Kapitel 7

»Ruhe!« rief Fidelma gebieterisch, als mehrere auf einmal sprachen.

Sie kniete sich neben die Leiche. Der Zwerg hatte ein recht junges Gesicht und dunkle Haare, von der Tonsur eines Mönchs war nichts zu sehen. Die Leiche war noch warm, er war also noch nicht lange tot. Fidelma fiel ein glänzender Gegenstand auf, der von der Leiche halb verdeckt wurde. Sie zog ihn hervor. Es war eine Bronzeglocke mit einem Holzgriff. Sie betrachtete die Glocke eine Weile und legte sie dann neben sich. Nun schaute sie sich sorgfältig Hände und Gesicht des Toten an. Erstaunt runzelte sie die Stirn.

Zur Überraschung der umstehenden Männer öffnete sie langsam und vorsichtig die Mönchskutte, bis die Haut des Zwergs sichtbar wurde. Schweigend sahen sie zu, wie sie den Toten untersuchte. Schließlich hüllte sie den kleinen Körper wieder ein und stand auf.

»Gibt es hier in Cnoc Loinge einen Arzt?« fragte sie Fiachrae.

Der Fürst schüttelte den Kopf.

»Wir haben einen Kräuterheilkundigen hier und einen Mann, der die Leichen zum Begräbnis vorbereitet. Der nächste Arzt lebt in der Abtei von Imleach.«

»Dann soll der Apotheker die Leiche an einen Ort bringen, wo er sie genauer untersuchen kann. In einer Stunde will ich seinen Bericht hören.«

»Worauf soll er achten?«

»Er soll mir sagen, ob dieser Mann an irgendwelchen Krankheiten litt.«

Fiachrae wandte sich an den Gefolgsmann, der sie hierhergeführt hatte, und gab ihm die entsprechenden Befehle.

Fidelma stand wieder bei den Kriegern.

»Wie ist die Leiche entdeckt worden?« fragte sie sie.

Gorman scharrte verlegen mit den Füßen auf dem Boden.

»Ich habe sie entdeckt, Lady.«

»Wie war das genau?« fragte Fidelma. »Diese Stelle hier ist ziemlich weit weg vom Jahrmarkt, wo ihr eigentlich suchen solltet.«

»Nun, als du von uns fort bist, da meinte Capa, wir sollten uns trennen, damit wir mit der Suche schneller vorankämen. Ich überprüfte eine Weile den Jahrmarkt, als Capa zu mir kam und sagte, eine Frau hätte ihm gerade von einem Zwerg im Mönchsgewand berichtet, der sich im Wald in jener Richtung aufhalten sollte. Also hat er mich hierhergeschickt.«

Capa wollte etwas hinzufügen, doch Fidelma hob die Hand, damit er schwieg.

»Rede weiter, Gorman.«

»Also lief ich los und sah mich hier um. Die Leiche war nicht gut versteckt, so habe ich sie schnell gefunden.«

»Hat sie so dagelegen, als du sie entdecktest?«

»Genau so wie jetzt, Lady. Ich habe nichts angerührt. Da ich sicher war, daß der Zwerg tot war und ich gewiß keinen Leprakranken anfassen wollte, rannte ich zurück und traf bald auf Capa, der immer noch mit Caol den Jahrmarkt absuchte. Dann kehrten wir sofort hierher zurück. Capa lief gleich noch einmal zum Jahrmarkt, um jemanden zu beauftragen, dich zu holen.«

Nun trat Caol vor. »Capa und Gorman blieben bei der Leiche, während ich am Waldrand auf dich gewartet habe.«

»Gorman, hast du jemanden in der Nähe der Leiche bemerkt?«

»Nein, Lady. Sobald ich sah, auf welche Weise der kleine Mann umgebracht worden war, blickte ich mich um, so gut es in dem undurchdringlichen Dik-kicht ging, doch ich habe niemanden bemerkt, auch keine weiteren Hinweise entdeckt.«

Fidelma nickte langsam und schaute nun wieder zu Capa.

»Ich muß mir über die Abfolge der Ereignisse ein genaues Bild machen. Woher wußte die Frau, daß du nach einem Zwerg in Mönchskutte mit einer Lepraglocke suchst? Wenn dir die Frau von einem Zwerg am Waldrand berichtete, warum bist du dann nicht selbst dorthin gegangen, um nachzusehen?«

Capas Lächeln war entwaffnend.

»Ich habe ein paar Leute gefragt, ob sie einen solchen Zwerg gesehen hätten. Ich dachte, das würde unsere Suche beschleunigen. Niemand hatte eine derartige Person bemerkt, außer dieser Frau, einer Bauerntochter, wie ich meine. Sie sagte mir, daß sie einen eigenartigen Burschen gesehen habe, als sie am Bach Wasser für ihre Tiere holte. Fast im gleichen Moment erblickte ich Gorman« - er zeigte auf den jungen Krieger mit dem rabenschwarzen Haar - »und wies ihn an, dieser Spur nachzugehen. Ich habe weiter die Leute befragt. Kurz darauf kehrte Gorman zurück. Der Rest trug sich so zu, wie er es geschildert hat, Lady.«

Fidelma seufzte tief.

