Sind wir alle bereit, den weiteren Abenteuern unserer geldgierigen Mieslinge zu folgen? „Geldgierige Mieslinge" ist ja noch sanft ausgedrückt. Sie bestehen aus der Witwe Samuel Stones, seinem Neffen, seinem Anwalt und - dem einzigen Anständigen der ganzen Kumpanei - David, der seine eigene Stiftung Samuel Stone verwaltet und leitet. Samuel Stone, einer der reichsten Männer der Welt, ist tot, aber nicht vergessen. Er hat dafür gesorgt, daß er nicht vergessen wird. Er hat sein Testament auf Videokassetten aufgenommen. Es wird seinen Erben über den Bildschirm bekanntgemacht. Jeden Montag müssen sie sich in der Bibliothek seines Hauses versammeln, um den Hinweisen des alten Mannes für eine Schatzsuche nach seinem Vermögen in Etappen zu lauschen.
An diesem Montag waren sie also wieder alle versammelt, und jeder hoffte, selbst den nächsten Teil des Vermögens zu finden und für sich zu ergattern und nicht mit den anderen teilen zu müssen.
Der Butler stellte den Fernseher an, und Samuel Stones Kopf erschien auf dem Bildschirm.
„Nun", sagte seine Stimme, „da seid ihr wieder alle, nehme ich doch an, und wartet wie die Geier darauf, mein Geld in die Klauen zu bekommen. Aber ich habe auch weiterhin nicht vor, es euch leichtzumachen. Ihr müßt euch schon ein wenig anstrengen, um herauszufinden, worum es diesmal geht." Sein Blick richtete sich auf den Platz Davids. „Der einzig Intelligente von euch ist David. Aber dessen Problem ist, daß er nicht selbstsüchtig genug ist. Er glaubt an Barmherzigkeit und Wohltätigkeit, doch wenn es etwas gibt, das ich hasse, dann, mein Geld den Armen hinzuwerfen. Na ja. Also fangen wir an."
Er beugte sich etwas vor. „Das Leben ist kurz. Das habe ich herausgefunden. Also, laßt es euch nicht verbarrikadieren und genießt es, selbst wenn es auf ungesetzliche Weise geschieht.
Das ist euer Hinweis für diese Woche. Dann mal los!"
Der Butler schaltete den Fernseher aus. Die Witwe war ein weiteres Mal die erste, die empört auf den Bildschirm starrte.
„Das soll alles sein?" zeterte sie wieder. „Was für ein Hinweis ist das? Der sagt uns doch überhaupt nichts!"
„Er muß uns etwas sagen", erklärte David.
Der Neffe meldete sich. „Alles, wovon er redete, waren Bars und Genießen." Sein Gesicht hellte sich auf. „Ich hab's! Der Schatz ist in irgendeiner Bar versteckt!"
„Könnte sein", meinte der Rechtsanwalt.
„Wie viele Bars gibt es denn hier in der Gegend?" erkundigte sich David.
„Vier", antwortete der Neffe wie aus der Pistole geschossen. „Nehmen wir sie uns mal unter die Lupe und erforschen, was Onkel Samuel gemeint hat."
„Viel ist es nicht, was er sagte", erklärte der Anwalt. „Ja; aber es ist alles, was wir wissen", stellte die Witwe fest. „Ich schlage vor", sagte David, „damit wir Zeit sparen, daß wir alle getrennt in eine dieser Bars gehen und uns umsehen, was wir dort finden können." „Gute Idee!" riefen alle anderen.
Allerdings machte sich die Witwe Sorgen. Daß David so ehrlich war, paßte ihr nicht.
„David, willst du auch diesen Schatz mit uns redlich teilen, falls du ihn als erster finden solltest?"
David zögerte. Was er im Sinn hatte, wenn er den Schatz fand, war immer dasselbe: den Erlös den Obdachlosen und Armen zur Verfügung zu stellen.
