Samuel Stone hatte einen Hund besessen, groß wie ein Pony. Es war eine Dänische Dogge, riesig und häßlich. Alle nannten ihn nur Stupid, Dummer. Aber er war sehr gutmütig und wedelte jeden mit dem Schwanz an und versuchte, allen gleich das Gesicht abzulecken. Doch das fand man eklig.
Sooft Stupid dem Neffen nahe kam, trat dieser nach ihm. Auch der Rechtsanwalt schubste ihn immer gleich zur Seite, und die Witwe schrie ihn nur an.
Stupid verschlang auch enorme Mengen Futter.
Er war sehr lästig.
Die Witwe sagte zu dem Rechtsanwalt: „Haben Sie eine Vorstellung, wieviel es kostet, diesen Hund zu füttern? Er vertilgt mehr als wir alle zusammen. Ich möchte ihn loswerden."
„Aber Onkel Samuel liebte ihn", sagte der Neffe. „Und er ist tot!" beschied ihn die Witwe. „Deshalb 'gehört dieser Hund jetzt mir. Und drum kann ich mit ihm machen was Ich will!"
„Und was willst du mit ihm machen?." erkundigte David. „Verkaufen! Er hat einen guten Stammbaum und ist wahrscheinlich viel wert."
„Wenn Sie meine Meinung hören wollen", sagte David, „ich glaube, Sie würden damit einen Fehler begehen. Dieses Tier gehört hierher. Hier ist sein Zuhause." „Jetzt nicht mehr", sagte die Witwe.
Noch am selben Nachmittag brachte die Witwe den Hund zu einer Tierhandlung.
„Ja?" fragte der Inhaber. „Ich möchte diesen Hund verkaufen." Die Witwe wollte dem Mann nicht sagen, wie viele Umstände Stupid machte, aus Angst, daß er ihn dann nicht kaufen würde. Also log sie und sagte: „Ich ziehe in ein kleineres Haus um, wissen Sie, und da ist nicht mehr genug Platz für ihn." „Das ist aber schade", sagte der Ladenbesitzer. „Es ist ein sehr schönes Tier."
Die Witwe zeigte ihm den Stammbaum des Hundes. „Er ist sehr wertvoll", sagte sie. „Ich trenne mich wirklich nur ungern von ihm. Ich habe ihn nämlich sehr ins Herz geschlossen." „Ja, ja, das kann ich verstehen." „Wieviel könnten Sie mir denn für ihn geben?" „Tausend Dollar."
Das gefiel der Witwe gut. „Ist in Ordnung", sagte sie. Sie strich das Geld ein und sagte zu dem Hund „Lebwohl, Stupid."
Da hob der Tierhandlungsbesitzer erstaunt den Kopf und fragte: „Stupid?"
„Na ja, so haben wir ihn aus Spaß getauft", sagte die Witwe und ging. Sie kehrte sehr zufrieden heim. Nicht nur war sie das Vieh los, sie hatte auch tausend Dollar in der Tasche. David hatte das ganz bestimmte Gefühl, daß die Witwe einen schweren Fehler begangen habe. Er glaubte nicht, daß es im Sinne von Samuel Stone war, das Tier zu verkaufen. Aber nun ja, vielleicht hat es Stupid woanders ja besser; dachte er. Hier in diesem Haus war nie jemand besonders nett zu ihm.
Am Montagvormittag versammelten sie sich wie üblich wieder in der Bibliothek, um das nächste Videoband von Samuel Stone anzusehen und die Hinweise für die nächste Schatzsuche daraus zu entnehmen. Sie waren aufgeregt wie immer und fragten sich, worum es wohl diesmal gehen würde.
Der Butler kam und brachte die Videokassette dieser Woche. Er legte sie ein und schaltete den Fernseher an, nachdem er gefragt hatte: „Sind Sie bereit?" und alle im Chor antworteten: „Ja, wir sind bereit."
Sogleich erschien auch wieder Samuel Stones Kopf auf dem Bildschirm und sagte: „Na, da wären wir also wieder einmal. Ich weiß, wie sehr es euch freut, mich zu sehen." Natürlich freute es niemanden, ihn zu sehen, David ausgenommen.
