnauze…«
«Deshalb hat man mich ja nach Bogota geschickt! Mit Murmelspiel kommst du hier nicht weiter! Moment!«Fachtmann drehte das Radio aus und kam zum Telefon zurück.»Bevor du alle Bedenken aufzählst, Pit, und die kenne ich im voraus: Kolumbien ist ein Land, wo die Millionen aus dem Boden wachsen. Du mußt nur die richtige Stelle finden. Und du mußt darauf verzichten, das Leben, das du hier führst, Leben zu nennen! Natürlich kannst du brav, wie ich, bürgerlich arbeiten. Darin unterscheidet sich Kolumbien in nichts von anderen Ländern. Der sittsame Mann hat sein Auskommen und lebt einer zwei Meter mal ein Meter großen Grube entgegen. Die Särge sind übrigens schöner als in Deutschland. Über und über mit Schnitzereien verziert. Und für ein paar Pesos kannst du Klageweiber engagieren, die heulen für dich drei Tage lang! Ist das dein Ziel?«
«Ich bin in Kürze II. Oberarzt der Chirurgie im Klinikum.«
«Ahnte ich es doch! Pit. wir brauchen dich hier.«
«Ich bin Chirurg, Ewald! Kein Urwalddoktor-Genie wie Albert Schweitzer.«
«Gerade Chirurgen brauchen wir hier! Pillen verteilt hier jeder Sanitäter. Aber schneiden muß man können! Kugeln aus allen möglichen Körperteilen herausholen.«-»Kugeln?«
«Im Minengebiet gibt es mehr Bleikugeln als weiße Bohnen in der Suppe! Aber es gibt auch Smaragde, derentwegen sich Familien gegenseitig ausrotten! Pit, man kann das alles am Telefon nicht erzählen, und aufschreiben schon mal gar nicht — das wären ein paar hundert Seiten. Sieh dir alles selber an! Das mußt du sehen. So etwas gibt es gar nicht, sagt jeder, dem man erklären will, was in den Kordilleren bei Muzo los ist! Und trotzdem ist es Wahrheit! Gegenwart! Daß es so was im 20. Jahrhundert noch gibt, ist phänomenal! Junge, kannst du nicht Urlaub nehmen? Unbezahlten Urlaub auf — na sagen wir — zwei Jahre?«
«Unmöglich! Dann ist die Oberarztstelle futsch. Außerdem gibt es eine Gabrielle.«
«Hier rennen tausend Gabrielles herum, schöner als deine.«
«Das gibt es nicht. Gabrielle ist das vollendete Weibwunder.«
«Hier gibt es Madonnen von einer Unheiligkeit, daß dir die Knochen erweichen. Pit, überleg es dir. Nicht wegen der Mädchen, aber wegen der Menschen hier, die Vogelfreien, die einen Arzt brauchen wie Nahrung und Wasser. Sie haben nur zwei Hoffnungen, auf denen sie ihr Leben aufbauen: einen großen Smaragdfund — und das Überleben. Ruf mich wieder an, wenn du's dir genau überlegt hast. Tschüß, Othello!«
Sieben Tage trug Dr. Mohr die Versuchung aus Bogota mit sich herum. Er wollte sie verdrängen, indem er jede freie Minute mit Gabrielle verbrachte. Samstag und Sonntag hatte er dienstfrei. Da lag er mit ihr fast 48 Stunden im Bett, und Gabrielle sagte hohläugig:»Mon cher, du bischt ein Wunder. Medizinisch gesehen. Wohär bei dir kommt so grossse Produktion von Hormonen! Hast du Fabrik in Körrperr?«
Aber selbst die süßeste Ablenkung half nichts. Ewald Fachtmanns verdammte Mephistostimme blieb Peter Mohr in den Hirnwindungen. Ein Heer von Gesetzlosen, die keinen Arzt haben. Menschen, am Rande der Gesellschaft und total vergessen. Aber dennoch Menschen, durch deren Hände Millionen gleiten. Smaragde, die kostbaren Edelsteine mit dem betörenden grünen Feuer.
