Kapitel 11

Marigold fand es ärgerlich, daß ich bei der Arbeit an dem steigenden Pferd und der Kristallkugel keine Zuschauer haben wollte. Kenneth Trubshaw zeigte Verständnis.

«Der gute Trubby«, grauhaarig und durch und durch Geschäftsmann, vergaß auch nicht, mich wie nebenbei noch einmal auf die Kosten anzusprechen.

«Worthington und ich«, sagte ich,»werden mit Marigold einen Preis vereinbaren, und dann können Sie ja feilschen, wenn Sie wollen.«

Er schüttelte mir die Hand und lächelte schief.»Der Funktionär aus Leicester, dessen Frau verschiedene Sachen von Ihnen hat, gehört auch zur Rennleitung von Cheltenham, und heute morgen in der Sitzung sagte er uns, vor fünf Jahren hätten wir so eine Glasfigur bei Ihnen für ein Handgeld kaufen können.«

«Vor fünf Jahren schon«, stimmte ich zu.

«Und er meinte«, ergänzte Trubshaw,»heute in fünf Jahren werden die Arbeiten von Gerard Logan mindestens noch mal so teuer sein.«

Das wäre Musik für Onkel Ron gewesen. Nun… ich hörte es auch gern. Aber meine Sorge war, wie ich die nächsten fünf Tage überleben sollte.

Am frühen Nachmittag hatten wir uns alle wieder im Laden versammelt und von neuem getrennt. Ich mußte auf die Jungs aufpassen, während Bon-Bon und Marigold die

Antiquitätenhandlungen abklapperten und Worthington und Kenneth Trubshaw sich auf einem gemeinsamen Spaziergang kennen- und schätzenlernten.

In der Werkstatt sah Victor zutiefst beeindruckt Hickory bei einer Showeinlage mit zwei glühendheißen Glasposten zu, die er gekonnt zuerst in weißem, dann in farbigem Granulat wendete und schließlich zu einer kleinen Solitärvase mit zart gewelltem Rand drehte. Pamela schnitt die Vase fachgerecht von der Pfeife, und Hickory trug sie mit gespielter Bescheidenheit in den Kühlofen, als wäre es der Heilige Gral.

Daniel, für den die Werkstatt vertrautes Terrain war, lungerte bei den Regalen mit der bunten Glasmenagerie herum und zeigte mir eine knallrote Giraffe, die ihm sein Vater angeblich am Tag, bevor er starb, zu kaufen versprochen hatte. Diese Geschichte kam mir zwar sehr unwahrscheinlich vor, da ich wußte, daß Martin seine Kinder überhaupt kaum wahrgenommen hatte, aber ich gab Daniel die Giraffe trotzdem, wieder ein Geschenk, das seiner Großmutter mißfallen hätte.

Aber Daniel etwas zu schenken zahlte sich immer aus. Diesmal wollte er, daß ich mit ihm nach draußen ging, und nach einem Blick in seine weit aufgerissenen Augen folgte ich ihm unauffällig, aber sofort.

«Was ist?«fragte ich.

«Hier in der Straße ist ein Schuhgeschäft«, sagte er.

«Ja, ich weiß.«

«Komm mal mit dahin.«

Er ging los, und ich schloß mich ihm an.

«Victor und ich waren unten im Ort Hamburger essen«, sagte er,»und da kamen wir vorne an dem Schuhgeschäft vorbei.«

Das Schuhgeschäft war auf der linken Seite, ein kleiner Laden, der hauptsächlich Wanderschuhe für Touristen führte. Daniel blieb abrupt vor dem NullachtfünfzehnSchaufenster stehen.»Ich würde sagen, das ist noch zwei Goldtaler wert«, meinte er.

«Für zwei Goldtaler muß es aber schon was sein.«

«Siehst du die Turnschuhe da?«sagte er.»Oben in der Ecke, die mit den grünweiß gestreiften Schnürsenkeln? Der Mann mit dem Gas hatte die gleichen Schnürsenkel.«

Ich schaute ungläubig auf die Schuhe. Sie waren kompakt, mit dicken Gummisohlen, dreieckigen weißen Segeltucheinsätzen und eben den sorgfältig halb hochgeschnürten breiten Senkeln, die Daniel erkannt hatte.

«Der Mann, der uns betäubt hat, hatte die gleichen Schuhe an«, sagte er noch einmal.

«Gehen wir rein und fragen, wer hier so welche gekauft hat.«

Er war einverstanden.»Okay«, sagte er, und dann, mit einem Nicken:»Reingehen kostet aber vielleicht noch mal zwei Goldtaler.«

«Du bist ein Wucherer.«

«Was ist das?«

«Ein Raffzahn. Ich hab auch gar kein Münzgeld mehr.«

Daniel grinste und fügte sich achselzuckend in den Lauf der Dinge.