„Heute habe ich einen Knochen zum Abnagen für euch", sagte Samuel Stone vom Bildschirm. „Ihr müßt nach etwas Großem und sehr Altem Ausschau halten. Es ist nicht besonders intelligent und ohne ein Bein, worauf es stehen könnte. Habt ihr mich? Tiger kann euch helfen."
Und der Bildschirm wurde wieder dunkel.
Alle sahen sich verdrossen an. „Nennt er das vielleicht einen Hinweis?" schimpfte die Witwe. „Wie soll man daraus entnehmen, was und wo der nächste Schatz ist?"
Der Anwalt sinnierte: „Wer oder was hat kein Bein zum Stehen?"
Und der Neffe rätselte: „Und wer ist Tiger?"
David war er einzige, der sich nicht aufregte. Er dachte statt dessen nach. „Groß und sehr alt?" überlegte er, und dann fiel ihm plötzlich etwas ein. „War Samuel Stone denn nicht auch im Vorstand des Naturgeschichtemuseums?"
„Ja, sicher", sagte der Anwalt. „Dafür hat er sich auch sehr interessiert. Und von Dinosauriern war er besonders fasziniert."
„Genau", rief der Neffe, „das ist es! Die waren groß und sind sehr alt, und viel Grips sollen sie auch nicht gehabt haben." „Ach, hört mal", sagte die Witwe, „glaubt ihr denn im Ernst, wir sollen einen Dinosaurier suchen? Die waren schließlich groß wie Wolkenkratzer. Einen Dinosaurier kann man doch nirgends verstecken!"
„Augenblick"; sagte David. „Ein Teil des Hinweises lautete ja: Ich habe einen Knochen zum Abnagen für euch. Vielleicht müssen wir nur nach einem Dinosaurierknochen suchen." „Da haben Sie, glaube ich, recht", nickte der Anwalt. „Gehen wir doch in das Museum und hören, was der Direktor dort zu sagen hat."
Alle bestiegen sie ihre eigenen Autos und rasten zum Naturgeschichtemuseum. Und alle versuchten sie wieder, vor den anderen dort zu sein.
Der Direktor des Naturgeschichtemuseums war überrascht, wie sie, alle sich vordrängelnd, bei ihm einfielen. „Wir sind die Erben von Samuel Stone", sagte die Witwe. „Es stimmt doch, daß Samuel Dinosaurier liebte, nicht wahr?" „Das ist richtig", sagte der Direktor. „Erst vor ein paar Wochen war er noch hier, und da passierte etwas sehr Unglückliches." „Was denn Unglückliches?" fragte der Neffe. „Kommen Sie!" sagte der Direktor, und sie folgten ihm zu den Hauptausstellungsräumen. Dort stand in der Mitte das riesige Skelett eines Dinosauriers. Der Direktor ging hin und deutete auf eine Stelle: „Sehen Sie, hier fehlt der Schienbeinknochen. Mr. Stone erbat sich die Genehmigung, ihn mit nach Hause zu nehmen und genau zu studieren. Er wollte für eine naturgeschichtliche Fachzeitschrift einen Aufsatz darüber schreiben. Tja, und es scheint, daß dieser Knochen bei ihm zu Hause dann spurlos verschwunden ist." Alle sahen sich an.
„Was soll das heißen: spurlos verschwunden?" fragte der Anwalt.
„Mr. Stone hat mich angerufen und gesagt, daß er ihn nicht mehr finden könne. Und daß er vermutete, sein Hund habe ihn sich geschnappt und irgendwo im Garten vergraben." „Also, er befindet sich im Garten!" sagte die Witwe. „Was wäre er denn wert, wenn er gefunden und zurückgebracht würde?"
„Na ja, das Ausstellungsstück ist ohne den Knochen unvollständig", sagte der Direktor. „Das Museum wäre bereit, fünf Millionen für den zurückerstatteten Knochen zu bezahlen."
