12. KAPITEL

Und wieder war Montag, der Tag der großen Gelegenheiten, an dem unsere Erben die Chance hatten, noch einmal etwas von dem riesigen Vermögen Samuel Stones zu gewinnen. Sie saßen beim Frühstück auf der Terrasse. „Ich hoffe, wir können das heutige Rätsel schnell lösen", sagte die Witwe. „Ich muß noch eine Menge einkaufen. Ich brauche noch einen weiteren Nerzmantel."

„Und ich möchte meinen neuen Ferrari ausprobieren", sagte der Neffe. „Ein Prachtstück. Ihr seid alle zu einer Fahrt eingeladen."

„Ich möchte raschestens in mein neues Bürogebäude zurück", sagte der Anwalt. „Das wird mir viele neue Mandanten bringen."

Und dann sahen sie alle erwartungsvoll David an. „Mein Anteil am Erlös kam der Wohltätigkeit zugute", sagte David. .. „Ach, du Narr!" sagte der Neffe.

„Mag schon sein", sagte David achselzuckend, „aber andere Menschen haben dieses Geld nötiger als ich."

Der Butler kam heraus und sagte: „Entschuldigen Sie, aber es ist Zeit für Samuel Stones Videoband."

„Ja." Sie standen auf und begaben sich in die Bibliothek.

„Ich frage mich, was er diesmal aus dem Ärmel zieht", sagte der Neffe.

„Wir werden es gleich wissen", sagte der Anwalt. Sie nahmen ihre üblichen Plätze ein. Der Butler legte das Band in den Videorecorder und stellte an. Samuel Stone erschien wieder auf dem Bildschirm. „So", sagte er, „dies ist nun das letzte Mal, daß ihr Hinweise für eine Schatzsuche von mir bekommt. Ich hoffe nur, ihr habt bisher überhaupt nichts gefunden. Der Gedanke, mein Geld an euch verschwenden zu müssen, ist mir ausgesprochen zuwider." Sein Blick richtete sich auf die Stelle, wo David saß. „Speziell an dich, David. Bei dir muß man ja leider annehmen, daß du das schöne Geld an die bedürftigen Armen verschleuderst. Aber mein Motto ist: Denen, die nichts haben, muß man nicht auch noch etwas geben." Er seufzte. „Na gut, ich kann ja ohnehin nichts mehr dagegen machen." Dann kam er zur Sache. „Wenn ihr das heutige Rätsel lösen wollt, müßt ihr ein wenig reisen, aber ihr braucht keinen Paß dafür. Ist auch allmählich Zeit. Fragt Mr. Yamamoto." Seine Augen wanderten über den ganzen Raum hin. „Und damit wünsche ich euch allen wenig Glück." Und der Bildschirm war dunkel.

„Das ist alles?" kreischte die Witwe. „Wir sollen eine Reise ohne Paß machen? Das nennt der einen Hinweis?" „Wer ist Mr. Yamamoto?" fragte der Neffe. Er wandte sich an den Anwalt: „Ist das vielleicht ein Geschäftspartner von Onkel Samuel gewesen?"

Der Anwalt verneinte kopfschüttelnd. „Nie gehört."

„So wenig wie ich", knurrte die Witwe. „Wie, glaubt er, sollen wir mit so mickrigen Hinweisen etwas finden?"

Und wieder einmal war es allein David, der sie beruhigte. „Der erste Schritt ist, Mr. Yamamoto zu finden."

„Richtig."

Wieder einmal rannten sie alle zum Telefonbuch. In dem standen mindestens ein halbes Dutzend Yamamotos. Der Neffe wollte schon gleich wieder als erster los, aber David sagte: „Warte noch. Wenn wir das herausbekommen wollen, sollten wir zusammenhalten. Und wenn wir das Geld finden, teilen wir es redlich. Einverstanden?"

Damit waren, nachdem sie einander angesehen hatten, alle einverstanden.