Eine Türglocke ertönte, als wir das Schuhgeschäft betraten, und der großväterliche Mann hinter der Theke nützte uns wenig, da er nur seine Tochter vertrat, deren Baby krank geworden war. Er nahm an, sie werde irgendwann in der kommenden Woche wieder im Laden sein, und über Schuhe, die vor seiner Zeit verkauft worden waren, wußte er nichts.

Als wir wieder auf die Straße kamen, sahen wir BonBon weiter oben an ihrem Wagen stehen und winken, da sie mit Daniel nach Hause wollte. Ihr Sohn folgte ihr nur, weil sie Victor bereits ins Auto verfrachtet und ihn zu einer zweiten langen Nacht der Computerhacker eingeladen hatte, und als schließlich auch Marigold und» der gute Trubby «ihrer Wege gegangen waren, blieben nur noch Catherine und meine drei Mitarbeiter, die nun, da es Samstag nachmittag war, alles wie für einen arbeitsfreien Wintersonntag herrichteten. Um halb fünf gingen die drei mit meinem Segen, und ich schloß hinter ihnen ab und gab Catherine für die Zukunft einen eigenen Schlüssel.

Außerdem erzählte ich Kommissarin Dodd von den Schnürsenkeln, was sie aber nur zu einem kurzen Erkundungsgang veranlaßte, denn die Inhaberin des Schuhgeschäfts hätte nur im Beisein eines zweiten Beamten befragt werden dürfen, und der eingesprungene Großvater hatte Feierabend gemacht, so daß der Laden schon im Dunkeln lag.

Catherine interessierte sich wie seinerzeit Martin von Tag zu Tag mehr für die technischen Details und die chemische Zusammensetzung von klarem modernem Glas. Altes Glas hatte manchmal einen Stich ins Gelbe oder Graue, was mich zwar nicht störte, aber auf der Rennbahn sah es trüb aus.

Catherine fragte, was ich zuerst machen würde, das Pferd oder die Kugel, und ich sagte ihr, das Pferd. Ich fragte sie, ob sie ihren Partner Paul Federfuchser, den Penner, dazu überreden könnte, am eigentlich dienstfreien morgigen Sonntag ein paarmal mit ihr durch Broadway zu spazieren. Natürlich wollte sie wissen, warum.

«Zu meiner Beruhigung«, sagte ich in scherzhaftem Ton, und sie meinte, sie werde ihn auf jeden Fall fragen.

«Vielleicht hat er schon was vor«, sagte ich.

«Das bezweifle ich«, erwiderte sie.»Er ist wohl ziemlich einsam, seit ihn seine Frau verlassen hat.«

Wir fuhren mit ihrem Motorrad zu einem Hotel auf dem flachen Land und aßen und übernachteten dort — und ich blieb von Maske Nummer vier verschont und erklärte meiner zunehmend geliebten Polizeibeamtin zwischen zwei Küssen, daß sie und Kollege Penner morgen vielleicht Handschellen mitnehmen sollten.»Die hat er immer bei sich«, sagte Catherine.

Am Morgen sagte sie:»Wenn wir da durch Broadway gehen, ist das wegen der Kassetten?«

«Gewissermaßen. «Ich nickte, sagte aber nicht, daß es eine Sache auf Leben und Tod war. Das ging irgendwie nicht.

Trotzdem weckte ich Tom Pigeon, der knurrend seine Hunde weckte, die förmlich mitknurrten, daß Sonntag Ruhetag sei.

Ich rief Jim an. Stets zu Diensten, sagte er. Seine Frau wollte in die Kirche.

Worthington war bereits wach und fragte mich, ob mir schon aufgefallen sei, daß Sonntage nicht immer gut für die Gesundheit Gerard Logans waren.

«Mhm. Was hat denn Marigold heute vor?«

«Ich habe frei, falls es darum geht. Wo soll ich hinkommen und wann? Aber vor allem, warum?«

Bei der letzten Frage stockte ich, aber ich antwortete der Reihe nach:»Zum Wychwood Dragon, so bald wie möglich, um Angst abzubauen.«

«Wer hat Angst?«

«Ich.«»Ach ja?«Sein tiefes Lachen hallte durch die Leitung.

