Die Lage beruhigte sich. Die Botschaften aus dem Innern des Vorsitzenden lassen erkennen, daß die Krise vorüber ist. Die Heilung schreitet voran, und die Aufregungen des Morgens werden keine ernsten Folgen haben. Schadrach aber fühlt sich wurzellos, desorientiert. Die Anspannung der Operation, die Nacht in Karakorum, zuwenig Schlaf und das Durcheinander nach Mangus Tod haben ihn erschöpft und seinen Geist umnebelt. Aber er wird den Tag irgendwie durchstehen.
Nach dem zweiten Vormittagsbesuch beim Vorsitzenden geht er in die Vorhalle und sieht sich um. Es ist ruhig geworden; die hohen Tiere haben sich wieder ihren Geschäften zugewandt, und nur drei niedrige Chargen halten Wache, ein junger chinesischer Offizier der Volksmiliz und ein paar von Avogadros Leutnants. Schadrach hat kein Verlangen, in den Bereich des Revolutionsrates einzudringen und sich die Diskussionen anzuhören, und kehrt durch das Büro und den kleinen Speisesaal des Vorsitzenden in seine Wohnung zurück. Wie immer ist es tröstlich, zwischen den vertrauten Dingen zu sein, den Büchern, seiner Sammlung medizinischer Instrumente. Er schlendert zwischen den Regalen und Vitrinen und fühlt, wie sein Inneres allmählich zur Ruhe kommt. Er nimmt eine chirurgische Zange von der Form einer ellenlangen Pinzette zur Hand, die einmal zum Öffnen von Wunden diente. Denkt an Mangu, wie er zerschmettert auf den Terrazzoplatten liegt; verbannt den Gedanken. Betrachtet die einem Fuchsschwanz ähnliche Säge, mit der irgendein Chirurg des achtzehnten Jahrhunderts Amputationen vornahm. Denkt an Dschingis Khan II. Mao, wie er mit zornrotem Gesicht und einem bösen Glanz in den kleinen schwarzen Augen Massenverhaftungen befiehlt. Fragt sich, ob Massenexekutionen der nächste Schritt sein werden. Streichelt eine anatomische Puppe aus dem Bologna des fünfzehnten Jahrhunderts, einen eleganten Homunkulus aus Elfenbein. Der vordere Teil des Rump fes ist abnehmbar und gibt den Blick auf kleine, sehr sorgfältig gearbeitete innere Organe frei: Herz, Lunge, Leber, die Eingeweide, und im Uterus kauert sogar ein Embryo wie ein Kängurujunges im Beutel. Und die Bücher, ja, die kostbaren, muffig riechenden Bücher, früher im Besitz berühmter Ärzte aus Wien, London, Paris. Valesco de Tarantas Philonium Pharmaceuticum et Cheirurgicum von 1509. Martin Schurigs Gynaecologia Historico-Medica von 1730, reich ausgestattet mit Einzelheiten über Defloration, Ausschweifungen, penis captivus und andere Wunder. Hier ist Die Cellularpathologie Rudolf Virchows von 1852, worin er propagiert, daß jeder lebende Organismus ein Zellenstaat sei, in dem jede einzelne Zelle ein Bürger ist, daß eine Krankheit ein Konflikt von Bürgern in diesem Staat sei, hervorgerufen durch die Einwirkung äußerer Kräfte. Aux armes, citoyens! Was hätte Virchow über verpflanzte Lebern und Lungen gesagt? Wahrscheinlich hätte er sie gedungene Söldner genannt: die Hessen der medizinischen Metapher. Wenigstens wird in den Zellkriegen fair gekämpft; da gibt es keine heimlichen Fensterstürze, keine Heckenschützen am Rand der Unterführung. Und dieses mächtige Buch: Grootdorn, Iconographia Medicalis, prächtige alte Kupferstiche — hier sind, in einer Darstellung aus dem sechzehnten Jahrhundert, die Heiligen Cosmas und Damian zu sehen, wie sie das Bein des toten Mohren auf den Stumpf des Krebsopfers verpflanzen. Prophetie. Eine Verpflanzung etwa um 500 n. Chr. posthum ausgeführt von den heiligmäßigen Chirurgen. Sollte ich jemals noch so einen Stich auftreiben, denkt Schadrach, werde ich ihn Warhaftig schenken.
Er verbringt eine halbe Stunde damit, die Krankenakte des Vorsitzenden auf den neuesten Stand zu bringen, diktiert einen Bericht über die Leberoperation und erwähnt den starken Erregungszustand des Patienten bei der Nachricht vom Tod des Stellvertreters. Eines Tages wird die Krankengeschichte Dschingis Khans II. Mao zu den medizinischen Klassikern gehören und in einem Atemzug mit dem Smith-Papyrus und der Fabrica genannt werden, und er müht sich gewissenhaft damit ab, um seinen Platz in der Geschichte seiner Kunst vorzubereiten. Gerade als er die Eintragung beendet hat, ruft Katja Lindman an.