»Wir wollen wieder ins Zelt gehen, Fiachrae. Wartet hier«, sagte sie zu Capa und seinen Männern, »bis der Apotheker eintrifft. Macht ihm klar, daß ich eine gründliche Untersuchung der Leiche verlange. Er soll unbedingt feststellen, ob der Mann irgendwelche Krankheiten hatte. Danach soll einer von euch in Fi-achraes Zelt kommen und mir Bericht erstatten.«

Capa hob die Hand zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Fidelma, Fiachrae und Eadulf kehrten ins Zelt des Fürsten zurück.

»Ich verstehe das nicht, Cousine«, sagte Fiachrae. »Ich begreife gar nichts mehr.«

»Das mußt du ja auch nicht«, entgegnete Fidelma kurz angebunden.

Eadulf räusperte sich bedeutungsvoll. Schließlich war das hier Fiachraes Dorf, sein Zuständigkeitsbereich. Fidelma ließ sich zu einer Erklärung herab.

»Ich glaube, daß es sich um den Zwerg handelt, nach dem wir suchen. Doch ich glaube nicht, daß der Zwerg leprakrank war.«

Eadulf riß die Augen auf. »Immerhin trug er eine Lepraglocke bei sich.«

»Daher habe ich darum gebeten, daß die Leiche von jemandem untersucht wird, der meinen Verdacht bestätigen kann.«

Fiachrae ging auf den Krug mit Honigmet zu und goß sich reichlich ein. Dann besann er sich auf seine Rolle als Gastgeber und kam mit dem Krug zu Fidelma und Eadulf.

»Trinkt ihr auch etwas?«

Diesmal schüttelte Eadulf den Kopf, und Fidelma nickte.

»Nur einen winzigen Schluck«, meinte sie, als sie sah, daß ihr Cousin ihr großzügig einschenkte.

»Durch den Mord liegt nun ein dunkler Schatten auf unserem Jahrmarktsfest, Cousine«, murmelte Fiachrae. »Wer ist dieser kleine Mönch, und wer hat ihn getötet? Der Mord fand auf meinem Gebiet statt, und ich bin verantwortlich dafür, daß man den Täter findet.«

»Auch wenn ich nur Gast in deinem Reich bin, so werde ich als ddlaigh diesen Fall übernehmen, Cousin«, versicherte ihm Fidelma.

»Aber wer ist der Tote?« fragte Fiachrae. Plötzlich schien ihm eine Idee zu kommen. »Ich sollte besser die kleinen Spielleute von dem Vorfall informieren, es könnte sein, daß sie den Zwerg kennen.«

»Sehr gut!« rief Fidelma. »Das hätte ich beinahe vergessen. Bitte sie dorthin, wo der Heilkundige die Leiche untersucht. Doch sie dürfen erst zu ihm, nachdem ich mit dem Mann gesprochen habe.«

Als Fiachrae fort war, sagte Eadulf zu Fidelma: »Ich habe da eine Theorie. Dieser junge Krieger, Gorman -er hatte durchaus Gelegenheit, den Zwerg umzubringen.«

»Wie kommst du darauf, Eadulf?«

»Er war so erpicht darauf, uns zu begleiten. Er hat gestanden, in Sarait verliebt zu sein, da wollte er sich rächen. Das sind doch gute Gründe.« Plötzlich riß er die Augen auf. »Wenn Aona recht hat, dann könnte Gorman sogar Saraits Mann Callada getötet haben und ...«

Fidelma fiel ihm ins Wort. »Ich glaube, wir sind da zu voreilig, wir haben keine Beweise. Spekulationen können faszinierend sein, doch wie ich schon oft gesagt habe, Eadulf, sie führen zu nichts. Warum sollte Gorman den Zwerg umbringen? Wir wissen auch nicht, ob der Zwerg Sarait getötet hat, wir wissen nur, daß eine kleine Person, die Caol für ein Kind hielt, eine Nachricht an Sarait überbrachte und sie deshalb die Burg verließ. Alles andere sind Mutmaßungen.«

»Ich hatte vergessen, daß Caol an jenem Abend das Kind gesehen hat. Vielleicht hat er den Zwerg erkannt und ...«, sagte Eadulf niedergeschlagen.

Fidelma schüttelte den Kopf. »Wir wollen nicht weiter spekulieren, wir müssen erst mehr in der Hand haben«, sagte sie.

Schon bald ließ Caol sie zur Behausung des Apothekers rufen. Es war eine Holzhütte voll mit getrockneten Kräutern. An einer Seite flackerte ein Feuer im Herd und verstärkte das würzige Aroma, das in der Luft lag, so sehr, daß Eadulf zu husten anfing und Fidelma nach Luft rang. Durch die kleinen Fenster drang so wenig Tageslicht, daß das Innere der Hütte mit Laternen beleuchtet werden mußte.

Der Apotheker war alt und wirkte verdrossen.