Grüne Sonnen, in Gold oder Platin gefaßt.
Am Montag ließ sich Dr. Mohr bei einem der großen Juweliere auf dem Jungfemstieg Smaragde zeigen. Die beste Qualität. Einkaräter. Ungefaßt. Der Preis warf ihn fast um.
«Die reinste Farbe, die es gibt. Ein Grün wie ein tiefer Bergsee. Ein Spitzenobjekt. Im Karat DM 22.000,-.«
Am Dienstag hatte Dr. Mohr eine lange Aussprache mit seinem Chef Professor Harrenbroich. Es fand nach einem siebenstündigen Operationstag statt. Sie rauchten eine Zigarette zusammen und tranken tiefschwarzen, starken Kaffee, so wie ihn Harrenbroich nach einem solchen Tag liebte. Als Arzt allerdings warnte er seine Patienten eindringlich vor solch massivem Herzaufputschmittel.
«Wie lange kennen wir uns, Peter?«fragte Harrenbroich.»Vier Jahre, nicht wahr? Das gibt mir das Recht, zu Ihnen zu sagen: Sie sind total verrückt! Kolumbien. Zu den Pippa-Indianern…«
«Chibcha-Indianer, Herr Professor.«
«Von mir aus. Und zu den Schürfern! Was Sie mir da erzählt haben, hört sich mehr nach Hollywood an! Das gibt es doch heute gar nicht mehr!«
«In Muzo doch! Das ist es ja: Nur weiß man nichts davon! Über den Kamm der Kordilleren dringt nichts an die Weltöffentlichkeit. Was da in den Bergkesseln, in den verlassenen Minen, in den Urwäldern und auf den Dschungelstraßen geschieht, ist anonym. Und dabei handelt es sich um Tausende von Menschen, die weniger wert sind als ein Fingerhut voll Smaragdstaub. Was im 19. Jahrhundert in Kalifornien und in Alaska geschah — der große Goldrausch —, das wird dort in Kolumbien noch überboten. Und keiner ahnt es! Im Zeitalter der Computer und der Weltraumfahrt, der Mondlandungen und der Funksatelliten kratzen Menschen mit den bloßen Händen die Erde auf. Kleiner, grüner Steine wegen. Eine Frage, Herr Professor: Besitzt Ihre Gattin Smaragdschmuck?«
«Ja. «Harrenbroich zog an seiner Zigarette.»Ohrringe, einen Ring, ein Halsband und ein Halskollier.«
«Wahrscheinlich alles in Kolumbien gestohlen.«
«Machen Sie keine Witze, Peter!«
«Natürlich ehrlich beim Juwelier gekauft, der keine Ahnung davon hat, woher die Steine über den Großhandel kommen. Denn auch der Großhandel bezieht sie über Exporteure — und die kennt kaum einer mit Namen! Nur die Strohmänner!«Peter Mohr zerdrückte seine Zigarette im Aschenbecher und trank den Rest des höllisch starken Kaffees.»Ich habe mich informiert. Dreimal habe ich mit meinem Freund Ewald telefoniert. Nach dem dritten Anruf stand für mich fest: Ich muß nach Bogota.«
«Ihr verfluchtes Abenteurerblut!«
«Vielleicht, Herr Professor.«
«Ich hatte immer gehofft, Sie heiraten Gabrielle und werden ein großer Chirurg. Sie haben alles vor sich: Chefposten, Ordinarius. Peter! Ist dieses Abenteuer diesen Einsatz wert?«
«Ich weiß es nicht. In zwei Jahren bin ich wieder da.«
«Als in der Sonne mumifizierter Kadaver.«
«Ich kann auch nachher beim Überqueren der Straße totgefahren werden. Diese Möglichkeit ist hier größer als in Kolumbien. Herr Professor, ich komme als Arzt zu diesen Gesetzlosen! Das ist eine Sonderstellung. Außerdem — mich reizt das alles!«
«Genau das ist es, Peter. Ihr unruhiges Blut! Wenn kein Zureden hilft, dann fliegen Sie meinetwegen in die Hölle! Ihren II. Ober aber kann ich Ihnen nicht zwei Jahre lang reservieren.«
«Das weiß ich, Herr Professor. «Mohr lächelte charmant. Dieses Lächeln warf Krankenschwestern und Ärztinnen reihenweise um.»Vielleicht ist dann der I. Ober frei?«
Und Harrenbroich lachte schallend. Ein Ordinarius mit Humor ist selten.