»Kannst du zum Talos-Labor herunterkommen?« fragt sie. »Ich möchte dir unsere neueste Errungenschaft zeigen.«
»Ja, das interessiert mich. Hast du das mit Mangu gehört?«
»Natürlich.«
»Es scheint dich nicht sehr zu beunruhigen.«
»Warum sollte es das tun? Was war Mangu für uns hier? Er war die meiste Zeit abwesend. Jetzt ist die Abwesenheit abwesend. Sein Tod war ein größeres Ereignis als seine ganze Existenz.«
»Ich glaube, du tust ihm unrecht«, widerspricht er. »Er wäre einmal der Vorsitzende geworden, den die Welt braucht.«
»Ich wünschte, ich könnte deine Liebe zur Menschheit teilen«, sagt sie mit spöttischem Ton.
»Ich komme in einer Viertelstunde, Katja.«
Ihr Laboratorium ist einen Stock über Nicki Crowfoots Räumen im Ostflügel untergebracht, eine mit Kabelgirlanden verhangene und mit Elektronik vollgestopfte Werkstatt. Aus diesem chaotischen Irrgarten von Material kommt Katja Lindman mit ihrem gewohnten geschäftigen Schritt auf ihn zu. Sie trägt eine weiße Bluse, einen grauen, offenen Arbeitskittel und einen braunen Tweedrock. Der Effekt ist nüchterne Sachlichkeit; Katja Lindman ist keine Frau, die ihre Sexualität projiziert. Sie hat es bei Schadrach auch nicht nötig, denn sie hat eine ihm unheimliche körperliche Autorität über ihn, die er nicht versteht. Wenn er bei ihr ist, hat er immer das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen — nur weiß er nicht, wovor.
»Sieh mal!« sagt sie mit einer triumphierenden Armbewegung.
Er folgt ihr durch das Laboratorium zu der einzigen, nicht verstellten Fläche, einer Art Montageplattform, auf der das derzeitige Arbeitsmodell des künstlichen Vorsitzenden unter einer grellen Punktlichtlampe sitzt. Der Roboter ist von eineinhalbfacher Lebensgröße, eine massive, etwas plump geratene Imitation des Vorsitzenden, die so weit getrieben wurde, daß man die Metallarmaturen mit Plastikhaut überzogen und in Kleidungsstücke gesteckt hat. Nur der Oberkörper ist fertig; unterhalb des Zwerchfells scheint die ganze Gestalt sich in Aluminiumrohre, Antriebswellen, Gelenke und Massen von verschiedenfarbigen Kabeln aufzulösen. Während Schadrach das Ungetüm mit gemischten Gefühlen betrachtet, streckt der Ersatzvorsitzende den rechten Arm aus und winkt ihn mit einer ungeduldigen kleinen Handbewegung, die überraschend menschlich ausfällt, näher.
»Geh nur«, sagt Katja Lindman.
Er nähert sich dem Roboter. Als er auf drei Meter heran ist, bleibt er stehen und wartet. Der Kopf des Automaten wendet sich ihm zu, und die Lippen entblößen das Gebiß in einem unverkennbaren Grinsen, dem humorlosen, schrecklichen Grinsen des Vorsitzenden, das sich langsam in den Winkeln der ledrigen Wangen bildet, ein Grinsen, das sich selbst zu beglückwünschen scheint. Fast unmerklich glätten sich die Züge wieder, ohne erkennbaren Übergang; nun blickt der Roboter finster auf seinen Besucher herab, und der Zorn des Vorsitzenden verdunkelt den Raum. Und dann ein Lächeln. Ein kaltes Lächeln, denn ein anderes kennt der alte Mann nicht. Gleichwohl läßt es einen aufatmen, so arktisch es ist; und es läßt sich nicht leugnen, daß dieses Lächeln eine unglaublich lebensechte Nachbildung des Originals ist. Und schließlich das Zwinkern, das berühmte Zwinkern des Alten, dieses schlaue, entwaffnende Zufallen des schweren Augenlids, das alle scheinbare Wildheit auslöscht und ein ermutigendes Gefühl von Perspektive und von gesundem Menschenverstand vermittelt: Nimm mich nicht so ernst, Freund, ich bin nicht der Größenwahnsinnige, für den du mich hältst. Und dann, gerade als das Zwinkern seine Wirkung getan hat, und der Schrecken, den Dschingis Khan II. Mao mit einem Blick erzeugen kann, sich verflüchtigt hat, nimmt das Gesicht seinen ursprünglichen Ausdruck an, eisig, fremd, abweisend.
»Nun?« fragt Katja Lindman nach einer Weile.