Fünf Millionen Dollar!
„Vielen Dank", sagte der Neffe.
Und schon hatten sich alle umgedreht und rannten los.
Draußen vor dem Museum sagte die Witwe: „Ich habe da meine Zweifel, daß der Knochen im Garten vergraben ist."
„Ich auch", sagte der Neffe.
„Auch ich glaube nicht daran, daß der Knochen dort ist", ergänzte der Anwalt. Nur David sagte nichts.
Nicht sehr weit entfernt vom Haus gab es eine Eisenwarenhandlung. Dort erschienen eine halbe Stunde später nacheinander die Witwe, der Neffe und der Anwalt und schließlich auch noch David. Jeder kaufte Schaufeln und lief sich gegenseitig über den Weg.
„Wer den Knochen zuerst findet", verkündete der Neffe, „soll ihn behalten dürfen." Denn er war sich ziemlich sicher, daß er ihn fände.
„Richtig", pflichtete der Anwalt bei, „dem Finder seine Kinder."
Alle rannten los zum Haus und nach hinten in den Garten. Dort fingen sie fieberhaft zu graben an.
Der Butler sah aus dem Fenster und traute seinen Augen nicht. Die Familie Stone grub den ganzen Garten um! Es war ein merkwürdiger Anblick.
Der Garten war aber so groß, daß sie auch nach vier Stunden eifriger Arbeit erst einen kleinen Teil umgegraben hatten. „Den finden wir nie", sagte der Neffe. „Er kann ja überall sein."
Alle trotteten sie müde ins Haus zurück.
„Was machen wir jetzt?" fragte die Witwe.
David sagte: „In dem Hinweis hieß es doch auch: Ein Tiger kann euch helfen. Was kann damit wohl gemeint sein?"
In diesem Augenblick kam der Butler herein und meldete:
„Verzeihung, Mrs. Stone, Tiger ist weg."
Alle fuhren herum. „Was? Tiger? Wer ist Tiger?"
„Der Hund von Mrs. Stone."
„Stupid, meinen Sie?" fragte der Neffe.
Der Butler antwortete eisig: „Es ist mir bekannt, daß er von Ihnen hier nur Stupid genannt wurde. Aber Mr. Stone hatte ihn Tiger getauft." Alle starrten sich an.
Dann sagte der Anwalt: „Tiger hat den Knochen vergraben! Er allein weiß also, wo er ist."
„Wir müssen ihn zurückhaben", sagte der Neffe. Alle sahen vorwurfsvoll die Witwe an. „Und du hast ihn verkauft!" „Na ja, woher sollte ich denn wissen, daß er der Schlüssel zu dieser Schatzsuche ist?"
„Wir haben das Rätsel gelöst!" erklärte der Anwalt freudig. „Jetzt müssen wir nur noch Stupid ... ich meine, Tiger, zurückholen und ihn den Dinosaurierknochen ausbuddeln lassen." Er rieb sich die Hände. „Und dann haben wir die fünf Millionen Dollar. Wir teilen sie uns." „Dann aber los!" sagte der Neffe.
Sie rannten zu ihren Autos und fuhren hinter der Witwe her zu der Tierhandlung, der sie Tiger verkauft hatte. Sie eilten hinein in den Laden.
„Guten Tag", sagte der Inhaber.
„Tag", sprudelte die Witwe hervor. „Ich bin so unglücklich, wissen Sie. Nachdem ich Ihnen Stup... ich meine, Tiger, verkauft hatte, merkte ich; wie sehr ich doch an ihm hänge. Geben Sie ihn mir wieder. Er fehlt mir zu sehr." Sie holte die tausend Dollar hervor. „Hier ist Ihr Geld zurück." „Das tut mir sehr leid", sagte der Tierhändler, „aber das wird nicht möglich sein." „Wieso?"
„Weil ich ihn gerade vor einer Stunde verkauft habe." „Was haben Sie? Sie Unglücksmensch, das können Sie doch nicht machen!" „Ich habe es schon getan."