»Nun, der Zwerg ist tot«, empfing er Fidelma und ihre Begleiter unwirsch, als sie eintraten. Er blickte sie mit kurzsichtigen Augen an. »Tot«, wiederholte er. »Was habe ich also damit zu tun?«

Fidelma ging auf den alten Mann zu.

»Das sieht jeder Narr, daß er tot ist. Ich habe dich bitten lassen, nach Anzeichen von irgendwelchen Krankheiten bei ihm zu suchen.«

Der Heilkundige starrte sie mit seinen kurzsichtigen Augen forschend an.

»Natürlich hatte er Gebrechen«, erwiderte er schroff. »Er war schließlich ein kleinwüchsiger Mensch, nicht wahr?«

»Auch das ist offensichtlich«, erwiderte Fidelma mit spitzer Zunge. »Hat er an Lepra gelitten?«

»Hat er ... was?« fragte der alte Mann. »Soll ich dir jetzt etwa eine Lektion über die Grundlagen der Medizin halten?«

Inzwischen war Fiachrae gekommen. Er trat zu dem Heilkundigen.

»Das ist die Schwester von König Colgu, eine ddlaigh bei Gericht. Antworte sachlich auf ihre Fragen, sonst wirst du hier nicht länger deine Kunst ausüben können«, drohte er ihm leise.

Der Heilkundige blinzelte ein wenig und blickte wieder zu Fidelma.

»Der Zwerg hatte keine Lepra«, sagte er nun.

»Soweit du das beurteilen kannst, hat er jemals daran gelitten?«

»Nein, nie. Soviel ich weiß, kann man von dieser Krankheit nicht wieder genesen, auch wenn gewisse Fremde angeblich zu irgendwelchen Wunderheilungen in der Lage sind.«

»Genau das wollte ich von dir bestätigt haben«, sagte Fidelma. »Was wolltest du über die Fremden sagen, die angeblich zu Wunderheilungen fähig sind?«

Der alte Mann rümpfte abschätzig die Nase.

»Ist es einen Tag her? Da kam ein Fremder hier entlang ... Sein Begleiter dolmetschte für ihn, denn er selbst war kaum unserer Sprache mächtig. Sein Begleiter erklärte mir, daß er in seiner Heimat ein Heiler sei. Er behauptete, daß er verschiedene Kräuter kenne, die Lepra heilen könnten. Von den Pflanzen, die er mir nannte, war mir allein die Klette bekannt. Allerdings wußte ich bisher nur, daß man mit dem Saft der Klette Verbrennungen und Entzündungen zu heilen vermag.«

»Bei uns werden die jungen Stengel im Salat gegessen«, sagte Eadulf. »Welche Pflanzen hat der Fremde noch erwähnt?«

Der Heilkundige blickte ihn mißbilligend an.

»Er zählte fremde Namen auf. Nicht einmal der heilige Fintan von Teach Munna in Laigin konnte sich selbst heilen, als er sich die Lepra geholt hatte. Ich habe gehört, daß Bischof Petran einmal äußerte, Fintan sei von dieser Krankheit heimgesucht worden, weil er sich während der großen Synode von Magh Lene gegen die Autorität Roms aufgelehnt hatte. Er hatte sogar einige der Entscheidungen des Bischofs von Rom kritisiert, wie zum Beispiel dessen Zustimmung zu dem Edikt von Lyon, in dem festgelegt wurde, daß die Leprakranken von nun an aus der Gemeinschaft ausgeschlossen seien und eine Glocke bei sich tragen müßten, um ihre Mitmenschen vor sich zu warnen.«

Fidelma holte ungeduldig Luft.

»Uns geht es nicht um solche Heimsuchungen und ebensowenig darum, was an unserer Kultur und in unserer Kirche richtig oder falsch ist.« Sie blickte zu der Leiche auf dem Tisch hinüber. Der Zwerg trug nun wieder seine Kutte und war für das Begräbnis vorbereitet worden. Der Anblick der kleinen kinderähnlichen Gestalt war mitleiderregend.

»Nun gut«, sagte sie. »Wir möchten jetzt einige Minuten allein in deiner Hütte sein. Wartest du mit meinen Begleitern draußen? Fiachrae, du kannst hierbleiben. Eadulf, bitte Capa, die Spielleute reinzuschicken.«

Eadulf führte den verstimmten Heilkundigen zur Tür. Draußen standen Capa und seine Männer mit sechs kleinen Menschen in grellfarbigen Gewändern, offensichtlich die Theatertruppe.

»Sie können nun eintreten«, rief er Capa zu.

Der Krieger nickte, und die Spielleute liefen auf merkwürdige Weise an Eadulf vorbei in die Hütte des Apothekers, wobei sie sich neugierig umschauten.

Kaum waren sie eingetreten, als einer von ihnen einen Klageruf ausstieß und auf die Leiche auf dem Tisch deutete. Da schrien auch die anderen entsetzt auf. Für Fidelma erübrigte sich die Frage, ob sie den toten Mann kannten.

Derjenige, der den Klageruf ausgestoßen hatte, lief auf die Leiche zu und zupfte an ihr, als wolle er sich vergewissern, daß ihr Gefährte wirklich tot sei. Fidelma entdeckte zwischen ihm und der Leiche eine große Ähnlichkeit. Er schien von allen am meisten er-regt zu sein, und es war bedrückend, seinen Kummer mitanzusehen.

