Kapitel 12

Beschützen allein genügte nicht.

»Ich werde jeden angreifen, der meinen Vater angreift«, hätte es in dem bewußten Pakt heißen müssen.

Mit knapp achtzehn Jahren hatte ich leichten Herzens mein Wort gegeben. Mit dreiundzwanzig begriff ich, daß die Abmachung, sollte sie überhaupt einen Sinn haben, mich verpflichtete, notfalls mein Leben für ihn zu geben. Und in dem Fall hätte ich es schwach gefunden, einfach dazusitzen und auf den Todesstoß zu warten.

Die Shout! war dienstags herausgekommen, und am späten Mittwochnachmittag hatte ich bei Rufus Crossmead auf den Tisch gehauen. Am Freitag fuhr ich von Wellingborough nach Hoopwestern und dachte unterwegs an den Ausgang dieser Begegnung zurück, bei der ich noch einiges hatte erfahren können.

Ich hatte den Redakteur gefragt, weshalb er Usher Rudd zu Vivian Durridge geschickt habe, und er hatte gesagt, Usher Rudd sei von sich aus hingefahren.

»Usher - oder vielmehr Bobby - sagte, er sei gehalten, Ihr Vorleben so lange zu durchleuchten, bis etwas Dubioses zum Vorschein komme. Zu seiner wachsenden Enttäuschung fand er aber nichts. Dauernd schimpfte er, daß man vorsichtiger als Sie überhaupt nicht sein könne, und dann kam die Meldung von Sir Vivian Durridges Rücktritt, in der es hieß, Sie seien für seinen Stall geritten, und Bobby Rudd fuhr auf gut Glück zu ihm, und er kam jauchzend wieder. Er hat sich ins Fäustchen gelacht. Jetzt hätte er Sie am Wickel, sagte er. Also hat er seine Story geschrieben, und ich habe sie gedruckt.«

»Ohne sie nachzuprüfen.«

»Wenn ich jedes Wort, das wir drucken, überprüfen wollte«, hatte der Redakteur verdrossen gesagt, »ginge unsere Auflage in den Keller.«

Am Mittwoch gegen Abend hatte ich Samson Frazer, den Redakteur der Hoopwestern Gazette, angerufen.

»Falls Sie mit dem Gedanken spielen, die Geschichte über mich aus der Shout! nachzudrucken«, hatte ich gesagt, »lassen Sie das lieber. Sie ist von Usher Rudd und bringt Ihnen eine Verleumdungsklage ein.«

Düsteres Schweigen.

Dann: »Ich lasse die Titelseite neu setzen.«

Am Donnerstag schickten die Shout!-Verleger, um die enormen Kosten eines Verleumdungsprozesses zu vermeiden, den von mir verlangten Widerruf an die Abgeordneten los.

Als mein Vater am Freitag früh ins Unterhaus kam, konnte er feststellen, daß die Einschreiben zum Teil schon eingegangen waren. Zusätzlich dazu verteilte er an alle, angefangen vom Premierminister, Kopien von Vivian Durridges Brief an mich und eine kurze Bestätigung, daß er Durridge selbst gebeten habe, sich einen Vorwand auszudenken, um mich wegzuekeln. Allgemein reagierte man offenbar mit Erleichterung und Aufatmen, wenngleich Hudson Hurst darauf bestand, daß an der Drogengeschichte doch wohl etwas Wahres sein müsse.

»Wieso meinen Sie?« fragte mein Vater und bekam nur ein betretenes Schweigen zur Antwort.

»Ich habe Hudson Hurst gefragt, ob er Usher Rudd zu Vivian Durridge geschickt habe«, erzählte mein Vater. »Wieso das denn? meinte er verblüfft. Ich glaube nicht, daß er dahintersteckt.«

Jetzt kam ich zu einem Kreisverkehr. Noch dreiundzwanzig Kilometer bis Hoopwestern.

Ich dachte an Hudson Hurst, das häßliche Entlein, das Schere und Rasierer in einen Schwan verwandelt hatten. Im Fernsehen war er elegant und überzeugend, las aber seine Reden vom Teleprompter ab. Kein inneres Feuer. Eine Marionette.

Alderney Wyvern zog die Strippen.

Wie das beweisen? Wie ihn aufhalten?

Wer Alderney Wyvern angriff, konnte dabei selber auf der Strecke bleiben. Ich spürte es genau. Die Geschichtsbücher waren voll von Klagen über mißglückte Angriffe.

Ich kam gegen Mittag in Hoopwestern an und parkte auf dem Parkplatz hinter dem alten Wahlkampfbüro. Von Polly wußte ich, daß die Wohlfahrtsorganisation, der das Doppelhaus gehörte, sich entschlossen hatte, es im alten Stil wieder aufzubauen, mit neuen Erkerfenstern zum gepflasterten Marktplatz hin und neuen Ladenlokalen, die sich in die Zeile auf der Rückseite einfügten. Als ich vom Parkplatz hineinging, fielen mir als einzige Veränderung die schweren Feuerschutztüren und eine Batterie von großen, knallroten Feuerlöschern auf.

Mervyn Teck war dort und empfing mich mit halb grüßend, halb fragend geöffneten Armen und unsicherem Blick. »Benedict!« Er hatte zugenommen. Eine rundliche Gestalt.

»Hallo, Mervyn.«

Er gab mir verlegen die Hand und blickte an mir vorbei zu seinem Schreibtisch, auf dem die Shout! und die Hoopwestern Gazette lagen.

»Ich hatte Sie nicht erwartet«, sagte Mervyn.

»Nein, Sie müssen entschuldigen. Aber mein Vater wird Ihnen ja gesagt haben, daß er dieses Wochenende nicht zur Sprechstunde kommen kann, oder?« Samstag morgens konnte die Bevölkerung ihre Beschwerden im Büro vortragen. »Sie kommen sicher auch ohne ihn zurecht.«

Mein Vater war in London mit heimlichen kleinen Mittagessen und privaten Abendessen beschäftigt, mit eiligen nichtöf-fentlichen Sitzungen, Vereinbarungen und Verhandlungen, kurz, mit all den verdeckten Manövern, die zu einem Machtwechsel gehörten. Ich hoffte und baute darauf, daß Alderney Wyvern damit auch alle Hände voll zu tun hatte.

Eine junge Frau, die an einem Computer saß, stand mit unge-spielter Freude auf.

»Benedict!«

»Crystal?« fragte ich zögernd.

»Das finde ich aber schön«, sagte sie und kam hinter ihrem Schreibtisch hervor, um mich zu küssen. »Ist ja schon ewig her, daß Sie hier waren.«

Auch sie hatte sich sehr verändert. Sie war nicht mehr mager und nervös, sondern füllig und selbstsicher; und ich sah, daß sie einen Ehering trug.

Sie setzten mir Kaffee und die Lokalnachrichten vor, und interessiert las ich, was die Gazette aus dem Shout!-Geschrei gemacht hatte. »Eine unfaire Attacke gegen unseren Abgeordneten, auf dem Umweg über seinen Sohn. Die Behauptungen sind unwahr ... empörend ... beleidigend ... Widerrufe und Entschuldigungen stehen an.«

»Der Shout!-Artikel ist von Usher Rudd.« Mervyn zeigte auf den Namen. »Dieser kleine Mistkerl.«

»Eigentlich«, sagte ich in ihre weiterwallende Empörung hinein, »hätte ich mich gern mit Orinda unterhalten, aber am Telefon konnte ich sie nicht erreichen.«

»O je«, sagte Crystal, »die ist nicht da. Sie ist übers Wochenende weggefahren. Sie kommt erst Montag zurück.«

Wohin sie gefahren war, wußten sie nicht.