»Spricht er nicht?«
»Noch nicht. Das ist der nächste Schritt.«
»Das ist also dann die ganze Schau?«
»Ja. Das hört sich an, als wärst du enttäuscht.«
»Irgendwie erwartete ich mehr. Das Grinsen habe ich schon gesehen.«
»Aber nicht das Zwinkern. Das Zwinkern ist neu.«
»Trotzdem, Katja — du fügst hier und dort eine Feder hinzu, aber das ergibt noch längst keinen Adler.«
»Was hattest du erwartet? Einen gehenden, sprechenden Vorsitzenden? Die komplette Nachbildung über Nacht!« Seine Enttäuschung verärgert sie offensichtlich: sie schnappt nach Luft wie ein Karpfen, wobei die scharfen kleinen Schneidezähne zu sehen sind, die ihn immer an ein Raubtier erinnern. »Wir sind hier noch immer im Anfangsstadium. Aber ich dachte, das Zwinkern würde dir gefallen. Mir gefällt es jedenfalls.« Ihre Züge glätten sich, sie hat sich schon wieder beruhigt. »Es tut mir leid, daß ich dir die Zeit gestohlen habe. Ich hatte solchen Spaß mit dem Zwinkern, daß ich dich daran teilhaben lassen wollte.«
»Es ist ein fantastisches Zwinkern, Katja, und ich weiß wohl, daß eine Menge Arbeit darin steckt.«
»Übrigens wird Projekt Talos durch Mangus Tod sehr an Bedeutung gewinnen. Nicki Crowfoots ganze Arbeit war darauf gerichtet, die Persönlichkeit des Vorsitzenden in die neuralen Reaktionen von Mangus lebendigem Geist und Körper zu integrieren. Damit ist es nun vorbei, dieser ganze Zugang muß aufgegeben werden.«
Schadrach versteht genug von Nickis Arbeit, um zu wissen, daß dies nicht ganz richtig ist; Mangu war in der Tat die Person, auf welche das AvataraProgramm zur Persönlichkeitsverschlüsselung angelegt war, doch war mit der Verwendung von Mangus Person keine Ausschließlichkeit verknüpft; nach der geeigneten Anpassung kann das Projekt durchaus auf einen anderen Körperspender eingestellt werden. Aber es ist nicht nötig, Katja Lindman das zu sagen, wenn sie sich in dem Bewußtsein sonnen möchte, daß ihr bisher eher peripheres Projekt plötzlich zur wichtigsten Hoffnung des Vorsitzenden auf ein postmortales Überleben geworden ist. Sie hat sich zum Schluß bemüht, weniger scharf und einschüchternd zu sein, und er zieht sie so vor; er möchte nichts tun, was in ihr neue Spannungen und Abwehrmechanismen auslösen könnte.
Tatsächlich scheint sie sich in einer Art Hochstimmung zu befinden, die vermutlich der eigentliche Grund ihres Anrufs gewesen ist und die offenbar auf der vermeintlichen Aufwertung ihrer Abteilung beruht. Sie führt ihn durch das Laboratorium, zeigt ihm Diagramme von neutralen Schaltungen, Kästen mit Datenchips, Prototypen für das Rückgrat und die Beckenregion des nächsten Modells und andere Einzelheiten des Projekts Talos, die vorläufig noch ohne praktische Bedeutung sind; und nach einer Weile wird ihm klar, daß sie diese ganze Führung nur veranstaltet, um ihn zurückzuhalten und sich seine Gesellschaft für weitere Minuten zu erhalten. Das verwundert ihn. Katja Lindmans gewohnte Art ist aggressiv und herrisch, doch jetzt gibt sie sich beinahe kokett, sucht während ihrer Erklärungen immer wieder Augenkontakt und streift einmal sogar seinen Arm mit den Brüsten, als sie nebeneinander stehen und eine Schemazeichnung des künstlichen Nervensystems betrachten. Glaubt sie ihn damit aufreizen zu können? Er hat keine Ahnung, was sie denkt oder will. Dies zu erkennen, gelingt ihm selten. Auch jetzt wird er es nicht herausbringen, denn was immer sie hier vorbereiten mag, wird plötzlich von einem Piepston des Funksprechgeräts in seiner Tasche unterbrochen. Er schaltet sich ein und sagt seinen Namen. Avogadro ist am anderen Ende.
»Können Sie zu mir in die Sicherheitsabteilung kommen, Doktor?«
»Jetzt?«
»Ja, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Was ist los?« fragt Schadrach.
»Wir haben Buckmaster verhört. Ihr Name ist aufgetaucht.«
»Ach. Bin ich jetzt auch ein Tatverdächtiger?«
»Kaum. Vielleicht ein Zeuge. Können wir Sie in fünf Minuten erwarten?«
Schadrach sagt zu, schaltet das kleine Gerät aus und steckt es ein. »Ich muß gehen«, sagt er mit einem Blick in Katjas Augen. »Avogadro. Es geht um die Untersuchung des Todesfalls.«
Sie preßt einen Moment die Lippen zusammen und blickt ärgerlich, sagt aber nur, daß sie ihn bald wiederzusehen hoffe, und läßt ihn gehen, wobei sie ihre Enttäuschung geschickt hinter einer Maske von Gleichgültigkeit verbirgt. Als er das Laboratorium verläßt, atmet er auf, wie von einem Druck befreit.
