7. KAPITEL

Es war Samstag vormittag. Aber wie wir, wenn wir gut aufgepaßt haben, alle wissen, erschien der alte Samuel Stone immer erst am Montagmorgen, um seinen Erben die nächsten Hinweise für einen weiteren Teil seines Vermögens zu geben. In dieser Woche allerdings beschloß der Neffe, nicht zu warten. Er hatte eine brillante Idee, wie er sich einen großen Vorsprung vor allen anderen sichern könnte. Ich bin ein Genie, sagte er zu sich selbst. Ein absolutes Genie! Der Samstag war der Tag, an dem der Butler einzukaufen pflegte. Als der Neffe ihn das Haus verlassen sah, schlich er sich in dessen Zimmer und suchte nach der Videokassette, die am Montag abgespielt werden sollte. Er fand sie in einer Schublade versteckt.

Erhielt sie hoch und dachte: Ha, jetzt habe ich die Hinweise des Onkels einmal vor den anderen und kann diesen Schatz ganz für mich allein heben und behalten!

Er ging mit dem Band in die Bibliothek und sperrte die Tür zu, damit ihn niemand überraschen und sehen konnte, was er tat. Er legte die Kassette ein und stellte den Fernseher an. Und Samuel Stone erschien auf dem Bildschirm. „Nun", sagte er, „ich nehme an, ihr seid wieder alle bereit für den nächsten Hinweis."

„Ja doch, ja!" rief der Neffe ungeduldig und konnte vor Erwartung gar nicht stillsitzen.

„Das ist eine schöne Jahreszeit jetzt", sagte Samuel Stones Stimme. „Das Wetter sollte schön sein. Oh, what a beautiful morning!"

„Das soll ein Hinweis sein !" rief der Neffe ungehalten. „Oh, what a beautiful morning ist ein Lied aus dem Musical namens Oklahoma! Und was hat das mit dem Schatz zu tun, bitte?"

Aber Samuel Stones Stimme sprach bereits weiter. „Hier ist ein Rätsel für euch. Was haben eine Banane, eine Kokosnuß und ein Auto gemeinsam? Ahnt ihr, worum es sich da handeln kann?"

Dem Neffen sank der Mut. Was für ein verrücktes Rätsel ist das denn? dachte er. Er ging zum Fernseher und sagte: „Gib mir noch einen Tip, Onkel!"

Aber die Aufnahme war zu Ende. Es gab keine weiteren Hinweise.

Mist! dachte der Neffe. Das ist ganz unmöglich. Nicht einmal David dürfte das herauskriegen. Es ergab keinen Sinn! Oklahoma, eine Banane, eine Kokosnuß, ein Auto! Zwecklos. Der Neffe war völlig niedergeschlagen. Sehr vorsichtig, damit ihn auch niemand sah, brachte er die Kassette zurück in das Zimmer des Butlers und legte sie wieder an ihren Platz. Jetzt wußte er zwar im voraus und vor den anderen, was auf dem Band vom Montag war. Aber es half ihm nichts, weil er keine Ahnung hatte, was es bedeutete.

Er ging in den Speiseraum, wo die Witwe, der Anwalt und David beim Essen saßen.

„Wo warst du?" fragte die Witwe. „Du kommst zu spät zum Essen."

„Ich habe gelesen", log der Neffe. Er setzte sich an den Tisch.

„Was gibt es denn Schönes?"

„Hühnchen oder Fisch."

„Ich glaube, ich nehme den Fisch."

Er bediente sich von der großen Platte. Aus der Bibliothek kam das Klingeln des Telefons. Es läutete unaufhörlich. „Warum geht denn der Butler nicht hin?" fragte der Anwalt. „Er ist nicht da, er ist beim Einkaufen", sagte der. Neffe. „Ich gehe schon."

Er ging in die Bibliothek, und hob ab. Eine männliche Stimme sagte: „Ich hätte gerne mit Mr. Samuel Stone gesprochen, bitte."

„Das tut mir leid", sagte der Neffe. „Mr. Stone ist vor einigen Wochen verstorben."

„Was?"

„Ja. Kann ich etwas für Sie tun?"

„Ich hatte geschäftlich mit Mr. Stone zu tun. Wir waren Partner. Ich rufe aus Oklahoma an!"

