XIII

«WAS HABT IHR GESAGT?» FRAGTE FI-

delma, die ihren Ohren nicht traute.

«Deusdedit, der Erzbischof von Canterbury, liegt tot in seinem cubiculum. Bitte, kommt sofort.»

Fidelma schluckte.

Ein weiterer Mord? Und am Erzbischof höchstpersönlich? Das war doch Wahnsinn! Sie betrachtete Schwester Athelswiths entgeistertes Gesicht und packte sie am Arm.

«Nehmt Euch zusammen, Schwester. Habt Ihr schon irgend jemandem davon erzählt?»

«Nein, nein. Ich war so durcheinander, daß ich gleich zu Euch gelaufen bin, weil ... weil ...»

Schwester Athelswith war völlig verwirrt.

«Habt Ihr nach dem Medikus geschickt?» fragte Fidelma.

Schwester Athelswith schüttelte den Kopf.

«Bruder Edgar, unser Medikus, ist nach Witebia aufgebrochen, um dem kranken Sohn des hiesigen Than beizustehen. Wir haben keinen anderen Medikus in der Abtei.»

«Dann sucht sofort nach Bruder Eadulf. Er verfügt über einige medizinische Kenntnisse. Danach lauft Ihr zu Äbtissin Hilda und berichtet ihr, was geschehen ist. Sagt beiden, sie sollen sofort zu Deusdedits cubiculum kommen.»

Schwester Athelswith nickte und eilte davon.

Fidelma begab sich zu Deusdedits Unterkunft

im domus hospitale. Schwester Athelswith hatte sie ihr gezeigt, als sie ihr die Verteilung der cubicula erklärt hatte.

Sie schob die Tür auf, die Schwester Athelswith in der Eile angelehnt gelassen hatte, und spähte hinein.

Deusdedit lag auf seinem Bett. Schon auf den ersten Blick war zu erkennen, daß sein Bettzeug nicht in Unordnung geraten war. Mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen wirkte er so friedlich, als würde er schlafen. Seine Haut erinnerte an gelbliches Pergament. Fidelma dachte daran, daß der Erzbischof schon bei seinem ersten Auftritt im sa-crarium sehr gebrechlich ausgesehen hatte.

Fidelma wollte gerade nähertreten, als sich eine schwere Hand auf ihre Schulter legte. Erschrocken sah sie sich um.

Das engelsgleiche Gesicht Bruder Wighards schaute sie an.

«Geht nicht hinein, Schwester», flüsterte der Sekretär des Erzbischofs. «Ihr setzt sonst Euer Leben aufs Spiel.»

Fidelma sah ihn verständnislos an.

«Was meint Ihr damit?»

«Deusdedit ist an der Gelben Pest gestorben!»

Fidelma riß erstaunt die Augen auf.

«An der Gelben Pest? Woher wißt Ihr das?»

Wighard schniefte, streckte die Hand aus und schloß die Tür.

«Ich hatte schon seit einigen Tagen den Verdacht, daß Deusdedit an der schrecklichen Krankheit litt. Die gelblichen Augäpfel, die verfärbte Haut . Er klagte ständig über Schwächegefühl, mangelnden Appetit und Verstopfung. Ich habe in diesem Jahr schon zu viele an dieser Krankheit sterben sehen, um die Anzeichen nicht zu erkennen.»

Fidelma erschauderte, als sie die Bedeutung seiner Worte begriff.

«Wie lange wußtet Ihr schon davon?» drang Fidelma in den Mönch, der sie aus runden Augen bekümmert anblickte.

«Seit einigen Tagen. Zum erstenmal ist es mir wohl während der Reise nach Streoneshalh aufgefallen.»

«Und Ihr habt zugelassen, daß Deusdedit herkam und unter den Brüdern und Schwestern weilte?» fragte Fidelma empört. «Ihr wißt doch, wie anstek-kend diese Krankheit ist. Warum habt Ihr ihn nicht irgendwo untergebracht, wo er gepflegt und behandelt werden konnte?»

«Weil es unbedingt notwendig war, daß Deus-dedit, der Erbe des Heiligen Augustinus von Rom, der unser Volk in den Schoß der römischen Kirche führte, an der Synode teilnimmt», gab Wighard zurück.

«Ohne Rücksicht auf die Folgen?» fragte Fidelma barsch.

«Die Synode ist wichtiger als die Unpäßlichkeit eines einzelnen.»

In diesem Augenblick kam Äbtissin Hilda herbeigeeilt.

«Ein weiterer Todesfall?» fragte sie, und ihre Augen wanderten unruhig zwischen Fidelma und Wighard hin und her. «Was hat mir Schwester Athelswith da für eine schreckliche Nachricht gebracht?»

«Ja, ein weiterer Todesfall, aber zumindest scheint es sich diesmal nicht um einen Mord zu handeln», sagte Fidelma. «Offenbar war Deusde-dit an der Gelben Pest erkrankt.»