Die Sicherheitsabteilung befindet sich im vierten Stock des südlichen Flügels. Schadrach ist noch nie dort gewesen und hat keine klare Vorstellung davon, was ihn erwartet, abgesehen von üblichem Polizeizubehör wie Vergrößerungsgläsern, Stempelkissen für Fingerabdrücke, Fahndungsplakaten mit möglichst kriminell aussehenden Fotos von bekannten Staatsfeinden und subversiven Eleme nten, Aktenstapeln und was dergleichen mehr ist. Vielleicht gibt es noch manche andere Dinge in der Sicherheitsabteilung, aber Schadrach bekommt sie nicht zu sehen. Ein geschmeidiger junger Chinese mit einer höflichen, weichen Stimme begrüßt ihn am Empfangsschalter und führt ihn durch ein Labyrinth von kahlen Korridoren, vorüber an winzigen Büros, durch deren offene Türen er müde aussehende Bürokraten hinter überhäuften Schreibtischen sitzen sieht. Die Abteilung könnte die Zweigniederlassung einer Krankenkasse oder jeder beliebigen Verwaltungsbehörde sein. Erst als er in den Vernehmungsraum geleitet wird, wo Avogadro und Buckmaster auf ihn warten, fühlt er, daß er unter den Hütern des Gesetzes ist.
Der Raum ist klein, rechteckig und fensterlos, mit schmutziggrünen Wänden und einer bedrückend niedrigen Decke, von der Lampen an Gelenkarmen hängen. Ihre scharf gebündelten Lichtkegel sind auf Roger Buckmaster gerichtet, der unbequem auf einem harten Stuhl mit Armstützen und einer hohen Rückenlehne sitzt. An seinen Handgelenken und Schläfen sind mit Klebeband Elektroden befestigt, deren Zuleitungen in der Rückenlehne verschwinden. Buckmaster sieht unnatürlich bleich und verschwitzt aus; seine Lippen wirken kraftlos und schlaff, die Wangen sind fleckig, die Augen blikken glasig. Offensichtlich hat Avogadro ihn schon seit geraumer Zeit in der Mangel.
Der Chef der Sicherheitsabteilung, der bei Schadrachs Eintreten neben Buckmaster steht, sieht nicht viel besser aus als dieser — verdrießlich, übermüdet, abgenutzt. »Ein Tollhaus«, murmelt er. »Fünfzig Festnahmen in einer Stunde. Alle Vernehmungszimmer sind voll, und es werden immer noch Leute eingeliefert. Verrückte, Bettler, Diebe, der ganze Abschaum von Ulan Bator. Und die Radikalen, versteht sich. Ich gehe von einer Zelle zur anderen, sehe nach dem Rechten, stelle Fragen. Und wozu? Wozu?« Ein raues, gereiztes Auflachen. »Ehe diese Säuberungswelle sich verläuft, wird es jede Menge Fleisch für die Organfarmen geben.« Langsam und mit einer Müdigkeit, die vom Widerwillen noch verstärkt wird, wendet er sich dem Mann auf dem Stuhl zu. »Nun, Buckmaster? Sie haben einen Besucher. Erkennen Sie ihn wieder?«
Buckmaster starrt auf den Boden. »Sie wissen verdammt gut, daß ich ihn kenne«, murmelt er.
»Sagen Sie mir seinen Namen.«
»Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Sagen Sie mir seinen Namen«, drängt Avogadro in einem Ton, der bei aller Müdigkeit hinreichend bedrohlich ist, um Buckmaster davon zu überzeugen, daß Schweigen sich nicht lohnt.
»Mordechai. Schadrach Arschkriecher Mordechai. Doktor.«
»Danke, Buckmaster. Und nun sagen Sie mir, wann Sie Doktor Mordechai zuletzt gesehen haben.«
»Vergangene Nacht«, sagt Buckmaster mit kaum hörbarer Stimme.
»Lauter!«
»Vergangene Nacht.«
»Wo?«
»Sie wissen, wo, Avogadro!«
»Ich möchte es aus Ihrem Munde hören.«
»Ich habe es schon gesagt.«
»Dann sagen Sie es noch einmal. Vor Doktor Mordechai. Sagen Sie es mir.«
»Warum schneiden Sie mich nicht einfach in Stücke und lassen es damit gut sein?«
»Sie erschweren Ihre Lage selbst, Buckmaster. Und Sie machen es mir schwer, entlastendes Material für Sie zusammenzutragen.« — »Ein Jammer.«
»Sie lassen mir keine andere Wahl«, sagt Avogadro.
