Kleopatra III.


»Möchtest du nicht ein wenig zu mir ins Labor kommen?« fragte der alte Mann.

Kleopatra lag lang dahingestreckt am Kamin. Sie blinzelte vorwurfsvoll: »Du hast mich aufgeweckt!«

Der alte Mann setzte sich müde auf den aus Bambusrohr gebundenen Schaukelstuhl und blickte auf Kleopatra herab – eine prächtige Katze, seidengraues Fell, gelbe Augen. »Wir haben seit einer Woche nicht mehr gearbeitet«, sagte er.

»Ich habe keine Lust«, entgegnete Kleopatra. »Nicht die geringste Lust.« Sie erhob sich, gähnte, streckte sich: »Laß mich hinaus, ich will sehen, ob es im Schuppen Mäuse gibt.«

»Es ist noch frische Leber im Kühlschrank«, sagte der alte Mann.

»Idiot«, antwortete die Katze. »Es geht mir nicht ums Fressen – es geht mir um die Jagd.«

Sie sprang aufs Fensterbrett und blickte sich hochmütig um. Seufzend stand der alte Mann auf und öffnete einen Spaltbreit die Fensterflügel. Die Katze schlüpfte hinaus.

Der alte Mann schlurfte zu seinem Stuhl zurück, setzte sich und schloß die Augen.


Heute hat es endlich geklappt. Prof. Shulman sagte zwar gleich, als ich in sein Zimmer kam, er hätte nur zehn Minuten Zeit – dann unterhielten wir uns aber doch fast eine Stunde lang. Zuerst war er etwas erstaunt, als ich darum bat, bei ihm dissertieren zu dürfen, aber dann schien er sich mit diesem Gedanken anzufreunden. Er erinnerte sich an das Seminar über Gewebemikroskope, das ich bei ihm gemacht hatte … Vielleicht half es mir auch, daß ich mein großes Interesse an den Gedächtnismolekülen betonte. Das Thema meiner Dissertation wird lauten: »Der biochemische Aspekt der Pawlowschen Reflexe.« Prof. Shulman meinte zwar, er werde mir und meinen Arbeiten nicht allzuviel Zeit widmen können, aber das soll mir nur recht sein – ich bin dann viel selbständiger!

Ich habe mich entschlossen, als Versuchstiere Katzen zu verwenden. Einige Kollegen haben mich zwar gewarnt – sie meinen, daß die Verhaltensmuster dieser Spezies zu kompliziert für grundlegende Untersuchungen seien. Gerade das erscheint mir aber vorteilhaft: Je intelligenter ein Tier ist, um so eher wird es unserem Verständnis zugänglich. Ausschlaggebend aber war, daß Katzen visuell eingestellte Wesen sind. Ich glaube, daß ihre Vorstellungswelt jener des Menschen viel ähnlicher ist als jene von Tieren, die sich vor allem durch das Gehör oder den Geruchssinn orientieren. Ich vermute sogar, daß die Logik der Handlungen und des Denkens ganz entscheidend davon beeinflußt ist, ob man zweidimensionale oder nur eindimensionale Mannigfaltigkeiten aufnehmen kann. Hier muß doch jedes Augenwesen erhebliche Vorteile haben!


Nun beschäftige ich mich schon ein Jahr mit Katzen, und ich kann nicht gerade sagen, daß sich bereits ein Resultat abzeichnet. Das liegt vor allem daran, daß sich ein Zusammenhang zwischen den Reflexen und dem Gedächtnisstoff ergeben hat. Die Einübung eines bedingten Reflexes ist nichts anders als ein Lernprozeß, und er muß sich deshalb irgendwie durch die Veränderung eines RNS-Moleküls äußern. Dieser Frage muß ich nachgehen! Meine Arbeit wird sich zwar ein wenig verlängern, aber dadurch wird die Sache erst richtig interessant.


Das erste greifbare Resultat! Den entscheidenden Durchbruch habe ich allerdings weniger meiner eigenen Arbeit zu verdanken als der Gefälligkeit von anderen: vom Baylor College of Medicine in Houston erhielt ich einige Peptide, die sie aus den Gehirnen von Ratten gewonnen hatten. Es sind erprobte Gedächtnisstoffe, und sie werden nur an wenige Stellen der ganzen Welt verschickt – zur Verifizierung der Ergebnisse. Ich bin sehr stolz darauf, daß man gerade mir etwas davon gegeben hat, aber das habe ich natürlich Prof. Shulman zu verdanken.