„Also gut", sagte er: schließlich, „wenn ich ihn finde, teile ich ihn mit euch." „Und wenn wir ihn finden", sagte die Witwe, „teilen wir ihn mit dir." Damit aber log sie natürlich.
Um zehn Uhr abends an diesem Tag machten sie sich in die vier Bars auf, alle einzeln in eine andere. Die Witwe war als erste in ihrer Bar. Aber sie hatte nicht die Absicht, etwas zu trinken. Sie wollte sich nur an einen Tisch setzen und beobachten, was so vor sich ging, um daraus vielleicht etwas zu erfahren.
Die Bar war klein und schmutzig. Sie fragte sich, ob ihr Mann wirklich ein Lokal wie dieses frequentiert habe. Sie wußte immerhin, daß Samuel Stone nicht trank - nämlich wegen seines Magengeschwürs.
Eine billig und vulgär aussehende Bedienung musterte sie abschätzig und ging dann wieder. Die Witwe sah sich um. Ein halbes Dutzend Gäste war da, sie unterhielten sich und lachten. Hinter der Theke stand ein großer, rauher Geselle von Barkeeper. Die Witwe überlegte, ob er vielleicht etwas von dem Schatz wußte.
Vielleicht ist er der Schlüssel dazu, dachte sie.
Sie stand von ihrem Platz auf, ging zur Bartheke und setzte sich dort auf einen Barhocker.
„Was soll es sein?" fragte der Barkeeper.
Die Witwe befand, es empfehle sich wohl, freundlich zu sein und etwas zu bestellen.
„Einen Scotch", sagte sie also.
Sie sah ihm zu, wie er ihn einschenkte und vor sie hinstellte.
„Zwei fünfzig."
Sie legte ihm das Geld hin.
„Sie waren noch nie hier, wie?" fragte der Barmann. „Nein, aber mein Mann kam öfter her." Sie hoffte, daß das stimmte. „Ach ja?"
„Ja. Es war Samuel Stone."
Das Gesicht des Mannes hellte sich auf. „Ach so, Samuel Stone?"
Die Witwe war hocherfreut, daß der Barkeeper ihren Mann tatsächlich kannte. Er gab ihr sogar die zwei fünfzig für den Scotch zurück.
„Ihre Getränke sind umsonst. Trinken Sie aus!" Die Witwe sah ihn kurz an und nippte dann an ihrem Glas. „Na los", sagte der Barmann, „das muß gefeiert werden. Trinken Sie schon aus!"
Sie kippte gehorsam ihren Whisky hinunter. Er schmeckte scheußlich.
„Also, Samuel Stone war Ihr Mann?" sagte der Barmann. Und er schenkte ihr nach. „Trinken Sie!"
„Nein ... also wirklich ...", wehrte die Witwe ab, „ich trinke an sich nicht... "
„Nun kommen Sie schon", sagte der Barkeeper. „Das ist eine Ehre für mich."
Die Witwe wollte ihn nicht beleidigen und trank auch das zweite Glas aus. Schon jetzt begann ihr der Kopf zu schwirren, und es wurde ihr leicht übel.
„Haben Sie meinen Mann gut gekannt?" fragte sie. Der Barmann war verwundert. „Nein, natürlich nicht. Ich habe ihn nie gesehen. Aber ich habe selbstverständlich alles über ihn gelesen, was so gedruckt wurde. Er war ein berühmter Mann, nicht? Deswegen ist es ja eine so große Ehre, seine Witwe hier zu Gast zu haben."
Die Witwe starrte ihn an. „Sie meinen, mein Mann war überhaupt niemals hier?"
„Wie ich sage. Hier verkehren fast nur Fernfahrer." ,.
Die Witwe stand auf. Sie schwankte leicht. Sie mußte sich an der Bar festhalten.
„Geht es Ihnen nicht gut?" erkundigte sich der Barmann.