Bogota war auf den ersten Blick eine Enttäuschung.
Schon als das Flugzeug in einem großen Bogen über der Stadt kreiste, ehe es auf dem Flugplatz >El Dorado< aufsetzte, fühlte Peter Mohr sich in dem bestätigt, was er sich an Hand einiger Reiseführer über Kolumbien angelesen hatte: Das moderne Bogota war kein südamerikanischer Tropentraum mehr, sondern eine Betonstadt mit Zehntausenden von Fenstern. Wolkenkratzer nach amerikanischer Bauart, eine City mit einer Vergnügungs- und Einkaufsstraße wie dem Broadway in Kleinausführung, einem Geschäftsviertel der großen Firmen, Büros und Banken. 2,7 Millionen Menschen leben hier, dachte Dr. Mohr. Über zweimal soviel wie in Hamburg, und trotzdem ist diese Stadt mit Ausnahme der Wolkenkratzer eine elende Ansammlung von miesen Häusern. Es gab nur wenige Lichtblicke: Da die berühmte, im alten spanischen Stil erbaute Kathe-drale. Die Sternwarte mit ihren silbern leuchtenden Kuppeln, der Komplex der neuen Universität mit den Parkanlagen und Springbrunnen, das prunkvolle Parlamentsgebäude im Kolonialstil, die Anlagen der Militärakademie, in der Bauart wie alle Kasernen aussehend.
Das Flugzeug kreiste jetzt ganz niedrig über der Stadt. Mohr erkannte nun auch, wo die Masse der Bogotaner wohnte. Die Ärmsten der Armen hausten in den Berghängen, Höhle an Höhle, durch Treppen verbunden, mehrere Stockwerke übereinander, mit kleinen Austritten und Plateaus. Ein Gewimmel von Menschen. Termiten mit menschlichen Körpern. Eine Million Ausgestoßene, um die sich keiner kümmerte. Die genaue Zahl kannte niemand. Es war ein Kommen und Gehen, ein Sterben und Gebären. Wer vom Land in die Stadt kam und in den Bergwohnungen verschwand, entzog sich jeder Kenntnis und konnte daher nie registriert werden.
Ewald Fachtmann erwartete Peter Mohr am Ausgang der Paßkontrolle. Er umarmte seinen Kollegen, drückte ihn an sich und rief» Junge! Willkommen in Kolumbien! Verdammt, jetzt saufen wir erst mal einen!«
«Du hast dich kaum verändert. «Mohr betrachtete den alten Freund aus Heidelberger Zeiten.»Dicker bist du geworden, das ist aber auch alles. Keine Frau?«
«Bei diesem Überangebot von liegefreudigen Mädchen?! Ich bitte dich! Das wirst du noch kennenlernen: Du blickst einmal in die Runde und hast zehn an der Hose hängen! Hier wimmelt es von armen Luderchen aus den Bergen, die bei dir sofort einen 20-Pe-soschein wittern, wenn sie die Bluse aufknöpfen. Und da gibt es was zu greifen, Othello! Bogota-Mädchen sind berühmt für ihre Schönheit!«Er musterte Dr. Mohr und nickte mehrmals.»Seriöser bist du geworden. Ein etablierter Arzt! Aber deine Löckchen sind wie früher, und die werden die Weiber um den Verstand bringen. Du siehst aus, als solltest du unterentwickelte Gegenden aufzüchten! Haha!«
Sie verließen Arm in Arm die Flughafenhalle. Der Gepäckträger, ein Halbindianer, schleifte Mohrs Koffer hinter ihnen her. Vor dem Airport stand Fachtmanns Wagen, ein weißer Buick.