Ungläubig und voller Angst schaute Hilda sie an.

«Die Gelbe Pest hier in Streoneshalh?»

Hilda beugte hastig das Knie.

«Gott schütze uns! Ist das die Wahrheit, Wig-hard?»

«Ich wünschte, ich könnte Euch einen anderen Bescheid geben, Mutter Oberin», antwortete Wighard verlegen. «Ja, es ist die Wahrheit.»

«Es scheint, daß unsere römischen Brüder es für wichtiger hielten, ihr geistliches Oberhaupt an der Synode teilnehmen zu lassen, als die Gefahr der Ansteckung für alle anwesenden Brüder und Schwestern zu bedenken», bemerkte Fidelma bitter. «Was ist, wenn sich die Krankheit jetzt ausbreitet?»

Wighard wollte gerade antworten, als Schwester Athelswith herbeigelaufen kam.

«Wo ist Bruder Eadulf?» fragte Fidelma.

«Er wird gleich hier sein», keuchte Schwester Athelswith. «Er holt nur noch einige Dinge, die er für die Untersuchung des Leichnams braucht.»

«Das ist nicht nötig», widersprach Wighard stirnrunzelnd. «Ich habe Euch die Wahrheit gesagt.»

«Dennoch brauchen wir Gewißheit, was die Todesursache angeht. Und anschließend müssen wir eine Möglichkeit finden, die Ansteckung in Grenzen zu halten», entgegnete Fidelma.

In dem Augenblick eilte Eadulf auf sie zu.

«Was ist geschehen?» fragte er besorgt. «Schwester Athelswith sagte mir, es sei noch jemand gestorben? Wieder ein Schnitt durch die Kehle?»

Wighard wollte schon antworten, als Fidelma ihm das Wort abschnitt.

«Deusdedit ist tot.» Eadulf sah sie erschrocken an, doch sie sprach rasch weiter. «Wighard glaubt, die Ursache sei die Gelbe Pest. Im Augenblick ist jedoch kein Medikus in der Abtei. Könnt Ihr die Todesursache bestätigen?»

Eadulf zögerte. Angst flackerte in seinen Augen auf. Dann nickte er mit fest zusammengepreßten Lippen. Er atmete tief durch, straffte die Schultern, stieß die Tür des cubiculum auf und trat ein.

Kurz darauf kam er zurück.

«Die Gelbe Pest», bestätigte er knapp. «Die Anzeichen sind mir bekannt.»

«Und was ratet Ihr uns?» fragte die Äbtissin ängstlich. «Wir haben Hunderte von Gästen hier. Wie können wir die Ansteckung vermeiden?»

«Der Leichnam sollte sofort weggebracht und an der Küste verbrannt werden, und das cubiculum muß gründlichst gesäubert werden und eine Weile unbenutzt bleiben, bis die Ansteckungsgefahr vorüber ist.»

Eifrig ergänzte Wighard Eadulfs Anweisungen.

«Die Todesursache sollte auf jeden Fall unter uns bleiben, jedenfalls solange die Synode noch andauert. Die Nachricht würde alle in Angst und Schrecken versetzen. Am besten geben wir bekannt, Deusdedit habe einen Herzanfall erlitten. Nach der Synode können wir immer noch zur Wahrheit zurückkehren. Ich werde ein paar Sklaven mit den notwendigen Aufgaben betrauen. Besser sie werden verseucht als die in der Abtei weilenden Brüder und Schwestern.»

«Ich bezweifle, daß sich das jetzt noch verhindern läßt», erwiderte Eadulf knapp. «Vermutlich haben sich schon längst einige angesteckt. Warum habt Ihr uns nicht gleich gewarnt, als Ihr den Verdacht hattet, daß Deusdedit an der Gelben Pest erkrankt ist?»

Wighard senkte den Kopf, antwortete jedoch nicht.

«Es ist ein schlechtes Omen, Wighard», bemerkte Hilda ängstlich.

«Nein», entgegnete der rundliche Geistliche. «Wir lassen es gar nicht erst so weit kommen. Ich werde die Sklaven anweisen, den Leichnam des Erzbischofs sofort hinauszuschaffen.»

Mit diesen Worten eilte er davon.

Eadulf wandte sich an die Äbtissin.

«Laßt niemanden in das cubiculum, bis es gründlich gereinigt wurde. Und sorgt dafür, daß jeder, der mit dem Erzbischof Umgang hatte, mindestens eine Woche lang dreimal täglich einen heißen Aufguß aus Borretsch, Sauerampfer und Rainfarn trinkt. Ich nehme an, Ihr habt die erforderlichen Kräuter in Eurer Abtei vorrätig?»

Hilda bestätigte es.

Eadulf nahm Fidelma am Arm und führte sie eilig den Flur hinunter.