Buckmaster hebt den Kopf und blickt in dumpfer Erbitterung zu ihm auf. »Was soll das Theater, Avogadro! Ich kenne das Spiel. Sie werden mich eine Weile verhören, Sie werden mich der staatsfeindlichen Hetze und Verschwörung für schuldig befinden, zum Tode verurteilen, und ab mit mir in die Organfarm! Richtig? Und dort liege ich dann, ein Leichnam, der nicht tot ist, und wann immer der Vorsitzende oder ein anderes hohes Tier eine Niere, eine Lunge, ein Herz oder eine Leber braucht, kann sein Arzt kommen und mir das Benötigte herausschneiden. Während ich daliege, tot, aber warm, atmend und mit gesundem Stoffwechsel, ein Teil des Lagervorrats.«
»Buckmaster…«
Buckmaster stößt ein heiseres Lachen aus. »Der Vorsitzende befürchtet, daß die Lagerbestände zur Neige gehen könnten, und weil er die an Organzersetzung leidenden Leute draußen nicht gebrauchen kann, nimmt er uns, wirft ein paar Dutzend von seinen eigenen Leuten in die Organfarmen, nicht wahr? Also los, bringen Sie mich fort! Machen Sie mich zu Kannibalenfutter! Aber hören Sie endlich mit dieser Farce auf, ja? Hören Sie auf, mir idiotische Fragen zu stellen.«
Avogadro seufzt. »Fahren wir fort, Buckmaster. Sie sahen Doktor Mordechai in…«
»Timbuktu.«
Avogadro hebt die linke Hand. Ein Mann vom Sicherheitsdienst, der in der Ecke an einem Tisch sitzt, macht sich an einem kleinen Gerät zu schaffen. Buckmaster fährt zusammen und zuckt, und seine linke Gesichtshälfte wird vorübergehend von einem häßlichen Krampf entstellt. »Wo sahen Sie ihn?«
»Piccadilly Circus.«
Wieder hebt der andere die Hand, etwas höher. Buckmaster windet sich auf dem Stuhl, Arme und Beine zucken unkontrolliert, und der Gesichtskrampf wiederholt sich. Speichel rinnt aus den Mundwinkeln. Schadrach tritt unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Er wendet sich zum Sicherheitschef und sagt mit halblauter Stimme: »Vielleicht ist es nicht nötig, ihn…«
»Doch, es ist nötig«, erwidert Avogadro. »Sie sehen selbst, wie er sich durch seinen Starrsinn schadet.« Zu Buckmaster sagt er: »Ich bin bereit, den ganzen Tag so weiterzumachen, Buckmaster. Es langweilt mich, aber es ist meine Arbeit, und wenn ich Ihnen Schmerzen zufügen muß, dann werde ich es tun, und wenn ich Sie zum Krüppel machen muß, dann werde ich auch das tun, denn mir bleibt keine andere Wahl. Verstehen Sie mich? Kommen Sie also zur Vernunft. Also, fangen wir wieder an: Sie trafen Doktor Mordechai in…«
»Karakorum.«
»Wo in Karakorum?«
»Vor dem Zelt der Transtemporalisten.«
»Um welche Zeit?«
»Das weiß ich nicht mehr. Es war spät, aber noch vor Mitternacht.«
»Ist das richtig, Doktor Mordechai? Ihre Antworten werden protokolliert.«
»Soweit stimmt alles«, sagt Schadrach.
»Gut. Fahren Sie fort, Buckmaster. Wiederholen Sie, was Sie mir vorhin erzählten. Sie trafen Doktor Mordechai und sagten was zu ihm?«
»Ich redete einen Haufen dummes Zeug.«
»Was für dummes Zeug, Buckmaster?«
»Dummes Gerede. Die Transtemporalisten hatten mir mit ihren Drogen den Verstand durcheinandergebracht.«
»Was genau sagten Sie zu Doktor Mordechai?«
Buckmaster bleibt stumm und starrt dumpf auf den Boden.
Avogadro hebt die Linke beinahe bis in Schulterhöhe. Die Einstellung wird verändert, der Strom eingeschaltet. Buckmaster schnellt auf dem Stuhl hoch, als hätte ihn ein Speer durchbohrt. Seine Arme und Beine, an Ellbogen und Knien von Metallklammern festgehalten, schlagen und stoßen blindlings um sich. Er stößt einen rauen Schrei aus.
»Sagen Sie es uns, Buckmaster. Bitte.«
»Ich beschuldigte ihn, Schlechtes zu tun.«
»Sprechen Sie weiter.«
»Ich nannte ihn einen Judas.«
»Und einen schwarzen Bastard«, sagte Schadrach.
Avogadro gibt ihm mit einem sanften Rippenstoß zu verstehen, daß seine Einmischung unwillkommen ist.
