Kurz nach sieben mußte ich eingeschlafen sein. Es war schon heller Tag; die Vorhänge vermochten den strahlenden Sonnenschein nicht auszusperren. Das Licht strömte zum offenen Fenster herein und tanzte flirrend auf der gegenüberliegenden Wand. Ich hörte die Stimmen der Männer, die unten im Rosengarten Tische und Stühle forträumten und die Lichtleitung entfernten. Maxims Bett war immer noch unberührt. Ich lag quer über meinem Bett, die Arme über den Augen verschränkt, eine unbequeme, unnatürliche Lage und zum Schlafen denkbar ungeeignet, aber ich trieb doch allmählich auf das Traumland zu und schlief endlich ein. Als ich aufwachte, war es schon nach elf; Clarice war so leise gewesen, als sie mir das Frühstück brachte, daß ich sie gar nicht gehört hatte. Neben mir stand das Tablett mit der kalten Teekanne; und meine Sachen waren ordentlich zusammengelegt und das blaue Kleid in den Schrank gehängt worden.
Noch wirr und benommen von dem kurzen schweren Schlaf trank ich den kalten Tee und starrte leer vor mich hin. Maxims unbenutztes Bett rief die Erinnerung an den vorherigen Abend wieder wach und brachte mir mit einem eigentümlichen Schmerzgefühl die ganze Qual erneut zum Bewußtsein. Maxim war also gar nicht zu Bett gegangen. Sein Pyjama lag noch säuberlich zusammengefaltet auf der umgeschlagenen Steppdecke. Was hatte Clarice wohl gedacht, als sie ins Zimmer kam? War es ihr aufgefallen?
Hatte sie es unten in der Küche erzählt, und war darüber beim Dienstbotenfrühstück gesprochen worden? Ich fragte mich selbst, warum mir das etwas ausmachte und warum mir der Gedanke, daß das Personal sich darüber unterhielt, solches Unbehagen verursachte. Es lag wohl daran, daß ich eine kleinbürgerliche konventionelle Scheu vor jeder Art Klatsch empfand.
Nur deshalb war ich gestern abend in meinem blauen Kleid hinuntergegangen und nicht auf meinem Zimmer geblieben. Es war nichts Tapferes oder Bewundernswertes dabei gewesen; es war nur eine klägliche Angst vor dem Gerede der Leute. Nicht Maxims wegen war ich hinuntergegangen und auch nicht um Beatrices oder Manderleys willen, sondern ausschließlich deshalb, weil ich nicht wollte, daß man glauben könnte, ich hätte mich mit Maxim gestritten. Ich wollte nicht, daß man sich in der Nachbarschaft erzählte: «Es ist ja ganz bekannt, daß sie nicht miteinander auskommen. Er sieht durchaus nicht glücklich aus.» Ja, nur um meinen kleinen persönlichen Stolz zu befriedigen, hatte ich die ganze Nacht dort unten gestanden, nur an mich hatte ich dabei gedacht.
Als ich da so im Bett saß und die Wand anstarrte und in das hereinfallende Sonnenlicht und auf das leere Bett neben mir sah, mußte ich denken, daß es doch nichts Beschämenderes und Erniedrigenderes gab als eine mißglückte Ehe. Nach drei Monaten am Ende zu sein, wie ich es war! Denn ich machte mir keine Illusionen mehr; ich versuchte nicht länger, mir selber etwas einzureden. Der vergangene Abend hatte mir den unwiderlegbaren Beweis geliefert: meine Ehe war gescheitert. Alles, was die Leute darüber sagen würden, sobald sie etwas davon erfuhren, entsprach der Wahrheit. Wir kamen nicht miteinander aus. Wir waren keine guten Kameraden, wir paßten nicht zueinander. Ich war zu jung und zu unerfahren für Maxim, und vor allem entstammte ich einer anderen Welt. Die Tatsache, daß ich mit verzweifelter, gekränkter Liebe an ihm hing wie ein Kind oder ein Hund, änderte nichts daran. Es war nicht die Art Liebe, die er brauchte. Er brauchte etwas, was ich ihm nicht geben konnte und was ihm vorher zuteil geworden war. Maxim liebte mich nicht, er hatte mich nie geliebt. Unsere Hochzeitsreise in Italien, unser Zusammenleben hier bedeuteten ihm nichts. Was ich für Liebe, Liebe für mich ganz allein, gehalten hatte, war keine Liebe. Er war ein Mann und einsam, und ich war eine Frau und jung, das war alles. Er gehörte mir gar nicht, er gehörte Rebecca. Er dachte immer noch an Rebecca. Rebecca würde ihn immer hindern, mich zu lieben. Es war, wie Mrs. Danvers gesagt hatte: sie befand sich noch auf Manderley, in ihrem Zimmer im Westflügel, in der Bibliothek, im Morgenzimmer, in der