«Leider», flüsterte er, «wachsen die Pflanzen, die diese schreckliche Krankheit am wirksamsten bekämpfen, nur in den Monaten Juni und Juli. Aber ich habe mir angewöhnt, auf meinen Reisen stets eine kleine Sammlung von Heilkräutern mit mir zu führen. Vor allem eine Mischung aus Goldrute und Leinkraut hilft, die Gelbe Pest in Schach zu halten, wenn sie mit heißem Wasser vermischt und später abgekühlt getrunken wird. Außerdem empfehle ich Euch dringend, soviel rohe Petersilie wie möglich zu essen.»

Fidelma lächelte. «Ihr scheint um meine Gesundheit sehr besorgt zu sein, Eadulf.»

Der Sachse blickte zu Boden.

«Natürlich. Wir haben eine wichtige Aufgabe zu erledigen», gab er knapp zurück. Vor dem dor-mitorium, das er sich mit anderen Glaubensbrüdern teilte, bat er Fidelma, auf ihn zu warten, verschwand einen Augenblick und kehrte kurz darauf mit seiner pera, einer kleinen Ledertasche, wieder.

Anschließend führte er sie in die große Küche, wo etwa dreißig Glaubensbrüder und Schwestern in dampfenden Kochtöpfen rührten und die Mahlzeiten für die Abtei und ihre vielen Besucher zubereiteten. Fidelma verzog das Gesicht, als ihnen die unbeschreibliche Mischung unterschiedlicher Dünste entgegenschlug. Der Gestank nach ranzigem Fett und fauligem Kohl verursachte ihr Brechreiz. Mit der Bitte um einen Kessel mit heißem Wasser wandte sich Eadulf an die mürrische Oberköchin, die sagte, sie würde ihnen eine Hilfskraft schicken.

Zu ihrem Erstaunen kam kurz darauf Schwester Gwid mit einem Kessel auf sie zu.

«Was macht Ihr denn hier, Gwid?» fragte Fidelma.

Die grobknochige piktische Schwester lächelte traurig.

«Da meine Griechischkenntnisse nicht mehr gefragt sind, habe ich meine Hilfe in der Küche angeboten, bis ich mir darüber klargeworden bin, wie es mit mir weitergeht. Wahrscheinlich schließe ich mich, wenn die Synode vorüber ist, der nächstbesten Gruppe an, die nach Dal Riada reist, und kehre nach Iona zurück.» Sie reichte Eadulf den Kessel. «Braucht Ihr sonst noch etwas?»

Eadulf verneinte.

Gwid verabschiedete sich und wandte sich wieder ihrer Arbeit am anderen Ende der Küche zu.

«Armes Mädchen», sagte Fidelma leise. «Sie tut mir leid. Etains Tod hat sie schrecklich mitgenommen.»

«Spart Euch Euer Mitgefühl für später auf», ent-gegnete Eadulf. «Im Augenblick müssen wir alles daran setzen, die Gefahr der Ansteckung so niedrig wie möglich zu halten.» Er machte sich am Feuer zu schaffen, um das Wasser zum Kochen zu bringen und seinen Kräutertrank zuzubereiten, während Fidelma ihm aufmerksam zusah.

«Und Ihr meint wirklich, daß Ihr uns mit diesen Kräutern vor der Gelben Pest schützen könnt?» fragte sie, als er seine Kräuterzubereitung mit dem kochenden Wasser mischte.

Ihre Frage verärgerte ihn.

«Diese Mixtur hat sich schon vielfach bewährt.»

Sie wartete schweigend, während Eadulf das Gebräu in einen großen irdenen Krug goß. Anschließend füllte er zwei Tonbecher, reichte einen davon Fidelma und erhob den anderen zu einem stummen Trinkspruch.

Fidelma lächelte und nahm den ersten Schluck. Es schmeckte abscheulich, und sie verzog angewidert das Gesicht.

«Das ist ein uraltes Heilmittel.» Eadulf grinste entwaffnend.

Fidelma lächelte schuldbewußt.

«Wenn es wirkt, soll es mir recht sein», sagte sie.

«Und jetzt laßt uns irgendwo hingehen, wo die Luft besser ist. Von den Küchendünsten bekomme ich Kopfschmerzen.»

«Gut. Aber als erstes bringen wir den Krug mit der Mischung in Euer cubiculum.»

Nickend erklärte Fidelma ihr Einverständnis.

«Ihr müßt jeden Abend vor dem Schlafengehen einen Becher trinken», erklärte ihr Eadulf ernst, nachdem sie den Tonkrug in ihrem cubiculum abgestellt und einen der stillen Kreuzgänge aufgesucht hatten. «Der Inhalt müßte mindestens für eine Woche reichen.»

«Gehört das zu den Dingen, die Ihr in Tuaim Brecain gelernt habt?» erkundigte sich Fidelma.

Eadulf neigte den Kopf.

«Ich habe in Eurem Land sehr vieles gelernt, Fidelma. In Tuaim Brecain sah ich Dinge, die ich bis dahin für unmöglich gehalten hätte. Ich sah Chirurgen, die kranken Männern und Frauen die Schädel aufschnitten und große Geschwülste entfernten, und die Kranken haben die Eingriffe überlebt.»