Oklahoma! Die Gedanken des Neffen begannen zu rasen.

„Wie, sagten Sie, war Ihr Name?"

„Ich habe ihn noch gar nicht gesagt. Handel. Joe Handel."

Dem Neffen drehte sich alles im Kopf. Oklahoma. Handel!

(„Ahnt ihr, worum es sich da handel-n kann?")

„Und was für Geschäfte waren das?"

„Öl. Samuel und ich machten Ölgeschäfte miteinander."

Das Rätsel wurde für den Neffen noch klarer. Was haben eine Banane, eine Kokosnuß und ein Auto gemeinsam? Banane und Kokosnuß enthalten Öl, Autos verbrauchen es!

Joe Handel sprach weiter. „Ich habe eben ein neues Ölvorkommen entdeckt! Samuel Stone und ich waren an der Sache gemeinsam beteiligt. Die Hälfte davon gehört also Mr. Stone."

Der Neffe war so aufgeregt, daß er kaum ein Wort herausbrachte. „Und wieviel ist das wert?"

„An die zwanzig Millionen insgesamt, zehn für mich, zehn für ihn."

Nein, nein! dachte der Neffe. Nicht für ihn. Für mich! Das kassiere ich ganz allein ein.

Er konnte es gar nicht erwarten, die belemmerten Gesichter der anderen zu sehen, wenn sie erfuhren, wie raffiniert er sie ausmanövriert und übertölpelt hatte.

„Wo befindet sich denn dieses neue Ölfeld?" fragte er. Handel zögerte. „Das möchte ich doch lieber nicht am Telefon sagen. Paßt es Ihnen, wenn ich komme und es Ihnen persönlich mitteile?"

„Absolut", versicherte ihm der Neffe. „Wie bald können Sie dasein?"

„Morgen früh vielleicht. Was habt ihr da oben bei euch für Wetter? Soll ich einen Mantel mitnehmen?" Der Neffe sah aus dem Fenster. Es schneite. „Ja", sagte er. „Es ist kalt. Sie nehmen besser einen mit. Ich hole Sie am Flughafen ab. Wie erkenne ich Sie?"

„Na ja, ich bin ziemlich klein, nur eins fünfundsechzig, und ich habe eine Glatze. Bis morgen früh also."

Richtig, dachte der Neffe und freute sich, und mit zehn Millionen Dollar.

Früh am nächsten Morgen, bevor die anderen noch aufgewacht waren, schlich sich der Neffe aus dem Haus. Wie bin ich nur so raffiniert geworden? dachte er. Zuerst verschaffe ich mir das neue Videoband, und dann löse ich auch noch ganz allein das Rätsel und finde Mr. Handel.

Die Straßen waren rutschig. Es herrschte Glatteis. Der Neffe fuhr ganz vorsichtig. Er wollte auf keinen Fall, daß irgend etwas Dummes verhinderte, ihn in den Besitz dieses Vermögens gelangen zu lassen. Die zehn Millionen würden diesmal wirklich allein für ihn sein, weil er sie ja zuerst gefunden hatte; Also: brauchte er sie, meinte er, nicht mit den anderen zu teilen.

Er liebte schöne Frauen und Glücksspiel und ging gerne zum Vergnügen in Nachtlokale. Mit diesem vielen Geld habe ich fürs Leben ausgesorgt, dachte er froh.

Am Flughafen ging es sehr lebhaft zu, aber er hatte keine Probleme, Mr. Handel zu finden und zu erkennen. Mr. Handel hatte sich selbst perfekt beschrieben..

Ich bin ziemlich klein, nur eins fünfundsechzig, und ich habe eine Glatze. Es gab im ganzen Flughafen nicht gerade viele nur eins fünfundsechzig große und dazu auch noch kahlköpfige Männer.

Er ging auf ihn zu. „Mr. Handel?" „Ja. Dann müssen Sie der Neffe sein." „Richtig. Freut mich, Sie kennenzulernen." Sie gaben sich die Hand.., „Haben Sie Gepäck?" fragte der Neffe.