Galerie. Selbst in dem kleinen Blumenzimmer, wo ihr Regenmantel noch hing. Und auch im Garten und im Wald und in dem Bootshaus am Strand. Ihre Schritte klangen noch in den Gängen, ihr Duft verweilte noch auf den Treppen. Sie war Mrs. de Winter. Ich hatte hier gar nichts zu suchen. Wie ein unachtsamer Tölpel war ich hier auf fremden Grund und Boden eingedrungen. «Wo ist Rebecca?» hatte Maxims Großmutter ausgerufen. Und Beatrice - wie hatte sie mich damals bei unserer ersten Begegnung gemustert und dann ganz freimütig gesagt: «Du bist so ganz anders als Rebecca!» Und Frank, der immer, wenn ich von Rebecca sprach, so verlegen und zurückhaltend wurde. Rebecca, immer Rebecca. Wo immer ich ging, wo immer ich saß, selbst in meinen Gedanken und in meinen Träumen begegnete ich Rebecca. Ich wußte jetzt, wie sie ausgesehen hatte; ich kannte ihre langen schlanken Beine, ihre schmalen zarten Füße, ihre Schultern, breiter als meine, ihre geschickten, energischen Hände. Hände, die ein Segel raffen, einen Zü-gel halten konnten. Hände, die Blumen geschmackvoll in Vasen geordnet, ein Schiffsmodell gezimmert hatten, die auf die Titelseite eines Gedichtbandes «Max von Rebecca» geschrieben hatten. Auch ihr ovales, schön geschnittenes Gesicht war mir jetzt vertraut, mit dem reinen weißen Teint und dem duftigen lockigen Haar, das es umgab. Ich kannte ihr Parfüm und konnte mir ihr Lachen und ihr Lächeln vorstellen. Ich würde ihre Stimme unter tausend anderen heraushören. Ich würde von Rebecca niemals loskommen. Rebecca, immer Rebecca. Sie war stärker als ich.
Ich stand auf und zog die Vorhänge zurück. Die warme Sonne strömte ins Zimmer. Die Gärtner hatten den Rosengarten wieder in Ordnung gebracht. Dann sah ich plötzlich ein Zettelchen, das unter der Tür durchgeschoben worden war. Ich hob es auf und erkannte Beatrices steile Schrift. Sie mußte es nach dem Frühstück mit Bleistift geschrieben haben. «Ich klopfte an Deine Tür, erhielt aber keine Antwort, nehme also an, daß Du meinen Rat befolgt hast und Dich tüchtig ausschläfst. Giles muß gleich wieder nach Hause; er ist gerade angerufen worden, ob er nicht für jemand in unserer Kricketelf aus dem Dorf einspringen könnte, und der Match fängt um zwei an. Wie er allerdings nach dem vielen Champagner, den er sich gestern einverleibt hat, den Ball sehen will, ist mir ein Rätsel. Ich selbst fühle mich ein bißchen wackelig auf den Beinen, habe aber großartig geschlafen. Frith sagt, Maxim sei schon früh unten gewesen. Jetzt ist er nirgends zu entdecken. Grüß ihn also bitte von uns und nochmals vielen Dank für den schönen Abend, wir haben ihn von Herzen genossen. Und mach Dir keine Gedanken mehr wegen des Kostüms. (Der letzte Satz war zweimal dick unterstrichen.) Herzlich, Deine Bee.» Dann noch eine Nachschrift: «Ihr müßt uns bald besuchen kommen.»
Oben in eine Ecke hatte sie neun Uhr dreißig hingekritzelt, und jetzt war es fast halb zwölf. Sie waren also schon fast zwei Stunden fort und mußten bald zu Hause sein.
Mich hielt es nicht länger in meinem Schlafzimmer. Außerdem mußte das Mädchen jetzt darin saubermachen. Vielleicht hatte Clarice doch nicht bemerkt, daß Maxims Bett unberührt geblieben war. Ich zerknüllte die Kissen und das Laken, damit es so aussah, als ob er darin geschlafen hätte. Wenn Clarice nicht schon etwas gesagt hatte, dann brauchte das Hausmädchen auch nichts davon zu erfahren.
Ich badete und zog mich an und ging nach unten. Die Handwerker hatten die Tanzfläche bereits entfernt, und die Blumen waren verschwunden. Auch die Notenpulte waren nicht mehr da; die Musiker hatten wohl einen frühen Zug nach London genommen. Die Gärtner fegten jetzt den Rasen und die Anfahrt, um die Raketenhüllen und Stöcke zu beseitigen. Bald würde nichts mehr an den Kostümball auf Manderley erinnern. Wieviel Arbeit hatten doch die Vorbereitungen gekostet, und wie schnell war man mit dem Aufräumen fertig!
Robert polierte die Tischplatte im Eßzimmer. Er war wieder ganz der alte mit seinem stumpfsinnigen, unbeweglichen Gesicht, nicht mehr nervös und aufgeregt wie in den letzten Wochen.
«Guten Morgen, Robert», sagte ich.