Fidelma nickte stolz.

«Die Schule von Tuaim Brecain kennt man auf der ganzen Welt, und von dem großen Bracan Mac Findloga, der sie vor zweihundert Jahren gegründet hat, wird noch heute mit großer Ehrfurcht gesprochen. Hattet Ihr nicht den Wunsch, selbst Medikus zu werden?»

«Nein.» Eadulf schüttelte den Kopf. «Ich wollte mein Wissen vermehren. In meinem Heimatland wäre ich durch Erbfolge gerefa geworden, ein örtlicher Verwalter des Gesetzes, aber die damit verbundenen Kenntnisse genügten mir nicht. Ich sehnte mich danach, alles zu begreifen, was es auf der Welt zu begreifen gibt. Ich versuchte, Wissen in mich aufzusaugen, wie eine Biene Nektar trinkt, indem sie von einer Blume zur nächsten flattert, ohne allzulange bei einer zu verweilen. Ich habe mich auf keinem Gebiet durch besondere Kenntnisse hervorgetan, aber ich weiß über viele Dinge Bescheid. Das kann gelegentlich sehr nützlich sein.»

«Da habt Ihr recht», stimmte Fidelma zu. «Auf der Suche nach der Wahrheit kann es eher hinderlich sein, sich nur in einem Wissensgebiet auszukennen.»

Eadulfs Gesicht verzog sich zu einem jungenhaften Grinsen. «Ihr besitzt hervorragende Kenntnisse in Gesetzesdingen, Schwester Fidelma. Das Gesetz Eures Heimatlandes ist Euer Wissensgebiet.»

«Aber in unseren Klerikerschulen wird von allen, die sich für ein Gebiet entscheiden wollen, zuvor ein breites Allgemeinwissen verlangt.»

«Ihr seid eine anruth. Soweit ich weiß, heißt das übersetzt und entspricht dem zweithöchsten Rang, den Gelehrte in Eurem Land erringen können. Aber was bedeutet das genau?»

Fidelma lächelte. «Wer anruth werden will, muß mindestens acht oder neun Jahre studiert haben und ein Meister seines Faches sein, sich aber auch in der Dichtung und Literatur, in der Geschichte und vielen anderen Dingen auskennen.»

Eadulf seufzte.

«Leider hat die Gelehrsamkeit in unserem Land keinen so hohen Stellenwert. Erst seit der Ankunft des Christentums und der Gründung der Klöster haben wir überhaupt lesen und schreiben gelernt.»

«Besser spät als gar nicht.»

Eadulf lachte.

«Ein wahres Wort, Fidelma. Deshalb habe ich wohl auch diesen unersättlichen Wissensdurst.»

Er verstummte. Eine Weile lang saßen sie schweigend da. Aber für Fidelma war es eher freundschaftlich als unangenehm. Freundschaftlich! Plötzlich war ihr klar, was sie für Eadulf empfand: Sie waren Freunde in der Not. Sie lächelte und war mit ihrer Antwort auf das Wirrwarr ihrer Gedanken zufrieden.

«Wir sollten uns wieder an unsere Untersuchung machen», brach sie das Schweigen. «Deus-dedits Tod hat uns der Aufklärung des Mords an Etain nicht nähergebracht.»

Eadulf schlug sich so heftig an die Stirn, daß Fidelma erschrocken zusammenfohr.

«Ich bin ein Narr!» knurrte er wütend. «Ich sitze hier und grüble über mich selbst nach, obwohl eine viel wichtigere Aufgabe auf mich wartet.»

Überrascht von diesem plötzlichen Ausbruch, sah Fidelma ihn fragend an.

«Ihr habt mich gebeten, Erkundigungen über Bruder Athelnoth einzuziehen», fuhr Eadulf fort.

Fidelma brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln und über ihren Verdacht gegen Athel-noth nachzudenken.

«Und habt Ihr etwas herausbekommen?»

«Athelnoth hat uns angelogen.»

«Das wissen wir bereits», meinte Fidelma mit einem Nicken. «Habt Ihr etwas Genaueres erfahren können?»

«Wie besprochen, habe ich die anderen Brüder nach Athelnoth befragt. Erinnert Ihr Euch, daß er sagte, er habe Etain vor wenigen Tagen das erste Mal gesehen, als er sie auf Geheiß Bischof Colmans an der Grenze zu Rheged abholte?»

Fidelma nickte.

«Ihr habt mir doch erzählt, daß Etain, eine Eoghanacht-Prinzessin, nach dem Tod ihres Mannes ins Kloster gegangen sei.»

«Ja.»

«Und daß sie in der Abtei der seligen Ailbe von Emly lehrte, ehe sie nach Kildare zurückberufen wurde?»

Wieder neigte Fidelma geduldig den Kopf.