«Müssen Sie allein in Ihre Werkstatt, oder was? Dann schau ich, daß ich schnell bei Ihnen bin.«

«Ich werde nicht direkt allein sein. Catherine und ihr Kollege sind wahrscheinlich in der Nähe, und in die Werkstatt kommt noch Pamela Jane, die mir helfen soll.«

«Das Mädchen? Warum nicht der aufgeweckte junge Mann, wie heißt er gleich — Hickory?«

«Pamela Jane widerspricht nicht.«

Lachend sagte Worthington mit seiner Baßstimme:»Bis gleich.«

Als letztes wählte ich die Privatnummer von George Lawson-Young und bat um Entschuldigung dafür, daß ich ihn um halb neun aus dem Schlaf holte.

«Auf die Uhrzeit kommt’s nicht an«, meinte er gähnend,»wenn Sie eine gute Nachricht haben.«

«Wie man’s nimmt«- und ich sagte ihm, was vielleicht auf ihn zukam.

«Gut gemacht«, sagte er.

«Das fängt ja erst an.«

«Ich bin sehr gespannt. «Sein Lächeln kam über den Äther.»Bis nachher.«

Catherine setzte mich am Laden ab, wo es zu einem Austausch von Zärtlichkeiten kam, der den Anwohnern, wären sie schon wach gewesen, wochenlang etwas zu reden gegeben hätte. Ich schloß die Türen auf, denn ich war absichtlich vor Pamela Jane gekommen, und las noch einmal die im Bücherschrank verstauten Notizen durch, die angefallen waren, als ich mich zuletzt an einem steigenden Pferd versucht hatte.

Für dieses hier, die komplette Skulptur einschließlich Kugel und Sockel, würde ich ungefähr eine Stunde brau-chen. Knapp fünfzig Zentimeter hoch, würde sie ziemlich schwer werden, denn massives Glas hatte an sich schon ein ganz schönes Gewicht, und dazu kam das Gold. Marigold hatte mit weit ausholenden Armbewegungen etwas wahrhaft Prächtiges gefordert. Es sei zum Gedenken an Martin, und sie habe ihren Schwiegersohn unwahrscheinlich gern gehabt. Bon-Bon und Worthington fanden diese publicityträchtige Bewunderung ein wenig forciert, aber» der gute Trubby «würde solch einen in der Sonne funkelnden Preis sicher gern überreichen.

Ich hatte den Hafen mit klarem Kristallglas gefüllt und die benötigten Pfeifen bereitgelegt sowie die kleineren Geräte, die ich brauchen würde, um die Muskulatur, die Beine und den Kopf zu formen. Auch die unverzichtbare Zange war da. Ich stellte die Ofentemperatur auf die erforderlichen 1400 Grad ein.

Inzwischen sah ich die Skulptur fertig vor mir. Ein Jammer, daß sie nicht Martin selbst auf dem Rücken des steigenden Pferdes haben wollten. Für mich gehörte er ganz klar dorthin. Vielleicht würde ich das Pferd noch einmal machen, mit Martin im Sattel. Eines Abends, wer weiß… für Bon-Bon und für den Freund, den ich verloren hatte und dem ich immer noch vertraute.

Während ich auf Pamela Jane wartete, dachte ich über die wandernde Videokassette nach, die so heftig die Gemüter erregt hatte, und wie eine Reihe sich teilender Vorhänge eröffnete mir die Kombinationsgabe, von der Professor Lawson-Young so überzeugt war, jetzt immer neue Einsichten. Endlich hatte ich seine Unbekannte x gefunden und die Maske von Schwarzmaske Nummer vier durchschaut.

Draußen fing es an zu regnen.

Ich betrachtete den Schmelzofen und lauschte seinem flammenden Herzen. Betrachtete die Schiebetür, die 1400

Grad Celsius in Schach hielt. Irish, Hickory, Pamela Jane und ich waren uns der Gefahr der ungeheuren Hitze in dem Schamottehafen so bewußt, daß uns niemand zur Vorsicht mahnen mußte; die war uns in Fleisch und Blut übergegangen.

Endlich wußte ich auch, wie die Sackgassen zusammengehörten. Ich ging Catherines Liste der Straftatbestände durch und dachte bei mir, wenn Rose und Adam Force vernünftig wären, würden sie die Videokassetten einfach liegenlassen, wo sie waren, um der strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen.

Diebe waren nie vernünftig.

Ich hatte an diesem Sonntag so viele Leibwächter wie möglich um mich geschart, weil Rose und Adam Force bisher einfach keinerlei Hemmungen hatten erkennen lassen und weil ich sonst bei der Arbeit an der Skulptur allen Handstreichen, die sie sich ausdachten, schutzlos ausgeliefert gewesen wäre. Ich hätte die Werkstatt mit Zuschauern vollstopfen können, um außer Gefahr zu sein… aber für wie lange?