Sie ging zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter.

»Es tut mir leid, daß ich euch ohne Vorwarnung habe eintreten lassen. Ich wollte nur wissen, ob du oder einer deiner Gefährten den Toten erkennt.«

Der Zwerg hatte mit den Tränen zu kämpfen und sah zu ihr hoch.

»Natürlich erkenne ich ihn. Er war mein Bruder und gehörte zu unserer Truppe.« Wie viele seinesgleichen lispelte er.

»Und sein Name war Forindain?«

Der Zwerg starrte sie einen Moment an, dann schüttelte er den Kopf.

»Er hieß Iubdan. Forindain bin ich.«

Fidelma verbarg ihre Überraschung. »Dein Name ist Forindain?«

»Als solcher bin ich bekannt«, erwiderte der Zwerg. »Unsere richtigen Namen sind das nicht. Wir verwenden die Namen der Charaktere, die wir spielen. In unserer kleinen Liebesgeschichte von Bebo spiele ich den Forindain.«

»Und du bist kein Mönch, Forindain?«

»Das gehört zu meiner Rolle dazu - Bruder Forin-dain, der Leprakranke, betrügt in der Geschichte die Faylinn. Warum willst du das alles wissen?« Die Augen des kleinen Mannes wanderten zu seinem toten Bruder, und er bemerkte die Verkleidung, in der er steckte. »Ach, ich verstehe.«

»Da verstehst du mehr als ich«, sagte Fidelma. »Fo-rindain, es tut mir leid, daß dein Bruder tot ist. Glaube mir. Aber ich bin eine ddlaigh, und ich muß herausfinden, wie und warum er umgebracht wurde ...«

»Ist er umgebracht worden?« fragte der Zwerg. Jetzt erst hatte er den Abdruck des Stricks am Hals seines Bruders bemerkt. »Wer sollte wohl einen crossan umbringen wollen, einen fahrenden Schauspieler, der nirgendwo Feinde hat?«

»Genau das muß ich herausfinden. Komm mit mir in Fiachraes Zelt, dort wollen wir uns darüber unterhalten, und ich verspreche, daß ich dich und deine Gefährten anschließend in Ruhe trauern lassen werde.«

Der Zwerg zögerte, sah noch einmal seinen toten Bruder an und trat zu seinen Freunden.

»Unsere Trauer müssen wir einen Augenblick aufschieben. Einer von uns muß die Leute draußen informieren, daß wir unser Stück heute nicht geben. Ein anderer muß dafür sorgen, daß unser Freund, mein Bruder, in ein recholl, in ein Totenhemd, eingehüllt wird. Und wir müssen die Totenbahre vorbereiten, die fuat, damit wir ihn zu Grabe tragen können. Ich werde den Stammesfürsten fragen, wo wir ihn begraben dürfen. Also helft mir, meine Freunde, unterdessen spreche ich mit der Richterin. Wenn wir fertig sind, können wir gemeinsam mit der Totenwache beginnen, bis zum nächsten Tag trauern und dabei unsere Stimmen zum traditionellen caoine erheben.«

Fidelma überraschte sein eindringlicher Sprech-rhythmus, seine wohlartikulierte Rede. Doch der kleine Mann war ja Schauspieler.

Fiachrae führte Fidelma und den Kleinwüchsigen ins Zelt. Capa und seine Männer wies Fidelma an, sich zu stärken, bis sie wieder gebraucht wurden. Im Zelt ließ Fiachrae alle Platz nehmen und rief nach einem Diener, der corma bringen sollte. Zu seiner Überraschung schlugen all seine Gäste das starke Getränk aus, er jedoch schenkte sich einen ordentlichen Schluck davon ein.

»Du hast jetzt hier das Sagen, Cousine«, stellte er dann fest. »Tu, was du für richtig hältst.«

»Vielen Dank, Fiachrae«, erwiderte Fidelma. Sie hatte ohnehin nichts anderes vorgehabt. »So, wie soll ich dich nun nennen? Forindain?« fragte sie den Zwerg.

Der crossan senkte den Kopf. »Seit ich bei den fahrenden Schauspielern bin, werde ich so genannt, Schwester. Meine Eltern haben mich verstoßen, sobald sie es auf legale Weise tun durften. Das heißt, sie haben meinen Bruder und mich verstoßen. Wir wurden von einem obldire großgezogen, dem Leiter einer Schauspielertruppe. Er brachte uns bei, wie wir die Eigenheiten, mit denen uns die Natur bedacht hat, zur Unterhaltung unserer Mitmenschen einsetzen könnten. Nenne mich nur Forindain, denn dieser Name ist mir am vertrautesten.«

»Danke. Du kennst Fiachrae schon, den Fürsten von Cnoc Loinge, und das ist Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham aus dem Land des Südvolks hinter dem Meer.«

Forindain schaute erst Fiachrae, dann Eadulf an und sah wieder zu Fidelma.