«Dünne Luft«, sagte Mohr. Fachtmann nickte.
«Bogota liegt 2.640 m über dem Meeresspiegel. Immer Hochgebirgsklima, aber man merkt es nach einiger Zeit nicht mehr. Dafür herrscht hier aber auch nie solch eine Bullenhitze wie in der Hafenstadt Barranquilla beispielsweise. Da mußt du dich in manchen Monaten mit Wärmegraden um die 34 o anfreunden. Selbst die Nächte bringen die ersehnte Erleichterung nicht, weil es zu dieser Zeit dann bestenfalls auf 24 o abkühlt. Siehst du, da haben wir es hier besser. Nur als Neuling kommst du anfangs noch außer Puste, wenn du dich überanstrengst, zum Beispiel im Bett.«
«Andere Themen kennst du wohl nicht?«fragte Dr. Mohr.
«Mein lieber Pit, für uns Europäer gibt es in Kolumbien drei Dinge, die den Tagesablauf beherrschen: Geldmachen, Saufen und Mädchen. Das gilt für alle, bis auf ein paar Heilige: Einer ist gerade gelandet: Dr. Peter Mohr. Bei ihm wird es heißen: helfen, sich aus Gutmütigkeit und Edelmut übers Ohr hauen lassen, später aus Kummer saufen! Es sei denn, du funktionierst dich um.«
Sie führen in die brodelnde Stadt hinein, kamen durch Vorstädte, die noch im alten spanischen Stil gebaut waren, sahen die typischen bunt bemalten Häuser, dazwischen Hütten aus Brettern und Wellblech mit Dächern aus Steinen und ausgeschnittenen Benzinfässern. Dann die neue Stadt, der Stolz Kolumbiens. Weite Avenuen, Parks, Denkmäler von Nationalgrößen, Bankpaläste, Firmensitze mit internationalen Namen.
«Nun paß mal auf. «sagte Fachtmann.»Wir fahren jetzt durch die Emerald-Street. Schön langsam, denn schnell geht's bei dem Verkehr sowieso nicht. Und sieh dich genau um. «Er bog in die Straße ein, die sich kaum von den anderen Straßen dieses Viertels unterschied. Geschäftshäuser, Balkone aus Schmiedeeisen oder geschnitzten Hölzern, Fensterklappläden, Geschäfte mit Markisen, ab und zu ein glattes, neu erbautes Haus mit Firmenschildern aus blitzendem Messing. Um diese Zeit herrschte großes Gedränge auf dem
Gehsteig. An den Straßenrändern standen lange Reihen parkender Autos, zumeist amerikanische und japanische Fabrikate.
«Was ist mit der Emerald-Street?«fragte Mohr.»Ich sehe nichts Besonderes.«
«Ein paar zerlumpte dreckige Gestalten?«
«Ja.«
«Ein paar Männer, die in den Haustüren herumlungern?«
«Was ist da so erstaunlich?«
«Sieh dir die Ganoven genauer an! Alle haben unter den Achseln ausgebeulte Jacketts. Da hängen 38er drin, entsichert! Die EmeraldStreet ist der Umschlagplatz des illegalen Smaragdhandels. Die zerlumpten, ausgedörrten Kerle kommen aus den Bergen. In ihren Taschentüchern eingeknotet, tragen sie ein Vermögen herum. Grüne, glitzernde Steinchen. Und die da herumlungern, das sind die Hehler, die sich die Burschen schnappen, um die Steinchen abzukaufen. Im Auftrag der ganz großen Bosse, die man nie gesehen hat und deren Namen weitgehendst unbekannt sind. Wenn du hier abends als Tourist allein spazierengehst, hast du alle Aussichten, am nächsten Morgen zwischen dicken Kerzen in einer Krankenhauskapelle aufgebahrt zu sein. Hier knallt es jede Nacht! Da nützt dir auch die Rot-Kreuz-Binde nicht und ein Schild vorm Bauch: Me-dico.«