«Guten Morgen, Madam.»
«Haben Sie Mr. de Winter irgendwo gesehen?»
«Er ist gleich nach dem Frühstück hinausgegangen, Madam, noch bevor Mr. und Mrs. Lacy herunterkamen. Seitdem habe ich ihn nicht gesehen.»
«Und Sie wissen auch nicht, wohin er gegangen ist?»
«Nein, Madam.»
Ich ging wieder in die Halle zurück, ich ging durch den Salon ins Morgenzimmer. Jasper stürzte auf mich zu und leckte mir begeistert die Hände, als ob ich nach einer langen Abwesenheit wiedergekehrt wäre. Er hatte die Nacht auf Clarices Bett verbracht, und ich hatte ihn seit dem Tee gestern nachmittag nicht mehr gesehen. Vielleicht waren ihm die Stunden ebenso lang vorgekommen wie mir.
Ich nahm den Hörer ab und verlangte die Nummer des Verwaltungsbüros. Vielleicht war Maxim bei Frank. Ich fühlte, daß ich ihn sprechen mußte. Und wenn es nur zwei Minuten wären. Ich mußte ihm erklären, daß ich das gestern abend nicht absichtlich getan hatte. Selbst wenn das meine letzten Worte an ihn sein sollten, das mußte ich ihm sagen. Der Sekretär antwortete und teilte mir mit, daß Maxim nicht da wäre.
«Aber Mr. Crawley ist da, Mrs. de Winter», sagte er. «Möchten Sie mit ihm sprechen?» Ich wollte es eigentlich nicht, aber er ließ mich nicht zur Antwort kommen, und schon hörte ich Franks Stimme.
«Ist irgend etwas los?» Eine merkwürdige Art, ein Gespräch zu beginnen, schoß es mir durch den Kopf. Er sagte weder guten Morgen noch «Haben Sie gut geschlafen?» Warum fragte er, ob etwas los sei?
«Ich bin's, Frank», sagte ich. «Wo ist Maxim?»
«Ich weiß nicht, ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Er ist gar nicht ins Büro gekommen.»
«Nicht ins Büro?»
«Nein.»
«So, na ja, es macht weiter nichts.»
«Haben Sie ihn denn nicht beim Frühstück gesehen?» fragte Frank.
«Nein, ich hab's verschlafen.»
«Wie hat er geschlafen?»
Ich zögerte, aber Frank war der einzige Mensch, dem ich mich anvertrauen konnte. «Er ist gar nicht zu Bett gegangen.»
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, als ob Frank angestrengt nach einer Antwort suchte.
«Oh», sagte er endlich langsam, «so, so.» Und dann, nach einer weiteren Pause: «Ich fürchtete schon so etwas.»
«Frank», sagte ich verzweifelt, «was sagte er gestern nacht, als alle weggegangen waren? Was habt ihr noch gemacht?»
«Giles und Mrs. Lacy und ich haben noch ein Sandwich gegessen», erwiderte er, «Maxim war nicht dabei. Er murmelte irgendeine Entschuldigung und ging in die Bibliothek. Ich bin dann gleich danach gegangen. Aber vielleicht kann Mrs. Lacy Ihnen etwas Näheres sagen.»
«Die beiden sind schon fort», sagte ich, «gleich nach dem Frühstück. Sie schrieb mir einen Zettel. Sie hat Maxim auch nicht mehr gesprochen.»
«Oh», sagte Frank. Die Art, wie er das sagte, wollte mir nicht gefallen. Es klang so bedeutsam und ahnungsvoll.
«Wo glauben Sie, daß er stecken kann?» fragte ich.
«Ich weiß nicht», antwortete Frank, «vielleicht ist er nur spazierengegangen.» Er sprach wie ein Arzt mit den Angehörigen eines Patienten.
«Frank, ich muß ihn sprechen», sagte ich. «Ich muß den Vorfall von gestern aufklären.»
Frank antwortete nicht. Ich sah sein besorgtes, nachdenkliches Gesicht vor mir.
«Maxim glaubt, ich hätte es absichtlich getan», sagte ich, und meine Stimme bebte, und ich konnte es nicht verhin-dern, daß die Tränen, die mir gestern abend in die Augen gestiegen waren, mir jetzt, sechzehn Stunden später, über die Wangen hinabliefen. «Maxim glaubt, ich hätte einen Scherz machen wollen, einen gemeinen, niederträchtigen Scherz.»
«Nein, nein.»
«Doch, ich weiß es. Sie haben seine Augen nicht gesehen, Sie standen nicht den ganzen Abend neben ihm und beobachteten ihn. Er hat kein Wort mit mir gesprochen, Frank, und mich nicht einmal angesehen. Wir standen den ganzen Abend nebeneinander, ohne miteinander zu reden.»
«Dazu war ja auch keine Gelegenheit», sagte Frank, «bei den vielen Gästen. Natürlich fiel es mir auf; glauben Sie denn, ich kenne Maxim nicht gut genug? Hören Sie ...»