„Doch, doch", sagte die Witwe. „Oder haben Sie vielleicht gemeint, ich falle hier um, oder was?" Und damit fiel sie um.
Inzwischen befand sich der Neffe in der zweiten Bar, ein paar Häuserblocks weiter. Das war eine große Bar, voller betuchter Leute, die sich offenbar alle prächtig amüsierten.
Mehrere sehr hübsche Mädchen arbeiteten in der Bar als Hostessen, und eine kam zu ihm an den Tisch.
Sie lächelte ihn an. „Möchten Sie Gesellschaft haben?"
Der Neffe war immer an schönen Mädchen interessiert.
„Gewiß doch", sagte er deshalb. „Nehmen Sie Platz."
Das Mädchen setzte sich zu ihm. „Ich habe Durst", sagte sie.
„Was möchten Sie denn trinken?"
„Champagner."
Er bestellte zwei Gläser Champagner.
Die Bedienung brachte sie und stellte sie auf den Tisch. „Dreißig Dollar", sagte sie.
Der Neffe war verwundert. „Was, dreißig Dollar für zwei Gläser?"
„Sie dürfen nicht vergessen", sagte seine Hosteß, „der Preis versteht sich inklusive meiner Gesellschaft." Sie legte eine Hand auf sein Knie. „Und ich bin eine sehr gute Gesellschaft." Der Neffe bezahlte die dreißig Dollar.
„Besuchen Sie oft Bars?" fragte die Hosteß. „Ich bin geschäftlich hier", sagte der Neffe. „Ja, natürlich."
„Nein... wirklich. Ich glaube, mein Onkel war oft hier." „Wer ist denn Ihr Onkel?" „Samuel Stone."
Sie sagte verblüfft: „Was denn, Sie meinen, der Milliardär, der vor ein paar Wochen gestorben ist? Ich habe sein Foto in der Zeitung gesehen."
„War er jemals hier?" fragte; der Neffe.
„Nein. Glauben Sie mir, das wüßte ich."
Sie merkte, wie enttäuscht er über diese Antwort war. „Aber Sie und ich könnten uns sehr hübsch die Zeit vertreiben", sagte sie.
Der Neffe stand auf. „Entschuldigen Sie, aber ich muß gehen."
„Oh, das ist aber schade. Na, aber zumindest können Sie mich zum Abschied umarmen."
Und sie umarmte den Neffen inniglich.
Als er heimkam, merkte er, daß seine Brieftasche fehlte.
Der Rechtsanwalt war zur selben Zeit in der dritten Bar. Er hatte kein Interesse daran, etwas zu trinken oder mit einer Hosteß zu schäkern. Er kam ohne Umschweife direkt zur Sache. Er ging zum Besitzer und sagte: „Ich bin der Rechtsanwalt von Samuel Stone. War Mr. Stone jemals Gast hier in dieser Bar?"
Der Besitzer musterte ihn kühl. „Nein. Wieso fragen Sie?" „Das geht Sie gar nichts an", fertigte ihn der Anwalt ab. „Sie sind jedenfalls sicher, sagen Sie, daß er nie hier war?" „Ganz sicher. Ich habe genug Fotos von ihm gesehen, daß ich es wüßte, wenn er einmal hier gewesen wäre." „Danke!" sagte der Anwalt und war schon wieder weg.
Auch David ging es nicht viel besser. Der Besitzer der Bar, in der er nachforschte, hatte nicht einmal jemals etwas von Samuel Stone gehört.
Alle trafen sich wieder im Haus und berichteten, wie es ihnen ergangen war. Die Witwe war noch immer leicht betrunken. „Mein lieber Ehemann hat uns einen schönen Quatsch erzählt", sagte sie. „Wenn ihr mich fragt, war der in seinem ganzen Leben in keiner Bar. Schon, weil er überhaupt nicht trank"
„Wartet mal", sagte David. „Wie war das genau, was er sagte? Das Leben ist kurz... laßt euch nicht verbarrikadieren ... und genießt es, selbst wenn es ungesetzlich ist...." Er dachte kurz nach. „... Ungesetzliche Barrikaden ... Gitterstäbe also... hm ..." Er fragte den Anwalt: „Ist Samuel Stone irgendwann einmal hinter Gitter gekommen?"