Die Witwe sagte: „In Ordnung, David, wir spielen fair." Bei sich aber dachte sie: Ich muß mir etwas ausdenken, wie ich alle Anteile für mich allein einkassieren kann.

Der Anwalt nickte. „Sie hat recht, David. Wir wollen gerecht und gleich teilen." Und bei sich dachte er: Ich muß mir etwas ausdenken, wie ich alles allein behalten kann.

Und auch der Neffe sagte: „Wir sind alle zu gleichen Teilen dabei." Aber bei sich dachte er: Nicht, wenn ich es verhindern kann!

Und damit gingen sie alle los, jeder mit dem Vorsatz, die anderen um ihren Anteil zu betrügen. Mit Ausnahme von David.

Der erste Yamamoto im Telefonbuch besaß ein Gewächshaus mit Blumen und Pflanzen. Ein untersetzter junger Japaner arbeitete dort, als sie ankamen.

„Mr. Yamamoto?" fragte der Anwalt. Der Mann blickte auf. „Ja?"

Der Anwalt wußte nicht so recht, wie er beginnen sollte. „Wir sind hier, weil... "

„Sie möchten Pflanzen kaufen?"

„Nicht eigentlich", sagte die Witwe: „Samuel Stone schickt uns. Sie kennen Mr. Stone doch, nicht wahr?" „Bedaure, nein."

Sie sahen einander an. „Na gut, keine Ursache. Vielen Dank." Die zweite Adresse war die Holzverarbeitungsfirma Yamamoto. Ein hünenhafter Japaner lud Baumstämme auf einen Laster. „Mr. Yamamoto?" Er wandte sich um. „Ja?"

Der Anwalt führte wieder das Wort. „Wir sind Freunde von Samuel Stone."

Der Japaner musterte sie. „Ja, und was wollen Sie?"

Die Witwe sagte: „Wir wollen das, was Sie von Mr. Stone in Verwahrung haben."

„Keine Ahnung, wovon Sie reden", sagte dieser Mr. Yamamoto. „Ich habe noch nie etwas von einem Samuel Stone gehört."

Auch ihre nächste Station brachte sie nicht weiter. Es war ein Restaurant, und der Inhaber Yamamoto war gerade mit der Zubereitung von Sushi beschäftigt.

„Tja", sagte er, „ich habe eine Menge Gäste, aber von einem Samuel Stone habe ich noch nie etwas gehört." Da standen sie wieder mit leeren Händen da. „Jetzt haben wir nur noch eine Adresse", sagte David. Die Adresse des letzten Yamamoto auf ihrer Liste war ein College. Als sie dort ankamen, wurden sie in ein Zimmer in einem der zu dem College gehörenden Gebäude geführt. Bei ihrem Eintritt in. eines der Klassenzimmer sahen sie sich einem kleinen, alten Herrn gegenüber, der an einem Schreibtisch saß und schrieb.

„Entschuldigen Sie die Störung", sagte David. Mr. Yamamoto blickte auf. „Ja? Kann ich etwas für Sie tun?" „Das wissen wir nicht genau", sagte David, der sich in dem Klassenzimmer umsah. Er dachte: Also, an Colleges war Samuel Stone ja nun nicht gerade interessiert. Vermutlich waren sie hier ebenfalls wieder an der falschen Adresse. „Sie haben nicht zufällig Samuel Stone gekannt?" fragte er dann. Der alte Herr stand auf. „Ach so, Sie kommen von Samuel Stone?"

Die Witwe fragte sogleich drängend: „Sie kennen ihn also?" „Sehr gut sogar, Samuel Stone hat eine meiner Erfindungen finanziert. Sie ist fast fertig. Ich war sehr betrübt, als ich von seinem Tod las. Er hat sie nie mehr gesehen." „Nun ja",. sagte der Anwalt, „dies hier sind seine Erben. Also gehört diese Erfindung jetzt ihnen."

„Können wir sie mal sehen?" fragte der Neffe neugierig. „Haben Sie sie hier?"