Ich hatte eine kleine Liste von Leuten zusammengestellt, die ich sprechen wollte. Mervyn, der mir ihre Adressen heraussuchte, wußte, daß Isobel Bethune noch bei ihrer Schwester in Wales war, und da sie mir am Telefon sagte, sie würde mich gern sehen, fuhr ich am Nachmittag nach Cardiff und fand Paul Bethunes verjüngte Frau in einem hübschen Reihenhaus in der Vorstadt.

Ich hatte sie noch nie glücklich erlebt. Auch sie war eine andere geworden: statt der grauen Sorgenfalten glatte, samtene Pfirsichhaut.

Aber sie war es, die ausrief: »Haben Sie sich verändert! Sie sind älter geworden.«

»Wie das so geht.«

Ihre Schwester war einkaufen gefahren. Ich setzte mich zu Isobel und ließ mir von ihr erzählen, wie Usher Rudd den Seitensprung ihres Mannes entdeckt hatte.

»Usher Rudd hat zwar gewühlt und die Sache Gott weiß wie hochgespielt, aber Paul war doch selber schuld. Männer sind ja solche Rindviecher. Unter Rotz und Tränen hat er mir nachher gebeichtet, er habe sich beim Golfspielen vor einem Unbekannten damit gebrüstet - damit gebrüstet! -, daß er fremdgeht und seine Frau nichts davon ahnt. Kicher, kicher. Ist das zu glauben? Und dann entpuppte sich dieser Unbekannte als der komische Vogel, der immer um die Nagles herumgeisterte. Der mit Dennis Golf spielte.«

»Wyvern heißt er.«

»Ja, das weiß ich inzwischen. Als Dennis starb, wollte dieser Wyvern dafür sorgen, daß Orinda das Mandat bekommt, deshalb hat er sich übers Golfspiel an Paul herangemacht, um zu sehen, wo er verwundbar war ... Ich haßte Usher Rudd, aber erst nach dem Wahlsieg Ihres Vaters ist Paul zusammengeklappt und hat mir erzählt, wie das alles gelaufen ist.« Sie seufzte. »Damals war ich fix und fertig, aber jetzt läßt es mich kalt, ist das nicht seltsam?«

»Wie geht’s Ihren Söhnen?«

Sie lachte. »Die sind zur Armee gegangen. Da sind sie auch am besten aufgehoben. Manchmal schicken sie eine Ansichtskarte. Sie sind der einzige, der damals gut zu mir gewesen ist.«

Ich verabschiedete mich mit einem Kuß auf die Pfirsichwange von ihr und fuhr müde nach Hoopwestern zurück, zu Pollys Haus in den Wäldern, wo ich vorgegarte Krabben aus der Tiefkühltruhe aß und übernachtete.

Am Samstag morgen fuhr ich zur Polizei und fragte nach Kriminalkommissar Joe Duke, dessen Mutter den Schulbus fuhr.

Joe Duke erschien mit fragender Miene.

»George Juliards Sohn? Sie sehen älter aus.«

Joe Duke war noch Kriminalkommissar, aber seine Mutter fuhr nicht mehr den Schulbus. »Sie züchtet jetzt Kaninchen«, sagte er. Er führte mich in einen kahlen kleinen Vernehmungsraum mit der Erklärung, er sei der leitende Beamte vom Dienst und könne die Wache nicht verlassen.

Nachdenklich wiederholte er meine Frage: »Ob sich bei dem Feuer, in dem Sie hätten umkommen können, der Verdacht auf Brandstiftung bestätigt hat? Das ist fünf Jahre her.«

»Sogar länger. Aber Sie haben doch sicher Akten«, sagte ich.

»Dazu brauche ich keine Akten. Die meisten nächtlichen Brände gehen auf Zigaretten oder Kurzschlüsse zurück, aber Sie haben ja nicht geraucht, und die Leitungen dort waren neu verlegt. Bleibt das hier unter uns?«

»Unbedingt.«

Joe, ein engagierter Polizist in den Dreißigern, hatte ein großflächiges Gesicht, sprach mit Dorseter Akzent und wußte menschliche Schwächen realistisch einzuschätzen. »Amy hat manchmal Landstreicher in dem Raum überm Trödelladen schlafen lassen, nach ihrer Aussage aber nicht in der betreffenden Nacht, obwohl das die amtliche und auch naheliegende Theorie von der Brandursache ist. Ein Obdachloser soll im Parterre Kerzen angezündet, sie umgeschmissen haben und davongelaufen sein. Blödsinn eigentlich. Der Brand ging aber nach Ansicht der Feuerwehr von dem Trödelladen aus, und da

war die Hintertür nicht verriegelt, und beide Läden hatten damals Wände und Trennwände aus trockenem altem Holz, nicht wie jetzt, wo alles aus Stein und Beton ist und vor Rauchmeldern strotzt. Jedenfalls nehme ich an, Sie kennen auch die Theorie, wonach der überdrehte Leonard Kitchens das Feuer gelegt hat, um Ihren Vater zu vertreiben und Orinda Nagle den Weg ins Parlament zu ebnen.«

»Habe ich gehört. Was halten Sie davon?«

»Kommt ja jetzt nicht mehr drauf an, oder?«

»Trotzdem .«

»Ich glaube, er war’s. Ich habe ihn selbst befragt. Wir hatten bloß nicht die Spur eines Beweises.«

»Und das Gewehr in der Dachrinne vom Schlafenden Drachen?«

»Keiner weiß, wer es dahin getan hat.«

»Leonard Kitchens?«

»Er schwört, daß er es nicht war. Und er ist schwer und ungelenk. Man muß ziemlich wendig sein, um ein Gewehr da raufzukriegen.«

»Konnten Sie feststellen, woher die Waffe kam?«

»Nein«, sagte er. »Die gibt’s überall. Ein seit ewigen Zeiten beliebtes Sportgewehr. Heute braucht man dafür einen Waffenschein und hält sie unter Verschluß, aber früher ... und wenn sie gestohlen war ...« Er zuckte die Achseln. »Es ist ja nicht so, daß damit jemand getötet wurde.«

»Wie wird Mordversuch bestraft?« fragte ich.

»Sie meinen, ein vorsätzlicher Versuch, der fehlgeschlagen ist?«

»Mhm.«

»Genau wie Mord.«

»Zehn Pfund Aufgewicht?«

»Zehn Jahre.«

Von der Polizei aus fuhr ich zur Ringstraße und hielt auf dem Hof von Basil Rudds Reparaturwerkstatt. Ich ging die Treppe hinauf zu seinem verglasten Büro, von dem aus er die ganze geräumige Werkstatt überblickte, in der an diesem Sonntagmorgen jedoch wenig los war.

»Tut mir leid«, sagte er, ohne aufzuschauen. »Samstags schließen wir um zwölf. Ich kann Ihnen erst wieder am Montag helfen.«

Er war seinem Cousin immer noch unangenehm ähnlich: rothaarig, sommersprossig, streitlustig.