»Und du bist, wie du sagst, eine ddlaigh?«

»Ich heiße Fidelma, Fidelma von Cashel.«

Forindain war erstaunt. »Bist du die Schwester von Colgu, dem König von Muman?« fragte er ruhig.

»Ja. Kennst du mich?«

»Ich habe gehört, daß du eine große ddlaigh bist.«

»Sonst nichts weiter?«

»Ist da noch etwas, was ich wissen sollte?« entgegnete er.

Fidelma schwieg einen Moment. Dann sagte sie: »Wir wollen uns über deinen Bruder Iubdan unterhalten. Erzähle mir von ihm.«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sein Leben glich dem meinen, bis man es ihm so grausam nahm. Seit wir den obldire verlassen haben, waren wir beide immer in ein und derselben Schauspieltruppe. Diese kleine Truppe haben wir gemeinsam geleitet.«

»Und wann ist Iubdan hier in Cnoc Loinge wieder zu euch gestoßen?«

»Zu uns gestoßen? Er war die ganze Zeit bei der Truppe. Ich bin hier dazugekommen und ...«

Plötzlich verstummte er und starrte sie an. Sein Gesicht wurde ganz blaß. Er fuhr sich mit der Hand an die Kehle.

»Was ist mit dir, Forindain?« fragte Fidelma und versuchte an dem Ausdruck seiner bernsteinfarbenen Augen zu erraten, was er gerade dachte. Da kam ihr intuitiv der richtige Gedanke.

»Du bist derjenige, der in Cashel war, und nicht dein Bruder, nicht wahr?«

»Ich werde dir alles erzählen, Fidelma von Cashel«, sagte Forindain langsam, »doch nun brauche ich erst einmal einen Schluck von dem corma, Fiachrae.«

Verwirrt erhob sich Fiachrae und schenkte ihm ein. Der Zwerg leerte seinen Becher in einem Zug.

»Wir sind in Tailltenn aufgetreten, vor dem Hochkönig«, fing er nachdenklich an. »Wir hatten eine Tournee geplant. Es sollte von der Stadt bei der Abtei Clu-ain Mic Nois nach Tir dha Ghlas und Cnoc Loinge gehen. Dann nach Ros Cairbre und in andere Städte, wobei wir uns Richtung Osten an der Küste nach Ard Mhor über Cluain Meala und schließlich zur Hauptstadt Cashel bewegen wollten.«

Fidelma lehnte sich zurück und betrachtete ihn nachdenklich.

»Warum erzählst du uns von dieser Reiseroute?«

»Unsere Truppe brach gemeinsam in Tailltenn auf, doch in Tir dha Ghlas, dem Land der zwei Flüsse, wo wir vor den Leuten aus der Siedlung um das Kloster herum spielten, habe ich meine Gefährten verlassen.«

»Aus welchem Grund?«

»Wir sind noch nie in Cashel aufgetreten. Also beschloß ich, der Stadt vorher einen Besuch abzustatten. Unglücklicherweise traf ich erst spät dort ein, es war schon fast dunkel. Ich wußte, daß ich nicht viel Zeit haben würde, mir am nächsten Vormittag die Stadt anzusehen. Es gab dort Aufregung, da hielt ich es für besser, mich einer Pilgergruppe anzuschließen, die nach Westen wollte. So schaute ich mir das Stadtinnere von Cashel an und begab mich dann zum Gasthof, wo die Pilger Unterkunft gefunden hatten.«

»Und du bist in deiner Verkleidung als Bruder Forindain, dem Leprakranken, durch Cashel gezogen?«

Forindain lächelte. »Das ist häufig eine sehr nützliche Art zu reisen. Es hält einem die Leute fern; in diesem Land glauben sehr viele, sie könnten so kleine Menschen wie mich reinlegen. Die Welt ist eben nicht vollkommen.«

»Das ist wohl wahr«, stimmte ihm Eadulf zu, dem seine Erklärung einleuchtete.

»Und warum trug nun dein Bruder deine Verkleidung?« fragte Fidelma überraschend streng.

Forindain mußte blinzeln.

»Wir bereiteten uns gerade auf die heutige Nachmittagsvorstellung vor«, erwiderte er nach kurzem Zögern. »Wir führen immer Geschichten von den Faylinn auf, den kleinen Menschen, das paßt gut zu uns. Ich spiele stets Bruder Forindain, den Leprakranken. Iubdan aber versuchte sich gern in verschiedenen Rollen, so konnte er, wenn einer von uns krank war, für ihn einspringen. Heute vormittag nahm mein Bruder deshalb mein Gewand und die Glocke und ging damit in den Wald, um zu proben.«

»Und das mußte er mit dem Leben bezahlen«, sagte Fidelma leise. »Er wurde mit dir verwechselt.«

»Du bist sehr klug, Schwester . Lady Fidelma, wollte ich sagen«, sprach der Zwerg langsam. Er hatte wohl das gleiche gedacht. »Doch ich begreife nicht, warum er umgebracht wurde - oder vielmehr, warum jemand mich umbringen wollte.«

»Es hat mit dem zu tun, was du in Cashel getan hast«, erwiderte Fidelma.