Ich glaube, ich bin einer großen Sache auf der Spur: Es dürfte möglich sein, Tiere intelligenter zu machen – später vielleicht sogar Menschen. Prof. Shulman ist zwar ein wenig skeptisch, er hat mich gemahnt, auf dem festen Boden zu bleiben. Aber er ist durchaus damit einverstanden, daß ich in dieser Richtung weitergehe. Das bedeutet zwar wieder eine gewisse Verlängerung der Forschungsarbeit, aber vielleicht bekomme ich ein Stipendium. Dann werden sich meine Eltern ein wenig beruhigen – sie sind schon ungeduldig, da sie mich am liebsten in einem festen Beruf sehen würden.


Ich hab es doch gewußt! Katzen sind viel intelligenter, als man ihnen zutraut. Diese geringe Meinung rührt wahrscheinlich daher, daß es keine Verständigung mit ihnen gibt. Man ist oft versucht, jemanden, der schweigt, für dumm zu halten.

Gewiß ist es mühevoll und zeitraubend, die Intelligenz auf andere Art zu prüfen. Ich habe mit Labyrinthversuchen angefangen, was sich aber nicht als besonders günstig erweist – die Ergebnisse lassen sich schlecht quantifizieren. Nun arbeite ich mit verschiedenen Kombinationen optischer, akustischer und mechanischer Signale, deren Informationsgehalt eindeutig festlegbar ist. Aber selbst dabei gibt es Schwierigkeiten – nicht, weil die Katzen die Probleme nicht lösen können, sondern weil sie oft nicht wollen. Sie sind eigenwillig, manchmal geradezu starrsinnig: Aber ich beginne ihre Mentalität immer besser zu verstehen, und selbst mein Kollege Towser, der nie viel von meinen Katzenversuchen hielt, hat das zugegeben. Er hat übrigens seine Arbeit abgeschlossen und geht nächste Woche in die Industrie.


Jonathan, mein bevorzugtes Versuchstier, scheint alt zu werden. Ich werde neue Katzen trainieren müssen, mit einem halben Jahr Zeitverlust ist zu rechnen. Ich werde die Versuche aber gleich in größerem Umfang angehen. Prof. Shulman hat mir eine Hilfskraft versprochen. Weiter habe ich zwei Räume im Keller seines Instituts bekommen. Zwar bin ich dadurch von den andern ein wenig isoliert, aber ich kann in Ruhe arbeiten.

Immer mehr beschäftigt mich eine Idee: Es müßte möglich sein, das erlernte Wissen vererbbar zu machen. Das scheint natürlich den Grundsätzen der Biologie zu widersprechen – ich glaube aber, daß es einen Weg gibt, sie zu umgehen. Da wir jetzt einige Gedächtnismoleküle genau kennen, dürfte es keine prinzipiellen Schwierigkeiten bereiten, die DNS der Gene, die dazu wie der Schlüssel zum Schloß paßt, dementsprechend zu verändern. Ich habe sogar schon eine Vermutung, wie sich die Aminobasen einbauen ließen …

Meine Arbeiten werden immer interessanter. Ich habe Prof. Shulman vorgeschlagen, das Thema meiner Dissertation auf die molekularbiologische Grundlage der Intelligenz zu erweitern. Er war damit nicht einverstanden, sondern meinte, ich sollte meine Dissertation über das ursprüngliche Thema abschließen – man würde sehen, ob ich nicht später auf diesem Gebiet weiterarbeiten könnte.

Nun habe ich doch einen Forschungsauftrag bekommen. Er läuft vorderhand auf fünf Jahre. Natürlich könnte ich meine bisherigen Ergebnisse veröffentlichen, es widerstrebt mir aber, etwas Halbes an die Öffentlichkeit zu geben.

Leider gab es einen Streit mit Jennifer. Sie will nicht länger auf mich warten, ja sie erklärte sogar, meine Arbeit mit den Katzen gehe ihr auf die Nerven und sie hätte es sowieso nicht länger ausgehalten. Ich war nahe dran, den Forschungsauftrag abzulehnen, habe mich dann aber doch eines Besseren besonnen. Vielleicht überlegt sie es sich noch!?