Ich wußte jetzt, wo die Gefahr lag. Ich konnte nicht ewig furchtsam über meine Schulter blicken, und so leichtsinnig es auch aussah, die Konfrontation schien mir der schnellste Weg, dem Spuk ein Ende zu bereiten.

Wenn ich mich fatal verkalkuliert hatte, konnte Professor Lawson-Young seinen Millionen adieu sagen. Dann würde dieser Durchbruch in der Krebsbehandlung, der ein Segen für die Menschheit war, unter einem anderen Namen publik gemacht werden.

Als meine Widersacher kamen, stellte ich fest, daß ich ihnen nicht nur Zeit, sondern leider auch Gelegenheit gegeben hatte, mich zu überlisten.

Ich lauschte immer noch dem Ofen, da kündeten Geräusche im Hintergrund die Ankunft von Pamela Jane an. Sie hatte die Seitentür genommen statt wie üblich den Haupteingang.

«Mr. Logan.. «Ihre Stimme war angsterfüllt, und außerdem nannte sie mich normalerweise Gerard.

Ich drehte mich sofort um, um zu schauen, was passiert war, und sah, daß es in vieler Hinsicht nicht schlimmer sein konnte.

Pamela Jane, zur Arbeit wie gewohnt in einem weißen Overall mit Gummizug um die Taille, stand, von der Situation restlos überfordert, mitten in der Werkstatt. Ihr Regenmantel lag achtlos hingeworfen vor ihr auf dem Boden, und die Hände waren ihr mit braunem Paketband vor dem Bauch zusammengebunden. Das Band war einfacher und billiger als Handschellen, aber genauso effektiv, und dafür, daß sich Pamela Jane auch sonst nicht rührte, sorgte der charmante Adam Force, der mit der einen Hand den Ärmel ihres Overalls zurückgeschoben hatte und in der anderen, Zentimeter von ihrer entblößten Haut entfernt, eine aufgezogene Spritze hielt. Pamela Jane begann vor Angst zu weinen.

Hinter ihr tauchte Rose auf, mit jeder Faser triumphierend, ihr Gesicht eine höhnische Grimasse. Sie kam wortlos, auf leisen Sohlen und schnell.

Rose, kräftig, resolut und voll bösen Willens, den sie mir durch den Raum entgegenschleuderte, hielt Hickory mit eisernem Griff am Arm gepackt. Mein aufgeweckter Assistent stand hilflos schwankend da, seine Augen und sein Mund waren mit braunem Paketband zugeklebt. Mit dem gleichen Band hatten sie ihm die Hände auf dem Rücken fixiert und die Füße wie mit einer Kette zusammengebunden.

Unsanft im Gleichgewicht gehalten wurde Hickory von Norman Osprey, dem bulligen Buchmacher, der aber im Rechnen so fix war wie ein Computerchip. Direkt an der Seitentür stand, unbehaglich von einem Bein aufs andere tretend, als Aufpasser niemand anderes als Eddie Payne. Er sah mir nicht in die Augen. Stur befolgte er Roses Anweisungen.

Der Vorstoß der vier war blitzartig über die Bühne gegangen, und ich hatte wenig Vorkehrungen für einen Gegenschlag getroffen. Meine Leibwächter sollten einfach nur die Straße draußen abgehen. Catherine und ihr Penner sollten jeder für sich ihre gewohnten Runden drehen. Irgendwie waren Rose & Co im Regen unbemerkt an ihnen vorbeigeschlüpft.

Ich trug wie üblich ein weißes Unterhemd, das Armen, Hals und weitgehend auch meinen Schultern Luft ließ. Die brüllende Hitze des Glasofens war kaum zu ertragen, wenn man sie nicht gewohnt war. Ich setzte meinen Fuß seitlich auf den Tritt, so daß sich die Schiebetür öffnete und ein Schwall heißer Wüstenwind über Norman Ospreys Kammgarnanzug und sein sich rötendes Gesicht hinwegfegte. Wütend sprang er mich an und warf mich gegen die Tür, doch ich trat einen Schritt zur Seite und stellte ihm ein Bein, so daß er mit den Knien am Boden landete.

«Hör auf, du blödes Arschloch«, schrie Rose Norman an,»diesmal brauchen wir ihn unversehrt. Du weißt doch selber, daß wir nur weiterkommen, wenn er reden kann.«

Ich sah zu, wie Rose meinen im Dunkeln stehenden Gehilfen ein ganzes Stück durch den Raum zerrte, während Norman Osprey ihn mit festem Griff in der Senkrechten hielt. Hickory stolperte und tastete sich langsam voran, bis zu dem Sessel, den ich für Catherine gekauft hatte. Dort wirbelte ihn Rose jedoch unsanft herum, so daß er seitlich in den Sessel plumpste und Mühe hatte, sich umzudrehen und sich aufrecht zu setzen.