„Nein. Ich, bleibe nicht lange. Ich bin nur gekommen, um Ihnen die Auskünfte zu geben, die Sie wünschen.." Auskünfte, die zehn Millionen Dollar wert sind! „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. Handel. Mein Wagen steht draußen. Gehen wir ?"

Sie gingen durch die Menschenmenge im Flughafengebäude hinaus zum Auto des Neffen.

„Es tut mir sehr leid, daß Ihr Onkel verstorben ist", sagte Mr. Handel, „Er war verschlagen, aber ,doch ein guter Geschäftsmann.. "

„Wir haben ihn alle geliebt", log der Neffe. „Sie sagten, Sie und mein Onkel waren Partner in einem Ölgeschäft?" „Richtig. Wir waren Geschäftspartner. Auf das Öl sind wir erst vor ein paar Tagen gestoßen."

„Und Sie sagen, dieses Ölfeld ist zwanzig Millionen wert?" „Ja. Der Anteil Ihres Onkels beläuft sich also auf zehn Millionen."

Der Neffe stellte nun eine sehr Wichtige Frage. „Gibt es irgendwelche Hindernisse, daß Sie dieses Geld mir übergeben?"

Mr. Handel dachte kurz nach. „Nicht, daß ich wüßte. Sie sind ja Angehöriger, nicht wahr?"

„Ja."

„Dann sehe ich keinen Hinderungsgrund, warum Sie das Geld, nicht bekommen sollten."

Der Neffe war ganz selig. Sein Traum war endlich Wahrheit geworden. Zehn Millionen, und die für ihn allein. „Die Urkunde für den Anteil Ihres Onkels ist in einem Schuppen auf dem Ölfeld hinterlegt. Sie müssen sie dort nur abholen."

„Wunderbar", sagte der Neffe.

Jetzt mußte er nur noch wissen, wo dieses Ölfeld war.

Sie waren am Haus angekommen. Mr. Handel betrachtete es bewundernd.

„Sehr schönes Haus", sagte er.

„.Ja. Es hat Onkel Samuel. Gehört. Jetzt gehört es der Familie."

Mr. Handel stieg aus, der Neffe folgte ihm.

„Wo, sagten, Sie, befindet sich das Ölfeld?"

Sie begannen die Treppe zum Eingang hinaufzusteigen.

„Es befindet sich direkt..."

Die Stufen der Treppe waren ebenfalls voller Glatteis, und Mr. Handel rutschte in diesem Augenblick darauf aus. Er fiel. hintenüber und schlug mit dem Kopf auf eine der Betonstufen. Er setzte sich auf und sah halb; betäubt aus. Seine Augen waren glasig.

„Sind Sie in Ordnung, Mr. Handel?" fragte der Neffe und half ihm auf.

Mr. Handel sah ihn an und sagte: „Was mache ich hier eigentlich?"

„Nun, Sie kamen her, um mir zu; sagen, wo sich ,das Ölfeld befindet."

„Was für ein Ölfeld?"

„Nun machen Sie mal keine Scherze", sagte der Neffe.

Mr. Handel sah sich um „Wo bin ich?" „Hier im Haus von Samuel Stone."

Mr. Handel sah den Neffen ratlos an. „Wer ist Samuel Stone?" Nun wurde dem Neffen plötzlich klar, was geschehen war. Mr. Handel hatte durch den Sturz und den Stoß auf seinen Kopf das Gedächtnis verloren. Er konnte sich an nichts mehr erinnern! Der Neffe konnte es nicht glauben. „Wissen Sie denn nicht mehr, wer Samuel Stone war?" fragte er fieberhaft! Mr. Handel schüttelte den: Kopf. „Ich weiß überhaupt nichts mehr! Wer bin ich?"

„Sie heißen Handel. Sie sind aus Oklahoma gekommen. Sie waren zusammen mit Samuel Stone im Ölgeschäft." Mr. Handel sah ihn verständnislos an. „Was habe ich im Ölgeschäft zu suchen?"

„Na, Geld verdienen!" rief der Neffe schon ganz verzweifelt. „Sie wollten mir gerade eben sagen, wo sich das neue Ölfeld befindet."

„Tut mir leid", seufzte Handel. „Ich kann mich an nichts erinnern. Und ich fühle mich gar nicht gut." " Die Knie wurden ihm weich und gaben nach. Der Neffe fing ihn gerade noch auf.

