Der liebe Gott ist mit Sicherheit kein Jurist. Und der Teufel? Der Teufel der Volkssage legt auf juristische Formen und Formeln auffallend großen Wert. Keine Leistung seinerseits ohne verbriefte Leistung der Gegenseite: Das alles muss seine Ordnung haben, muss zwischen den Partnern vertraglich festgehalten und tunlichst mit Blut besiegelt werden. Zum Meister der schwarzen Magie wird man in aller Regel nicht ohne Teufelspakt. Bei Hexern und Hexen scheint das vom Satan nicht anders gehandhabt zu werden, nur ausnahmsweise vermag sich eine von ihm ins Visier genommene Seele der Verlockung eines solchen Paktes zu entziehen.
In einem Schwarzwalddorf, dessen Namen wir hier nicht nennen wollen, stand eine Bauersfrau, deren Name gleichfalls ungenannt bleiben möge, in dem Verruf, eine Hexe zu sein. Nun begab es sich, dass eine junge Frau aus der Nachbarschaft eines Tages die Stube der Hexe betrat, als jene gerade am Butterfass stand und dabei war, Butter zu stampfen. Was denn die Junge wolle, fragte die Hexe ungehalten. Ach, nichts Besonderes, sagte die Junge. Ein Quäntchen Hefe bloß für den Brotteig, die ihrige sei ihr ausgegangen.
»Na gut«, meint die Hexe und eilt in die Vorratskammer hinaus, die Hefe zu holen.
Die Junge wirft einen Blick in das Butterfass. Donnerwetter! - wenn das keine Butter ist . Gelb und glänzend wie schieres Gold! Sie erinnert sich, was man der Alten nachsagt. Neugierig kippt sie das Butterfass über die Kante hoch - und was sieht sie? Sie sieht, dass ein roter Lappen darunter liegt: ein Lappen von blutroter Farbe.
Aha!, denkt die Junge, sie weiß Bescheid. Heimlich reißt sie ein Stück von dem blutroten Lappen ab. Ein kleines Stück nur. Und ehe die Nachbarin mit der Hefe zurückkommt, lässt sie es unbemerkt in der Schürzentasche verschwinden.
»Schönen Dank auch, Frau Nachbarin!« Damit eilt sie nach Hause. Und eilends schiebt sie das Stückchen des blutroten Lappens unter ihr eigenes Butterfass. Viel Rahm hat sie nicht zur Hand, eine Viertelkelle vielleicht, mehr gewiss nicht. Dann setzt sie den Butterstampfer ins Fass und beginnt zu buttern.
Im Butterfass bildet sich unter ihren Stößen ein Klumpen Butter. Gelb und glänzend wie schieres Gold. Und um ein Vielfaches größer, als man’s von einer Viertelkelle hätte erwarten können! Die Junge ist es zufrieden. Wenn sie die Butter zu Markt bringt - vier Kreuzer wird sie erlösen fürs halbe Pfunde, wenn nicht fünfe .
Da klopft es mit einem Mal an die Tür, ein Fremder betritt die Stube. Grasgrün ist der Herr gekleidet, mit grüner Hose und grünem Wams, einen grasgrünen Hut auf dem Kopf, auf dem grasgrünen Hut eine rote Hahnenfeder.
»Nun, meine Liebe?«, fragt er die junge Frau. »Behagt dir das Butterstampfen auf meine Weise?« Bei diesen Worten zieht er ein Buch hervor, ein in Schweinsleder eingebundenes Buch, und hält es ihr unter die Nase. »Dann unterschreib das da, meine Liebe .«
»Womit denn?« Die Junge versucht, sich dumm zu stellen, dümmer als sie’s in Wahrheit ist.
»Nun, womit wohl?« Der Grasgrüne hält ein Messer und eine Feder hin. »Ritz dir den Arm mit dem Messerchen - und mit dem Federchen setz deinen Namen hin. Unter die vielen Namenszüge, die ich schon drin hab in meinem Buch .«
Die Junge bittet sich einen Tag Bedenkzeit aus, einen Tag nur. Den kann ihr der Grasgrüne mit der roten Hahnenfeder nicht abschlagen. »Na schön«, sagt er. »Morgen um diese Zeit bin ich wieder da - und dann unterschreibst du!«
Kaum ist der Grasgrüne fort, eilt die Junge hinüber nach Kippenheim - und dort stracks ins Pfarrhaus. Der Pfarrer von Kippenheim ist ein geistlicher Herr von Erfahrung. Auch von Erfahrung in solcherlei schwierigen Dingen. »Nur ruhig«, rät er der jungen Frau. »Wenn du tust, was ich sage, wird dir kein Leid geschehen.«
Anderntags stellt sich der Grasgrüne mit der Hahnenfeder am Hut wieder ein bei der jungen Frau. Er hält ihr das Messerchen und die Schreibfeder hin. Und das Buch mit den vielen Namen. »Jetzt aber rasch!«, bedrängt er sie. »Setz auch du deinen Namen drunter!«
Die Junge ritzt sich den Arm - und dann schreibt sie mit ihrem Blut . Nein, es ist nicht ihr Name, den sie dem Grasgrünen mit der Hahnenfeder ins Buch schreibt! Wie es der Pfarrer von Kippenheim ihr geraten hat, setzt sie dort, wo der Grasgrüne ihren Namen erwartet, drei große lateinische Buchstaben hin:
+
IHS
Man weiß ja, was sie bedeuten: das Monogramm Jesu Christi, des Heilands der Welt.
Kaum eingetragen ins Buch des Satans, tun die drei heiligen Buchstaben ihre Wirkung. Blitz und Donner, Gestank und Qualm! Aufjaulend wie ein Hund, dem man auf den Schwanz getreten ist, fährt der Grüne zum Fenster hinaus, Glassplitter und Gestank hinter sich lassend. Außerdem hinterlässt er das Buch, das in Schweinsleder eingebundene Buch mit den vielen Unterschriften, den blutroten Namenszügen der Hexen und Hexenmeister.
Die junge Frau hat das Buch zum Pfarrer gebracht, zum Pfarrer von Kippenheim. Und der Pfarrer von Kippenheim hätte das Buch mit den vielen Namen dem Hexenrichter von Freudenstadt überantworten können, der hätte gewiss nicht ungern die Nase hineingesteckt.
Dies aber tut er gerade nicht, der Pfarrer von Kippenheim. Der brave Gottesmann wirft das Buch mit den vielen blutroten Unterschriften ins Feuer! Und damit befreit er sie alle, die Hexen und Hexeriche, die sich darin dem Teufel verschrieben hatten, für ewige Zeiten von ihrem Satansbund.