»Drücken Sie sich genauer aus, Buckmaster. Wessen beschuldigten Sie Doktor Mordechai?«
»Ich beschuldigte ihn, seine Arbeit zu tun.«
»Wieso das?«
»Seine Arbeit besteht darin, den Vorsitzenden am Leben zu erhalten. Ich sagte, er sei verantwortlich dafür, daß der Vorsitzende vor fünf Jahren nicht gestorben ist.«
»Trifft das zu, Doktor Mordechai?«
Schadfach zögert. Er möchte nicht gern daran beteiligt sein, daß Buckmaster zur Organfarm geschickt wird. Aber jeder Versuch, den Mann jetzt zu schützen, wäre töricht. Die Wahrheit über den nächtlichen Zwischenfall in Karakorum ist bereits ans Licht gezerrt und aufgezeichnet, und was jetzt geschieht, ist lediglich eine Bestätigung für das Protokoll, komplett mit seiner Zeugenaussage. Buckmaster hat sich mit dem eigenen Mund das Urteil gesprochen. Keine Lüge kann ihn noch retten; sie kann nur den Lügner in Gefahr bringen.
»So ist es«, sagt er.
»Ich verstehe. Buckmaster, bedauern Sie, daß der Vorsitzende nicht schon vor fünf Jahren gestorben ist?«
»Lassen Sie mich in Ruhe, Avogadro.«
»Antworten Sie! Wünschen Sie wirklich den Tod des Vorsitzenden? Ist das Ihre Einstellung?«
»Ich hatte die Droge im Kopf!«
»Jetzt haben Sie die Droge nicht im Kopf, Buckmaster. Von welcher Art sind Ihre Gefühle zum Vorsitzenden in diesem Augenblick?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht.«
»Sind Ihre Gefühle feindseliger Natur?«
»Vielleicht. Hören Sie, Avogadro, zwingen Sie nicht noch mehr aus mir heraus. Sie haben mich, Sie können mich heute Abend den Kannibalen übergeben, reicht Ihnen das noch nicht?«
»Wir können dieses Verhör beenden, sobald Sie sich kooperationswillig zeigen.«
»Gut«, murmelt Buckmaster. »Gut.« Er richtet sich auf, scheint irgendeine innere Kraft zu finden, die ihm Würde verleiht. »Ich halte nichts vom Regime des Vorsitzenden, Ich befinde mich mit der Politik des Revolutionsrates nicht in Übereinstimmung. Ich bedaure, daß ich ihnen gedient und meine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt habe. Ich war letzte Nacht überreizt und überhäufte Doktor Mordechai mit Beschimpfungen, deren ich mich heute schäme. Aber ich habe niemals illoyal gehandelt, Avogadro! Und ich habe nicht das geringste mit dem Tod Mangus zu tun. Ich weiß überhaupt nichts darüber und schwöre, daß ich weder direkt noch indirekt daran beteiligt war.«
Avogadro nickt. »Doktor Mordechai, erwähnte der Gefangene letzte Nacht Mangus Namen?«
»Ich glaube nicht.«
»Können Sie sich präziser dazu äußern?«
Schadrach überlegt. »Nein«, sagt er schließlich. »Nach meinem besten Wissen sagte er nichts über Mangu.«
»Stieß der Gefangene irgendwelche Drohungen gegen das Leben des Vorsitzenden aus?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Versuchen Sie sich zu erinnern, Doktor.«
Schadrach schüttelt den Kopf. »Sie müssen verstehen, ich war auch gerade aus dem Zelt der Transtemporalisten gekommen. Während Buckmasters Tirade war ich mit meinen Gedanken zeitweilig noch anderswo. Er äußerte sich kritisch über die Regierung, ja, sogar sehr entschieden, aber ich denke nicht, daß er direkte Drohungen gegen bestimmte Personen ausstieß. Nein.«
»Dann muß ich Ihre Erinnerung auffrischen«, sagte Avogadro und gibt seinem Assistenten in der Ecke ein Zeichen. Es folgt ein zischendes Geräusch, und dann, aus einem unsichtbaren Lautsprecher, der Klang einer seltsam vertrauten, doch zugleich fremdklingenden Stimme. Es ist seine eigene.
— Es ist selbstmörderisch, wie Sie reden. Morgen früh wird das alles in einem Bericht stehen, und der Bericht wird auf dem Tisch des Sicherheitsbeauftragten liegen, Roger, glauben Sie mir. Sie zerstören sich selbst.