«Ich mache ihm gar keinen Vorwurf», unterbrach ich ihn, «wenn er glaubt, daß ich ihm einen so häßlichen Streich spielen konnte, dann ist es sein gutes Recht, nie mehr mit mir zu sprechen und mich nie wiedersehen zu wollen.»
«So dürfen Sie nicht reden», sagte Frank. «Sie wissen nicht, was Sie da sagen. Darf ich auf einen Augenblick herüberkommen? Ich glaube, ich kann Ihnen alles erklären.»
Was für einen Zweck hatte es, Frank kommen zu lassen und mit ihm im Morgenzimmer zu sitzen? Jetzt konnte ich keine Freundlichkeit mehr gebrauchen. Es war zu spät.
«Nein», sagte ich, «nein, ich will nicht immer und immer wieder davon sprechen. Es ist nun einmal geschehen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Vielleicht ist es auch ganz gut so; es hat mich wenigstens etwas erkennen lassen, worüber ich mir schon hätte klar sein sollen, als ich Maxim heiratete.»
«Was wollen Sie damit sagen?» fragte Frank.
Seine Stimme klang merkwürdig scharf. Es war mir unverständlich, was es ihm ausmachen konnte, daß Maxim mich nicht liebte.
«Ich bin mir über ihn und Rebecca klargeworden», sagte ich, und wie ich ihren Namen jetzt aussprach, klang er fremd und abstoßend wie ein verbotenes Wort; ich empfand keine Erleichterung und Freude mehr dabei, nur noch ein heißes Schamgefühl, als beichtete ich eine Sünde.
Frank schwieg. Ich hörte ihn am anderen Ende der Leitung tief Atem holen.
«Was meinen Sie damit?» fragte er noch schärfer und kürzer als zuvor. «Was meinen Sie damit?»
«Er liebt mich nicht, er liebt Rebecca», sagte ich. «Er hat sie nie vergessen können; er denkt immer noch an sie, Tag und Nacht. Mich hat er nie geliebt, immer nur Rebecca, Rebecca, Rebecca.»
Frank stieß einen Laut aus, als ob ihn etwas erschreckt hätte; aber mir war jetzt gleichgültig, was er von mir dachte. «Jetzt wissen Sie, wie mir zumute ist», sagte ich. «Jetzt werden Sie mich vielleicht verstehen.»
«Mrs. de Winter», sagte er, «hören Sie, ich muß Sie unbedingt sprechen. Es ist von größter Wichtigkeit. Ich kann es nicht durchs Telephon sagen. Hören Sie, Mrs. de Winter?»
Ich warf den Hörer auf die Gabel und erhob mich. Ich wollte Frank jetzt nicht sehen. Er konnte mir ja doch nicht helfen. Das konnte nur ich selbst. Mein Gesicht war vom Weinen ganz fleckig und gerötet. Ich ging im Zimmer auf und ab, biß in mein Taschentuch und zerrte mit den Zähnen daran.
Ein unerklärlich starkes Gefühl bemächtigte sich meiner, daß ich Maxim nie wiedersehen würde. Ja, er war fortgegangen und würde nicht zurückkehren. Ich hatte gespürt, daß Frank das auch glaubte und es nur nicht am Telephon zugeben wollte. Er wollte mich nicht erschrecken.
Ich trat ans Fenster und starrte auf die kleine Lichtung, wo der Faun auf seiner Flöte blies. Die Rhododendren waren verblüht. Ihre Zeit würde erst in einem Jahr wiederkommen. Die hohen Büsche sahen jetzt düster und kahl aus. Eine Nebelbank wälzte sich von der See empor, und ich konnte kaum bis zum Waldrand sehen. Es war sehr heiß und schwül. Die Sonne hatte sich hinter der Nebelwand versteckt. Es war, als ob ein böser Zauber Mander-ley des Himmels und des Tageslichts beraubt hätte. Einer der Gärtner ging mit einem Schubkarren voll Abfall von gestern abend vorüber.
«Guten Morgen!» sagte ich.
«Guten Morgen, Madam.»
«Der Ball hat Ihnen wohl eine Menge Extraarbeit gemacht», sagte ich.
«Das macht nichts, Madam», sagte er. «Ich glaube, gestern hat sich jeder ordentlich amüsiert, und das ist ja schließlich die Hauptsache.»
«Ja, da haben Sie vielleicht recht», erwiderte ich.
Er warf einen Blick auf den Waldrand, hinter dem das Tal sich zum Strand hinunterzog. Die hohen schwarzen Stämme waren nur noch undeutlich zu erkennen.
«Es zieht sich schön dick zusammen», bemerkte er.
«Ja», sagte ich.
«Ein Glück, daß es nicht gestern abend schon so war.»
«Ja», sagte ich.