»In Cashel ist doch gar nichts geschehen«, stellte der Zwerg verwirrt fest.

»Erinnere dich genau. Irgend etwas muß dort passiert sein«, sagte Fidelma eindringlich.

»Kaum der Rede wert, außer daß ich mir einen scre-pall verdient habe und dann in der Scheune geschlafen habe, ehe ich mich den Pilgern nach Imleach anschloß. Normalerweise bin ich lieber allein unterwegs, doch da es erhebliche Unruhe gab, wie ich schon sagte, zog ich lieber mit den Pilgern nach Imleach. Gemeinsam im weitesten Sinne, denn ich lief ein Stück hinter ihnen her und schwenkte die Glocke, damit sie mir nicht zu nahe kämen. Es ist schon erstaunlich, wie rasch man als Aussätziger vorankommt.«

»Nun gut«, sagte Fidelma. »Reden wir noch einmal von Cashel. Womit hast du dir den screpall verdient?«

Der Zwerg zuckte mit den Achseln. »Ich habe eine Nachricht zur Burg gebracht - zur Burg deines Bruders, Lady. Ich sollte eine Frau namens Sarait ausfindig machen und ihr die Nachricht überbringen, daß ihre Schwester sie dringend zu sehen wünscht. Das war alles.«

»Und wie hat man dich für diesen Botendienst gewonnen?«

»Ich spazierte über den Marktplatz, die Dämmerung war angebrochen, und ich war gerade erst in Cashel angekommen. Es gab nur wenig zu sehen, also ging ich direkt weiter zum Gasthaus. Ich war schon ganz nahe, da sprang mich ein Hund an.« Die Stimme des Zwerges klang verbittert. »Das geschieht häufig. Meist ist es auch kein Zufall. Die Menschen können so grausam sein und lassen absichtlich ihre Hunde frei. Egal, diesmal wurde der Hund von einer Frau zurückgerufen. Sie stand im Schatten des Gasthauses. Dann sprach sie mich an. Sie bot mir einen screpall, wenn ich eine Nachricht zur Burg bringen würde. Ich sollte nach der Kinderfrau Sarait fragen und ihr ausrichten, daß Gobnat sie unverzüglich sehen wolle. Ich glaube, sie wollte es wiedergutmachen, daß mich ihr Hund angefallen hatte. Nun, es war noch zu früh, um sich schlafen zu legen, und ich wollte auch kein Aufsehen erregen, wenn ich gleich in die Gaststube ginge. Außerdem ist ein screpall doch ein ansehnlicher Verdienst.«

»Hat die Frau mitbekommen, daß du wie ein Aussätziger einen langen Umhang trugst?«

»Ich hatte die Verkleidung für gewisse Zeit abgelegt, damit ich in Ruhe im Gasthaus essen konnte.«

»Du sagst, daß die Frau im Schatten das Gasthauses gestanden hat.«

»Genau davor, draußen.«

»Hat sie dir erklärt, warum sie die Nachricht nicht selbst überbringen wollte?«

»Wenn man mir Geld anbietet, frage ich nicht viel nach.«

»Und wie hast du die Nachricht überbracht?«

»Sie sagte mir, daß die Wachleute vor der Burg mir vielleicht irgendwelche Fragen stellen würden. Deshalb sollte ich lieber so tun, als sei ich stumm. Nun, ich habe schon mehrmals einen Stummen gespielt. Aber ich fragte sie noch, wie ich den Wachleuten klarmachen sollte, zu wem ich wollte. Offenbar war sie gut vorbereitet. Sie zog ein Stück Birkenrinde aus ihrem marsupium hervor und reichte es mir. Da stand etwas drauf.«

»Was denn?«

»Darauf stand: >Man schickt mich zu Sarait.< Etwas in der Art. Ich kann nicht beschwören, daß es genau diese Worte waren.«

»Und der Wächter ließ dich durchs Tor, als du ihm das Stück Birkenrinde vorzeigtest?«

»Ja.«

»Was hast du gemacht, um als Stummer zu gelten?«

Der Zwerg lachte. »Wie stellt ein Schauspieler wohl etwas dar? Mit seiner Miene.«

»Wie hast du Sarait gefunden?«

»Der Wächter hat mir erklärt, wie ich zu ihrer Kammer gelange. Ich fand sie schnell. Die Frau war allein, daher konnte ich ihr die Nachricht mitteilen.«

»Die wie lautete?«

»Wie ich schon sagte, daß ihre Schwester sie dringend zu sprechen wünschte.«

»Das war alles?«

»So lautete die Botschaft.«

»Wie hättest du sie übermittelt, wenn Sarait nicht allein gewesen wäre?« wollte Eadulf wissen. »Und wenn du wieder den Stummen hättest spielen müssen?«

Forindain lächelte müde. »Dann hätte ich mir etwas einfallen lassen. Doch sie war allein, und so wurde ich alles mündlich los. Ich kann auch schreiben und lesen, mußt du wissen.« Seine Stimme klang nun etwas herablassend. »Wir Schauspieler sind ziemlich gebildet.«

»Hast du dann gewartet, um Sarait zu begleiten?« fragte Fidelma.