«Und dort wurde sie zur Äbtissin gewählt ...?»

«Ja. Das ist erst zwei Monate her», bestätigte Fidelma. «Worauf wollt Ihr hinaus?»

«Athelnoth hat letztes Jahr sechs Monate in der Abtei von Emly verbracht», sagte Eadulf. «Ich habe einen Bruder ausfindig gemacht, der mit ihm dort war.»

Fidelmas Augen weiteten sich.

«Athelnoth hat in Emly studiert? Dann muß er Etain gekannt haben. Und er muß Irisch können. Beides hat er abgestritten.»

«Schwester Gwid hatte also doch recht», rief

Eadulf triumphierend aus. «Athelnoth kannte Etain, und er begehrte sie. Als Etain ihn zurückwies, kränkte ihn das so, daß er sie getötet hat.»

«Das ist keine logische Schlußfolgerung», bemerkte Fidelma, «obgleich ich zugeben muß, daß einiges dafür spricht.»

Eadulf unterbrach sie mit einer Handbewegung.

«Ich bin immer noch davon überzeugt, daß die Geschichte mit der Brosche erfunden war. Athelnoth hat die ganze Zeit über gelogen.»

«Da ist noch etwas, das wir bisher übersehen haben», fiel ihm Fidelma ins Wort. «Wenn Athelnoth in Emly war, muß er dort auch Gwid getroffen haben. Sie hat bei Etain studiert.»

Eadulf grinste.

«Keine Sorge, daran habe ich auch schon gedacht. Aber Athelnoth war vor Gwid in Emly. Er verließ das Kloster einen Monat vor Gwids Ankunft. Ich habe Gwid gefragt, wann sie in Emly weilte, und es mit Athelnoths Aufenthalt verglichen. Der Bruder, der mit ihm dort studiert hat, hat mir bereitwillig Auskunft gegeben.»

Fidelma konnte ihre Aufregung nicht verbergen.

«Wir werden sofort nach Athelnoth schicken, um der Sache auf den Grund zu gehen.»

Schwester Athelswith steckte den Kopf durch die Tür des officium.

«Ich konnte Bruder Athelnoth nirgends finden. Er ist weder im domus hospitale noch im sacrarium.»

«Aber irgendwo muß er doch sein», entgegnete Fidelma ärgerlich.

«Ich werde eine Schwester bitten, nach ihm zu suchen», rief Schwester Athelswith und eilte davon.

«Wir könnten auch selbst im sacrarium nachschauen», sagte Eadulf, «für den Fall, daß die gute Schwester ihn übersehen hat. Bei einer so großen Versammlung wäre das sehr gut möglich.»

«Vielleicht begegnen wir zumindest Bruder Ta-ran und können ihm ein paar Fragen stellen», stimmte Fidelma zu und stand auf.

Schon vor der Tür zum sacrarium konnten sie das Geschrei der versammelten Glaubensbrüder und -schwestern hören. Das Streitgespräch war in vollem Gange. Wilfrid war aufgesprungen und schlug aufgebracht mit der Faust auf das hölzerne Pult.

«Es ist ein Skandal! Eine Erfindung von Cass Mac Glais, dem Schweinehirten Eures heidnischen irischen Königs Loegaire!»

«Das ist eine gemeine Lüge!» Cuthbert war ebenfalls aufgestanden; sein Gesicht war rot vor Zorn.

Von seinen Nachbarn gestützt, erhob sich der alte Jakobus, der gemeinsam mit dem römischen Missionar Paulinus vor fünfzig Jahren ins Königreich Kent gekommen war. Mit Hilfe eines Stocks hielt er mühsam das Gleichgewicht. Beim Anblick des alten Mannes wurde es still im Saal. Selbst die Anhänger Columbans verstummten. Jakobus genoß bei allen Christen hohes Ansehen, war er doch die letzte Verbindung zum Heiligen Augustinus, den Gregor der Große ausgeschickt hatte, um den Heiden in den sächsischen Königreichen zu predigen.

Erst als es völlig ruhig in der Kapelle war, begann Jakobus mit krächzender Stimme zu sprechen.

«Ich muß mich für meinen jungen Freund, Wilfrid von Ripon, entschuldigen.»

Erstauntes Murmeln war zu hören, und Wilfrid schaute verwirrt zu Jakobus auf.

«Jawohl», fuhr dieser unbeirrt fort. «Was den Ursprung der Tonsur angeht, die man bei den Iren und Bretonen trägt, befindet sich Wilfrid im Irrtum.»

Spätestens jetzt besaß Jakobus die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Zuhörer.

