Kapitel 10

Der Kellner servierte ihm die Rühreier mit Schinken und goß ihm Kaffee ein. Dann ließ er Maxwell allein. Durch das breite Fenster konnte er den Mendota-See sehen, eine glasblaue Fläche, an deren Ende die schwachen Umrisse purpurner Hügel aufstiegen. Ein Eichhörnchen lief über den Stamm der knorrigen Eiche, die direkt vor dem Fenster stand. Es hielt an, den Kopf nach unten gerichtet, und starrte den Mann am Tisch mit seinen Knopfaugen an. Ein braunrotes Eichenblatt schaukelte gemächlich in die Tiefe. Am Felsufer gingen ein Junge und ein Mädchen Hand in Hand durch die Morgenstille.

Es wäre höflich und zivilisiert gewesen, dachte Maxwell, Longfellows Einladung zum Frühstück anzunehmen. Aber der Sekretär reichte ihm bis obenhin, und er hatte allein sein wollen, um über seine Lage nachzudenken.

Es war verständlich, daß man seine Stelle nach dem Tod des ersten Peter Maxwell vergeben hatte. Schließlich mußten die Vorlesungen weiterlaufen. Lücken durfte es nicht geben. Aber man hätte sicher eine andere Stelle für ihn gefunden. Die Tatsache, daß man sich nicht darum gekümmert hatte, war ihm ein Beweis, daß man ihn nicht auf der Erde haben wollte.

Merkwürdig war auch, daß man so schnell von seiner Rückkehr erfahren hatte. Schließlich war er erst am Vorabend angekommen. Das bedeutete, daß jemand die Verwaltung darauf aufmerksam gemacht hatte — jemand, der ihn loshaben wollte, der befürchtete, daß er im Wege stand. Doch wem sollte er im Wege stehen? Es gab nur eine Antwort darauf — und sie war so glatt und einfach, daß er sie nicht glauben wollte. Aber so gründlich er überlegte, er kam immer wieder zu dem gleichen Schluß: Es mußte noch jemand von dem Schatz auf dem Kristallplaneten wissen. Und dieser Jemand versuchte, ihn für sich zu kassieren.

Ein Name fiel Maxwell ein. Carol hatte gesagt, daß Churchill irgendwie mit dem Angebot zu tun hatte, das dem Zeit-College für das Ding gemacht worden war. Konnte es sein, daß das Ding den Preis für das Wissen des Kristallplaneten darstellte? Möglich war es.

Daß Churchill an dem Handel beteiligt war, erstaunte ihn kaum. Der Mann war dafür bekannt, daß er Geschäfte erledigte, bei denen sich der eigentliche Auftraggeber nicht zeigen wollte oder konnte. Er hatte mächtige Verbindungen auf den verschiedensten Welten und bekam sicher manchen wertvollen Fingerzeig.

Hinter sich hörte Maxwell das Trappeln von vielen harten Füßchen, und als er sich umdrehte, sah er, wie das Geschöpf über die roten Kacheln auf ihn zueilte.

Es sah aus wie eine übergroße Garnele. Es hatte Gliedmaßen, die durch mehrere Gelenke verbunden waren und sonderbar geknickt aussahen, dazu einen komisch vorgeneigten Körper mit langen Tastorganen und einem flachen Kopf. Es war käsig-weiß, und drei kugelförmige, schwarze Augen saßen an den Enden von langen Fühlern.

Neben dem Tisch blieb es stehen, und die drei Fühler schwenkten herum, so daß die Augen Maxwell betrachten konnten.

Während es mit hoher, dünner Stimme sprach, zitterte die Haut über der Kehle. »Ich erhielt Information, daß dies hier Professor Maxwell ist.«

»Die Information stimmt«, sagte Maxwell. »Ich bin Peter Maxwell.«

»Ich bin ein Eingeborener der Welt, die Sie Speerspitze Siebenundzwanzig nennen. Mein Name ist von keinerlei Bedeutung für Sie. Ich erscheine vor Ihnen, um eine Botschaft meiner Herrin zu übermitteln. Sie kennen Sie unter dem Namen Miß Nancy Clayton.«

»Das stimmt«, sagte Maxwell und dachte, daß es typisch für Nancy Clayton war, ein so fremdartiges Geschöpf für ihre Botengänge zu beschäftigen.

»Ich halte mich hier auf, um zu lernen«, erklärte die Garnele. »Ich nehme jede Arbeit an, die sich bietet.«

»Das ist löblich«, sagte Maxwell.

»Ich arbeite an der Zeit-Mathematik«, verkündete die Garnele. »Ich konzentriere mich auf Weltlinien-Konfigurationen. Ich bin schon völlig erschöpft davon.«

Die Garnele sah alles andere als erschöpft aus.

»Weshalb das Interesse?« fragte Maxwell. »Erbgut? Oder ein besonderer Charakterzug Ihres Volkes?«

»O ja, und ob. Es ist eine umwälzend neue Idee. Auf meiner Welt gibt es Zeit nicht. Ich war schockiert, als ich von dem Begriff erfuhr. Und voller Erregung. Aber mein Abschweifen ist tadelnswert. Ich habe eine Botschaft zu übermitteln. Miß Clayton wünscht zu wissen: Können Sie am Abend des heutigen Tages einer Party beiwohnen? Um acht Uhr, in ihrem Haus.«

»Ich glaube schon«, sagte Maxwell. »Richten Sie ihr aus, daß ich keine ihrer Parties gern versäume.«

»Die Freude ist groß«, sagte die Garnele. »Sie hat Ihre Gegenwart so herbeigewünscht.«

»Aha«, sagte Maxwell.

»Sie waren schwer zu finden. Ich bin schnell und bis zur Erschöpfung gelaufen. Ich habe an vielen Orten gefragt. Endlich war mir Sieg beschieden.«

»Tut mir leid, daß Sie solche Mühe hatten«, sagte Maxwell.

Er holte einen Schein aus der Tasche. Das Geschöpf nahm ihn vorsichtig mit einer Schere, faltete ihn und steckte ihn in einen kleinen Beutel, den es umhängen hatte.

»Sie sind über Erwartung freundlich«, piepste es. »Da ist noch eine Information. Anlaß für die Party ist die Enthüllung eines Bildes, das erst vor kurzem erstanden wurde. Das Gemälde war lange Zeit verschollen und ist erst vor kurzer Zeit aufgetaucht. Von Esquire Albert Lambert. Großer Triumph für Miß Clayton.«

»Das kann ich mir denken«, sagte Maxwell. »Miß Clayton ist Spezialistin für Triumphe.«

»Als Herrin ist sie sehr wohlwollend«, erwiderte die Garnele vorwurfsvoll.

»Davon bin ich überzeugt.«

Das Geschöpf drehte sich schnell herum und trappelte aus dem Raum. Maxwell hörte es die Treppe hinunterhopsen.

Er stand ebenfalls auf und ging auf die Treppe zu. Wenn er der Enthüllung eines Gemäldes beiwohnen sollte, dann war es besser, sich genau über den Künstler zu orientieren. Mit einem Grinsen dachte er, daß das so ziemlich jeder von Nancys Gästen tun würde, sobald er die Einladung bekam.

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