Forindain schüttelte den Kopf. »Ich hatte mir meinen screpall verdient und kehrte ins Gasthaus zurück. Ich wollte mir dafür eigentlich ein gutes Zimmer nehmen, habe aber dann darauf verzichtet.«

Fidelma stieß einen tiefen Seufzer aus. »Du bist also gleich zum Gasthaus zurückgekehrt?«

»Ja. Dort bestellte ich mir corma und eine Suppe. Ich habe ein paar von den Pilgern gesehen, und ich hörte, wie sie über Imleach sprachen. Dann habe ich mich in einen Stall zurückgezogen. Das ist nicht so teuer wie ein Zimmer im Gasthaus. Ich fand ein warmes Plätzchen im Stroh. Ich wachte erst wieder auf, als im Hof Lärm aufkam. Ich sah Krieger, die sich mit den Pilgern unterhielten. Dann ritten sie wieder fort. Später sprach ich den Führer der Pilgergruppe an. Er hatte nichts dagegen, daß ich mich ihnen anschloß. So blieb mir nicht viel Zeit, mir die Stadt anzusehen; ich kehrte bald zu den Pilgern zurück, die aufbrechen wollten. Zu dem Zeitpunkt beschloß ich, wieder den Leprakranken zu spielen, was zwar weniger gut ist, um Essen und Unterkunft zu erhalten, aber das Reisen an sich erleichtert.« »Und du hast nichts weiter gehört? Gab es kein Geschrei?«

»Geschrei?« Der Zwerg rieb sich das Kinn. »Doch, doch, es kam, wie ich schon sagte, zu einem kleinen Tumult. Die Krieger suchten scheinbar nach jemandem. Ich wollte nicht fragen, worum es da ging. Ich war ja vorgeblich leprakrank, also habe ich mich mit niemandem unterhalten. Was hätte ich tun sollen?«

Nun herrschte Schweigen. Fidelma nickte zu Eadulf hinüber, der sagte: »Als Sarait die Burg verließ, lief sie ihrem Mörder in die Arme.«

Forindain war fassungslos.

»Ich habe sie nicht umgebracht. Ich kannte sie gar nicht. Alles, was ich sagte, ist wahr«, beteuerte er.

»Außerdem«, sagte nun Fidelma, »war sie die Amme meines Kindes, und da sie niemanden fand, der sich um das Kind kümmern konnte, hat sie es mitgenommen. Seit diesem Zeitpunkt ist mein Kind verschwunden.«

Der Zwerg stöhnte ein wenig.

»Ich ... Ich habe damit nichts zu tun. Ich habe einfach nur die Botschaft überbracht, Lady. Sonst weiß ich von nichts .«

»Mich interessiert die Frau, die dir die Nachricht an Sarait übergeben hat.«

»Ich sagte dir schon, daß sie Saraits Schwester war. Die solltest du lieber verhören.«

Nachdenklich betrachtete Fidelma den Zwerg.

»Saraits Schwester hat abgestritten, eine solche Botschaft geschickt zu haben. Beschreibe uns die Frau doch einmal.«

»Es war fast dunkel, und sie stand im Schatten des Gasthauses.«

»Hielt sie sich die ganze Zeit im Dunklen auf?«

Forindain grübelte einen Moment.

»Einmal trat sie kurz in den Lichtschein hinaus. Als sie mir die Birkenrinde reichte. Aber sie trug einen Umhang mit Kapuze, so daß ich ihr Gesicht nicht wahrnehmen konnte. Ich hatte den Eindruck, daß sie wohlgebaut war, eher klein ... Verglichen mit einer Frau von normaler Größe, meine ich«, berichtigte er sich. »Ihre Stimme klang nicht nach der eines jungen Mädchens. Jetzt erinnere ich mich. Im Licht der Laterne konnte ich kurz die Farben ihres Umhangs sehen. Ich dachte noch, daß es ziemlich ungewöhnlich sei, zu solcher Zeit und an einem solchen Ort einen solchen Umhang zu tragen.«

»Ungewöhnlich?« wollte Eadulf wissen. »Inwiefern?«

»Es war ein langer Umhang aus grüner Seide mit einer Kapuze, die ganz über ihr Gesicht fiel. Und die grüne Seide war mit roter Stickerei verziert. Der Umhang wurde von einer silbernen Schnalle mit Edelsteinen zusammengehalten. Als sie mir das Geld gab, fiel mir auf, daß sie an den Fingern Ringe trug. Ich konnte sie nicht sehen, habe sie aber gefühlt.«

Eadulf blickte Fidelma fragend an, doch sie schien ganz in ihre Überlegungen vertieft.

»Nun«, sagte er, »diese Beschreibung paßt ganz sicher nicht zu Saraits Schwester. Sie trägt eher einfache Kleidung.«

Fidelma fuhr aus ihren Gedanken auf und blickte Eadulf eine Weile an.

»Hattest du das denn erwartet?« fragte sie.

»Damit ist schlicht und einfach ausgeschlossen, daß sie in die Sache verwickelt ist, das ist alles«, entgegnete er.