Der Anwalt wurde förmlich. „Das ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich glaube nicht, daß ich ermächtigt bin... "
„Herrgott", sagte David ungehalten, „der Mann ist tot. Was macht es jetzt noch für einen Unterschied? Also, war er jemals hinter Gittern?"
„In der Tat, ja. Da war er gerade von einer Europareise zurückgekommen. Ich sollte das eigentlich wirklich nicht ausplaudern, aber nachdem er, wie Sie zu Recht bemerken, ja tot ist, kann es wohl keinen Schaden mehr anrichten. Haben Sie schon einmal von der Schwarzen- Penny-Briefmarke gehört?" „Nein", sagte David.
„Das ist eine der kostbarsten Marken der Welt. Sie ist zehn Millionen Dollar wert. Sie ist die erste gummierte Briefmarke überhaupt und stammt aus dem Jahr 1840."
Die Witwe fragte: „Und was hat das mit meinem Mann zu tun?"
„Ihr Mann", klärte der Anwalt sie auf, „hat diese Briefmarke per Diebstahl an sich gebracht und hier ins Land geschmuggelt. Er war auf dem Weg vom Flughafen nach Hause, überfuhr dabei ein Rotlicht und rammte ein anderes Auto. Er wurde festgenommen und verbrachte die folgende Nacht im Gefängnis. Erst am nächsten Morgen konnte ich ihn mit Kaution freibekommen, und da erzählte er mir, daß er die Briefmarke verstecken mußte, weil er befürchtete, daß sie bei ihm entdeckt würde."
„Dann ist sie eventuell in dem Gefängnis versteckt?" fragte David.
„Das ist durchaus möglich", sagte der Anwalt.
„Zehn Millionen Dollar!" rief die Witwe. „Worauf warten wir noch? Holen wir uns diese Briefmarke!"
„Ja, aber wie wollen wir denn in das Gefängnis hineinkommen?" sagte der Neffe. „Wir haben doch nichts verbrochen. Wir können doch nicht einfach hingehen und sagen, wir möchten uns dort mal umsehen."
„Da hat er recht", sagte der Anwalt. „Am besten vergessen wir die ganze Geschichte."
„Absolut", sagte die Witwe.
„Ja, stimmt", meinte auch der Neffe.
David war der einzige, der nichts sagte. Er wußte schon, was sie wieder alle im Sinn hatten. Und er hatte recht damit.
Eine Stunde danach ging die Witwe auf der Straße auf einen Polizisten zu und sagte: „Hallo, Sie, ich mag Polizisten nicht!" Und versetzte ihm einen Schlag mit ihrer Handtasche. „Was soll das denn?" sagte der Polizist. „Kommen Sie mal mit."
Und er lieferte sie im Gefängnis ab.
Der Neffe hielt seinerseits einen Polizeistreifenwagen an und sagte: „Sie müssen wissen, ich habe gerade eine Bank ausgeraubt."
Auch der Anwalt war unterwegs, wartete, bis er einen Polizisten kommen sah, hob dann einen Stein auf und warf damit das Schaufenster eines Juwelierladens ein.
Selbst David tat so, als sei er betrunken, und taumelte so lange mitten auf der Fahrbahn einer belebten Straße herum, bis die Autos zu hupen anfingen und schließlich ein Polizeiauto kam und ihn mitnahm.
Sie bekamen alle eigene Zellen im Gefängnis. Gut, jetzt sind wir hinter Gittern, dachte David. Hinter Barrikaden. Jetzt müssen wir nur noch diese Briefmarke finden. Dieses Gefängnis bestand überhaupt nur aus vier Zellen, und damit waren sie alle von der Erbengruppe belegt. David rief den anderen durch die Gitterstäbe zu: „Sucht nach möglichen Verstecken in euren Zellen! Die Marke muß hier irgendwo sein."