„An wen haben Sie ihn verkauft?" fragte der Neffe. „An Mrs. Smith."
„Ich muß mein armes Hundchen wiederhaben!" jammerte die Witwe verlogen. „Wo wohnt diese Mrs. Smith?" Der Tierhändler gab ihr die Adresse. Und schon in der nächsten Minute waren sie alle wieder davongehastet und auf dem Weg zu Mrs. Smith.
Sie rannten zur Haustür von Mrs. Smith. Mrs. Smith öffnete selbst.
„Wo ist Tiger?" rief die Witwe ohne ein weiteres Wort. „Was für ein Tiger?"
„Mein Hund, den Sie gerade gekauft haben!" „Den habe ich nicht mehr."
„Was soll das heißen, Sie haben ihn nicht mehr?"
„Ich habe ihn meiner Enkelin geschenkt! Zum Geburtstag."
„Ich muß den Hund zurückhaben", sagte die Witwe. „Unbedingt. Es war mir nicht klar, wissen Sie, wie sehr er mir ans Herz gewachsen war. Ich kann es ohne ihn nicht aushalten."
„Das tut mir sehr leid", Sagte Mrs. Smith, „aber es ist zu spät.
Er ist nicht mehr da."
„Könnte ich mal mit Ihrer Enkelin reden?"
„Wenn Sie unbedingt möchten." Sie gab der Witwe die Adresse ihrer Enkelin.
Und schon waren alle auf dem Weg.
Als sie ankamen, erblickten sie ein zehn Jahre altes Mädchen, das vergnügt mit Tiger spielte. Allen fiel ein Stein vom Herzen, als sie den Hund so lebendig sahen. Er war der Schlüssel zu ihrem Schatz!
„Hallo, Tiger!" sagte die Witwe und tat dem Hund schön. Aber der bellte sie nur an.
„Lieber Tiger, brav", versuchte es der Neffe. Doch die große Dänische Dogge knurrte böse.
„Gutes Hundchen!" sagte nun der Anwalt. Tiger fletschte die Zähne und hätte ihn fast gebissen.
Der einzige, von dem er sich streicheln ließ, war David.
Die Mutter des kleinen Mädchens kam hinzu. „Wer sind Sie?"
fragte sie.
„Das da ist mein Hund!" erklärte die Witwe. „Ich will ihn zurückhaben."
„Er ist nicht Ihr Hund. Er ist ein Geburtstagsgeschenk für meine Tochter."
„Wir kaufen ihn ja zurück", sagte die Witwe. „Ich will Ihr Geld nicht."
„Sie verstehen nicht. Tiger und ich stehen sehr eng miteinander. Es würde ihm das Herz brechen, wenn er nicht mehr bei mir wäre." Sie streckte die Hand nach dem Hund aus, um ihn zu tätscheln, doch er biß sie ihr fast ab. Da zog sie sie lieber hastig zurück.
„Na, so besonders scheint er sie nicht zu mögen", sagte die Frau.
„Ach, das ist nur so ein kleines Spiel zwischen uns", sagte die Witwe. „Da tut er dann immer so, als würde er mich gleich beißen."
„Tut mir leid", sagte die Frau, „aber ich gebe ihn nicht wieder her."
Alle waren verzweifelt. Solange Tiger ihnen nicht die Stelle zeigte, wo er den Dinosaurierknochen vergraben hatte, gab es kaum eine Chance, diesen zu finden.
„Na gut", sagte der Anwalt, „wir verstehen. Wir hoffen, er hat es gut bei Ihnen."
„Das wird er", sagte die Frau.
Sie gingen. Aber noch in der folgenden Nacht kamen sie alle außer David wieder, als die Frau und ihre kleine Tochter schliefen: die Witwe, der Neffe und der Rechtsanwalt. Sie schlichen sich hinter das Haus zu der Hundehütte, in der Tiger untergebracht war. Sie entfernten die Kette, an der er lag, und zerrten ihn mit sich zum Auto.
Nach einer halben Stunde hatten sie ihn sicher wie- der zu Hause.