»Mit irgendeinem Mord habe ich nichts zu tun, Lady«, beteuerte Forindain noch einmal. Er war nervös und hielt seine Hände verschränkt vor sich.

»Diese Frau wartete im Dunkeln, um jemanden zu finden, der eine Nachricht zur Burg bringt«, überlegte Fidelma laut. »Es scheint, daß ganz zufällig du es warst, der gerade auftauchte und diese Sache erledigen konnte.«

»Zufällig? Was soll das heißen?«

»Woher sollte sie wissen, daß ausgerechnet du dort auftauchen würdest?«

Der Zwerg verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Vielleicht war sie eine Hellseherin«, entgegnete er. »Woher soll ich das wissen?«

»Wird deine Truppe die Tournee fortsetzen?« fragte Fidelma nun. Offensichtlich wollte sie das Thema wechseln. »Werdet ihr auch nach Cashel weiterziehen?«

Forindain seufzte. »Mein Bruder war ein guter Komödiant, doch wir müssen weitermachen. Das ist die einzige Möglichkeit, uns unseren Lebensunterhalt zu sichern. Uns bleiben nur das Theater und die Jahrmärkte. Wir werden unserem ursprünglichen Plan folgen.«

»Also dürfen wir euch in Cashel erwarten?« erkundigte sich Fidelma.

»Ende nächster Woche ist Jahrmarkt in Cashel. Wir werden dort sein, Lady, es sei denn, daß man uns auf Grund der Vorfälle den Zutritt verwehrt.«

»Euch wird nichts verwehrt.« Fidelma erhob sich. »Ich würde mich im Gegenteil sehr freuen. Komm mit deinen Gefährten wieder, Forindain. Ich bedaure aufrichtig den Verlust deines Bruders.«

Forindain stand etwas unsicher auf. »Und mein Bruder Iubdan? Wird ihm Gerechtigkeit widerfahren?«

»Ich rate dir, einen anderen Namen anzunehmen und eine andere Rolle zu wählen. Ganz gewiß hat man deinen Bruder mit dir verwechselt. Das sollte niemand erfahren. Auch wenn ich glaube, daß du nun außer Gefahr bist, da wir uns unterhalten haben. Ich nehme an, daß der Täter durch den Mord einen Mitwisser ausschalten wollte. Dennoch solltest du nichts riskieren. Von nun an solltest du Iubdan sein, bis du zu mir nach Cashel kommst.«

Der Zwerg zögerte. Dann verneigte er sich leicht und verließ das Zelt.

Fiachrae schüttelte den Kopf.

»Ich habe von alldem nichts begriffen, Cousine.«

»Das ist auch das beste, Cousin«, erwiderte Fidelma feierlich. »Nichts von dem, was hier besprochen wurde, darf an die Öffentlichkeit dringen. Ich werde dich in Kenntnis setzen, sobald ich mehr weiß. So, da es schon auf Mittag zugeht, dürfen wir dich vielleicht um eine Stärkung bitten ... Etwas Eßbares«, fügte sie hinzu, da Fiachraes Blick hinüber zum Tisch wanderte, auf dem der Krug mit corma stand. »Nachdem wir dann gegessen haben, werden wir uns zurück nach Cashel begeben.«

Fiachrae blickte verwirrt drein.

»Aber der Mörder des Zwerges .?« protestierte er. »Wollt ihr nicht bleiben, um ihn zu finden?«

»Die Person, die für die Ermordung von Iubdan verantwortlich ist, müssen wir nicht in Cnoc Loinge, sondern in Cashel suchen. Mach dir keine Sorgen, Cousin. Ich werde dich benachrichtigen, sobald ich sie dingfest gemacht habe.«

Nachdem Fiachrae hinausgegangen war, um Anweisungen für das Mittagessen zu erteilen, fragte Eadulf Fidelma erstaunt: »Was willst du damit sagen?«

Fidelma blickte ihn kühl an. »Womit?«

»Daß der Mörder von Iubdan in Cashel zu suchen ist.«

»Ich sagte, daß die für den Mord verantwortliche Person in Cashel zu suchen ist.«

Eadulf atmete tief aus. »Soweit ich das beurteilen kann, stecken wir in einer Sackgasse. Jemand hat den unschuldigen Zwerg zur Burg geschickt, um Sarait zu ihrem Mörder hinauszulocken. Wenigstens haben wir nun erfahren, daß man nicht Alchu entführen wollte, sonst hätte die Botschaft gelautet, das Kind mitzunehmen. Es war purer Zufall, daß Sarait niemanden antraf, dem sie das Kind anvertrauen konnte, und es mitnehmen mußte.«

Fidelma sah ihn nachdenklich an.

»Da magst du recht haben, diesen Punkt muß man unbedingt im Auge behalten«, meinte sie.

»Aber es gibt keine Spur. Nicht die geringste.«

»Ganz im Gegenteil«, widersprach ihm Fidelma. »Ich glaube, daß mich die Beschreibung der Kleider jener Frau am Gasthaus genau zu der Person führen wird, die solche ungewöhnlichen Kleider trägt.«

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