Hinter mir hörte ich jetzt das verängstigte Luftholen von Pamela Jane und den unverwechselbaren, asthmatisch pfeifenden Atem von Adam Force. Er verlor kein Wort über seinen Insulinanschlag in Bristol. Er brauchte offensichtlich sein Asthmaspray, aber er hatte die Hände nicht frei.

Rose sagte mit boshafter Befriedigung zu Hickory:

«Schön hergesetzt, Freundchen, sonst bring ich dir mal bei, daß man seine Nase nicht in Sachen steckt, die einen nichts angehen. «Sie richtete ihre Häme genüßlich wieder auf mich, während Hickory angestrengt etwas zu sagen versuchte, aber nur einen unverständlichen Protest in hoher Tonlage hervorbrachte.

«Und Sie«, fuhr sie mich an,»werden mir jetzt geben, was ich will. Sonst bekommt Ihr Freund hier ein paar Löcher in den Pelz gebrannt.«

«Aber das können Sie doch nicht machen!«rief Pamela Jane.

«Bist du wohl still, du kleines Miststück«, sagte Rose schneidend zu ihr,»oder muß ich dir erst was auf dein Naschen geben?«

Ob er mitbekam oder nicht, daß Rose plötzlich voll auf das Pedal zum Öffnen der Ofentür stieg, das einzige, was Hickory dagegen tun konnte, war, sich immer tiefer in den Sessel hineinzudrücken. Er begriff aber, vor was für eine teuflische Wahl sie mich stellte.

Als könnte sie seine Gedanken lesen, sagte sie in dem gleichen scharfen Ton:»Du da, wie heißt du — Hickory? Bete, Hickory, daß dein Boss dich nicht schmoren läßt. Ich bluffe nämlich nicht, diesmal krieg ich von ihm, was ich will.«

Sie ergriff eine der langen Glasmacherpfeifen und stieß sie in den Hafen mit geschmolzenem Glas. Ihre Bewegung war ungelenk und keineswegs geübt, aber irgendwann, irgendwo hatte sie schon einmal gesehen, wie ein Glasmacher einen Posten aus dem Ofen nimmt. Als sie die Pfeife herauszog, hing ein kleiner Klumpen glühendheißen Glases daran, und sie drehte die Pfeife so, daß das Glas daran haften blieb, statt abzufallen.

Pamela Jane stöhnte bei dem Anblick auf und fiel dem Lungendoktor beinah in die Nadel.

«Gerard Logan«, wandte sich Rose mit Nachdruck an mich.»Diesmal tun Sie, was ich Ihnen sage, und zwar sofort.«

Erstaunlicherweise hörte sie sich weniger selbstsicher an als an dem Abend in Broadway, als sie» Brecht ihm die Handgelenke «geschrien hatte, und ich mußte an Worthingtons Einschätzung denken, daß sie sich nie mehr direkt mit mir messen würde, da sie erkannt hatte, daß ich ihr an Willensstärke überlegen war. Und doch stand sie vor mir, und sie raffte sichtlich all ihren Mut, all ihre Kraft zusammen.

Ich hatte erlebt, wie Martin sich mental darauf einstellte, ein schwieriges Pferd zu reiten, und ich hatte erlebt, wie Schauspieler in den Kulissen tief durchatmeten, wenn der bevorstehende Auftritt die Nerven blank legte. Mit fremdem Mut und eigenen Schwächen kannte ich mich also aus, aber an diesem Sonntag war es gerade Roses schnell wachsende Entschlossenheit, die in mir die nötigen Energien wachrief.

Sie beobachtete mich und ich sie, und es kam überhaupt nicht darauf an, was sie sagte, es ging nur darum, wer von uns es schaffte, seinen Stolz über die Runden zu retten.

Sie tauchte den abkühlenden Glasklumpen noch einmal in den Hafen und zog ihn größer wieder heraus. Sie schwang die Pfeife herum, bis die glühendheiße Schmelze viel zu dicht unter Hickorys Kinn schwebte. Er konnte die Hitze spüren. Entsetzt wich er zurück und versuchte trotz des Klebebands zu schreien.

«Passen Sie auf, um Gottes willen«, rief ich unwillkürlich, und scheinbar überrascht drehte sie die Pfeife von Hickorys Gesicht weg, bis er fürs erste außer Gefahr war.