Die Witwe war sofort sehr viel direkter. „Wieviel ist sie wert?" Doch Mr. Yamamoto sagte achselzuckend: „Schwer zu sagen. Genaugenommen ist sie unbezahlbar."

„Habt ihr das gehört?" rief der Neffe. „Unbezahlbar!" Und er sah bereits im Geiste vor sich ganze Armeen von Autos, schönen Mädchen und Jachten.

„Könnten wir also mal einen Blick darauf werfen?" fragte David.

Der kleine alte Mann verbeugte sich. „Gewiß doch, da sie nun Ihnen gehört. Wenn Sie mir bitte folgen wollen."

Sie folgten ihm hinaus und durch einen langen Korridor bis zu einer großen Garage. In deren Mitte stand ein Auto. Es sah alt, staubig und abgefahren aus.

„Hier", sagte Mr. Yamamoto.

„Was denn?" stammelte der Neffe, als er den Mund wieder zubrachte. „Das nennen Sie eine Erfindung? Das dürfte eine der häßlichsten Blechkisten von Auto sein, die ich je gesehen habe."

„Es ist ein ganz besonderes Auto", sagte Mr. Yamamoto. Aber auch die Witwe höhnte: „Unbezahlbar, wie? Wenn man für dieses Wrack noch hundert Dollar bekommt, muß man froh sein." Sie wandte sich angewidert den anderen zu. „Das ist so typisch Samuels Idee von einem schlechten Scherz. Auf unsere Kosten!" Zu dem Professor sagte sie: „Wenn Samuel Ihnen für den Zusammenbau dieses Schrotthaufens mehr als hundert Dollar gab, haben Sie ihn sauber hereingelegt." Der Neffe meinte: „Na ja, zumindest können wir das Ding zum Heimfahren benutzen."

„Ach", schimpfte die Witwe, „den Kasten möchte ich nicht einmal vor dem Haus geparkt wissen. Was sollen die Nachbarn denken? Daß wir schon auf dem letzten Loch pfeifen?" Aber dann stiegen sie doch nacheinander ein. Der Neffe saß am Steuer.

„Ich erkläre Ihnen, wie es funktioniert", sagte Mr. Yamamoto. „Ach was, ich fahre seit Jahren", tat ihn der Neffe ab. „Ich brauche keine Erklärungen. Leben Sie wohl, Professor!" Und er drehte den Zündschlüssel um.

Eine Rauchwolke puffte hoch, und etwas donnerte und röhrte los, als hätte sich der Himmel aufgetan. Und sie fanden sich im Weltraum, taumelnd und sich endlos überschlagend. Es schien überhaupt nicht mehr aufzuhören.

Bis es dann einen plötzlichen Ruck gab.

Sie standen auf einem großen Feld, und Leute in Toga und mit Pferdewagen kamen ihnen entgegengeeilt.

„Wo sind wir?" begehrte die Witwe zu wissen.

David sah sich um. „Ich würde sagen, im Kolosseum des Alten Rom." Er blickte auf ihr seltsames Fahrzeug. „Das hier ist eine Zeitmaschine!"

„Mach keine faulen Witze!" rief der Neffe.

Die ersten Pferdewagen waren bei ihnen angekommen. „Was ist denn das? Was seid ihr für Leute?"

„Wir sind Besucher", sagte der Anwalt, der seine Angst zu verbergen suchte.

„Warum seid ihr so seltsam gekleidet, ihr Besucher?" fragte der Anführer und sagte zu seinen Leuten: „Nehmt sie fest!" Und so fanden sich alle vier gefesselt und in den Kerker abgeführt.

„Ich werde dem großen Cäsar von euch berichten", sagte der Anführer. „Dann kann er selbst entscheiden, was mit euch geschehen soll." Und er ließ sie allein. Außer ihnen war niemand in ihrem Verlies. „Warum hat Mr. Yamamoto denn nichts davon gesagt, daß seine Erfindung eine Zeitmaschine ist?"jammerte der Neffe. „Weil du ihm gar keine Zeit dazu gelassen hast!" fauchte ihn die Witwe an. „Er wollte dir doch erklären, wie es funktioniert. Aber nein, du wußtest ja alles, nicht?"