»Sie sollen nicht mein Auto reparieren«, sagte ich. »Ich suche Usher Rudd.«

Es war, als hätte ich ihn mit einer Nadel gepiekst. Er blickte auf und sagte: »Wer sind Sie? Was wollen Sie von ihm?«

Ich sagte ihm, wer und was. Ich fragte ihn, ob er sich an den Range Rover mit der fehlenden Ablaßschraube entsinne, doch seine Erinnerung daran war dunkel. Ganz gegenwärtig aber war ihm, wie sehr die Schande eines Sohnes dessen Vater politisch schaden konnte. Er hatte die Shout!, unweigerlich in der Mitte aufgeschlagen, auf seinem Schreibtisch.

»Das bin ich«, sagte ich und wies auf das Foto des Rennreiters. »Ihr Cousin lügt. Die Gazette hat ihn wegen Verlogenheit gefeuert, und wenn ich kann, will ich dafür sorgen, daß er wegen unehrenhaften Verhaltens endgültig den Beruf wechseln muß - daß ihn der Presseverband ausschließt oder wie immer das im Zeitungsjargon heißt. Wo ist er also?«

Basil Rudd sah mich hilflos an. »Wie soll ich das wissen?«

»Suchen Sie ihn«, sagte ich mit Nachdruck. »Sie sind ein Rudd. Irgend jemand vom Rudd-Clan wird wissen, wo sein berüchtigtster Vertreter zu finden ist.«

»Er hat uns nichts als Ärger eingebrockt .«

»Suchen Sie ihn«, sagte ich, »und Ihr Ärger hat vielleicht ein Ende.«

Er griff zum Telefon und meinte: »Das kann aber dauern. Und es kostet Sie Geld.«

»Ich erstatte Ihnen die Telefonkosten«, sagte ich. »Wenn Sie ihn finden, hinterlassen Sie bitte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter im Wahlkampfbüro meines Vaters. Hier ist die Nummer.« Ich gab ihm eine Karte. »Verlieren Sie keine Zeit. Es eilt.«

Als nächstes fuhr ich zum Schlafenden Drachen, um mit dem Direktor zu sprechen. Zum Zeitpunkt der Nachwahl hatte er das Hotel eben erst übernommen, aber vielleicht erinnerte er sich gerade deshalb noch gut des Abends, an dem auf dem Marktplatz ein Schuß gefallen war. Es ehre ihn sehr, sagte er, daß mein Vater ihm angeboten habe, einander beim Vornamen zu nennen.

»An dem Abend gingen ja so viele Leute ein und aus, und für mich waren sie alle noch neu. Jemand hat mir einen Satz Golfschläger ins Büro gestellt und gesagt, sie gehörten Dennis Nagle, aber der war ja nun tot, und ich habe mich an Mrs. Nagle gewandt, weil ich nicht wußte, wohin damit, doch die meinte, sie müßten einem Freund ihres Mannes, Mr. Wyvern, gehören, und dem habe ich sie dann gegeben.« Er runzelte die Stirn. »Das ist so lange her. Ich fürchte, ich bin Ihnen keine große Hilfe.«

Ich ging in den ersten Stock und sah von dem kleinen Aufenthaltsraum über der Hotelhalle noch einmal auf den Marktplatz hinunter, auf dem mein Vater und ich an jenem Abend durch einen glücklichen Zufall nicht angeschossen worden waren.

Golfschläger .

Mervyn Teck erklärte mir am Ende einer bewegten Morgensprechstunde, wo Leonard Kitchens und seine Frau wohnten, und am Samstag nachmittag fuhr ich ohne große Begeisterung zu ihrem stattlichen Doppelhaus am Stadtrand.

Das phantasielose Gemäuer und der geleckte Vorgarten waren irgendwie typisch für Achtbarkeit und Wohlstand; nichts deutete auf einen überdrehten Zündler hin.

Mrs. Kitchens öffnete auf mein Klingeln und sagte, als sie mich auf den zweiten Blick erkannte: »Mein Leonard ist leider nicht da.«

Sie führte mich in ein auf die Straße blickendes Wohnzimmer, in dem es roch, als sei es seit Monaten nicht benutzt worden, und erzählte freimütig und bitter von der Leidenschaft ihres Leonards für Orinda.

»Mein Leonard hätte alles für die Frau getan. Würde er jetzt auch noch.«

»Ehm ...«, sagte ich, »wenn Sie mal an den Brand im Wahlkampfbüro zurückdenken -«

»Leonard behauptet, damit habe er nichts zu tun«, unterbrach Mrs. Kitchens.

»Aber Sie glauben -?«

»Natürlich war das der alte Schafskopf«, sagte sie. »Das weiß ich genau. Aber außer Ihnen sage ich das keinem. Dieser Wyvern hat ihn dazu angestiftet. Dabei war das sinnlos, denn Ihr Vater ist für unser Land viel besser als Orinda. Das weiß inzwischen jedes Kind.«

»Man erzählt sich«, sagte ich sanft, »daß Leonard mit einem Gewehr auf meinen Vater geschossen und das Gewehr dann in der Dachrinne des Schlafenden Drachen versteckt hat.«

Davon wollte die unglückliche, dicke, tapsige Mrs. Kitchens nichts hören. »Mein Leonard wüßte gar nicht, wo bei einem Gewehr vorn und hinten ist!«

»Und wechselt Ihr Leonard bei seinem Auto selbst das Öl?«

Sie sah völlig perplex aus. »Er kann Pflanzen ziehen, aber sonst ist er zu nichts zu gebrauchen.«

Ich ließ die arme Mrs. Kitchens mit ihrer unbefriedigenden Ehe allein und übernachtete wieder bei Polly.

Den größten Teil des Sonntags saß ich allein im Wahlkampfbüro und wünschte, Basil Rudd würde mir aus Abneigung gegen seinen Cousin helfen, und wartete auf seinen Anruf, aber erst kurz vor sechs klingelte das Telefon.

Ich nahm den Hörer ab. Eine fremde Stimme, nicht die von Basil Rudd, sagte: »Sind Sie derjenige, der wissen möchte, wo Bobby Usher Rudd steckt?«

»Ja«, sagte ich. »Und wer sind Sie?«

»Das ist doch ganz egal. Die Schnüffelei dieser Ratte hat mich um meine Frau und meine Kinder gebracht. Wenn Sie Usher Rudd das Maul stopfen wollen, den finden Sie im Augenblick in der Redaktion der Hoopwestern Gazette.«

Der Informant am anderen Ende legte abrupt auf.

Usher Rudd befand sich beinah vor meiner Haustür.

Ich hatte mit einer länger dauernden Jagd gerechnet, aber die Hoopwestern Gazette wurde am Ende der Straße herausgegeben und gedruckt. Ich schloß das Büro ab, sprang ins Auto und raste durch den Sonntagsverkehr wie vom Teufel gehetzt, damit mir Usher Rudd jetzt nicht noch durch die Lappen ging.

Er war noch in der Gazette, mitten in einem heftigen Streit mit Samson Frazer. Als ich das Redaktionsbüro betrat, blieben ihnen die halb ausgesprochenen hitzigen Wörter im Hals stek-ken.

Sie wußten beide, wer ich war.