Er wartete einen Augenblick, legte dann grüßend die Hand an die Mütze und schob seinen Karren weiter. Ich ging über den Rasen auf den Wald zu. Der Nebel hatte die Zweige und Blätter beschlagen, und es rieselte wie dünner Regen auf mich nieder. Jasper stand mit betrübter Miene und eingekniffenem Schwanz und lang heraushängender Zunge neben mir. Die feuchte Schwüle machte ihn schwerfällig und teilnahmslos. Von meinem Standort konnte ich das Meer hören, das langsame Grollen, mit dem es gegen die Bucht brandete. Der weiße, nach Tang und Seewasser riechende Nebel wälzte sich an mir vorbei auf das Haus zu. Ich legte meine Hand auf Jaspers Kopf. Sein Fell war klatschnaß. Als ich zum Haus zurücksah, konnte ich die Schornsteine und die Umrisse nicht mehr unterscheiden, ich erkannte nur noch eine große dunkle Masse, aus der die hellen Blumenkübel auf der Terrasse und ein paar blinkende Fenster herausleuchteten. Die Läden von Rebeccas Schlafzimmerfenster waren aufgestoßen, und eine Gestalt war in der Öffnung sichtbar. Zunächst sah ich sie nur verschwommen, und einen kurzen qualvollen Augenblick lang glaubte ich, es sei Maxim. Dann bewegte sich die Gestalt und streckte einen Arm heraus, um die Läden zuzuziehen, und da erkannte ich Mrs. Danvers. Sie hatte mich also beobachtet, wie ich hier im Nebel am Waldrand stand. Sie hatte mich langsam über den Rasen hierher wandern sehen; es war gar nicht ausgeschlossen, daß sie mein Gespräch mit Frank vom Nebenapparat in ihrem Zimmer belauscht hatte. Dann wußte sie jetzt, daß Maxim in der vergangenen Nacht nicht in seinem Bett geschlafen hatte. Sie hatte mich sprechen und weinen hören. Sie wußte also auch, welche Rolle ich während der langen Stunden gespielt hatte, in denen ich in meinem blauen Kleid neben Maxim am Fuß der Treppe stand, und daß er mich kein einziges Mal angesehen und kein Wort zu mir gesprochen hatte. Sie wußte es, weil es ihr Plan gewesen war, daß alles so kommen sollte. Ihr Plan war geglückt; sie und Rebecca durften über mich triumphieren.
In einem plötzlichen Impuls ging ich wieder über den Rasen zum Haus zurück. Ich durchquerte die Halle und stieg die große Treppe hinauf; ich ging durch die Galerie und öffnete die Tür zum Westflügel und ging durch den stillen dunklen Korridor, der zu Rebeccas Zimmer führte. Ich machte die Tür auf und trat ein.
Mrs. Danvers stand noch vor dem geschlossenen Fenster. «Mrs. Danvers», sagte ich. Sie wandte sich um, und ich sah, daß ihre Augen gerötet und vom Weinen geschwollen waren wie meine eigenen und daß tiefe Schatten sich auf ihrem bleichen Gesicht abzeichneten.
«Ja, was ist?» sagte sie, und ihre Stimme klang rauh und erstickt von den Tränen, die sie vergossen hatte.
Ich hatte nicht erwartet, sie so vorzufinden. Ich hatte geglaubt, sie würde wieder so lächeln, wie sie gestern abend gelächelt hatte, hartherzig und böse. Und jetzt sah ich nur eine alte Frau vor mir, die elend und müde war.
Ich zögerte mit dem Türknopf in der Hand und wußte nicht, was ich sagen, was ich tun sollte.
Ihre roten, verweinten Augen blickten mich unverwandt an, und ich fand keine Worte. «Ich habe das Menü wie gewöhnlich auf den Schreibtisch gelegt», sagte sie. «Waren Sie mit etwas nicht einverstanden?» Ihre Frage gab mir meinen Mut zurück, und ich trat weiter ins Zimmer hinein.
«Mrs. Danvers», sagte ich, «ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen über das Menü zu reden. Das können Sie sich doch denken.»
Sie antwortete nicht. Ihre linke Hand öffnete und schloß sich.
«Sie haben erreicht, was Sie wollten, nicht wahr?» sagte ich. «Denn Sie haben es doch gewollt. Sind Sie jetzt zufrieden und glücklich?»
Sie drehte sich zur Seite und blickte wieder aus dem Fenster. «Warum sind Sie überhaupt nach Manderley ge-kommen?» fragte sie mit abgewandtem Gesicht. «Niemand hat Sie hier haben wollen. Wir lebten ganz ungestört, bis Sie kamen. Warum sind Sie nicht dort unten in Frankreich geblieben?»
«Sie scheinen zu vergessen, daß ich Mr. de Winter liebe», entgegnete ich.
«Wenn Sie ihn liebten, hätten Sie ihn nicht geheiratet.»
Darauf wußte ich nichts zu erwidern. Es war eine wahnsinnige, unwirkliche Situation, und Mrs. Danvers fuhr fort, mit ihrer eintönigen, erstickten Stimme zu mir zu sprechen.