Sie verließen die Emerald-Street und bogen in Richtung Universität ab. Ewald Fachtmann hatte dort im Neubaugebiet mit tropischen Gärten eine weiße Villa gemietet. Standesgemäß unterhielt er drei Mann Personal: einen Diener, einen Koch und einen Gärtner. Die Firma bezahlte alles.»Mein ganzes Personal besteht aus entlassenen Gaunern«, lachte er.»Sieh mich nicht so entgeistert an: Das sind die Treuesten! Ich bin ihr neuer Boß, und für den lassen sie sich vierteilen! Die Herdenmentalität: Das Leittier hat immer recht! Das mußt du dir merken, Othello: Du mußt immer das Leittier sein! Die kleinste Schwäche — schon ist ein Vaterunser fällig!«Fachtmann hielt vor einer Bar im Kolonialstil und bremste kühn. Staub wirbelte auf. Aus der Tür des Restaurants stürzten zwei Kellner.»Da hast du's! Sie erkennen mich schon sofort am Bremsen. Jetzt sind sie bereit, Zucker in den Hintern zu blasen.«
«Und das empfindest du als richtig?«fragte Dr. Mohr.
«So kann nur einer fragen, der täglich mit demokratischen und sozialistischen Schlagzeilen gefüttert wird!«Fachtmann stieg aus. Die beiden Kellner verneigten sich wie in einem billigen Theaterstück.»Othello, komm 'raus! Hier saufen wir uns einen auf das Wiedersehen an! Roberto hat den besten Wein und eine Nichte, auf deren Brüsten du Nüsse knacken kannst! Sechs Jahre — das muß gefeiert werden! Bis nach Hause sind's nur ein paar Meter. Und der zuständige Polizist sieht nichts. Er bekommt von mir jede Menge Antibaby-Pillen geschenkt. Der Junge hat einen schwunghaften Handel damit begonnen.«
Später saßen sie im Innenhof, der als Palmengarten angelegt war, in tiefen, bequemen, gepolsterten Korbstühlen, tranken kühlen Wein, aßen eine Tortilla mit Tomaten und Oliven und durften Senorita Pepita, die Nichte mit den Eisenbrüsten, bewundern. Sie trug ein tief ausgeschnittenes spanisches Folklorekleid, das alles ahnen ließ, warf Dr. Mohr einen brennenden Blick zu, servierte den Wein, kicherte ein paar Worte und wippte davon.
«Gewonnen!«sagte Fachtmann fachmännisch.»Othello, du führst dich gleich gut ein! Aber zurück zur Emerald-Street. Diese Straße wird dein Schicksal sein. Wie ich dir schon am Telefon erklärt habe: Wenn du nicht als professioneller Halsabschneider nach Penasblancas, dem wüstesten, aber auch fundreichsten Smaragdort kommst — das heißt, daß du dich vielleicht durchschießen mußt, durch Polizeisperren, Militärkontrollen und Selbstschutztruppen der Schürfer —, sondern als offizieller Helfer der dort vergessenen Menschheit, als heißersehnter Arzt, brauchst du die Fürsprache von Don Alfonso Camargo.«
«Wer ist das?«
«Gottvater selbst. Der große, unbekannte Boß, über dessen Schreibtisch schätzungsweise % aller gestohlenen, geschmuggelten und illegal geschürften Smaragde rieseln. Wenn Don Alfonso >si< sagt, trägst du einen Heiligenschein, sagt er >no<, reserviere dir rechtzeitig einen Liegeplatz auf dem Friedhof. Der große Unbekannte regelt alles.«
«Und du kennst ihn?«
«Nicht persönlich! Wer hat Don Alfonso schon persönlich gesehen? Ich nehme an, seine eigene Familie weiß nicht, daß er Don Alfonso ist, und seine Geliebten rufen ihn sicherlich >tesorito<, aber nie Alfonso. Wie steht's übrigens mit deinem Spanisch? Damals konntest du es ganz gut. Was heißt >tesorito«
«Schätzchen.«