Bobby Usher Rudd sah aus, als hätte es ihm buchstäblich die Sprache verschlagen. In Samson Frazers Miene mischten sich Freude, Bestürzung und Erleichterung.

Er sagte: »Bobby schwört, daß die Drogenstory stimmt.«

»Bobby würde schwören, daß seine Mutter eine Schimpansin ist.«

Usher Rudd wies mit zitterndem Finger auf eine Gazette vom Donnerstag, die auf Samsons Schreibtisch lag, und seine Stimme war heiser vor Zorn.

»Ist Ihnen klar, was Sie getan haben?« Er meinte mich, nicht Samson Frazer. »Die Shout! hat mir gekündigt. Sie haben Rufus Crossmead und den Verlag so eingeschüchtert, daß sie sich nicht mehr trauen, was von mir zu drucken, dabei sind ihre Auflagen jahrelang durch mich gestiegen ... unfaires Pack! Die halten mir vor, daß die ganze Branche sie auslacht, weil sie eine Ente über jemand gebracht haben, dessen Vater vielleicht der kommende Premierminister ist. Die Story sei nach hinten losgegangen. Sie würde George Juliard eher nützen, als ihn zu Fall bringen. Konnte ich das etwa riechen? Das ist doch ungerecht.«

»Sie hätten merken müssen«, wandte ich ein, »daß Vivian Durridge nicht weiß, was er sagt.«

»Die Leute, die nicht wissen, was sie sagen, sind die, denen man zuhören muß.«

Dieser selbstbewußte, im Zorn gesprochene Satz ließ mich Usher Rudds Erfolg plötzlich in klarstem Licht sehen.

Ich sagte: »Schon damals, als wir uns in Quindle kennenlernten, wollten Sie meinem Vater Geschichten anhängen.«

»Quatsch.«

»Geschichten will er doch jedem anhängen«, warf Samson ein.

Ich schüttelte den Kopf. »Wer«, fragte ich Usher Rudd, »hat Sie auf meinen Vater angespitzt?«

»Mich muß man nicht anspitzen.«

Ich schrie zwar nicht gerade, sprach aber laut und mit offenem Vorwurf. »Sie haben Ihr Leben lang mit Autos zu tun gehabt. Haben Sie den Ölablauf am Range Rover meines Vaters mit einer Kerze verstopft?«

»Was?«

»Ja oder nein? Wer hat Sie dazu veranlaßt?«

»Rutschen Sie mir doch den Buckel runter.«

Das Telefon auf Samson Frazers Schreibtisch klingelte.

Er nahm ab, hörte kurz hin, sagte: »Okay« und legte wieder auf.

Usher Rudd, nicht umsonst ein Journalist, sagte argwöhnisch: »War das jetzt Ihr Okay für den Druck?«

»Ja.«

Usher Rudd bekam einen solchen Wutanfall, daß er am ganzen Körper zitterte. »Die Änderung muß rein. Ich bestehe darauf ... Ich bringe Sie um ... Stoppen Sie den Druck! Wenn Sie nicht drucken, was ich verlangt habe, bringe ich Sie um.«

Samson Frazer gab nichts darauf und ich, so vehement Rudd auftrat, auch nicht. Umbringen war leicht gesagt, aber selten ernst gemeint.

»Welche Änderung?« fragte ich.

Samsons Stimme war unnatürlich hoch. »Ich soll drucken, daß Sie Sir Vivians Brief und seine Unterschrift gefälscht haben und daß die Leimschnüfflergeschichte hundertprozentig stimmt, daß sie lupenrein ist und daß Sie alles - alles - daransetzen werden, die Wahrheit zu leugnen.«

Er nahm eine maschinengeschriebene Seite vom Tisch und wedelte damit in der Luft.

»Im übrigen ist Sonntag«, sagte er. »Außer mir und den Druckern ist niemand hier. Die Druckplatten für morgen sind aufgespannt, die Maschinen startbereit.«

»Sie können die Änderungen eigenhändig vornehmen.« Usher Rudd tobte vor Wut.

»Ich denke nicht dran«, sagte Samson.

»Dann stoppen Sie den Druck.«

»Seien Sie nicht albern.«

Samson drückte mir die Schreibmaschinenseite in die Hand.

Ich warf einen Blick darauf, und als hätte er auf die geringste Unaufmerksamkeit von mir gewartet, machte Bobby Rudd einen besonders schnellen Abgang und verschwand blitzartig durch eine Tür - nicht die Tür nach draußen, sondern die Pendeltür auf den Gang, der ins Gebäudeinnere führte; genauer gesagt, zu den Druckmaschinen.

»Halten Sie ihn!« schrie Samson entgeistert.

»Es ist ja nur Papier«, meinte ich, mich langsam in Richtung Tür bewegend.

»Nein ... Sabotage ... die Maschinen! Halten Sie ihn auf!«

Seine Erregung überzeugte mich. Ich stürzte hinter Usher Rudd her und lief durch einen Gang mit kleinen verlassenen Büros zu beiden Seiten, durch die Tür am anderen Ende, durch einen Raum mit nichts als meterdicken Rollen weißen Papiers für kommende Zeitungen, durch einen kleinen Druckraum mit zwei oder drei Männern an ratternden Maschinen, die farbige Seiten ausspien, und kam durch eine letzte Pendeltür schließlich in den langen, hohen Saal, dem Herz der Hoopwestern Gazette, wo riesengroße Druckmaschinen täglich zwanzigtausendmal vierundzwanzig Seiten Allerweltskunde für den größten Teil Dorsets produzierten.

Als ich eintrat, brummten die Maschinen leise. Es waren acht nebeneinander, mit einem Turm in der Mitte. Von links und rechts legten die Maschinen zuerst ein Farbband - Rot, Gelb, Blau - auf die Bögen für die Rück- und Titelseiten, dann kamen die eng beschrifteten Schwarzweißseiten, die, auf Walzen gespannt, in einem alten, aber noch immer volltauglichen Offsetverfahren gedruckt wurden.

Wie die Rotation technisch funktionierte, erfuhr ich nachher. An diesem gräßlichen Sonntag sah ich nur breite weiße Papierbahnen von Druckwerk zu Druckwerk und durch die Farbwerke laufen, während sie Seite für Seite die Nachrichten einholten auf dem Weg zum Turm, in dem sie geschnitten und gefaltet wurden, um als vertriebsfertige Zeitung in Fünfzigerstapeln wieder herauszukommen.

Zwei Männer bedienten die Maschinen, regulierten die Farbgebung und erhöhten langsam die Geschwindigkeit, mit der das Papier über die Walzen und durch die Rotation lief. Warnglok-ken ertönten. Der Lärm nahm zu.

Als ich durch die lange, jetzt dröhnende Halle lief, rief Usher Rudd einem der Männer zu, er solle alles abschalten. Der Drucker kniff die Augen zusammen und beachtete ihn nicht. Sein Kollege löste noch eine Alarmglocke aus und brachte die Rotation auf bodenerschütternde Touren. Die Montagsausgabe der Hoopwestern Gazette, Auflage zwanzigtausend, lief in einem Tempo von Druckwerk zu Druckwerk und den Turm rauf und runter, daß einzelne Seiten nicht mehr zu erkennen waren.