Jeder begann, seine Zelle abzusuchen. Diese waren sehr kahl. Mehr als eine Pritsche, eine Toilette und ein Waschbecken war in keiner. Und obwohl sie alle vier ihre Zellen praktisch auseinandernahmen und auf den Kopf stellten, die Matratzen hochhoben, die Decken umdrehten und die Kissen aufrissen, fanden sie nichts.
Als ein Gefängnisaufseher kam und sah, was für ein Durcheinander sie anrichteten, brüllte er sie an: „Zum Donnerwetter, was fällt euch denn ein? Ihr seid doch hier nicht zu Hause! Benehmt euch gefälligst anständig!" Der Anwalt rief den anderen zu: „Es hat keinen Zweck. Wir müssen es wohl aufgeben. Ich werde mit dem Gefängnisdirektor reden."
Zwei Stunden später hatte er sie alle auf Kaution frei, und sie konnten heimgehen. Vorher ließ der Gefängnisdirektor sie zu sich bringen.
Als sie alle bei ihm in seinem Büro versammelt waren, sagte er: „Ich weiß nicht, was mit euch Leuten los ist. Aber irgend etwas stimmt nicht mit euch. Wie ich. höre, seid ihr alle irgendwie mit Samuel Stone verbunden." „Richtig", sagte David.
„Ich erinnere mich, daß wir ihn einmal eine Nacht lang hier hatten." Er dachte kurz nach. „Er war ein ziemlich unangenehmer Insasse. Billig außerdem." „Das war Samuel immer", sagte die: Witwe. Der Gefängnisdirektor zog eine Schublade auf und holte einen Brief heraus. „Diesen Brief gab er mir. Den sollte ich ihm selbst schicken. Aber er hatte nur eine Eincentmarke daraufgeklebt. Der glaubte wohl, ich zahlte das restliche erforderliche Porto aus meiner eigenen Tasche. Da hatte er sich aber getäuscht."
„Dürfte ich den Brief mal sehen?" fragte David. „Bitte."
Der Gefängnisdirektor reichte ihm den Brief. Als Adresse hatte Samuel Stone seine eigene draufgeschrieben.
Und oben in der Ecke klebte die kostbare Schwarze Penny, die zehn Millionen Dollar wert war!
David zitterte fast vor Erregung. „Ich würde den Brief gerne aufheben", sagte er.
„Nein, ich", sagte die Witwe. Und sie griff nach dem Brief. Da meldete sich aber auch schon der Neffe. „Ich will ihn in Ehren halten." Und er entriß ihn seinerseits der Witwe. Der Gefängnisdirektor sah es mit fragendem Staunen. Wieso waren sie alle derart scharf darauf, diesen Brief in die Hand zu bekommen?
„Was ist denn in dem Brief?" fragte er:. „Gar nichts", sagte der Anwalt.
„Geben Sie mir den Brief mal wieder her", sagte der Gefängnisdirektor mißtrauisch.
Alle sahen entsetzt zu, wie er ihn nahm, aufmachte und hineinsah. Tatsächlich befand sich nichts darin als ein leeres Blatt Papier.
„Wieso wollte Samuel Stone diesen Brief an sich selbst schicken?"
„Er war eben ein Sonderling", sagte David.
„Sonderling, wie? Der muß total verrückt gewesen sein!" „Kann ich den Brief wiederhaben?" schnalzte die Witwe. „Als liebe Erinnerung."
„Von mir aus", sagte der Gefängnisdirektor achselzuckend und reichte ihr den Brief. „Danke!" sagte sie.
Und hielt zehn Millionen Dollar in der Hand. Der Anwalt fragte: „Können wir jetzt gehen?"