«Bravo!«Fachtmann klatschte in die Hände.»Übermorgen wirst du in der Emerald-Street mit Alfonso sprechen. Daß er dich in sein Bürohaus kommen läßt, ist eine so hohe Auszeichnung, als stecke er dir einen Ordensstern an die Brust. Woher ich Don Alfonso kenne? Er steht mit unserer Fabrik in Geschäftsbeziehungen. Kauft jährlich für 3 Millionen Medikamente, Desinfektionsmittel, Verbandmaterial. Vor allem Antibiotika. Im Minengebiet herrscht ein Klima. Junge, Junge! Und Hygiene ist ein Wort, das aus der Mondsprache stammen muß. Als ich Alfonso andeutete, daß ein deutscher Arzt unter gewissen Umständen als idealistischer Idiot zu den Schürfern ziehen will, war er sehr interessiert.«
«Was nennst du gewisse Umstände?«fragte Dr. Mohr vorsichtig. Kolumbien fing an, sich so zu verändern, wie er es erwartet hatte. Das Abenteuer begann bereits in der Bar von Roberto.
«Neben deiner Bezahlung als Arzt auch einen Anteil an den Smaragden, die du findest. Ich habe vorgeschlagen 50: 50!«
«Ewald, ich bin Arzt und kein Smaragdsucher.«
«Das wird sich von allein ergeben. Jetzt darüber zu diskutieren, wäre müßig. Du wirst automatisch in die Stollen kriechen und von den grünen Steinen fasziniert sein. Dem habe ich vorgebeugt. Don Alfonso ist mit 50: 50 einverstanden.«
«Und er bezahlt mich auch als Arzt?«
«Nur als Mäzen! Angestellt wirst du vom Gesundheitsministerium. Aber das staatliche Gehalt ist so miserabel, daß bisher kein Arzt in die Kordilleren gegangen ist. Das tun nur deutsche oder schweizer Idealisten. Darum legt Don Alfonso heimlich ein paar hundert Pesos drauf. und die 50 % Schürfrechte! Du kannst Millionär werden, Pit! Weißt du übrigens, wie die Schürfer heißen?«
«Guaqueros.«
«Du wirst immer besser, Junge.«
«Ich habe in den letzten Tagen alles gelesen, was man über die kolumbianischen Minen weiß. Das ist wenig. Ich habe aber erfahren, daß sie seit 1974 geschlossen sind und von 3 Bataillonen bewacht werden.«
«Habe ich dir doch geschrieben, Othello!«
«Ich hab's aber nicht geglaubt. Daß so etwas möglich ist in unserem Jahrhundert: Edelsteinsuche mit dem Revolver in der Hand.«
«Das wäre das wenigste. «Fachtmann trank seinen Wein aus.»In Penasblancas gibt es nur noch Menschen, die aussehen wie Menschen. Ihre Mentalität aber ist absolut raubtierhaft. Das richtige Arbeitsfeld für dich.«
«Und was versprichst du dir davon, Ewald?«Das war die Frage, auf die beide die ganze Zeit gewartet hatten. Fachtmann lachte etwas gequält.
«Wenn du Millionär geworden bist, hoffe ich, daß ein paar Tröpfchen in mein wüstenleeres Portemonnaie fallen. Ich weiß, es ist schäbig: Du hast die Arbeit vorne im Dreck, und ich halte hinten nur die Hand auf. Aber erkenne an: Ich habe dir die Chance vermittelt, das große Abenteuer zu erleben. Ich selbst — das gebe ich ohne rot zu werden zu — bin für diesen Job viel zu feige! Das ist etwas für Männer wie dich. Außerdem bist du Arzt, und das ist da draußen so etwas wie eine kugelsichere Weste.«
Das Bürogebäude von Don Alfonso Camargo war ein Neubau in der Emerald-Street, mit Marmorplatten verkleidet, vollklimatisiert und mit einem Portier neben der Eingangshalle, der mehr einem
Zuchthauswächter glich. Er saß in einer Kabine aus schußsicherem Panzerglas, umgeben von Hebeln und Knöpfen, die rot oder grün schimmerten und anscheinend im Notfall einen elektronischen Krieg auslösen konnten. Vor einer Schranke stand ein Mikrofon. Jeder Besucher mußte hineinsprechen, sich anmelden und sagen, was er wollte. An die Portiersloge kam man erst gar nicht heran.