„Kommen Sie, wir legen Sie ins Bett", sagte er.

Er war sich sicher, mit etwas Bettruhe würde Mr. Handel sein Gedächtnis schon wiederfinden.

Er machte vorsichtig die Haustür auf, um sich zu vergewissern, daß auch niemand da war, und half Mr. Handel dann die Treppe hinauf in eines der Gästezimmer. „Ich fühle mich gar nicht gut", sagte Mr. Handel noch einmal. „Ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Vielleicht sollte ich lieber zum Arzt."

„Das Wird nicht nötig sein", beruhigte ihn der Neffe.

Das letzte, was er wollte, war, daß irgend jemand mit. dem Mann, welcher den Schlüssel zu den zehn Millionen besaß, in Kontakt trat.

„Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich aus. Es wird bestimmt bald vorbei sein."

Er half Mr. Handel ins Bett und beobachtete ihn, wie er die Augen schloß und bald darauf eingeschlafen war. Ich und mein Glück! knurrte, der Neffe. Noch ein paar Sekunden, und er hätte mir gesagt, wo das Ölfeld ist.. Dafür muß ich jetzt warten, bis er sein blödes Gedächtnis wieder hat. Aber das Wichtigste war, daß niemand von Handels Anwesenheit im Haus erfuhr.

Der Neffe hörte, wie die anderen allmählich wach wurden: Er schloß die Tür des Gästezimmers und ging nach unten zu ihnen. Sie saßen beim Frühstück.

„Du warst schon weg heute morgen", sagte David. „Ich sah, daß dein Auto nicht da war."

„Ach, es war so ein schöner Tag, da entschloß mich zu einer kleinen Ausfahrt."

Alle sahen sie zum Fenster, vor dem tüchtiges Schneetreiben herrschte.

„Ich meine", sagte der Neffe, „so ein schöner Schneetag. Ich fahre furchtbar gern spazieren, wenn es schneit." Er stotterte fast, so nervös war er.

Als das Frühstück zu Ende war, fragte ihn der Rechtsanwalt: „Machen wir ein Kartenspiel?" „Nein, ich habe noch zu tun."

Er eilte hastig nach oben, vergewisserte sich, daß ihn niemand sah, und ging wieder in das Gästezimmer. Mr. Handel war wieder wach. Inzwischen wird er sein Gedächtnis ja wohl wiedergefunden haben, dachte der Neffe. „Wie fühlen Sie sich?" fragte er.

Mr. Handel sah ihn mit glasigen Augen an. „Wer Sie denn?" Dem Neffen sank wieder der Mut. „Samuel Stones Neffe doch!"

„Wer ist Samuel Stone?"

„Ihr Geschäftspartner!" schrie ihn der Neffe an. „Und dem schulden Sie zehn Millionen Dollar!"

Mr. Handel sah ihn verständnislos an. „Zehn Millionen Dollar? Ich habe keine zehn Millionen Dollar!"

„Sie haben sogar zwanzig Millionen Und die Hälfte davon gehört mir. So versuchen Sie sich doch zu erinnern!" „Ich kann nicht." Er begann, aus dem Bett aufzustehen. „Ich habe Hunger."

„Bleiben Sie, wo Sie sind", sagte der Neffe. „Ich hole Ihnen ein Frühstück. Verlassen Sie auf keinen Fall dieses Zimmer." Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn ihn die anderen gesehen hätten. „.Ich bin gleich wieder da", versprach er. Er ging nach unten in die Küche und sagte zum Koch: „Ich habe Hunger."

Der Koch sah ihn verwundert an.. „Sie haben doch gerade erst gegessen."

„Das mag schon sein", sagte der Neffe. „Aber Schnee macht mich immer hungrig. Würden Sie mir etwas zurechtmachen? Vielleicht ein paar Sandwiches?"

Er sah zu, wie der Koch einige Sandwiches machte und sie auf ein Tablett legte.