Samson Frazer, der mich einholte, während ich gebannt dem Vorgang zuschaute, schrie mir ins Ohr: »Kommen Sie den laufenden Maschinen nicht zu nah. Wenn Sie mit dem kleinen Finger in so eine Walze geraten, zieht’s den ganzen Arm da rein -der wird Ihnen glatt abgequetscht. Bis die Rotation aufgehalten wird, ist der Arm schon weg. Haben Sie verstanden?«

»Ja«, rief ich.

Usher Rudd schrie den Drucker an.

Samson Frazers Warnung war berechtigt.

Die Druckwerke standen jeweils etwa einen Meter auseinander, und dazwischen war man den immer schneller rotierenden Walzen offen ausgesetzt. Wenn die Maschinen stillstanden, konnten die Drucker gefahrlos dorthin gehen, um die Druckplatten auf die Zylinder zu spannen und die Farbwalzen zu kontrollieren. Waren die Maschinen eingeschaltet und liefen auch nur mit minimaler Geschwindigkeit, wurde es gefährlich. Ein Arm konnte ausgerissen werden, aber nicht mit einem einzigen ent-setzlichen Ruck, sondern schlimmer noch, langsam und unwiederbringlich Zentimeter für Zentimeter.

Später fragte ich, wieso es keine Sperren gab, die den Zugang verwehrten. Die Maschinen seien alt, aus einer Zeit, in der Sicherheit noch nicht großgeschrieben wurde, sagte Samson Frazer; jetzt hätten sie auch Sperren. Das sei in Großbritannien Vorschrift. Diese Sperren wurden wie Gitter vorgelegt und abgeschlossen, seien aber umständlich und ein Arbeitsgang für sich. Die Leute an den Maschinen seien sich der Gefahr bewußt, hielten die Vorsichtsmaßnahmen ein und pfiffen deshalb manchmal auf die Sperren. Er sehe das zwar nicht gern, habe aber keine Unfälle zu beklagen. Inzwischen gebe es Computerprogramme und EDV-geschulte Drucker, doch die alte Technik funktioniere wie seit hundert Jahren ausgezeichnet, und er könne es sich nicht leisten, sie zu verschrotten und durch die neue zu ersetzen, die ohnehin oft versage, und gegen Irre wie Usher Rudd sei schon gar nichts zu machen. Gegen Verrückte gebe es keinen Versicherungsschutz.

Da hätte ich ihm etwas anbieten können; aber was wir für Usher Rudd an diesem Sonntagabend gebraucht hätten, war eine Zwangsjacke, keine Police.

Er schimpfte immer noch auf den Drucker ein, der ihm über die Schulter blickte und in Samson Frazers Ankunft seine Rettung sah.

Um die Rotation zu stoppen, erfuhr ich später, mußte man an einem der Schaltpulte, mit denen die Druckgeschwindigkeit der Anlage reguliert wurde, einen bestimmten Knopf drücken. Die Knöpfe waren nicht mit Klingelknöpfen zu vergleichen, sondern handtellergroße, flache rote Tasten auf Spiralfedern.

Weder der Drucker noch Samson Frazer drückten die Stopptaste, und weder Rudd noch ich wußten, welcher von den roten Knöpfen der richtige war. Die Maschinen dröhnten weiter, und Bobby Usher Rudd verlor vollends die Beherrschung.

Er wußte, wie gefährlich die Maschinen waren. Er hatte bei der Hoopwestern Gazette gearbeitet. Immer wieder hatte er beruflich mit Zeitungen zu tun gehabt.

Er packte den Drucker an seinem Overall und stieß ihn in die Richtung unvorstellbarer Qualen.

Der Drucker, halb in eine der tödlichen Gefahrenzonen gedrängt, schrie auf.

Samson Frazer schrie Usher Rudd an.

Der zweite Drucker flüchtete in den kleinen Druckraum nebenan.

Ich warf mich instinktiv auf Usher Rudd und riß ihn zurück. Auch er schrie los. Der immer noch von ihm festgehaltene Drucker taumelte aus dem Gefahrenbereich, wobei er die Hände aus altgewohnter Vorsicht eng am Körper hielt: lieber auf die Nase fallen, als die Balance bewahren und in die todbringenden Maschinen greifen.

Usher Rudd ließ den Overall los und verlagerte seine besinnungslose Wut auf mich. Er wollte jetzt weniger den Druck aufhalten als sich für die katastrophale Lage rächen, in die er sich selbst gebracht hatte.

Das Funkeln in seinen Augen war irr. Ich sah ihm an, daß er vorhatte, statt des Druckers mich in die Rotation zu stoßen, und wären wir allein gewesen, hätte er das vielleicht auch geschafft. Aber Samson Frazer stürzte sich auf ihn, und der vor der Verstümmelung bewahrte Drucker rempelte, als er mit einem letzten Schreckensschrei zur Tür stolperte, Rudd versehentlich an und brachte ihn aus dem Gleichgewicht.

Rudd schüttelte Samson ab wie ein lästiges Insekt, doch das gab mir Zeit, von der nächsten Maschine wegzukommen. Rudd versuchte zwar, mich wieder in die Gefahrenzone hineinzuzerren, aber ich kämpfte mehr oder minder um mein Leben, und es ist erstaunlich, was Todesangst für Kräfte freisetzt.

Samson Frazer, der vielleicht daran dachte, daß ihn ein tödlicher Unfall in seinem Haus ruinieren würde, half mir in höchst anerken-nenswerter Weise, mit dem rasenden rothaarigen Tornado, der um sich trat, grapschte und schlug, fertig zu werden; und Samson war es auch, der Rudd mit geballter Faust einen Stoß an den Kopf versetzte, von dem er benommen mit dem Gesicht voran zu Boden ging. Ich hockte mich auf seinen sich windenden Rücken, während Samson breites braunes Paketband holen ging, um ihm mit meiner aktiven Unterstützung die Hände wie mit Handschellen auf den Rücken zu binden, indem er erst das eine, dann das andere Handgelenk Rudds mit dem Paketband umwickelte. Ebenso fesselte Samson die strampelnden Beine, dann wälzten wir Rudd auf den Rücken und beugten uns keuchend über ihn.

Wir hakten ihn auf beiden Seiten unter, schleiften ihn in den vergleichsweise ruhigen, kleinen Druckraum nebenan und setzten ihn in einen Lehnstuhl.

Die beiden Drucker waren dort, verstört, mit schreckgeweiteten Augen. Samson befahl ihnen nüchtern, wieder an die Arbeit zu gehen, sie hätten eine Zeitung herauszubringen; und zögernd gehorchten sie ihm schließlich.

»Es ist alles seine Schuld«, begehrte Rudd in seinem Lehnstuhl auf. »Wyvern war’s. Sie müssen sich an ihn halten, nicht an mich.«

»Ich glaube Ihnen kein Wort«, log ich.

Usher Rudd versuchte mich zu überzeugen. »Wyvern wollte Ihren Vater aus dem Weg haben. Orinda sollte ins Parlament. Er wollte sie an Dennis’ Stelle nach oben bringen. Er hätte alles getan, damit Ihr Vater nicht gewählt wird.«

»Zum Beispiel seinen Wagen manipuliert?«

»Das sollte ich machen, aber ich wollte nicht. Ich habe nur geschrieben, was er wollte. Ihm zuliebe habe ich wochenlang Paul Bethune beschattet und seine Nebenfrau ans Licht gezerrt, damit die Leute Orinda wählen, aber an einem Range Rover die Bremsschläuche durchschneiden, wie Wyvern es wollte, das ging mir zu weit. Das habe ich nicht gemacht.« »Doch«, hielt ich ihm vor.