Fachtmann hatte Dr. Mohr vor dem Gebäude abgesetzt und ihm Hals- und Beinbruch gewünscht. Sie hatten ausgemacht, sich in einem Cafe auf der Rambla zu treffen.
Der Portier musterte Dr. Mohr und schätzte ihn ab. Dann ertönte aus einem Lautsprecher an der Hallendecke:»Amerikaner, Sir?«
«No!«sagte Mohr in das Mikrofon.
«Engländer? Franzose?«
«Weder noch. Deutscher!«
«Danke. «Der Portier blickte auf eine Liste vor sich. Hatte er vorher englisch gesprochen, sprach er jetzt spanisch.»Sie sind Dr. Peter Mohr aus Hamburg?«
«Genau.«
«Gehen Sie durch die Glastür, nehmen Sie den Fahrstuhl Nr. III und fahren Sie bis zum neunten Stockwerk. Dort holt Sie Senori-ta Teresa ab.«
«Ich werde mir Mühe geben, alles zu behalten«, sagte Mohr etwas sarkastisch.»Keine Röntgenkontrolle?«
«Bei Ihnen nicht, Don Pedro.«
Ach ja, dachte Mohr. Stimmt ja. Ich heiße jetzt Pedro statt Peter. Don Pedro. Die Glastür summte leise, als er sie aufdrückte, dann stieg er in den Lift Nummer III, tippte auf die Taste mit der Zahl 9 und wurde sanft nach oben getragen. Als sich die Tür wieder öffnete, stand eine hübsche, schwarzäugige Senorita da und lächelte ihn engelgleich an. Eigentlich wie bei allen großen Firmen, dachte Mohr. Die Sekretärin erwartet den Gast des Chefs. Nichts deutete daraufhin, daß hier für einige Millionen Mark Smaragde sinnbildlich von Blut reingewaschen werden.
Senorita Teresa führte Dr. Mohr in ein Zimmer mit alten spani-schen geschnitzten Möbeln, hohen Lehnstühlen und einem riesigen Schlachtengemälde an der Wand. Es zeigte die Eroberung Kolumbiens durch die spanischen Konquistadoren. Gepanzerte Reiter hieben auf wildbemalte Indianer ein. Auf einem Hügel stand ein Bischof und hob segnend das Kreuz über das Gemetzel. Die Kultur kam nach Südamerika. Angeekelt setzte sich Dr. Mohr. Senorita Teresa hatte ihn allein gelassen.
Plötzlich zuckte er zusammen. Aus der Wand klang eine deutliche, kaum verzerrte Stimme. Sonor, gut klingend, ein warmer Bariton.
«Ich begrüße Sie, Dr. Mohr!«sagte die Stimme.»Wie ist Ihr Spanisch? Soll ich lieber deutsch sprechen?«
«Bleiben wir bei Spanisch. Es wird ja vielleicht für die nächste Zeit meine Sprache werden. «Dr. Mohr blieb sitzen. Er gab sich keine Mühe, den Lautsprecher zu suchen.»Ich danke Ihnen für die Begrüßung, Don Alfonso.«
«Dr. Fachtmann hat mir nicht zuviel versprochen. Sie sind ein Mann, dem man ein Leben in Penasblancas zutrauen könnte.«
Aha, dachte Dr. Mohr. Irgendwo sind auch eingebaute, unsichtbare Fernsehkameras. Er kann mich genau beobachten. Ewald hat nicht gelogen oder übertrieben: Niemand kennt Alfonso Camargo, aber er kennt alle. Im Grunde mit einem ganz billigen Trick.