„Ja, und ich möchte Sie alle hier nie mehr wiedersehen! Sie scheinen ja recht gehaust zu haben in Ihren Zellen, was ich so hörte."
„Das tut uns leid", sagte David.
Und sie traten hinaus aus dem Gefängnis in das helle Sonnenlicht.
Als sie wieder zurück im Haus waren, überwältigte sie alle die große Aufregung.
„Ja, aber es gilt immer noch eine Menge von SamueIs Vermögen zu finden", sagte die Witwe.
„Jedenfalls haben wir auch diese zehn Millionen eingesammelt", sagte der Anwalt. „Übrigens, erkundigen wir uns doch erst mal bei einem Briefmarkenhändler, ob die Marke wirklich zehn Millionen wert ist."
Sie standen alle um ihn herum, als er telefonierte. „Guten Tag", sagte er. „Ich habe eine Schwarze Penny. Wären Sie vielleicht daran interessiert, sie zu kaufen?"
Sie konnten alle hören, wie hysterisch die Stimme am anderen Ende der Leitung wurde. „Was denn, Sie haben wirklich eine? Ich würde jeden Preis dafür bezahlen!"
„Aha", sagte der Anwalt, „jeden Preis? Und was würde das in Dollar heißen?"
„Wären Sie mit fünfzehn Millionen zufrieden?" „Fünfzehn Millionen? Absolut!" „Seit zwanzig Jahren suche ich nach dieser Marke!" „Na, dann kommen Sie mal her und holen Sie sie sich", sagte der Anwalt. Er gab ihm die Adresse. „Und vergessen Sie das Geld nicht."
Als er aufgelegt hatte, sahen sie einander sehr zufrieden an. „Fünfzehn Millionen!" sagte die Witwe feierlich. „Und wißt ihr, was ich als erstes mit meinem Anteil mache? Ich kaufe mir für viele tausend Dollar Kleider und Pelze! Und eine Jacht mit einer Besatzung aus lauter gutaussehenden Kerlen!" Der Neffe sagte: „Ich kaufe mir wahrscheinlich ein Flugzeug und stelle schöne Mädchen als Piloten und Kopiloten ein." Und der Rechtsanwalt sagte: „Ich kaufe mir noch mehr Immobilien."
Nur David erklärte: „Ich gebe das Geld zurück."
„Was wollen Sie tun? Soll das heißen, Sie sind verrückt genug, Ihren Anteil an dem Geld wegzugeben?"
„Nicht nur meinen Anteil", sagte David. „Das ganze Geld."
Alle starrten ihn verständnislos an. „Was soll das heißen?"
„Haben nicht Sie selbst uns erzählt", sagte David zu dem Rechtsanwalt, „daß die Marke gestohlen war?"
„Ja, gewiß."
„Eben, also gehört sie uns nicht. Der Erlös muß dem rechtmäßigen Eigentümer zurückerstattet werden!" „Das können Sie doch nicht machen!" kreischte die Witwe. „Das war unsere Marke!"
Aber David sagte gelassen: „Der Erlös geht dorthin zurück, wo er rechtmäßig hingehört."
„Und wenn wir das Geld nicht herausgeben?" erklärte der Neffe.
„Dann", sagte David, „muß ich wohl ein paar Worte mit dem Gefängnisdirektor reden. Ich kann mir vorstellen, daß es lange Gefängnisstrafen für Hehlerei gibt. Dann wandert ihr alle ins Gefängnis." „Wo er recht hat, hat er recht", meinte der Anwalt geknickt. Er warf David einen bösen Blick zu. „Samuel Stone hatte recht. Sie sind einfach viel zu ehrlich."
So kam es, daß die berühmte Schwarze Penny zu ihrem Eigentümer zurückkam und die Erben von Samuel Stone fünfzehn Millionen Dollar verloren.
Immerhin, der Besitzer der Marke war nicht undankbar. Er schickte der Witwe einen Scheck. Über hundert Dollar.