«So!«Rose hörte sich plötzlich siegesgewiß an.»Wenn Sie nicht wollen, daß er verbrannt wird, sagen Sie mir lieber, wo die Videobänder geblieben sind, die ich haben will.«

«Sie können Hickorys Gesicht entstellen, wenn Sie nicht aufpassen«, sagte ich eindringlich.»Verbrennungen durch Glasschmelze sind furchtbar. Eine Hand kann so schlimm verbrannt werden, daß sie amputiert werden muß. Ein Arm, ein Fuß… da riecht man, wie das Fleisch brennt… der Mund kann wegbrennen, die Nase.«

«Halt die Klappe«, schrie Rose, und noch einmal, aus vollem Hals:»Halt die Klappe!«

«Man kann sich ein Auge ausbrennen«, sagte ich.»Man kann sich die Eingeweide regelrecht verschmoren.«

Die zartbesaitete Pamela Jane, die die Gefahr kannte, blieb von allen am ruhigsten, und es war der Fleischberg Norman Osprey mit den massigen Schultern, dem der Schweiß ausbrach und der aussah, als müsse er sich übergeben.

Rose blickte auf die rotglühende Pfeife. Sie sah auf Hik-kory und warf mir einen Blick zu. Ich sah ihr mehr oder weniger an, was in ihr vorging. Sie war gekommen, um meine Wertschätzung für Hickory zu einer Erpressung auszunutzen, und nun hatte sie mich tatsächlich in der Hand.

Neben der starken Persönlichkeit von Rose boten ihre Gefährten ein blasses Bild. Selbst der gutaussehende

Adam Force mit seinem gewinnenden Lächeln wurde in ihrer Gegenwart zum Statisten, und mir ging auf, daß das Gerede über sie als Schreckfigur, die insbesondere Männer in heillose Furcht versetzen konnte, keineswegs aus der Luft gegriffen war. Ihren Vater trieb sie regelmäßig in die Beichte, und was für ein Chaos sie heute wieder in seinem gutkatholischen Gewissen anrichtete, vermochte ich mir kaum vorzustellen.

Für Norman Osprey war sicher ein Tag so gut oder so schlecht wie jeder andere. Für ihn war immer nur die Kraft entscheidend, die nötig war, um sich durchzusetzen, und der Rest war Kopfrechnen und die Magie der Zahlen, auf die er sich so gut verstand.

Adam Force sah aus, als könne er es kaum erwarten, den unbekannten Inhalt der Spritze durch die Kanüle zu jagen. Ich betete, daß die arme Pamela Jane ihre Tränen unter Kontrolle bekam und aufhörte zu schluchzen, denn beides schien Dr. Weißbart zunehmend zu reizen, und der mit Paketband stumm und blind gemachte Hickory sah aus, als würde er sich keinen Millimeter mehr rühren, bis ihn jemand aus dem Sessel, in den ihn Rose gedrückt hatte, herauszog.

Eindrücke blitzten auf und vergingen. Rose sah mich berechnend an, genoß die Gewißheit, daß sie mich bald besiegen würde. Ich konnte nicht beschwören, daß ihr das nicht gelingen würde. Kapuzenmasken und Baseballschläger gab es zwar diesmal nicht. Aber mit bloßen Armen geschmolzenem Glas ausgesetzt zu sein war schlimmer.

Plötzlich und unverhofft sagte Rose:»Sie sind heute morgen hergekommen, um eine Pferdefigur aus Glas und Gold zu machen. Ich will das Gold.«

Hoppla, dachte ich. Bis jetzt hatte niemand Gold ins Spiel gebracht. Soweit ich wußte, war in Roses Beisein nicht von Gold die Rede gewesen. Ich hatte das Gold für die Figur geordert und noch ein wenig fürs Lager, aber das war nun wirklich keine Menge, für die sich ein Überfall lohnte.

Irgend jemand hatte Rose irregeführt, oder sie hatte etwas mißverstanden, und ihre habgierige Phantasie hatte den Rest erledigt.

Rose war immer noch überzeugt, daß ich sie auf die eine oder andere Art reich machen konnte.

Adam Force schenkte ihr ein bewunderndes Lächeln und applaudierte ihr mit den Augen.

Wenn es mir gelang, diese, nun ja, goldene Gelegenheit zu nutzen… Es war eine Chance. Ich brauchte Zeit, und wenn ich das Pferd machte, konnte ich schön viel Zeit gewinnen.

Ich sagte:»Das Gold ist noch nicht da. Ich frage mich, was die sich dabei denken. «Der unbekümmerte und doch nörgelige Ton, in dem ich das sagte, verblüffte Rose derart, daß sie die Glasmacherpfeife erst einmal sinken ließ.