«Erst dachte ich, daß ich Sie haßte, aber das tue ich jetzt nicht mehr», sagte sie. «Jedes Gefühl scheint in mir erstorben zu sein.»
«Warum sollten Sie mich auch hassen?» fragte ich. «Was habe ich Ihnen denn getan?»
«Sie haben versucht, Mrs. de Winter zu verdrängen.»
Sie sah mich immer noch nicht an, sondern wandte mir trotzig den Rücken zu. «Ich habe hier doch gar keine Veränderungen vorgenommen», sagte ich. «Ich wollte auf Manderley alles beim alten lassen. Ich habe nie Anweisungen gegeben; ich überließ alles Ihnen. Ich hätte auch gern Freundschaft mit Ihnen geschlossen, wenn Ihr Benehmen es erlaubt hätte. Aber Sie haben sich von Anfang an gegen mich gestellt; ich sah es schon in Ihrem Gesicht, als ich Ihnen zum erstenmal die Hand gab.»
Sie antwortete nicht, und ihre Hand verkrampfte sich in ihrem Kleid. «Viele Menschen heiraten zweimal», fuhr ich fort. «Hunderte von zweiten Ehen werden täglich geschlossen. Sie reden, als ob ich ein Verbrechen begangen, als ob ich mich an einer Toten versündigt hätte, als ich Mr. de Winter heiratete. Haben wir nicht ebensoviel Anspruch darauf, glücklich zu sein wie jeder andere?»
«Mr. de Winter ist nicht glücklich», sagte sie und wandte mir endlich ihr Gesicht wieder zu. «Das kann ein Blinder sehen. Das kann man schon an seinen Augen erkennen. Er ist immer noch im Fegefeuer, genau wie damals, als sie starb.»
«Das ist nicht wahr», sagte ich. «Er war glücklich, als wir zusammen in Frankreich waren; er war jünger, viel jünger, und lachte und war froh.»
«Na ja, er ist doch auch ein Mann», sagte sie. «Kein Mann wird sich auf der Hochzeitsreise nicht amüsieren. Mr. de Winter ist schließlich noch nicht dreiundvierzig.»
Sie lachte verächtlich und zuckte die Achseln.
«Wie können Sie es wagen, so zu mir zu sprechen?» rief ich empört. Ich fürchtete sie nicht mehr. Ich ging auf sie zu und schüttelte sie am Arm. «Sie haben mich dazu verleitet, das Kostüm zu wählen», sagte ich. «Ich wäre nie darauf gekommen, wenn Sie es mir nicht vorgeschlagen hätten. Sie haben es getan, weil Sie Mr. de Winter weh tun wollten. Sie wollten ihm ein Leid zufügen. Hat er nicht schon genug durchgemacht, daß Sie ihm noch diesen häßlichen, gemeinen Streich spielen mußten? Glauben Sie etwa, daß sein Schmerz Rebecca wieder zum Leben erwekken wird?»
Sie schüttelte meine Hand ab, und eine zornige Röte färbte ihr blasses Gesicht. «Was geht mich sein Schmerz an?» sagte sie. «Hat er sich jemals um meinen gekümmert? Glauben Sie, daß es mir Vergnügen gemacht hat, zu sehen, wie Sie an ihrem Platz saßen, ihre Sachen benutzten und dort gingen, wo sie gegangen ist? Oder wenn ich mit anhören mußte, wie Frith und Robert und die anderen von Ihnen als Mrs. de Winter sprachen? «Nein», sagte ich. «Aber was hat es für einen Zweck, Mrs. Danvers, mir das alles zu erzählen? Ich will nichts mehr hören, ich will nichts von ihr wissen. Ich bin ebensowenig aus Stein wie Sie. Verstehen Sie denn nicht, wie mir zumute ist, wenn ich hier stehe und Sie von ihr sprechen höre?» Sie achtete gar nicht auf meine Worte, sondern fuhr fort wie eine Irre zu reden, wie eine Fanatikerin, und ihre langen Finger zerrten unablässig an ihrem schwarzen Kleid. «Sie war schon als Kind eine Schönheit», sagte sie, «so schön wie ein Bild. Die Männer drehten sich auf der Straße nach ihr um, und dabei war sie noch keine zwölf Jahre alt. Sie bemerkte das wohl und blinzelte mir zu, der kleine Teufel. Ich beobachtete sie, abgestoßen und fasziniert zugleich; ein eigentümliches schwärmerisches Lächeln umspielte ihre Lippen und ließ ihr faltiges Totengesicht noch älter und unheimlicher erscheinen. «Niemand hat sie jemals klein bekommen», fuhr sie fort. «Sie tat nur, was sie wollte; sie lebte ihr eigenes Leben. Sie war stark wie eine junge Löwin. Ich erinnere mich noch, wie sie sich mit sechzehn Jahren auf eines der Pferde von ihrem Vater schwang, einen riesigen Hengst, von dem der Stallknecht behauptet