«Unsere Glaubensbrüder haben sich in die Irre leiten lassen. Die Tonsur, die sie so leidenschaftlich verteidigen, wurde von Simon Magus von Samaria erfunden, der dachte, er könnte die Kraft des Heiligen Geistes mit Geld erkaufen, und von Petrus dafür gebührend getadelt wurde. Als ich ein junger Mann war, kam ich mit Paulinus auf diese Insel. Wir trugen die gleiche Tonsur wie auch unser Heiliger Vater, Gregor der Große. Genauso hatten auch Augustinus und seine Gefährten ihr Haar geschoren. Um so größer war unsere Empörung, als wir die Bretonen und unsere Glaubensbrüder aus Irland einem Symbol nacheifern sahen, das dem christlichen Glauben entgegensteht. Ich möchte Euch fragen, Bruder Cuthbert, der Ihr nach der immerwährenden Krone des Lebens strebt, warum Ihr im Widerspruch zu diesem Glauben darauf be-harrt, auf Eurem Kopf das Abbild einer unvollkommenen Krone zu tragen?»

Cuthbert sprang wütend auf.

«Wenn Ihr gestattet, ehrwürdiger Jakobus, dies ist die Tonsur, die keinem anderen als dem Apostel Johannes zugeschrieben wird. Ihr könnt ja mit eigenen Augen sehen, daß sie an eine Krone oder einen Kreis erinnert.»

Jakobus schüttelte den Kopf.

«Wenn ich Euch unmittelbar gegenüberstehe, Bruder. Aber beugt doch einmal den Kopf und dreht Euch um .»

Stirnrunzelnd folgte Cuthbert der Aufforderung.

Von den römischen Rängen war höhnisches Gelächter zu hören.

«Seht Ihr? Eine unvollkommene Krone, ein Halbkreis: decurtatam eam, quam tu videre putabas, invenies coronam!» rief der alte Jakobus.

Mit hochrotem Kopf setzte sich Cuthbert.

Jakobus deutete auf den kleinen, kahlgeschorenen Kreis auf seinem Scheitel.

«Dies hier ist der wahre Kreis, das Symbol der Dornenkrone. Nur diese Tonsur hat den Segen des Heiligen Petrus, des Felsens, auf den unsere Kirche gebaut ist. Selbst manche Bretonen erkennen inzwischen diese Wahrheit an. Vor allem jene, die aus Britannien flohen, um sich im fernen Iberia in Galizien anzusiedeln, haben die corona spinea übernommen. Schon vor dreißig Jahren hat die Synode von Toledo der barbarischen Tonsur unter den bre-tonischen Geistlichen in Galizien ein Ende gesetzt.»

Mit einem selbstzufriedenen Lächeln nahm Jakobus wieder Platz.

Heißer Zorn stieg in Fidelma auf, als unter den Anhängern Columbans betretenes Schweigen herrschte. Warum trat niemand vor, verteidigte die Tonsur Columbans und erklärte ihre tiefe mystische Bedeutung? Schon zu Zeiten der Druiden war die Tonsur, airbacc giunnae genannt, ähnlich geschnitten worden. Für das irische Volk verbanden sich mit dieser Tonsur uralte Traditionen. Fidelma machte einen Schritt vor und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Eadulf sie am Arm ergriff.

Erschrocken drehte sie sich um.

Eadulf deutete auf die andere Seite des sacrarium.

Bruder Taran schlüpfte gerade durch eine Seitentür.

Noch einmal wandte sich Fidelma der Debatte zu, doch inzwischen hatte schon ein anderer Sprecher das Wort ergriffen.

Fidelma war klar, daß sie unmöglich das sacrarium durchqueren konnten, um Taran zu folgen. Sie mußten durch die Tür hinausgehen, durch die sie auch eingetreten waren, und dann versuchen, ihn draußen abzufangen.

Sie bedeutete Eadulf mitzukommen.

Doch als sie das sacrarium von außen umrundet hatten, war Taran nirgends zu sehen.

«Er kann noch nicht weit gekommen sein», sagte Eadulf.

«Laßt uns in diese Richtung gehen.» Fidelma deutete auf den Weg zum monasteriolum.

Sie eilten durch einen der Kreuzgänge und traten in den viereckigen Innenhof.

«Wartet!» zischte Fidelma und zog Eadulf zurück in die Schatten.

In der Mitte des Innenhofs standen Wulfric und Bruder Seaxwulf und sahen sich um, als würden sie auf Taran warten. Wenige Augenblicke später kam der piktische Mönch auch schon auf sie zugeeilt.

Seaxwulf sagte etwas, drehte sich um und hielt auf das monasteriolum zu. Zum erstenmal bemerkte Fidelma Seaxwulfs merkwürdigen Gang. Er hielt den Rücken gekrümmt, als litte er starke Schmerzen. Sie dachte daran, was Äbtissin Abbe über die Strafe für den diebischen Sekretär gesagt hatte: «Er wurde mit einer Rute geschlagen, bis seine Haut rot und blutig war». Sie erschauderte bei dem Gedanken an die Wunden, die Seaxwulf mit Sicherheit davongetragen hatte.

Wulfric und Taran sahen dem sächsischen Bruder nach, bis er im monasteriolum verschwunden war. Dann holte Taran etwas aus der Tasche seines Habits und reichte es Wulfric. Dieser betrachtete es und ließ es kichernd in sein Wams gleiten. Kurz darauf verabschiedete er sich von Taran und eilte durch das Seitentor davon.