„Was sie hier wohl mit uns machen?" fragte der Anwalt. Auch David dachte darüber nach. Würde man ihnen ihre Geschichte glauben? „Ich weiß nicht", antwortete er dem Anwalt. „Ich denke, sie werden uns freilassen." Nach einer Stunde kam der Wachhabende wieder. Er lächelte ihnen zu. „Ich habe mit dem großen Cäsar gesprochen", sagte er. „Er läßt euch hinaus."

„Oh, das ist wunderbar!" rief die Witwe. „Übermitteln Sie ihm doch unbedingt unseren Dank!" „Folgt mir!" sagte der Wachhabende.

„Da haben wir Glück gehabt", sagte der Neffe. „Ich dachte schon, sie haben etwas Schlimmes mit uns vor. Ihr wißt doch, diese alten Römer gelten als ziemliche Barbaren!"

Der Wachhabende führte sie direkt in die Arena. Die Ränge waren voller Menschen. „Wartet hier", sagte er.

„Vielen herzlichen Dank", erklärte der Anwalt. „Wenn wir jemals etwas für Sie tun können..." ..

„Kommt", sagte die Witwe. „Machen wir, daß wir wegkommen."

Als sie durch die Arena gingen, öffnete sich am anderen Ende ein Käfig, und daraus kamen vier Löwen hervor. „Sie sehen aus wie Löwen", sagte die Witwe. „Das muß hier so eine Art Zoo sein, oder?"

David blickte auf die jubelnde Menschenmenge und wurde blaß. „Sie werfen uns den Löwen vor!" sagte er. „Was?" kreischte die Witwe. „Das können sie doch nicht machen!"

„Haben sie aber gerade gemacht", sagte der Anwalt. Die Löwen kamen bereits auf sie zu.

David sah sich um. In der ersten Reihe saß ein Mann in einer Toga mit einer goldenen Krone auf dem Kopf. „Das muß Cäsar sein", sagte er. Die Löwen kamen schnell näher.

„Die fressen uns!" schrie die Witwe.

David rannte auf die Loge Cäsars zu und sagte zu ihm: „Großer Cäsar, wenn du uns von den Löwen fressen läßt, kostet dich dies das Lösegeld für einen König in Gold!"

„Wovon redest du?" sagte Cäsar streng.

„Wir haben Gold mitgebracht. Tonnenweise."

Cäsars Miene wurde freundlicher. „Tonnenweise?"

„Ja. Laß die Löwen wegschaffen."

Cäsar rief den Wachhabenden. „Laß die Löwen wegschaffen." „Ja, mächtiger Cäsar!"

David wartete, bis die berittenen Soldaten die Löwen zurück in ihren Käfig getrieben hatten.

„Also", sagte Cäsar, „zeige mir dein Gold!"

„Es ist in dem Automobil, in dem wir gekommen sind."

Cäsar sah ihn verdutzt an. „Automobil? Was ist das?"

Jetzt wurde David erst wieder bewußt, daß in dieser Zeit das Auto ja noch gar nicht erfunden war.

„Ich zeige es dir, hoher Herr, wenn deine Leute mich dorthin bringen, wo wir angekommen sind."

Cäsar gab seinem Wachhabenden einen entsprechenden Befehl. „Bringe sie dorthin, wo ihr sie aufgegriffen habt, aber behaltet sie im Auge. Ich will dieses Gold haben. Haben sie keines, dann bringt sie hierher zurück, und sie werden den Löwen vorgeworfen."

„Was tust du denn da?" flüsterte der Neffe David zu. „Wir haben doch gar kein Gold!"

„Sie bringen uns alle in Teufels Küche!" zischte auch der Anwalt.