— Ich werde ihn zerstören! Den Blutsauger! Er hält uns alle als seine Geiseln, unsere Körper und unsere Seelen, er läßt uns verfaulen, wenn wir ihm nicht dienen, er —
»Noch mal«, sagt Avogadro. »Diesen letzten Satz.«
— Ich werde ihn zerstören! Den Blutsauger! Er hält uns als seine Geiseln —
»Kennen Sie diese Stimmen wieder, Doktor?«
»Ja. Die eine Stimme gehört mir, die andere ist Buckmasters.«
»Ich danke Ihnen. Die Identifikation ist wichtig. Wer war derjenige, der sagte: ›Ich werde ihn zerstören‹?«
»Buckmaster.«
»Gut. Danke. Buckmaster, war das Ihre Stimme?«
»Sie wissen, daß es meine war.«
»Sie stießen also eine Drohung gegen das Leben des Vorsitzenden aus?«
»Ich war überreizt. Es war eine rhetorische Pointe.«
»Ja«, sagte Schadrach, »so faßte ich es auch auf. Ich forderte ihn auf, keinen Unsinn zu reden. Ich kann die Äußerung nicht als eine ernstgemeinte Drohung ansehen. Haben Sie ein Tonband von der ganzen Konfrontation?«
»Von der ganzen Begegnung«, sagt Avogadro. »Viele Gespräche werden aufgezeichnet und auf einen möglichen subversiven Inhalt überprüft, müssen Sie wissen. Diese Arbeit wird von Computern geleistet, und der Computer war es auch, der uns heute früh auf dieses Gespräch aufmerksam machte. Ein Vergleich mit den gespeicherten Stimme naufzeichnungen zeigte uns, daß Sie und Buckmaster die Beteiligten der nächtlichen Auseinandersetzung waren. Aber Ihre direkte Bestätigung ist natürlich nützlich…«
»Sie reden, als ob es ein Gerichtsverfahren mit Geschworenen und Anwälten geben würde«, sagt Buckmaster bitter. »Als ob ich heute Abend nicht Fleisch zum Ausschlachten sein würde!«
»Er sagte zu mir nichts über Mangu, nicht wahr?« fragt Schadrach.
»Nein. Auf dem Band ist nichts.«
»Wie ich dachte. Warum halten Sie ihn dann fest?«
»Warum verteidigen Sie ihn, Doktor? Ich habe mir das Band angehört und muß sagen, daß er Ihnen gegenüber sehr beleidigend und ausfällig war.«
»Das habe ich nicht vergessen. Aber ich bin nicht nachtragend. Er war mir vergangene Nacht ziemlich lästig, doch habe ich deshalb nicht den Wunsch, ihn in die Organfarm geschickt zu sehen.«
Avogadro gibt seinem Helfer ein Zeichen, und Buckmaster wird losgemacht, von den Elektroden befreit und hinausgeführt. An der Tür bleibt er stehen und blickt zurück. Sein Gesicht wirkt auf einmal verschwommen, von der Angst deformiert. Seine Hände zittern. »Ich bin nicht der Täter!« winselt er, dann stößt sein Begleiter ihn hinaus und schließt die Tür.
»Er hat recht; er ist nicht der Täter«, sagt Schadrach. »Ich bin davon überzeugt. Er war letzte Nacht von Sinnen, räsonierte und schrie herum, aber er ist kein Meuchelmörder. Ein Unzufriedener, vielleicht. Aber kein Mörder.«
Avogadro setzt sich auf die Armlehne des Verhörstuhls, spielt mit den Elektroden, windet die Kabelzuführungen um den Zeigefinger. »Ich weiß das«, sagt er. »Aber er ist ein Staatsfeind. Er bekämpft die Politik des Revolutionsrates und seines Vorsitzenden.«
»Was wird mit ihm geschehen?«
»Die Organfarm. Wahrscheinlich noch heute.«
»Aber warum?«
»Der Vorsitzende hat das Band gehört. Er hält Buckmaster für gefährlich.«
»Du meine Güte!«
»Gehen Sie hin und belehren Sie ihn eines Besseren.«
»Sie nehmen das so ruhig auf«, sagt Schadrach.
»Es liegt nicht mehr in meiner Hand, Doktor.«
»Wir können einfach nicht zulassen, daß er ausgelöscht wird!«
»Wir können nicht?«
»Ich kann es nicht.«
»Wenn Sie versuchen wollen, ihn zu retten, dann tun Sie es. Ich wünsche Ihnen Erfolg.«
»Ich wäre imstande, es zu versuchen. Wirklich.«
»Der Mann nannte Sie einen schwarzen Bastard«, sagt Avogadro. »Und einen Judas.«
»Dafür sollte ich ihn vivisezieren lassen?«
»Sie lassen überhaupt nichts, Doktor. Es geschieht einfach. Das ist Buckmasters Problem. Nicht meins und nicht das Ihre.«
Schadrach starrt ihn an. »Macht Ihnen das überhaupt nichts aus? Ist Ihnen Gerechtigkeit so gleichgültig?«
»Gerechtigkeit ist etwas für Anwälte. Anwälte sind ein ausgestorbener Beruf. Ich bin nur Sicherheitsbeamter.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst, Avogadro.«
»Wieso nicht?«
»Lieber Himmel! Fangen Sie nur nicht mit dieser Ich-bin-bloß-ein-Polizist-Masche an. Dafür sind Sie zu intelligent. Und ich bin zu intelligent, um Ihnen so was abzunehmen.«