»Nein.«

»Was haben Sie denn gemacht?«

»Gar nichts habe ich gemacht.«

»Da sagt Ihr Cousin Basil aber etwas anderes.«

Usher Rudd bedachte Basil mit Ausdrücken, die ich selbst auf der Rennbahn kaum jemals gehört hatte, und irgendwann im Lauf der Tirade schilderte er auch, wie er in dem schwarzen Trainingsanzug, den er am Abend des Diners im Schlafenden Drachen getragen hatte, unter den Range Rover gekrochen war. Der glanzvolle Auftritt meines Vaters damals hatte Wyvern zu der Überzeugung gebracht, daß er ihn schon ernstlich verletzen mußte, um ihn loszuwerden.

Wyvern hatte Usher Rudd zusammengestaucht, weil der Anschlag so kläglich gescheitert war.

Usher Rudds Wut verrauchte allmählich, und er quengelte ein Weilchen, bevor er bestritt, jemals gesagt zu haben, was Samson und ich gerade gehört hatten.

Samson rief die Polizei. Joe Duke hatte dienstfrei, aber Samson kannte die gesamte Mannschaft und sagte, als er auflegte, sie hätten versprochen, sofort zu kommen.

Usher Rudd rief: »Ich will einen Anwalt!«

Er bekam seinen Anwalt, verbrachte die Nacht in einer Zelle und wurde am Montag früh von einem vielbeschäftigten Friedensrichter, der sich von der Hektik, dem Lärm und den Gefahren im Zeitungshaus keine Vorstellung machte, wegen Ruhestörung in den Räumen der Hoopwestern Gazette ermahnt.

Es war ja nichts passiert. Die Zeitung war wie gewohnt erschienen. Usher Rudd, brav und ehrerbietig, ging als freier Mann.

Ich unterhielt mich mit Joe Duke.

Ich sagte: »Usher Rudd hat den Ölablauf des Range Rovers mit Wachs verstopft, und Leonard Kitchens hat den Brand gelegt. Beide haben im Auftrag von Alderney Wyvern gehandelt.«

Joe Duke nickte bedächtig. »Aber aufgehalten hat das Ihren Vater nicht, oder? Und was Sie betrifft« - er lächelte ein wenig -, »ich werde nie vergessen, wie Sie in der Nacht da auf dem Platz saßen, die rote Decke um die Schultern, und sich überhaupt keinen Schmerz haben anmerken lassen, obwohl Sie an Händen und Füßen Verbrennungen hatten und auf das Pflaster geknallt waren. Fühlen Sie niemals Schmerz?«

»Schon, aber da ist so viel passiert -«

»Und Sie fallen oft genug vom Pferd?«

»Manchmal fallen die Pferde . Ja, kann sein. Ich bin schon ganz schön oft auf dem Boden gelandet.«

Das Lächeln wurde breiter. »Warum tun Sie’s dann?«

»Tempo«, sagte ich. »Das Höchste.« Ich schwieg. »Wenn man etwas unbedingt haben will, dann riskiert man unter Umständen sein Leben dafür und findet das völlig normal.«

Er dachte darüber nach. »Wenn man Orinda Nagle unbedingt ins Parlament bringen will, dann riskiert man .«

»So ziemlich alles. Ich glaube, es war Wyvern, der auf meinen Vater geschossen hat.«

»Ich will das nicht bestreiten. Er könnte in seiner Golftasche ein Gewehr transportiert haben, versteckt unter einer Hülle, wie man sie für die Schläger benutzt.«

»Ja.«

»Dann müßte er aber wirklich Mordabsichten gehegt haben.«

»Mhm. Und als er sah, wie mein Vater bei dieser Versammlung ankam, hielt er es für an der Zeit, ihn sofort aus dem Weg zu räumen.« »Er war verrückt.«

»Das ist er immer noch.«

Joe Duke wußte, daß mein Vater in einen Machtkampf verwickelt war, zeigte sich aber bestürzt, als ich von Hudson Hurst erzählte.

»Sie glauben doch nicht«, rief er entsetzt, »Wyvern könnte noch einmal versuchen, Ihren Vater umzubringen?«

»Für Wyvern steht jetzt mehr auf dem Spiel, und mein Vater ist ihm immer noch im Weg. Wenn der Parteivorsitz an meinen Vater geht, wird er in größter Gefahr sein. Ehrlich gesagt, mir graut davor.«

»Wissen Sie, was?« meinte Joe nachdenklich.

»Was?«

»Nur, damit wir Wyvern nicht zu Unrecht verdächtigen, auf Sie geschossen zu haben ... ich meine, bis jetzt haben wir ja eigentlich nur die Theorie. Wie wäre es, wenn Sie und ich die Sache mal inoffiziell durchspielen ... rekonstruieren? Ich nehme einen Gehstock als Gewehr. Verpackt in einer Golftasche. Und ich gehe damit in den kleinen Aufenthaltsraum hinauf, lege auf Sie an, während Sie wie an jenem Abend über den Platz kommen, und schaue mal, wie schwer es ist, den Stock in die Dachrinne zu kriegen. Was halten Sie davon?«

»Kann nichts schaden.«

»Vielleicht stoßen wir dabei auf etwas, das uns bisher entgangen ist. Das geht bei Rekonstruktionen oft so.«

»Okay.«

»Das müssen wir abends machen.«

»Es war nach Mitternacht.«

»Also nach Mitternacht. Außerdienstlich. Nur wir beide.«

Wir verabredeten uns für den gleichen Abend im Schlafenden Drachen und einigten uns darauf, daß Joe dem Direktor sagen sollte, was wir vorhatten.

Ich besuchte Orinda, die endlich von ihrem Wochenende zurückgekommen war und sich wieder am Telefon gemeldet hatte.

Die fünf Jahre hatten es gut mit ihr gemeint. Sie sah so toll aus wie immer, die grünen Augen schwarz bewimpert, das Make-up seidig glänzend. Sie war weniger spröde, weniger gestreßt, ausgefüllter.

Sie zog ihr Lieblingswort nicht gar so lang. »Mein Liieber!«

»Orinda.« Ich umarmte sie.

»Wie erwachsen Sie geworden sind«, rief sie aus. »Ich meine, nicht nur äußerlich.«

Sie wußte von dem Machtkampf in der Partei und bemerkte dazu, daß die Politiker jedesmal, wenn solch ein Führungsstreit entstand, die Regeln änderten.

»Sie denken sich ein Verfahren aus, von dem sie sich ein Ergebnis versprechen, über das keiner meckern kann, wenn auch mit dem Sieger nachher nicht jeder glücklich ist. Jetzt liegt es ganz bei der Fraktion.«

Ich hatte vergessen, wieviel Orinda von Regierungspolitik verstand.