David aber sagte nur: „Pst! Laßt mich nur machen." Man brachte sie wieder zu ihrem Automobil. Die Soldaten beäugten es total verständnislos. Das war schon ein sehr eigenartiges Gebilde.

„Also, wo ist das Gold?" fragte der Wachhabende. „Gleich!"

sagte David. Er bedeutete den anderen einzusteigen. Der Neffe saß wieder am Steuer.

„Jetzt!" sagte David.

Der Neffe drückte auf den Anlasser.

Aber nichts geschah.

„Wo das Gold ist, habe ich gefragt?" forschte der Wachhabende bereits ungeduldig.

„Kommt ja gleich!" sagte David.

Der Neffe drückte auf einen anderen Knopf.

Wieder passierte nichts.

Er drückte sämtliche Knöpfe.

Dem Wachhabenden wurde es zu dumm. „Gut", sagte er, „aussteigen, alle. Zurück zu den Löwen." Schließlich drückte der Neffe auch noch auf den allerletzten Knopf, den es gab.

Und eine Rauchwolke puffte heraus, und das Auto verschwand.

Die Wachen starrten wie vor den Kopf geschlagen auf die Stelle, wo eben noch das Auto gewesen war.

Die vier aber wirbelten wieder durch Zeit und Raum, und in ihren Ohren dröhnte es.

„Sind wir auf dem Heimweg?" rief die Witwe.

„Wie soll ich das wissen?" rief der Neffe zurück. „So ein Ding habe ich schließlich noch nie gefahren."

Dann gab es einen Plopp, und sie standen.

„Gott sei Dank!" sagte der Anwalt. „Wir sind gerettet."

Aber als er aufblickte, sah er einen riesigen Dinosaurier, dessen Kopf hoch oben in der Luft war, auf sie zukommen.

„Um Himmels willen, seht euch das an!" schrie die Witwe.

„Wir sind in der Steinzeit gelandet!" Und der Neffe bekam ihre Ansicht gleich wieder zu hören: „Du und deine Fahrkünste!"

„Wir machen besser, daß wir fortkommen!" sagte David.

Der Neffe drückte hektisch auf allen möglichen Knöpfen herum, doch es passierte gar nichts. Und der Dinosaurier kam bereits bedrohlich näher.

„Rennt um euer Leben!" schrie der Anwalt.

Alle sprangen aus dem Automobil und flüchteten, so schnell sie konnten, in den Dschungel. Das Gras wuchs höher, als ihre Köpfe waren, die Bäume schienen direkt in den Himmel zu reichen.

„Also so hat die Welt vor Tausenden Jahren ausgesehen", sagte David bewundernd.

Und dann standen ihnen plötzlich ein halbes Dutzend Steinzeithöhlenmenschen gegenüber. Sie stießen böse, bedrohliche Laute aus und trugen schwere Keulen. Und kamen immer näher.

„Wir sind Freunde!" rief ihnen David laut entgegen. Aber die Höhlenmenschen verstanden sie natürlich nicht. Noch war ja die Sprache nicht erfunden. David hob in einer Geste des Ergebens die Hände hoch. Aber einer von den Höhlenmenschen schlug ihm einfach seine Keule auf den Kopf, und den anderen ging es genauso.

Sie kamen erst in einer Höhle wieder zu sich. Lauter Höhlenmenschen, auch Frauen, standen um sie herum und ließen sie nicht aus den Augen. Einer fraß rohes Fleisch von einem Tier, das sie gerade getötet hatten. Sie hörten die seltsamen Geräusche des Dschungels draußen und merkten, wie die Höhlenmenschen begierige, hungrige Blicke auf sie warfen. Einer faßte die Witwe am Arm an, um zu sehen, ob sie auch gut im Fleisch sei. Er leckte sich bereits die Lippen.

„Die wollen uns fressen!" schrie die Witwe und sagte zu David: „Du bist doch immer der große Gescheite! Tu etwas! Sag denen, wer wir sind!" „Wie denn?" antwortete David. „Die haben doch noch gar keine Sprache!"