«Wenn die Figur nicht rechtzeitig fertig wird«, sagte ich,»wo sie doch bestellt ist, also dann — «, ich schwieg, als hätte ich mich um ein Haar mächtig verplappert.»Was soll’s«, sagte ich gespielt nervös, und Rose verlangte das Ende des Satzes zu hören.

«Na ja…«, sagte ich.

«Wird’s bald?«

«Gold…«:, sagte ich.»Das brauche ich für das Pferd.«

Pamela Jane, es sei ihr unendlich gedankt, hörte auf, weiter Tränen zu vergießen, und rief mir mit Abscheu und Entsetzen durch die Werkstatt zu, ich solle etwas tun, um Hickory frei zu bekommen, statt an eine Glasfigur für die Rennbahn Cheltenham zu denken.

«Wie können Sie nur?«empörte sie sich.»Das ist ja widerwärtig.«

«Der Juwelier will mir das Gold für die Hufe, die Mähne und den Schweif vorbeibringen«, sagte ich.

Rose rang mit sich und fragte:»Wann?«

Ich antwortete, das würde ich ihr nicht sagen.

«Aber ja doch«, meinte sie und reckte drohend die heiße Pfeife vor.

«Um elf«, sagte ich hastig. Gut gelogen.»Lassen Sie mich das Pferd machen«, fuhr ich in einem fast flehenden Ton fort.»Wenn ich damit fertig bin, sage ich Ihnen auch, wie Sie an die Videokassette herankommen, und Sie müssen mir versprechen, Hickory freizulassen, sobald Sie das Gold haben.«

Pamela Jane sagte erschüttert:»Das darf doch nicht wahr sein.«

Sie begriff nicht, wie ich so schnell klein beigeben konnte. Sie wußte nicht, daß ihre Verachtung der Gradmesser meines Erfolges war.

Rose blickte auf ihre Armbanduhr, sah, daß sie eine Stunde auf das Gold würde warten müssen, und kam zu der irrigen Auffassung, sich das leisten zu können.

«Fangen Sie mit der Figur an«, befahl sie.»Wenn das Gold kommt, quittieren Sie ganz normal den Empfang, sonst gibt es Flämmchen für Ihren Hickory, verstanden?«

Ich nickte.

«Also dann los. «Sie schaute sich in der Werkstatt um, machte eine Bestandsaufnahme und befahl Pamela Jane, sich in den anderen Sessel zu setzen. Adam Force hielt ihr nun die bedrohliche Nadel an den Hals, und Norman Osprey band ihr mit Paketband die Füße zusammen.

Pamela Jane starrte mich böse an und sagte, sie werde mir weder bei dem Pferd noch überhaupt je wieder assistieren.

Rose bestärkte sie in diesem Entschluß, indem sie erklärte, ich sei schon immer ein Feigling gewesen. Ich schaute Pamela Jane ausdruckslos an und sah, wie sich leise Zweifel bei ihr meldeten, noch während sie Roses Schmährede zuhörte.

Ich hatte nicht vorgehabt, den Ehrenpreis in Roses Beisein zu modellieren. Genau deshalb hatte ich die Leibwache organisiert, und es hatte nichts genützt. Andererseits war die Konfrontation mit Rose früher oder später fällig gewesen, und wenn es jetzt soweit war, mußte ich eben etwas schneller denken. Plattfüßig und steif stand ich da.

«Ich dachte, Sie könnten mit Glas umgehen«, hänselte mich Rose.

«Zu viele Leute«, reklamierte ich.

Barsch befahl sie Norman Osprey und Eddie Payne, in den Verkaufsraum hinter der halbhohen Wand zu gehen, und etwas höflicher schickte sie Adam Force hinterher. Alle drei stellten sich an die Wand und schauten zu. Rose ergriff eine der Glasmacherpfeifen, die ich zum Antempern an die Ofenöffnung gelegt hatte, stieß sie in den Hafen, der jetzt weißglühendes Glas enthielt, zog sie mit einem recht großen Glasposten am Ende wieder heraus und drehte sie gerade so schnell, daß die Schmelze nicht auf den Boden fiel.

«Los jetzt«, sagte sie. Sie stieß den Klumpen lodernden Unheils auf meinen rechten Arm zu, und ich wich gerade so weit zurück, daß er mir nicht die Haut verbrannte.