Die Hände in die Hüfte gestemmt, blieb Bruder Taran noch eine Weile stehen. Plötzlich aber drehte er sich um und ging über den viereckigen Innenhof geradewegs auf Fidelma und Eadulf zu.

Fidelma schob Eadulf vorwärts.

Bei ihrem Anblick fuhr Taran zusammen und schaute sich rasch um. Nachdem er zu seiner Erleichterung festgestellt hatte, daß Wulfric bereits außer Sichtweite war, erschien ein leutseliges Lächeln auf seinem Gesicht.

«Ein herrlicher Tag heute, nicht wahr, Schwester Fidelma?» eröffnete er das Gespräch. «Und Ihr seid gewiß Bruder Eadulf. Ich habe von Euren Ermittlungen gehört. Ja, die ganze Abtei spricht davon. Über sie wird fast ebenso hitzig debattiert wie über die Themen der Synode.»

Fidelma ließ sich von seinem Plauderton nicht täuschen. «Wir wollten gerade ein wenig frische Luft schnappen. Wie Ihr schon sagtet, es ist ein herrlicher Tag. Aber es trifft sich gut, daß wir Euch begegnen.»

«Ach ja? Wieso denn?» fragte der piktische Mönch mit unüberhörbarem Argwohn in der Stimme.

«Ihr habt Äbtissin Etain am Tage ihres Todes in ihrem cubiculum besucht?»

Bruder Taran machte ein überraschtes Gesicht.

«Ich ... ja, das stimmt», räumte er ein. «Warum fragt Ihr danach?» Er lächelte. «Ach, natürlich. Ich bin aber auch zu dumm. Ja, ich war bei ihr, allerdings schon ganz früh am Morgen.»

«Und wieso habt Ihr sie aufgesucht?» fragte Eadulf.

«Das war eine rein persönliche Sache.»

«Ach, wirklich?» fragte Fidelma spöttisch.

«Ich kenne ... Ich kannte Äbtissin Etain und hielt es für ein Gebot der Höflichkeit, ihr meine Aufwartung zu machen und ihr für die Debatte alles Gute zu wünschen.»

«Woher kanntet Ihr sie?» fragte Fidelma. «Auf unserer gemeinsamen Reise von Iona nach Streo-neshalh habt Ihr nichts davon erwähnt.»

«Ihr habt ja auch nicht danach gefragt», erwiderte Taran gelassen. «Aber Ihr wißt sicherlich, daß ich in Irland studiert habe. Mein Philosophiestudium absolvierte ich in Emly, und Schwester Etain, wie sie damals noch hieß, war eine Zeitlang meine Tutorin.»

«Ihr habt auch in Emly studiert?» fragte Fidelma erstaunt. «Emly ist ja berühmt für seine Gelehrsamkeit, aber ich bin doch überrascht, wer alles schon dort gewesen ist. Habt Ihr in Emly auch Schwester Gwid getroffen?»

Taran blinzelte erstaunt und schüttelte den Kopf.

«Nein. Ich wußte nicht einmal, daß sie dort war. Warum hat sie es mir nicht gesagt?»

«Vielleicht, weil Ihr sie nicht gefragt habt.» Fidelma konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

«War Athelnoth in Emly, während Ihr dort studiert habt?» fragte Eadulf.

«Ja, ich habe ihn in Emly gesehen. Doch ich hatte meine Studien schon fast abgeschlossen, als Athelnoth eintraf. Etwa einen Monat verbrachten wir gemeinsam dort, dann bin ich nach Iona zurückgekehrt. Und Ihr seid Euch sicher, daß Schwester Gwid ebenfalls in Emly war?»

«Eine Weile», antwortete Fidelma. «Habt Ihr Etain nach Eurer Abreise aus Emly noch einmal wiedergesehen?»

«Nein. Aber ich hatte immer große Hochachtung vor ihr. Sie war eine ausgezeichnete Tutorin, und als ich von ihrer Anwesenheit in Streoneshalh hörte, nahm ich mir vor, sie aufzusuchen. Dabei wußte ich noch nicht einmal, daß sie inzwischen Äbtissin von Kildare geworden war. Deshalb habe ich sie auch gar nicht mit Euch in Verbindung gebracht, Schwester Fidelma.»

«Wie lange wart Ihr am Tage ihres Todes mit Etain zusammen?» fragte Eadulf.

Taran schürzte die Lippen und überlegte.

«Recht kurz, soweit ich mich erinnern kann. Wir beschlossen, uns später am Tag noch einmal zu treffen, weil sie mit der Vorbereitung ihrer Eröffnungsrede beschäftigt war und keine Zeit hatte, mit mir zu sprechen.»

«Verstehe», sagte Fidelma. Dann lächelte sie. «Dann wollen wir Euch jetzt nicht länger aufhalten.»