Es kamen ständig mehr Höhlenmenschen herein und stellten sich um sie herum.

„Sie haben etwas vor!" sagte der Neffe. „Wahrscheinlich wollen sie uns umbringen."

„Das ist gesetzlich verboten!" protestierte der Anwalt.

Der größte Höhlenmensch kam näher und hob drohend seine Keule.

„Jetzt ist es soweit!" schrie die Witwe. „Wir müssen sterben!" Aber genau jetzt hatte David eine Eingebung. Er griff in die Tasche, holte sein Feuerzeug heraus und zündete es an. Die Flamme sprang auf, und die Höhlenmenschen wichen angstvoll zurück. David ließ die Flamme ausgehen und schnippte sie dann wieder an. Die Höhlenmenschen wichen noch weiter zurück und stießen seltsame, kehlige Laute aus. „Wir sind Götter!" sagte David zu ihnen, „und wenn ihr nicht weggeht, vernichten wir euch!"

Die Wörter verstanden sie zwar nicht, aber sie verstanden, daß diese seltsamen Fremden Feuer aus ihrer Hosentasche holen konnten. Und sie waren verängstigt. Sie begannen, sich ehrfürchtig vor ihnen zu verbeugen.

„Schon besser", sagte David und stand auf. „Und jetzt weg von hier."

Sie gingen zurück in den Dschungel. Die Höhlenmenschen und ihre Frauen folgten ihnen.

Sie sahen Riesenvögel. am Himmel, gewaltige Tiere und noch mehr Dinosaurier. Das Gebrüll dieser Kreaturen war ohrenbetäubend. Die vier schafften es durch den Dschungel bis auf die Lichtung zu ihrem Automobil und stiegen ein. „Rasch!" drängte die Witwe. „Nichts wie weg." Der Neffe setzte sich ans Steuer und drückte alle Knöpfe, und wieder passierte nichts.

Eine fast drei Meter hohe Echse kam auf sie zu und züngelte heftig.

„Nun beeile dich doch endlich!" rief die Witwe in Angst. „Ich versuche es ja!" sagte der Neffe. „Ich versuche es." Heftig drückte er weiter die Knöpfe.

Die Echse kam immer näher, sie konnten schon ihren heißen Atem spüren. Und gerade, als sie zu ihnen in den Wagen klettern wollte, fand der Neffe endlich doch noch den richtigen Knopf. Es gab einen Rauchblitz, und sie waren verschwunden.

Auch dieses Mal sahen sie sich durch Raum und Zeit purzeln und hörten das laute Dröhnen um sich herum.

„Sind wir jetzt auf dem Heimweg?" fragte die Witwe.

„Ich weiß es nicht!" antwortete der Neffe.

Just in diesem Augenblick landeten sie mit einem Plumps.

„Zumindest sind wir jetzt in Sicherheit", sagte der Anwalt.

Sie sahen sich um.

Aber da kamen kleine, grüne Männchen auf sie zu. „Großer Gott!" stammelte der Neffe. „Wir sind auf dem Mars!" Sie sahen zum Himmel empor. Dort sauste gerade eine fliegende Untertasse vorüber.

„Ob dies der Mars ist, weiß ich nicht", sagte David. „Aber jedenfalls sind wir auf einem merkwürdigen Planeten. Ich habe stark den Eindruck, wir sind in der Zukunft." „Ganz egal, was es ist" sagte die Witwe, „mir gefällt es jedenfalls nicht. Ich will nach Hause."

Die kleinen, grünen Männchen waren schon ganz nahe. Sie hatten den Mund offen, aber es kam kein Ton heraus. Doch eigenartigerweise konnte man trotzdem verstehen, was sie dachten.

Einer dachte: Aha, wir haben Besuch.

Der zweite: Wir wollen sie heute abend bei unserem Bankett haben.

„Na; ist das etwa nicht nett?" sagte der Anwalt. „Sie laden uns zu einem Bankett ein."