Das alles aber verblaßt gegenüber einer Möglichkeit, die sich vage abzuzeichnen beginnt. Eine Forschungsgruppe in Cambridge hat jene Genabschnitte entdeckt, die den Aufbau des Nervensystems bestimmen. Und damit komme ich einem Wunsch näher, an den ich bisher kaum zu denken gewagt habe – nämlich den Katzen das Sprechen beizubringen. Nach meiner Überzeugung ist das weniger eine Frage der Stimmbänder als eine solche ihrer Steuerung. Es wäre geradezu phantastisch: Ich könnte mir alle mühseligen Versuche ersparen und die Katzen abfragen wie ein Lehrer seine Schüler!


Vor dem Fenster miaute es fordernd. Der alte Mann schreckte aus seinen Träumen auf. Er trat zum Fenster und öffnete es. Die Katze sprang herein, und als der alte Mann das Fenster schließen wollte, schoß ein schwarzer Pfeil durch den noch offenen Spalt: ein riesiger Kater, ein häßliches Exemplar mit struppigem Pelz und einem zerbissenen Ohr, der sofort unter der Couch verschwand. Auf dem Fensterbrett und auf dem Teppich blieben Dreckspuren seiner Pfoten zurück.

»Der Kater muß hinaus«, sagte der alte Mann.

»Der Kater bleibt«, antwortete Kleopatra und krümmte sich zu einem weit ausladenden umgekehrten U.

»Er muß hinaus«, wiederholte der alte Mann. »Ich will ihn nicht in meiner Wohnung haben. Er ist schmutzig und er stinkt. Er stört uns bei unserer Arbeit.«

Der alte Mann ging in den Abstellraum und holte einen Besen. Er kniete vor der Couch nieder und stocherte darunter mit dem Stiel herum. Kleopatra sah ihm eine Weile zu. Als dann unter der Couch ein wütendes Fauchen erscholl, fegte sie herbei und fuhr den alten Mann an: »Wenn du nicht sofort aufhörst, helfe ich dir nie mehr bei deiner Arbeit.«

Der alte Mann überlegte kurz, dann zuckte er die Achseln, stand ächzend auf und brachte den Besen in den Abstellraum zurück. Er ging in sein Labor und blätterte zerstreut in den Protokollen. Doch er brauchte keine Gedächtnishilfe: Er erinnerte sich an jeden einzelnen Test, als wäre es heute gewesen.


Jetzt habe ich eine sprechende Katze! Die Töne, die sie von sich gibt, sind zwar schwer zu verstehen, aber man lernt es doch, sie zu differenzieren. Natürlich ist das Vokabular beschränkt, aber selbst wenn sie nur »ja« und »nein« sagen könnte, so wäre das schon ein erheblicher Vorteil! Das, was mir bisher die größten Schwierigkeiten macht, ist es, die Katzen dazu zu veranlassen, daß sie von ihren neuerworbenen Fähigkeiten auch Gebrauch machen! Ich glaube, dazu muß ich mich erst viel intensiver mit der Psychologie der Katzen beschäftigen. Die »Psychologie der Katzen«! Wer hätte bisher überhaupt an so etwas gedacht? Mit der Fähigkeit zur Sprache aber scheinen manche Barrieren ganz von selbst zu fallen. Und ich beginne immer mehr zu erkennen, daß Tiere doch ein weitaus komplizierteres Gefühlsleben haben, als man bisher angenommen hat.

Nun arbeite ich bereits mit der achten Generation von Katzen – wie gut, daß mein Forschungsauftrag um fünf weitere Jahre verlängert wurde. Prof. Shulman hat mir sogar eine Assistentenstellung angeboten, aber ich habe abgelehnt. Es hätte bedeutet, daß ich meine Untersuchungen nur mit halber Kraft weiterführen könnte, und gerade in diesem Stand der Forschungen ist das unmöglich.

Intelligenz hat sich als eine vererbbare Eigenschaft erwiesen. Es geht mir dabei nicht so sehr um die Vererbung von Wissen als um die Vererbung der prinzipiellen Möglichkeit, Wissen aufzunehmen … Ich habe systematische Zuchtversuche begonnen, habe die intelligentesten Tiere miteinander gekreuzt. Leider bringt das einige Nachteile mit sich – es ist oft schwer festzustellen, von welchem Elternteil die auftretenden Eigenschaften stammen, und manchmal kommt es auch zu Kombinationen anderer Art, als man erwarten würde. Weitaus besser hat sich die Methode der Jungfernzeugung bewährt – kein Problem mehr, seit es gelingt, jede beliebige Körperzelle als Keimzelle zu aktivieren. Die Ergebnisse sind tatsächlich verblüffend: man scheint es über Generationen hinweg mit denselben Individuen zu haben.