hatte, er sei zu wild, um geritten zu werden. Aber sie ließ sich nicht abwerfen. Ich sehe noch, wie sie mit fliegenden Haaren auf ihn einschlug und ihm die Sporen in die Seiten trieb, daß das Blut heruntertropfte; und als sie abstieg, zitterte das Tier am ganzen Körper und war mit Schaum und Blut bedeckt. Sie brach ab; um ihre Lippen zuckte es, ihre Mundwinkel zogen sich herab. Sie fing an, mit offenem Mund zu weinen, aber ihre Augen blieben trocken. «Mrs. Danvers», sagte ich, «Mrs. Danvers!» Ich stand hilflos vor ihr und wußte nicht, was ich tun sollte. Ich mißtraute ihr nicht länger und hatte keine Angst mehr vor ihr. Aber der Anblick, wie sie da mit trockenen Augen schluchzte, ließ mich schaudern, erregte ein Gefühl von Übelkeit in mir. «Mrs. Danvers», sagte ich. «Sie sind krank, Sie sollten zu Bett gehen. Gehen Sie doch auf Ihr Zimmer und legen Sie sich hin. Wollen Sie sich nicht ausruhen?» Sie sah wütend zu mir auf. «Lassen Sie mich doch zufrieden», rief sie. «Was geht es Sie an, wenn ich meinen Kummer zeige. Ich schäme mich nicht. Ich brauche mich nicht in mein Zimmer einzuschließen, wenn ich weinen will. Ich gehe nicht hinter verschlossenen Türen stundenlang in meinem Zimmer auf und ab, wie Mr. de Winter das tut.» «Was meinen Sie damit?» fragte ich. «Mr. de Winter tut das gar nicht.» «Er hat es getan», sagte sie. «Damals, als sie starb. In der Bibliothek. Ich hörte ihn, auf und ab, auf und ab. Ich habe ihn sogar dabei durch das Schlüsselloch beobachtet, mehr als einmal, hin und her, hin und her, wie ein gefangenes Tier.» «Ich will nichts mehr hören», sagte ich, «ich will es nicht wissen.» «Und dann glauben Sie, daß Sie ihn auf Ihrer Hochzeitsreise glücklich gemacht haben, glücklich gemacht, Sie, ein junges, unerfahrenes Mädchen, das seine Tochter sein könnte! Was wissen Sie schon vom Leben und von den Männern? Sie kommen einfach her und bilden sich ein, Sie könnten Mrs. de Winter ersetzen. Sie - meine Herrin ersetzen! Ha, selbst die Dienstboten haben gelacht, als sie Sie zu sehen bekamen, sogar das kleine Küchenmädchen, dem Sie an Ihrem ersten Morgen hier in den Weg liefen. Ich möchte ja nur wissen, was Mr. de Winter dachte, als er Sie hier nach Ihrer gesegneten Hochzeitsreise anbrachte, und was er gedacht hat, als er Sie zum erstenmal am Eßtisch sitzen sah.» «Hören Sie jetzt auf damit, Mrs. Danvers», sagte ich. «Gehen Sie bitte auf Ihr Zimmer.» «Auf mein Zimmer gehen», äffte sie mich nach, «auf mein Zimmer! Die Dame des Hauses hält es für richtiger, mich auf mein Zimmer zu schicken. Und dann, was geschieht dann? Dann laufen Sie zu Mr. de Winter und sagen: «Ich habe ihm nichts davon gesagt.» «Sie lügen», sagte sie. «Wer soll es ihm denn sonst gesagt haben? Es war ja niemand hier. Frith und Robert waren aus, und von den anderen Dienstboten wußte es keiner. Damals nahm ich mir fest vor, es Ihnen beiden heimzuzahlen. Soll er leiden, dachte ich, was geht das mich an. Warum soll mich Mr. Jack nicht hier auf Manderley besuchen dürfen? Er ist der einzige Mensch, mit dem ich noch über Mrs. de Winter sprechen kann. Ich erinnerte mich, wie ich mich hinter dem Geländer auf der Galerie versteckt hatte, als die Tür der Bibliothek sich öffnete: wie Maxims zornige Stimme zu mir heraufklang und wie ich die Worte hörte, die Mrs. Danvers gerade wiederholt hatte. Eifersüchtig - Maxim eifersüchtig. «Er war eifersüchtig auf sie, als sie lebte, und jetzt ist er immer noch eifersüchtig auf sie, obwohl sie tot ist», sagte Mrs. Danvers. «Er verbietet Mr. Jack das Haus jetzt wie damals. Das zeigt Ihnen doch, daß er sie nicht vergessen hat. Natürlich war er eifersüchtig. Ich war es ja auch. Jeder, der sie kannte, war es. Sie ließ das ganz kalt, sie lachte nur. «Ich will es nicht wissen», sagte ich. «Ich will es nicht wissen.» Mrs. Danvers kam auf mich zu, bis sie ganz dicht vor mir stand. «Es hat keinen Sinn, nicht wahr?» flüsterte sie. «Sie werden sie niemals