»Dennis hat Ihnen wohl erklärt, wie das alles läuft?«

»Nein, das war Alderney Wyvern.« Sie runzelte die Stirn. »Den Mann will ich nie wiedersehen.«

»Wußten Sie«, sagte ich mit neutraler Stimme, »daß Wyvern jetzt Hudson Hurst steuert, so wie er seinerzeit Sie und Dennis gesteuert hat? Ist Ihnen klar, wenn Hudson Hurst die Abstimmung gewinnt, daß dann effektiv Alderney Wyvern das Land regiert?«

Orinda sah mich entsetzt an, schüttelte aber den Kopf. »Ihr Vater ist bei der Bevölkerung beliebter.«

»Vergessen Sie die schönste aller Freuden nicht.«

Orinda lachte. »Sie meinen die Schadenfreude?«

Ich nickte. »Das halbe Kabinett würde meinen Vater gern auf die Nase fallen sehen, nachdem er aus dem Fischereikrieg so als Held hervorgegangen ist.«

»Für unseren Wahlkreis wäre es fabelhaft, wenn er gewinnen würde.« Sie lächelte breit. »Daß ich das mal sage, hätte ich auch nicht gedacht, aber es stimmt.«

Ich erzählte Orinda von der Rekonstruktion, die Joe Duke und ich geplant hatten.

»Erinnern Sie sich noch gut an den Abend?« fragte ich.

»Und ob. Ich war wütend, daß ich die Kandidatur nicht bekommen hatte.«

»Waren Sie nach der Versammlung noch mit Alderney Wyvern zusammen?«

»Nein. Ich war sauer und unglücklich und bin direkt nach Hause gefahren.«

»Wissen Sie, ob Alderney Wyvern an dem Versammlungsabend seine Golfschläger dabeihatte?«

»Was Sie für Sachen fragen! Die hatte er eigentlich immer im Kofferraum.«

Orinda hatte meinen Vater damals vielleicht gehaßt, aber nicht so sehr, daß sie ihm etwas angetan hätte. In ihrem Wesen lag nichts Böses. Ich verbrachte noch ein oder zwei angenehme Stunden mit ihr, fuhr dann zu Polly nach Hause und wartete darauf, daß mein Vater aus London anrief und mir das Ergebnis der Abstimmung mitteilte.

Er rief vom Wagen aus an. »Noch nichts entschieden«, berichtete er. »Die Stimmen waren im Prinzip auf drei Kandidaten verteilt. Fest steht nur, daß morgen noch mal abgestimmt wird.«

»Erklär mir das«, bat ich ihn.

Er erklärte mir, er habe einen Tag voller Unsicherheiten und Manöver hinter sich, doch der springende Punkt war, daß weder mein Vater noch Hudson Hurst genug Stimmen bekommen hat-ten, um sich im ersten Wahlgang den Sieg zu holen. Jill Vini-check (Erziehung), die als dritte zur Wahl stand, hatte die wenigsten Stimmen erhalten und war damit ausgeschieden. Die nächste Abstimmung würde ein direktes Stechen zwischen Hurst und Juliard sein, und der Ausgang war offen.

Mein Vater hörte sich müde an. Er und Polly, sagte er, seien auf dem Weg zum Haus, um mit mir einen ruhigen Abend zu verbringen. Er habe hinter den Kulissen alles getan, um die Wahl zu seinen Gunsten zu beeinflussen: Jetzt mußten die Kollegen entscheiden, wen sie haben wollten.

Ich erzählte ihm von Joe Duke und der Rekonstruktion, und nach einer kurzen Absprache mit der neben ihm sitzenden Polly sagte er, sie würden zum Schlafenden Drachen kommen und dort mit mir essen.

Alle Hoffnung auf einen geruhsamen Abend löste sich zwischen Suppe und Apfelkuchen auf.

Zwar hatten weder Joe Duke noch ich ein besonderes Geheimnis aus unserer geplanten Rekonstruktion gemacht, aber wir hatten nicht damit gerechnet, daß der Hoteldirektor das Vorhaben ausposaunte. Anscheinend hatte er die ganze Stadt informiert. Im Hotel war ein Betrieb wie am Abend des Diners, und die Leute kamen in Scharen zu meinem Vater, um ihm die Hand zu schütteln und Glück zu wünschen.

Samson Frazer von der Hoopwestern Gazette kam mit seinem Fotografen und schilderte meinem entsetzten Vater anschaulich, wie Usher Rudd den Sonntag verbracht hatte.

Usher Rudd selbst erschien auch - frei, uneinsichtig, verbiestert bis unter den Haaransatz, starrte er böse meinen Vater an und sprach in ein Mobiltelefon.

Als Joe Duke kam, war er erst einmal entgeistert über den herrschenden Trubel, doch als er sich zum Kaffee zu uns gesellte, meinte mein Vater resigniert, an dem Abend, den wir rekonstruieren wollten, sei es auch brechend voll gewesen, und mit den vielen Leuten jetzt werde alles noch realistischer wirken.

Deshalb werde er auch wie damals mit mir zusammen über den Platz gehen, fügte Vater hinzu, und Joe Duke nickte begeistert, wenngleich mir das weniger gefiel.

Warum erst um Mitternacht? fragten die Leute. Alle seien jetzt schon bereit, und jetzt sei es halb zwölf.

Weil sich um Mitternacht automatisch die Hälfte der Platzbeleuchtung abschalte, erklärte Joe Duke, und die Rekonstruktion habe nur einen Sinn, wenn die Umstände mit den damaligen übereinstimmten.

Joe Duke holte eine Golftasche aus seinem Wagen und zeigte den langen Gehstock mit der Hülle aus Schottenstoff herum, die ihn verbarg.

Der Hoteldirektor runzelte verwirrt die Stirn, und ich wollte ihn fragen, ob ihm etwas Wichtiges eingefallen sei, doch Joe und die Zuschauer trieben alles an und brannten darauf, in die Gänge zu kommen. Ich frage ihn nachher, dachte ich.

Es wurde Mitternacht. Die Hälfte der Marktplatzbeleuchtung erlosch. Die noch brennenden Laternen warfen Schatten auf das Pflaster. Auf der anderen Seite des Platzes fiel schwaches Licht aus dem Wahlkampfbüro und dem Trödelladen.

Als mein Vater und ich hinaus auf den Platz traten, war nur der Schlafende Drachen hinter uns hell erleuchtet.

Vorgesehen war, daß Vater und ich bis zur Platzmitte gingen, daß Joe uns dann mit dem Gehstock aufs Korn nahm, peng machte und den Stock in die Dachrinne bugsierte. Die Leute aus dem Schlafenden Drachen sollten wie damals zu meinem Vater laufen.

Für mich war das Ganze beängstigend real, aber alle lächelten.

Joe, von gespanntem Publikum erwartungsvoll umdrängt, wandte sich zur Treppe, während Vater und ich davongingen.

Kurz darauf blieb ich auf dem Pflaster stehen und drehte mich um, doch Vater rief im Weitergehen über die Schulter: »Komm, Ben, wir sind noch nicht da.«

Ich sah an der Hotelfront hoch. Joes Stock ragte oben aus einem Fenster, halb verdeckt von den anscheinend immer blühenden Geranien.

Drei Gedanken durchzuckten mich gleichzeitig.

Erstens, Joe hatte noch gar keine Zeit gehabt, die Treppe hinauf und den Flur entlang zu gehen und sich im Aufenthaltsraum hinter dem Vorhang zu verstecken.

Zweitens, der Stock ragte aus dem falschen Fenster.

Drittens, der Stock glänzte und hatte ein Loch, ein schwarzes, rundes Loch am Ende.