Der undurchsichtige Charakter der Katzen macht mir zu schaffen. Je mehr ihre Intelligenz steigt, um so eigenwilliger scheinen sie zu werden. Aber allmählich beginne ich sie recht gut zu verstehen. Mir scheint, ihre Philosophie ist vernünftiger als die des Menschen. Sie tun nur, was sie wollen, und sie sind zufriedener, als es ein Mensch je sein könnte. Sie können sich wunderbar entspannen, und die Stunden der Ruhe sind für sie der höchste Genuß. Der Mensch könnte viel von ihnen lernen.

Manchmal geben sie erstaunliche Zeugnisse ihrer Fähigkeiten. Mit einer Katze, ich habe sie Kleopatra genannt, konnte ich bereits komplizierte logische Probleme lösen. Dabei hat sie mich geradezu übertrumpft – sie nannte mir richtige Resultate von Aufgaben, die ich nur mit Hilfe der symbolischen Logik lösen konnte.

Gestern hat mich eine Kommission der Forschungsgemeinschaft im Labor besucht. Die Herren haben sich meine Ausführungen mit großem Interesse angehört, und auch Prof. Shulman hat sich prächtig benommen. Zwar ist er seit einigen Jahren pensioniert, aber noch immer gilt er als der Betreuer meiner Forschungen. Manches von dem, was ich im Laufe der letzten dreißig Jahre erarbeitet habe, konnte er weitaus besser darstellen als ich.

Der Besuch hatte natürlich seinen Grund; zwar hat man mir es nicht offiziell mitgeteilt, aber ich habe doch erfahren, daß es um die Fortsetzung meiner Arbeiten geht. Ich hoffe sehr, daß man mir die angeforderten Einrichtungen genehmigen wird! Der dafür notwendige Betrag ist zwar nicht gering, aber bei der Bedeutung der neuen Erkenntnisse …

Eine gewisse Hoffnung habe ich auch, daß man mein Stipendium ein wenig aufbessern wird. Zwar habe ich nie viel Geld verbraucht, aber es war doch bitter, als ich vor einigen Wochen die Wohnung, die ich seit dem Tod meiner Eltern allein bewohne, verlassen mußte. Ich bin ein wenig weiter hinaus vor die Stadt gezogen, in ein kleines Holzhaus, das ich einigermaßen preiswert mieten konnte.

Man hat mir die Zuschüsse gestrichen! Ich kann es nicht fassen; jeder muß doch einsehen, daß meine Arbeiten dadurch außerordentlich behindert sind. Von einer Aufbesserung des Stipendiums keine Rede! Ich kann nicht verstehen, daß es jemand geben kann, der die Bedeutung der Arbeiten nicht versteht. Aber vielleicht liegt es an der Kommission – wie ich erfahren habe, waren Juristen und Philosophen dabei!

Trotzdem gebe ich natürlich nicht auf. Zwar kann ich nicht mehr mit zwanzig oder dreißig Katzen arbeiten, wie ich das in den letzten Jahren getan habe, aber fünf bis zehn der besten werde ich behalten – natürlich die, bei denen die größte Aussicht auf Erfolg besteht.

In der letzten Zeit haben sich meine Ziele ein wenig gewandelt. Es geht mir nicht mehr um die Zytologie, nicht mehr um die molekularen Grundlagen. Was mich jetzt am meisten beschäftigt, ist die Philosophie der Katzen. Das ist der Punkt, um den es geht: Nicht die Katze lernt vom Menschen, sondern der Mensch wird von der Katze lernen. Er wird einsehen, wie man ein Leben lebt, das in Harmonie mit seiner Umgebung steht, das auf der Weisheit der Selbstbeschränkung beruht, auf der Ruhe, der Stille, der Meditation … Wenn wir erst erkennen, wie wir auf diese Ebene des Daseins aufsteigen können, so haben wir eine Erkenntnis gewonnen, die über alles hinausgeht, was die Naturwissenschaft bisher erbracht hat. Von hier aus dürfte es möglich sein, die Menschen zur Einigung und zum Frieden zu bringen …

Heute habe ich das Labor an die Verwaltung zurückgegeben. Es wird eine Gruppe von jungen Biologen einziehen, die sich mit der in vitro-Vermehrung von Gewebe beschäftigen wird. Es geht offenbar um die Produktion von Nahrungsmitteln – Schweinebraten aus der Retorte!