Das dritte der grünen Männchen aber dachte: Sie werden köstlich schmecken.

Die Witwe kreischte auf: „Wieso wollen uns alle überall auffressen?"

David versuchte den grünen Männchen seinerseits etwas zuzudenken. Wir kommen als Freunde. Wir tun euch nichts. Das erste grüne Männchen jedoch dachte: Die Frau hebe ich mir als Nachspeise auf.

Das zweite grüne Männchen dachte: Kommt erst mal aus eurem Gerät da heraus.

„Nicht aussteigen!" warnte David sofort die anderen. Die grünen Männchen waren fast schon über ihnen. „Schnell!" warnte David. Er schob den Neffen beiseite, setzte sich selbst ans Steuer und fing an, die Knöpfe des Armaturenbretts zu drücken.

Eine Rauchwolke und ein Lichtblitz, und sie waren verschwunden.

Mist, dachten die kleinen, grünen Männchen, da geht unser Abendessen hin.

Erneut wirbelten und purzelten sie durch Raum und Zeit mit dem dröhnenden Getöse des Weltalls um sich herum. „Ich halte das nicht mehr aus!" jammerte die Witwe. „Bitte, ich will nach Hause! Es ist mir egal, ob ich jemals noch einen einzigen Dollar vom Erbe Samuel Stones sehe oder nicht. Meinetwegen könnt ihr alles haben!"

„Ich auch!" rief der Neffe. „Meinen Anteil könnt ihr ebenfalls haben!"

„Auch ich will einfach nur nach Hause!" sagte der Anwalt. „Meinen Anteil schenke ich euch!"

Sie rasten immer schneller, bis ihnen allen schon ganz schwindlig war. Und dann riß auf einmal der Himmel auf, und sie landeten mit einem Ruck. Und nun waren sie wieder in der Garage, wo ihre Zeitreise begonnen hatte, und da stand auch Mr. Yamamoto und erwartete sie.

„Geschafft!" rief die Witwe aus. „Wir haben es geschafft! Wir sind wieder da, und wir sind reich, reich!"

„Wir erlösen bestimmt Millionen für diese Maschine!"

„Hunderte Millionen!" verbesserte der Anwalt.

„Moment mal!" sagte David. „Gerade habt ihr alle noch gesagt, daß alles Geld mir gehört!"

„Ja, aber das war doch nur, als wir dachten, wir müßten sterben", sagte die Witwe unschuldig.

„Tut mir sehr leid", sagte David. „Aber alles, was ich dafür erlöse, kommt der Wohltätigkeit zugute."

„Sie meinen, Sie wollen alles spenden?" erkundigte sich der Anwalt ganz entsetzt. „So ist es", sagte David.

„Hat Ihnen die Fahr! gefallen?" fragte Mr. Yamamoto.

„Es war sehr interessant", sagte David. „Interessant und lehrreich. Was haben Sie mit der Maschine vor?"

„Die Universität will sie kaufen", erläuterte, Mr. Yamamoto.

„Sie wollen damit experimentieren und weitere bauen."

„Wieviel wollen sie dafür geben?" fragte David. „Sie haben zehn Millionen Dollar angeboten." „Sagen Sie, ich akzeptiere."

Die Witwe starrte ihn sprachlos an. „Soll das etwa heißen, Sie wollen alles für sich behalten?"

„Nicht für mich", berichtigte sie David. „Sondern für diejenigen, die es nötiger haben als ich." Es war früher Morgen. Sie konnten es David nicht mehr ausreden. Er erhielt die zehn Millionen Dollar und spendete sie der Stiftung Samuel Stone für die Obdachlosen.

Das war nun alles, was ihnen vom ganzen Vermögen, Samuel Stones geblieben war.

„Er muß sich schön amüsiert haben", sagte die Witwe verbittert, „wenn er zugesehen hat, welchen Mühen wir uns unterzogen haben."

„Da bin ich ganz sicher", lächelte David. Und hatte völlig recht damit.

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