Das war kein Stock. Das war ein Gewehr.

Mein Vater war schon zehn Meter vor mir. Ich rannte los wie bei Orinda und bei dem Drucker in der Rotation, ohne Zögern, ohne Überlegung, unwillkürlich, und ich setzte zu einem fliegenden Rugbyangriff an, um meinen Vater zu Boden zu werfen.

Der Knall war echt. Die Kugel war echt, aber die fröhlichen Leute, die aus dem Hotel strömten, hielten es immer noch für ein Spiel.

Die Kugel traf mich noch im Sprung, bevor ich meinen Vater umriß, und sie hätte ihn in den Rücken getroffen, wäre ich nicht dagewesen.

Sie drang oben in meinen rechten Oberschenkel ein und riß auf ihrem Weg zum Knie die Muskeln und Bindegewebe in meinem Bein auseinander.

Die Wucht des Einschlags wirbelte mich herum, so daß ich mit dem Gesicht zum Schlafenden Drachen auf das Pflaster knallte; auf den linken Ellbogen gestützt, lag ich am Boden, von Schauern geschüttelt, desorientiert, mein Kopf in hellem Aufruhr.

Diese Schmerzen hätte mir auch Joe Duke angesehen. Meine Augen tränten, meine Haut war schweißbedeckt. Ich hatte mich zwar hin und wieder durch Stürze beim Pferderennen verletzt, und bei dem Brand war ich zittrig und geschlaucht gewesen, aber ich hatte nicht einmal geahnt, daß es da eine Dimension gab, die über äußerliche Wunden und Knochenbrüche weit hinausging.

Mein Wissen über die Eigenschaften von High-Speed-Munition und die Schäden, die sie anrichten konnte, war kein Trost. Hunderte von Malen hatte ich damit Schießen geübt. Es war für mich ein Sport, bei dem man nur Pappe traf. Ich wußte nicht, ob ich jemals wieder würde schießen können.

Mein Vater kniete mit angstverzerrtem Gesicht neben mir. Mein rechtes Hosenbein war dunkel, von Blut getränkt. Die Leute aus dem Schlafenden Drachen rannten jetzt, angeführt von Polly, auf uns zu. Ich hörte ihre erschreckte Stimme: »George ... oh, George.«

Nichts passiert, dachte ich. Es war nicht George.

Mein Vater hielt mir die Hand.

Von den alles durchziehenden Schmerzen abgesehen, war mir sterbenselend. Ich wollte mich hinlegen, aufstehen, mich irgendwie bewegen - es ging nicht. Ich wollte, daß jemand kam und mir mit noch einer Kugel das Licht ausblies, mir den Gnadenschuß gab wie einem Pferd.

Zeit verging. Nichts wurde besser.

Der Platz war für den normalen Verkehr gesperrt, jedoch nicht für Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr. Zwei Streifenwagen und ein Krankenwagen kamen mit Blaulicht. Die Polizisten gingen ins Hotel. Jemand von dem Krankenwagen kam und schnitt mir mit einer großen Schere das rechte Hosenbein auf.

Ich wünschte mir immer noch, ich wäre tot.

Mein Bein sah im schwachen Licht des Marktplatzes buchstäblich wie der blutige Ernst aus. Die Kugel konnte nicht die

Beinarterie durchschlagen haben, sonst wäre ich schon verblutet. Aber irgendwo in den zerfetzten Muskeln lag ein fingerlanges Stück von etwas Festem, Weißem frei - ein Knochen, wie ich schlagartig begriff. Der Oberschenkel. Freiliegend, aber nicht gebrochen.

Der Sanitäter deckte die Verletzung mit einem breiten, wattierten Verband ab und kehrte zum Krankenwagen zurück. Er rufe einen Arzt, sagte mein Vater; bei Schußwunden seien alle möglichen Vorschriften und Bestimmungen zu beachten.

Es kam mir nicht in den Sinn, daß ich das Bein verlieren könnte, und es blieb mir auch wirklich erhalten. Verloren ging mir, nachdem alles genäht und zusammengeheilt war, die Kraft, zehn Zentner schwere Steepler über feste Hindernisse zu reiten. Verloren ging mir die Geschwindigkeit.

Leute kamen aus dem Hotel und stiegen in die Streifenwagen. Einer von ihnen war Alderney Wyvern, in Handschellen.

Als die Wagen abgefahren waren, kam Joe Duke über den Platz und hockte sich auf die Fersen, um mit meinem Vater und mir zu reden.

»Sind Sie aufnahmefähig?« fragte er mich.

»Ja.«

»Als ich die Treppe hochging, um den Stock in Anschlag zu bringen, kam der Hoteldirektor mir nachgelaufen und holte mich vor dem kleinen Aufenthaltsraum ein. Er sagte, vielleicht sei es ein Zufall, aber kurz vorher erst, gegen elf, sei ein Gast angekommen, der auch eine Golftasche dabeihatte. Und etwas merkwürdig an ihm sei gewesen, daß er Handschuhe getragen habe.«

Joe stand auf, um einen Augenblick die Beine zu strecken, und ging dann wieder in die Hocke. »Bekommen Sie mit, was ich sage?« fragte er.

»Ja«, antwortete ich erschöpft.

»Wir hörten den Knall des Gewehrschusses, und als der Direktor mit seinem Hauptschlüssel eine Zimmertür aufschloß, kam uns Alderney Wyvern drinnen mit seiner Golftasche entgegen, aber der Direktor nahm sie ihm ab und kippte sie aus, und es waren nur Golfschläger drin.«

Joe erzählte weiter. »Er hatte keine Zeit gehabt, das Gewehr in die Dachrinne zu verfrachten, aber es war nicht weit. Er hatte es in einen der Geranienkörbe gestellt, zwischen die Ketten, an denen der Korb hängt. Daraufhin habe ich übers Zimmertelefon meine Kollegen von der Bereitschaft gerufen. Während wir auf sie warteten, habe ich Wyvern aus Neugier gefragt, wie er von der Rekonstruktion erfahren habe. Woher hatte er gewußt, daß er die Gelegenheit bekommen würde, auf George Juliard zu schießen?« Joe lächelte schief. »Wyvern sagte, Usher Rudd habe ihn angerufen und ihm Bescheid gesagt.« Er stand wieder auf.

Mein Vater fragte: »Hat Wyvern geglaubt, er käme damit ungeschoren davon?«

Joe zuckte die Achseln. »Ist er ja schon mal. Beim vorigen Mal hat er sich in dem Aufruhr einfach aus dem Staub gemacht. Ohne den Direktor wäre ihm das vielleicht auch diesmal geglückt. Aber es war seltsam. Er wirkte ganz eindeutig müde. Er war fertig. Es war ihm nicht gelungen, Sie beide unterzukriegen, und er wollte nicht mehr. Er ließ sich widerstandslos festnehmen.«

»Und was werfen Sie ihm vor?« fragte mein Vater.

»Versuchten Mord«, sagte Joe.

Ich lächelte matt. »Zehn Pfund Aufgewicht.«

»Zehn Jahre«, sagte Joe.

Der künftige Premierminister hielt meine Hand.

Ich umfaßte die seine, als könnte ich immer Trost und Sicherheit bei ihm finden, wenn ich sie dringend brauchte.

Ich hielt seine Hand fest wie ein kleiner Junge.

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