„Soll ich es in das Speisezimmer bringen?" „Nein, nein", sagte der Neffe.. „Ich nehme sie selbst mit." Er nahm das Tablett und eilte geschwind damit nach oben in das Gästezimmer. Aber er übersah, das ihm David nachblickte. David war verwundert. Wieso trug der Neffe ein Tablett mit Sandwiches nach oben? Der Neffe sagte im Gästezimmer zu Mr. Hand „Hier, ich habe Ihnen ein paar schöne belegte Brötchen gebracht."

„Wieso ?" sagte Mr. Handel. „Ich habe keinen Hunger. Ich will nur weg hier."

„Das können Sie nicht!" rief der Neffe. „Wieso nicht?"

In diesem Augenblick kam David herein. Der Neffe geriet in Panik.

„Wen haben wir denn da!" fragte David.

„Das ist ... ich meine, war... ich meine,.. es ein alter Freund von mir. Mr. Jones."

„Ist das mein Name?" fragte Mr. Handel. „Mr. Jones?" „Wissen Sie denn Ihren eigenen Namen nicht?" fragte David. „Selbstverständlich kennt er seinen Namen" erkläre der Neffe. „Nicht wahr, Mr. Jones!" „Nein."

„Da scheint einige Verwirrung zu herrschen", sagte David.

„Also, wissen Sie jetzt Ihren Namen oder nicht?"

„Die Sache ist so", log der Neffe, „er kam an unserem Haus vorbei und rutschte aus und fiel hin, auf den Kopf, und jetzt hat er Gedächtnisverlust."

Soll das heißen, du kennst ihn gar nicht?"

„Nein ich habe ihn im ganzen Leben noch nicht gesehen."

Mr. Handel sagte zu alledem nicht, weil er tatsächlich nicht mehr wußte, wer der Neffe war und wer er selbst.

Die Witwe und der Anwalt kamen gerade zufällig an dem Gästezimmer vorbei und hörten Stimmen darin. Sie traten ein und sahen einen. völlig fremden im Bett liegen.

„Wer ist das denn?" fragte die Witwe. „Was macht der Mensch hier in meinem Haus?"

„Ich weiß nicht, wer er ist", sagte David.

Da mischte sich der Neffe hastig ein. Er wollte um keinen Preis, daß die anderen die Wahrheit erfuhren. „Ein Fremder", sagte er. „Er ging am Haus vorbei und rutschte auf dem Glatteis aus. Er stürzte unglücklich auf den Kopf. Ich brachte ihn herein, damit er sich wenig erholen kann." „Jedenfalls kann er nicht hier in meinem Haus bleiben", entschied die Witwe kurz angebunden"Schafft ihn fort." Der Anwalt pflichtete ihr bei. „Richtig. Wir können hier im Haus keine Fremden brauchen."

„Wartet mal", protestierte David. „Der Mann ist krank. Man kann ihn nicht einfach hinauswerfen."

„O doch, das kann ich", erklärte die Witwe. „Und zwar auf der Stelle." Und sie sagte zu dem Mann Bett: „In fünf Minuten sind Sie weg."

„Aber wo soll er denn hin?" wandte David ein."

„Das ist sein Problem",sagte der Anwalt.

Der Neffe war wütend. Er war so nahe daran gewesen, sich den Schatz der zehn Millionen zu sichern. Aber jetzt, da er sein Gedächtnis verloren hatte, nützte ihm Mr. Handel gar nichts mehr. Auch er hatte nichts mehr dagegen, daß man ihn hinauswarf.

„In fünf Minuten!" wiederholte die Witwe.

David sah den anderen nach, wie sie aus dem Zimmer gingen,und ging zurück zum Bett. „Das tut mir sehr leid, Mr. Jones, oder wie Sie heißen."

„Wenn ich es nur wüßte", sagte der Mann.

Er tat David leid, der ihm den Kopf tätschelte und sagte:

„Kommen Sie mit mir. Ich bringe Sie in ein Krankenhaus, damit man sich dort um Sie kümmert."

Das ist sehr freundlich von Ihnen", sagte Mr. Handel Er stand auf. „Diese Leute da scheinen recht herzlos zu sein. Einen kranken Mann auf die Straße hinauszuschicken." „Sie meinen es nicht so", sagte David. Immer redete er nur das Beste über andere.

Die Witwe, der Neffe und der Anwalt standen in der Bibliothek und beobachteten, wie David den Mann hinaus auf die Straße begleitete.