Ich trage es den Herren von der Verwaltung nicht nach. Die Kollegen haben sich übrigens sehr anständig benommen, obwohl niemand mehr aus jener Zeit da ist, zu der ich begonnen habe. Sie haben mich gebeten, sie so oft wie möglich zu besuchen, ihnen mit meinen Erfahrungen zur Seite zu stehen …

Eigentlich fühle ich mich sehr wohl hier draußen am Waldrand. Hier bin ich frei von Antrieb und Hast, denen man in einem wissenschaftlichen Institut stets unterliegt. Ich habe eine kleine Pension, und ich brauche niemand Rechenschaft darüber abzulegen, für welche Zwecke ich Forschungsmittel verwende.

Selbstverständlich habe ich meine Arbeit nicht aufgegeben. Leider konnte ich nur wenige meiner Katzen mitnehmen; oder richtiger, ich arbeite nur noch mit einer. Sie hat den Namen Kleopatra III., und stammt direkt von der ersten Kleopatra ab, die so beredte Zeichen von Intelligenz gegeben hat.

Kleopatra III. übertrifft alles, was ich bisher erlebt habe. Sie ist ein prächtiges Tier, und ich glaube, daß ich mit ihr doch noch ans Ziel komme; ich bin überzeugt davon, daß ich es bald erreichen werde. Das einzige, was mir Sorgen bereitet, ist die Frage der Vererbung. Ich habe hier natürlich keine Mittel, um eine Jungfernzeugung zu veranlassen. Aber diese Sorge ist noch nicht so dringend – Kleopatra ist ein junges, gesundes und kräftiges Tier und hat noch etliche Jahre zu leben.


Vier Tage lang war Kleopatra nicht mehr im Haus gewesen. Der alte Mann war besorgt. Immer wieder trat er vor die Tür, ging um die Gebäude herum, hielt Ausschau, rief … keine Spur von der Katze.

Am fünften Tag war sie plötzlich wieder da. Sie war mager und verstaubt, im Maul trug sie ein kleines graues blindes Bündel. Sie blickte sich kurz um und legte es dann in die Mulde zwischen den beiden Kissen auf der Couch. Sie leckte es ab, blickte den alten Mann von unten herauf an und lief wieder weg.

Kurze Zeit später brachte sie ein zweites Junges, ein drittes und ein viertes. Sie ließ sich bei ihrer Brut nieder, machte sich breit, wühlte sich zwischen den Kissen ein Nest. Sie hob den Kopf und sah den alten Mann stolz an.

»Was ist mit unserer Arbeit?« fragte der alte Mann.

»Nichts«, antwortete Kleopatra. »Ich habe zu tun.«

»Du scheinst zu vergessen, daß du ohne mich überhaupt nicht existieren würdest!«

Die Katze zerrte am Kissen, mit ihren Krallen riß sie Fäden aus dem Stoff. »Fängst du schon wieder damit an? Wie mich das langweilt …«

»So ist das also«, sagte der alte Mann. Er wartete eine Weile, doch Kleopatra beachtete ihn nicht mehr. Da ging er in die Küche und holte eine Schüssel mit Milch. Er stellte sie auf den Boden neben die Couch. Die Katze stand von ihrem Lager auf und trank gierig. Sie leckte sich die Schnauze und sprang mit einem Satz zurück auf die Couch. Die Jungen sahen wie breitköpfige Mäuse aus und quiekten.

»Was soll ich tun?« fragte der alte Mann. »Wenn ich die Testreihe nicht fortführe, hatte die ganze Arbeit keinen Sinn.«

»Du kannst für uns sorgen – das ist das einzige, was Sinn hat«, sagte die Katze und wandte sich wieder ihren Jungen zu. Sie sah zufrieden aus und schnurrte leise.

Der alte Mann sah ihnen lange zu, dann ging er ins Labor und holte die Mappen mit den Tagebüchern und Protokollen hervor. Er öffnete den Deckel des Müllschluckers und warf sie einzeln ins Feuer.

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