Taran verneigte sich höflich und wandte sich zum Gehen. Er hatte bereits ein paar Schritte getan, als Fidelma ihm nachrief:

«Übrigens, habt Ihr in letzter Zeit Wulfric von Frihop gesehen?»

Taran wirbelte herum, und einen Augenblick glaubte Fidelma, einen Anflug von Entsetzen in seinem Gesicht zu sehen. Dann beherrschte er sich, setzte eine undurchdringliche Miene auf und sah sie an, als habe er sie nicht verstanden.

«Ihr erinnert Euch nicht mehr an den unausstehlichen Than, dem wir auf unserer Reise nach Streoneshalh begegnet sind? Er hat sich auf die widerwärtigste Art und Weise mit der Hinrichtung eines Bruders aus Lindisfarne gebrüstet.»

Taran kniff die Augen zusammen, als versuche er, Fidelmas Absichten zu deuten.

«Ich . Ich glaube, ich bin ihm hin und wieder in der Abtei über den Weg gelaufen.»

«Er scheint wohl zu Alhfriths Wachen zu gehören», erklärte Eadulf, als wolle er ihm behilflich sein, Wulfric zuzuordnen.

«Ach, tatsächlich?» Taran versuchte, unbeteiligt zu klingen. «Aber in letzter Zeit habe ich ihn nicht gesehen.»

Schwester Fidelma wandte sich langsam zum monasteriolum um. «Er ist ein böser Mensch, Bruder Taran. Einer, vor dem man sich in acht nehmen muß», rief sie ihm noch im Gehen nach.

Eadulf folgte ihr eilig. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, daß Taran ihnen mit finsterer Miene und leicht offenstehendem Mund besorgt nachblickte.

«Ob es klug war, ihn zu warnen?» flüsterte Eadulf, obwohl sie bereits außer Hörweite waren.

Fidelma seufzte. «Im Augenblick würde er uns ohnehin nicht die Wahrheit sagen. Geben wir ihm ruhig das Gefühl, daß wir mehr wissen, als dies der Fall ist. Manche Leute lassen sich davon verunsichern und zu unvorsichtigen Handlungen verleiten. Und jetzt laßt uns einmal nachsehen, was Seaxwulf vorhat.»

Sie fanden Seaxwulf im librarium, tief über ein Buch gebeugt. Als sie eintraten, schaute er erschrocken auf.

«Wollt Ihr Eure Bildung mehren, Bruder?» fragte Eadulf freundlich.

Seaxwulf schlug das Buch zu und stand auf. Aber sein Gebaren hatte etwas Zögerliches, als wolle er etwas sagen, könne sich aber aus Verlegenheit nicht dazu überwinden. Schließlich gewann seine Wißbegierde Oberhand.

«Ich würde gern etwas über Irland erfahren, Schwester Fidelma. Ist es in Eurem Land Sitte, daß Liebende untereinander Geschenke austauschen?» stieß er hervor.

Fidelma und Eadulf wechselten erstaunte Blicke.

«Ja, ich glaube, so ist es bei uns Sitte», erwiderte Fidelma ernst. «Habt Ihr jemanden im Sinn, den Ihr beschenken wollt?»

Seaxwulf errötete, murmelte etwas Unverständliches und verließ eilig den düsteren Lesesaal.

Neugierig beugte sich Fidelma über den Tisch und schlug das Buch auf, das Seaxwulf gelesen hatte. Belustigt blätterte sie einige Seiten um.

«Griechische Liebespoesie. Was der junge Seaxwulf wohl im Schilde führt?»

Eadulf räusperte sich.

«Ich glaube, es wird langsam Zeit, daß wir mit Bruder Athelnoth sprechen.»

Fidelma klappte das Buch zu, und ein eifriger librarius erschien, um es wieder an sich zu nehmen.

«Da habt Ihr sicherlich recht, Eadulf», sagte sie.

Athelnoth war jedoch nirgends zu finden. Schließlich fragte Eadulf beim Torhüter an, ob er den Bruder gesehen habe, und der Mann wußte sofort eine Auskunft zu geben. Er berichtete, Bruder Athelnoth habe die Abtei gleich nach dem Läuten zum morgendlichen Angelus verlassen und werde erst am Abend zurückerwartet. Außerdem vertraute ihm der Torhüter in verschwörerischem Tonfall an, Athel-noth habe ein Pferd aus dem königlichen Stall geritten, über dessen Verschwinden sich erstaunlicherweise noch niemand beschwert habe.

Als die Glocke zur cena, der Hauptmahlzeit des Tages, läutete, war Athelnoth noch immer nicht zurückgekehrt.

Fidelma und Eadulf kamen zu dem Schluß, daß sie wohl bis zum nächsten Morgen warten mußten,

um mit Athelnoth zu sprechen - vorausgesetzt, der Mönch hielt sein Versprechen, zur Abtei zurückzukehren.

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