Gleich am nächsten Morgen schleppten sie den Hund nach hinten in den Garten, wo sie gegraben hatten, und wollten ihn suchen lassen.
„Hier, Junge, hier, brav; such!" sagte der Neffe. „Hol's Fressi, hol den Knochen, los, du Mistvieh!" Tiger sah ihn nur träge an.
Die Witwe ermunterte ihn ebenfalls. „Such's Knochi, Tigerle! Schön ausbuddeln das Knochi!"
Der Hund spitzte die Ohren und schien tatsächlich zu verstehen, was man von ihm erwartete. Er setzte mit großen Sprüngen ans Ende des Gartens. Alle sahen ihm mit fieberhafter Spannung zu, wie er den Boden aufzuscharren begann.
„Er macht es!" rief der Anwalt freudig.
Und tatsächlich, schon nach einer Minute hatte der Hund einen Knochen ausgebuddelt.
Aber es war nur ein ganz gewöhnlicher Rinderknochen. „Nein, du dummer Hund!" fuhr ihn die Witwe an. „Das ist er nicht." Sie war sehr enttäuscht. „Du blödes Vieh, du! Wo ist der große Knochen, den du vergraben hast?" Tiger sah sie mit schiefem Kopf kurz an und legte sich dann ins matschige Gras.
„Tiger!!" schrie ihn die Witwe böse an. Tiger rührte sich nicht.
„Vielleicht, wenn wir ihn in Ruhe lassen?" schlug der Anwalt vor. „Vielleicht tut er es dann von alleine." „Gute Idee", meinte der Neffe.
Sie gingen alle zurück ins Haus und beobachteten den Hund durch das Fenster. Tiger lag einfach nur da und schlief in der Morgensonne.
„Es hat keinen Zweck", sagte die Witwe. „Der Garten ist so groß, da könnten wir auch ein ganzes Jahr lang graben, ohne etwas zu finden. Das Glück hat uns einfach verlassen." „Ja, ja", nickte der Neffe dazu. „Das ist zu dumm! Und ich wollte mir schon zwei Rolls-Royce und ein kleines Boot von meinem Anteil kaufen!"
„Was mich ärgert", sagte die Witwe, „ist, daß ich das Gefühl nicht loswerde, der Hund weiß ganz genau, was wir wollen, tut uns aber bewußt aus Trotz nicht den Gefallen." „Vielleicht würde er uns ja helfen", sagte David, „wenn ihr alle etwas netter zu ihm gewesen wärt die ganze Zeit."
Sie starrten den ganzen Tag zum Fenster hinaus, bis es dunkel wurde. Aber noch immer hatte Tiger keine Anstalten gemacht, den Dinosaurierknochen auszugraben. Sie aßen zu Abend, und dann war es Zeit, schlafen zu gehen. „Dies ist das erste Mal", sagte der Neffe, „daß wir den Schatz nicht finden. Mir ist ganz übel."
Alle begaben sich in ihre Zimmer und träumten von großen Dinosauriern, die auf sie losgingen.
David träumte, wie ein Dinosaurier direkt auf ihn zukam, näher und immer näher. Und schon spürte er dessen heißen Atem auf seinem Gesicht. Da wachte er auf.
Neben ihm im Bett lag Tiger und hatte den Dinosaurierknochen zwischen den Fängen! Er setzte sich auf und war mit einem Schlag hellwach. „Tiger!" sagte er. „Du kleines Mistvieh, du!"
Und er drückte ihn herzlich an sich. „Ich danke dir, daß du den Knochen mir gebracht hast, du Hund!" Tiger wedelte mit dem Schwanz.
Am nächsten Morgen, als sich alle zum Frühstück versammelten, erschien David mit dem Dinosaurierknochen. Die Witwe sah ihn zuerst. „Du hast ihn ja!" rief sie aus. „Wie hast du ihn gefunden?"
Der Anwalt meinte vorwurfsvoll: „Da sind Sie mitten in der Nacht hinaus und haben ohne uns gegraben!" „Nein, habe ich nicht", antwortete David. „Tiger fand den Knochen und brachte ihn mir."