«Noch habe ich mich nicht entschieden«, antwortete Dr. Mohr.»Um es vorweg zu nehmen: Es geht mir nicht um die Pesos. Ich komme aus einem vermögenden Elternhaus. Mich interessieren auch nicht die 50 % Schürferlöse, weil sie zu irreal sind. Ich will als Arzt zu den Minen, nicht als Guaquero! Und als Arzt stelle ich Bedingungen, bevor ich losziehe.«
«Ich höre«, sagte die Stimme von Don Alfonso.»Ich habe sonst grundsätzlich etwas gegen Fremde, die ihre Nasen in unser Geschäft stecken. Wir haben Unruhe genug in den Minen, und jeder Fremde stellt zunächst einen Feind dar! Sie wollen Forderungen stellen — ich auch! Ich will — und für diese Aufgabe scheinen Sie mir der richtige Mann zu sein —, daß vor allem in Penasblancas in die Schürf-kolonnen ein anderer Zug kommt. Den Guaqueros fehlt der >Kopf<. Sie verstehen, was ich meine. Diese Menschen dort sind wie Wilde, aber wenn man sie richtig organisiert, können sie viel mehr leisten! Von uns aus ist das unmöglich durchzuführen. Sieben sogenannte Inspektoren, die ich nach Muzo schickte, sind einfach abgeknallt worden. Aber Sie, als Arzt, werden bald eine Macht über diese Menschen haben, daß Sie auch Reformen durchsetzen können.«
«Mit anderen Worten: Ich soll Arzt und Ihr Statthalter in Pen-asblancas sein. Voll und ganz Ihre Kreatur, abhängig von Ihrer Lust und Laune.«
«Don Pedro, da ist ein falscher Ton in Ihrer Stimme. Ihre Forderung?«
«Alle Freiheiten, um meinen Beruf als Arzt auszuführen. Alle Medikamente, die ich brauche.«
«Liefert Ihnen Ihr Freund Don Ewaldo…«
«Eine Not-OP-Einrichtung. Bau eines Hospitals, um auch stationär behandeln zu können. Jeglicher Schutz, der möglich ist.«
«Der neue Albert Schweitzer der Kordilleren! Don Pedro, sonst noch etwas?«
«Nein! Das genügt, um meine Pflicht zu tun.«
«Ihre Pflicht. «Don Alfonsos Stimme wurde ernster.»Seien Sie nicht so hochmütig und so randvoll mit deutschem Reformiergeist! Koppeln Sie Ihre Aufgabe mit meinem Vorschlag: Bilden Sie eine Elitetruppe von Guaqueros heran, die einmal die Minen fest in den Händen halten wird. Und verziehen Sie nicht den Mund, wenn Sie Smaragd sagen. Das ändert sich, wenn Sie zum erstenmal hunderttausend Mark in kleinen, grünen Steinen in der Hand halten. Ich weiß, wir werden uns verstehen. Kaufen Sie an Ausrüstung alles, was Sie brauchen. Rechnung an mich. In Penasblancas halten Sie Kontakt mit mir über meinen Minenleiter Christus Revaila. Don Pedro, wir sollten echte Partner sein. Leisten Sie sich ein krummes Ding, bekommen Sie nicht einmal ein Holzkreuz auf Ihrem Hügel.«»Ich bin nur Arzt, Don Alfonso!«
«Nur Arzt!«Camargo lachte sonor.»Wieviel Betten hatten Sie in Hamburg?«
«In der I. Chirurgischen: 340 Betten.«
«Der 3 bleiben Sie treu. Auf Sie warten in den Bergen 30.000 Gesetzlose! Sie werden für diese 30.000 der einzige Arzt sein!«
Dr. Mohr nickte. Aber über seinen Rücken lief ein kalter Schauer. Es gibt eine Grenze, wo auch das größte Abenteuer schierer Wahnsinn wird.
Er stand an dieser Grenze.