Avogadro seufzt. »Möchten Sie, daß ich Ihnen das Buckmasterband vorspiele? Da kommt eine Stelle vor, wo Sie ihm sinngemäß sagen, es sei nicht unsere Schuld, daß die Welt so ist, wie sie ist, daß wir unser Karma akzeptieren und dem Vorsitzenden dienen müßten, weil er nun einmal am Drücker sei. Die Alternative sei Organzersetzung, nicht wahr? Darum tanzen wir nach der Pfeife des Vorsitzenden und stellten keine Fragen nach der Ethik, genauso wenig wie wir unsere Seelen in Angelegenheiten von Schuld und Verantwortung allzu genau erforschten. So ungefähr.«
»Ich…«
»Warten Sie. Sie sagten es. Es ist auf dem Band, Dottore. Ich gebe es nur dem Sinn nach wieder. Ich habe den Luxus persönlicher Empfindungen über die Rechtschaffenheit der Entscheidung, Buckmaster in die Organfarm zu schicken, längst verwirkt. Mit meinem Eintritt in den Sicherheitsdienst habe ich das Privileg aufgegeben, Gewissensbisse zu haben.«
»Waren Sie schon mal in einer Organfarm?«
»Nein«, sagte Avogadro. »Aber ich höre…«
»Ich habe welche gesehen. Lange, stille Säle, wie in einem Krankenhaus, aber sehr still. Abgesehen vom Gurgeln der lebenserhaltenden Anlagen und Apparate. Doppelte Reihen offener Tanks, dazwischen ein breiter Gang. In jedem Tank ein Körper, der in einer warmen, blaugrünen Flüssigkeit schwimmt, einer Nährlösung. Alles voller Schläuche zur intravenösen Ernährung, wie rosa Makkaroni. Zwischen jeweils zwei Tanks ein Dialysegerät. Bevor sie einen Körper in den Tank legen, töten sie das Gehirn — ein langer Spieker aus rostfreiem Stahl durch das foramen magnum, zack—, aber der Rest bleibt am Leben, Avogadro. Eine Pflanze in menschlicher Form. Der Himmel weiß, was sie wahrnimmt, aber sie lebt, muß ernährt werden, verdaut und scheidet aus. Das Haar und die Fingernägel wachsen, die Schwestern rasieren und pflegen die Körper regelmäßig, und so liegen sie da, säuberlich aufgereiht nach Geschlechtern, Blutgruppen und Gewebetypen, und werden nach und nach ausgeschlachtet und ihrer Glieder und Organe beraubt. Diese Woche eine Niere, nächste Woche eine Lunge, die Augen, die Gliedmaßen, die Genitalien, schließlich das Herz, die Leber…«
»Und? Was wollen Sie damit sagen, Doktor? Daß Organfarmen Orte sind, die sich nicht zur Erbauung eignen? Das weiß ich. Aber sie sind eine praktische und zweckmäßige Methode, Organe frischzuhalten, die zur Verpflanzung bestimmt sind. Ist es nicht besser, menschliche Körper auf diese Weise wieder aufzubereiten, als sie einzuscharren oder anders zu vergeuden?«
»Finden Sie es richtig, einen unschuldigen Mann in ein dumpf dahinvegetierendes, halb pflanzliches Wesen zu verwandeln?
Dessen einziger Zweck es ist, ein lebendiges Depot für Ersatzorgane zu sein?«
»Buckmaster ist nicht unschuldig.«
»Wessen hat er sich schuldig gemacht?«
»Er hat sich als Feind unserer staatlichen Ordnung zu erkennen gegeben. Er wünscht den Tod des Vorsitzenden. Es war unklug von ihm, offen damit herauszukommen. Jetzt ist er dran, Doktor.«
Avogadro steht auf, legt die Hand leicht auf Schadrachs Arm. »Sie sind ein Mann von Gewissen, nicht wahr, Dottore? Buckmaster hielt Sie für einen zynischen Teufel, einen seelenlosen Diener des Bösen, aber nichts dergleichen, Sie sind ein anständiger Kerl, der das Pech hat, in einer schlimmen Zeit zu leben, aber sein Bestes tut. Nun, Doktor, das tue auch ich. Ich zitiere, was Sie gestern Abend sagten: Schuld ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Amen! Und nun gehen Sie. Hören Sie auf, sich Gedanken wegen Buckmaster zu machen. Buckmaster hat sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben. Wenn Sie die Glocke läuten hören, dann denken Sie daran, daß sie für ihn läutet, und es setzt Sie oder mich überhaupt nicht herab, denn wir haben uns bereits herabgesetzt, so weit es nur geht.« Avogadros Lächeln ist freundlich, beinahe mitleidig. »Gehen Sie, Doktor. Gehen Sie und ruhen Sie sich aus. Ich habe zu tun. Bis zum Abendessen muß ich noch ein Dutzend Verdächtige vernehmen.«
»Und der wirkliche Mörder Mangus…«
»War Mangu selbst, neun zu eins. Aber was hat das für mich zu sagen, wenn der Vorsitzende an einen Mord glauben will? Ich werde fortfahren, nach dem Mörder zu fahnden, Verdächtige zu vernehmen und bei der Gelegenheit Feinde unserer Staatsordnung zu den Organfarmen zu schicken, bis man mir sagt, daß ich damit aufhören soll. Und nun gehen Sie schon. Gehen Sie!«