besiegen können; sie ist immer noch Herrin hier, obwohl sie tot ist. Rebecca ist die richtige Mrs. de Winter. Sie sind der Geist und der Schatten. Sie sind hier unerwünscht und vernachlässigt. Na gut, warum räumen Sie nicht das Feld? Warum gehen Sie nicht?» Ich wich vor ihr zurück, meine alte Furcht und das alte Grauen stiegen wieder in mir hoch. Sie ergriff meinen Arm und umklammerte ihn wie einen Schraubstock. «Warum gehen Sie nicht?» sagte sie. «Niemand will Sie hier haben, er am allerwenigsten. Er kann sie nicht vergessen. Er möchte wieder allein mit ihr im Haus sein. Sie gehören in die Gruft auf den Friedhof, nicht meine Herrin.» Sie stieß mich fast zum Fenster und riß die Läden wieder auf; unter mir konnte ich grau und undeutlich in dem dik-ken Nebel die Terrasse erkennen. «Sehen Sie dort hinunter», zischte sie. «Es ist ganz einfach. Warum springen Sie nicht? Es tut gar nicht weh, wenn man sich das Genick bricht. Es ist ein ganz schneller, freundlicher Tod. Nicht wie Ertrinken. Warum tun Sie es nicht? Springen Sie doch!» Der Nebel quoll feucht und stickig ins Zimmer, beizte mir die Augen und stach mir in die Nase. Ich klammerte mich mit beiden Händen an das Fensterbrett. «Haben Sie keine Angst», sagte Mrs. Danvers. «Ich werde Ihnen keinen Stoß geben. Ich werde Ihnen doch nicht noch helfen. Sie können von selbst springen. Was hat es denn noch für einen Zweck für Sie, hier auf Man-derley zu bleiben? Sie sind nicht glücklich, und Mr. de Winter liebt Sie nicht. Dafür lohnt es sich doch nicht, weiterzuleben. Warum springen Sie nicht und machen allem ein Ende? Dann werden Sie nicht mehr unglücklich sein.» Ich sah die Blumenkübel unter mir und die blauen Hortensien mit ihren runden, schweren Blütenköpfen. Die Steinplatten waren glatt und eben, nicht rauh und zackig. Es war nur der Nebel, der sie so weit weg erscheinen ließ, in Wirklichkeit lag das Fenster gar nicht so hoch. «Springen Sie doch», flüsterte Mrs. Danvers an meinem Ohr, «es tut nicht weh.» Der Nebel wallte noch dichter empor und entzog die Terrasse meinen Blicken. Die Blumen und die Steinplatten waren unsichtbar geworden. Nur der weiße Dunst umgab mich, der nach Tang und Seewasser roch. Das einzig Gegenständliche waren das Fensterbrett unter meinen Händen und Mrs. Danvers' eiserner Griff um meinen Arm. Wenn ich jetzt sprang, würde ich die Steine mir nicht mehr entgegenstürzen sehen, der Nebel würde sie vor mir verbergen. Der Schmerz würde scharf und kurz sein; ich würde mir das Genick brechen, wie sie gesagt hatte. Es würde nicht so lange dauern wie das Ertrinken. Es wäre gleich vorüber. Und Maxim liebte mich ja nicht. Maxim wollte Manderley wieder für sich und Rebecca haben. «Haben Sie keine Angst», hörte ich wieder Mrs. Danvers. «Springen Sie.» Ich schloß die Augen. Mir war schwindlig geworden vom Hinunterstarren, und meine Finger, mit denen ich mich anklammerte, taten weh. Der Nebel stieg mir in die Nase und drang mir in den Mund, erstickend wie ein Wolltuch, wie betäubendes Gas. Ich fing an zu vergessen, daß ich unglücklich war, daß ich Maxim liebte, ich vergaß Rebecca. Bald würde ich nie wieder an Rebecca denken müssen ... Als ich schon mit einem Seufzer meine Finger lösen wollte, zerbarst plötzlich die weiße Nebelwand und das Schweigen, das sie einhüllte, und das Fenster klirrte unter dem Schock einer Explosion. Ich öffnete die Augen und starrte Mrs. Danvers an. Dem Knall folgte ein weiterer, dann ein dritter, ein vierter. Das Echo erschütterte die Luft, und unsichtbare Vogelschwärme schwangen sich vom Wald auf und umkreisten schreiend das Haus. «Was war das?» fragte ich ganz benommen. «Was ist geschehen?» Mrs. Danvers gab meinen Arm frei. Sie blickte starr in den Nebel hinaus. «Die Signalraketen! Es muß ein Schiff in der Bucht gestrandet sein.» Schweigend lauschten wir und blickten in die wirbelnden weißen Schwaden. Und dann hörten wir auf der Terrasse unten eilige Schritte.