„Er ist einfach zu gutherzig", schnarrte die Witwe und meinte David damit. „Der muß noch lernen, daß man hart sein muß im Leben."

„Und rücksichtslos", ergänzte der Anwalt, Der Neffe sagte nichts. Er hatte nur Angst, irgendwie würde doch noch herauskommen, wer Mr. Handel tatsächlich war, und daß man ihm dann Betrugsvorwürfe wegen des Schatzes machen würde.

An der Haustür sagte Mr. Handel zu David: „Ich habe Angst. Ich kann mich nicht erinnern, wer ich bin oder wo ich wohne oder sonst etwas. Ich habe kein Geld und weiß nicht, wohin. Was soll aus mir werden?"

„Machen Sie sich keine Sorgen", beruhigte ihn David, „Ich kümmere mich schon um Sie."

Er machte die Tür auf, und sie traten hinaus ins Freie.

Es schneite noch heftiger als zuvor, und ein kräftiger Wind pfiff. Sie gingen die Aufgangstreppe hinab.

„Vorsichtig", sagte David.

Aber da war es schon zu spät. Mr. Handel rutschte erneut aus und fiel wieder mit dem Hinterkopf auf eine Betonstufe. David beugte sich alarmiert zu ihm hinab. „Sind Sie in Ordnung?"

Mr. Handel machte die Augen auf. „Wer sind denn Sie?" fragte er.

David starrte ihn an."Was?"

Mr. Handel stand auf und sah sich um. „Ist dies das Haus Stone?"

„Ja."

„Wo ist dieser andere Bursche?"

David war ratlos. „Welcher andere Bursche?" „Na, der Neffe. Der mich hierher brachte." „Ich weiß nicht, wovon Sie reden", sagte David. „Schauen Sie, ich habe mit diesem Neffen gesprochen und ihm erzählt, daß ich zehn Millionen für Samuel habe. Wir waren Partner bei der Erschließung eines Ölfelds"

Da war David auf einmal alles sonnenklar. „Sie haben Ihr Gedächtnis wiedergefunden!"

„Wovon reden Sie denn da?" wolle, Mr. Handel wissen. „Als wenn ich es jemals verloren hätte!"

David sagte: „Haben Sie dem Neffen schon. gesagt was für ein Ölfeld das ist?"

„Nein, noch nicht, Es befindet sich nahe bei Enid in Oklahoma."

„Und ist zehn Millionen wert?"

„Nein, zwanzig. Für mich zehn und für Stone zehn. Jetzt natürlich, wo Samuel tot ist, gehört sein Anteil wohl seinen Erben."

„Das stimmt", sagte David und war sehr erfreut. Kommen Sie doch Wieder mit ins Haus."

Die anderen in der Bibliothek waren ziemlich überrascht, als sie David und den Fremden zurückkommen sahen.

„Was macht dieser Mr. Jones noch hier?" herrschte die Witwe sie an. „Ich denke, Sie bringen ihn weg."

„Er heißt nicht Jones", erläuterte David. „Dies ist Mr. Handel. Sagen Sie es selbst Mr. Handel!"

Und Mr. Handel sagte es.

Alle waren sie hocherfreut, von dem vielen Geld zu hören. Alle außer dem Neffen natürlich, der ja eigentlich alles für sich allein haben wollte. Wäre er ein freundlicherer Mensch gewesen und hätte an Stelle Davids Mr. Handel hinausbegleitet, dann wäre dies sogar wahr geworden. Dann hätte Handel ihm den Ort des Schatzes verraten.

Als die anderen aber nun erfuhren, was für ein Doppelspiel der Neffe getrieben hatte, warnte ihn der :Rechtsanwalt streng:

„Machen Sie so etwas nicht noch einmal! Es ist ausdrücklich festgelegt, daß wir die Videobänder immer alle zusammen anschauen. Denken Sie daran und halten Sie sich daran. Und versprechen Sie es!" .

„Ja, ich verspreche es", sagte der Neffe.

„Ich verspreche es auch", sagte die Witwe.

„Und ich ebenfalls", fügte der Anwalt hinzu. Aber alle miteinander kreuzten sie dabei heimlich Finger.

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