„Dann teilen wir uns den Erlös", sagte der Neffe sofort. „Er gehört uns allen."
„Nein, gehört er nicht", sagte David und schüttelte heftig den Kopf. „Er gehört dem Museum."
„Der Direktor hat doch selbst gesagt, er würde fünf Millionen dafür bezahlen!"
„Aber es ist nicht anständig!" sagte David. „Er hat uns erzählt, daß Samuel Stone sich den Knochen nur ausgeborgt hatte. Er mußte ihn also auch wieder zurückgeben. Man kann doch das Museum nicht dafür bezahlen lassen, daß es sein Eigentum zurückbekommt!"
Die Witwe war entsetzt. „Soll das heißen, Sie haben tatsächlich die Absicht, den Knochen einfach so zurückzugeben?" „Ganz genau das soll es heißen", erklärte David. „Die Kinder gehen in das Museum, damit sie sehen, wie so ein Dinosaurier aussieht. Nach meiner Meinung haben sie ein Recht darauf, einen kompletten Dinosaurier besichtigen zu können." „Das ist das Ekelhafteste, was ich jemals gehört habe!" sagte der Neffe. „Sie sind ja mehr an Kindern interessiert als an Geld!"
„Richtig", sagte David. „Genauso ist es." Die anderen konnten ihn keinen Millimeter mehr davon abbringen. „Und da ist außerdem noch etwas", sagte er. „Dies hier ist das Zuhause von Tiger. Er bleibt hier. Ich will nichts davon hören, daß er noch einmal verkauft wird."
Am Nachmittag begab David sich mit dem Dinosaurierknochen zum Museum für Naturgeschichte. Der Direktor war vor Freude ganz außer sich. „Sie haben ihn zurückgebracht!" rief er aus. ."'Das ist wunderbar! Die Kinder werden sich alle sehr freuen!" Er brachte den Dinosaurierschienbeinknochen wieder an der Stelle des Skeletts an, wo er hingehörte. „So, jetzt sieht das wieder besser aus." Dann fragte er David: „Wie soll ich Ihnen den Scheck ausschreiben?"
Doch David wehrte kopfschüttelnd ab. „Gar nicht. Sie brauchen mir keinen Scheck zu geben. Der Knochen gehört schließlich Ihrem Museum. Ich habe ihn nur dem rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben." „Das ist sehr anständig von Ihnen", sagte der Museumsdirektor. „Da möchte ich dann doch auch etwas für Sie tun. Was halten Sie von einer Spende für eine wohltätige Einrichtung Ihrer Wahl?"
David lächelte. „Das wäre sehr nett. Dann schreiben Sie doch den Spendenbetrag auf die Stiftung Samuel Stone aus." „Aber gerne. Und haben Sie noch einmal vielen Dank!"
Die Witwe kochte vor Wut. Nach ihrer Ansicht hatte man sie um ihr rechtmäßiges Geld betrogen. Warum mußte dieser David denn unbedingt so ein menschenfreundlicher Zeitgenosse sein?
Sie rief die anderen zusammen. „Hört zu", sagte sie. „Nächsten Montag, wenn uns Samuel seine nächsten Schatzsuchehinweise gibt, machen wir folgendes. Wir arrangieren etwas, damit David nicht dabeisein kann. Dann können wir das Geld endlich nur unter uns aufteilen und vor allem auch behalten. Er gibt es ja ständig nur fort für diese dummen Armen! Was haltet ihr davon?"
„Das ist eine großartige Idee", sagte der Rechtsanwalt. „Wir wollen uns einen Plan ausdenken, wie wir ihn fortkriegen." Als David wiederkam, sahen sie ihm alle ganz unschuldig und harmlos entgegen. Und er hatte keine Ahnung, daß sie etwas gegen ihn im Schilde führten.
Am nächsten Morgen fuhr die Witwe wieder zu der Tierhandlung und verkaufte Tiger noch einmal. Für die tausend Dollar, die sie bekam, kaufte sie sich auf der Stelle ein neues Kleid.