Wie sollte man so eine Glasfigur kreieren? Zunächst einmal mußte ich für den Rumpf des Pferdes mehrere Posten klares Kristallglas aufnehmen. Derweil hielt Rose zwei Pfeifen mit pflaumengroßen Glasklumpen, die alles zerstören würden, was sie berührten, über die Köpfe von Hickory und Pamela Jane und drohte, ihnen die Ohren abzubrennen, ihnen einzuheizen, daß es duften würde wie in der Bratküche, sobald ich ihr den geringsten Anlaß lieferte. Fortwährend müsse ich ihr sagen, was ich als nächstes vorhatte. Wehe, ich machte eine unvorhergesehene Bewegung. Hickory und Pamela Jane würden es büßen. Hatte ich verstanden?

Ich hatte.

Ich verstand. Auch Pamela Jane verstand, und auch Hik-kory, denn hören konnte er.

Ich sagte Rose, ich müsse vier oder fünf Posten aus dem Hafen nehmen, und während sie ihren Feuerball dicht an Pamela Janes Ohr hielt, brachte ich genug Glas zusammen, um ein auf den Hinterbeinen stehendes Pferd von fünfunddreißig Zentimetern Höhe zu formen.

Pamela Jane schloß die Augen.

Vorsorglich sagte ich Rose, daß es unmöglich oder so gut wie unmöglich sei, ohne Helfer ein so großes Pferd zu machen, unter anderem, weil der Pferdekörper nach dem Ausformen der Hals- und Oberschenkelmuskulatur heiß gehalten werden mußte, während man je zwei Posten Glas für die Unterschenkel und Hufe ansetzte und weitere für den Schweif.

«Hören Sie auf zu quengeln, und machen Sie voran«, sagte sie. Sie lächelte bei sich.

Zirkusartisten können ein Dutzend Teller gleichzeitig auf Stäben kreisen lassen. Die Arbeit an dem steigenden Pferd in Broadway kam mir ganz ähnlich vor: Sieh zu, daß Rumpf und Beine heiß bleiben, während du den Kopf formst. Mit dem Kopf, der so entstand, hätte ich noch nicht einmal einen Vorschulwettbewerb gewonnen.

Rose hatte ihren Spaß. Je weniger ich mich ihr widersetzte, desto sicherer war sie, mich in die Knie zu zwingen. Das gefiel ihr. Ganz das ungezogene kleine Mädchen, lächelte sie erneut — ein verstohlenes, hinterhältiges Hochziehen der Lippen.

Ich sah mir dieses Lächeln an und begriff urplötzlich, wovon Worthington geredet hatte. Ein Sieg war für Rose erst dann ein Sieg, wenn er die körperliche Demütigung eines männlichen Gegenspielers einschloß.

Der Sieg über Gerard Logan, den Rose schon in der Tasche zu haben glaubte, würde für sie erst zählen, wenn sie irgendwen irgendwie dabei verbrannt hatte.

Eine Vorstellung, vor der es mich grauste, im Gegensatz zu Rose. Notfalls hätte ich mich vielleicht mit roher Kraft gegen Rose gewehrt, aber nie wäre ich ihr mit Glasfluß auf den Leib gerückt. Dafür war ich nicht brutal genug.

Mein Team im Stich lassen und flüchten konnte ich allerdings auch nicht.

Mit der Zange zog ich die Vorderbeine des Pferdes nach oben und die Hinterbeine nach unten und hielt das Ganze an der Pfeife in den Ofen, damit es verschmelzen konnte.

Es gab immer noch Auswege für mich, dachte ich.

Ehrenhafte Abgänge.

Mehr oder weniger ehrenhaft jedenfalls.

Es gelang mir, aus Rumpf und Beinansätzen ein kopfloses Rennpferd zu zaubern.

Abgang, dachte ich. Verdammt, mit einem Abgang war es nicht getan. Kleinmut hatte noch niemandem etwas gebracht.

Mit Mühe hielt ich zwei Glasmacherpfeifen in den Händen und legte genügend Glas von einer auf die andere hinüber, um eine Mähne zu formen, aber sie war für Cheltenham nicht elegant genug.

Worthington öffnete die Galerietür und schickte sich an hereinzukommen. Er riß die Augen auf, als er sah, was los war, drehte sich auf dem Absatz um und lief auch schon die Straße hinunter, ehe Rose entscheiden konnte, ob es besser war, ihn zu verfolgen oder mich in Schach zu halten.

Als höchstens mein Spezialpfiff noch Worthington eingeholt hätte, befahl sie Force und ihrem Vater, sofort die Galerietür abzuschließen, und war sauer, daß sie beide keinen Schlüssel finden konnten. Ich hoffte bei Gott und allen Heiligen, Pamela Jane würde jetzt nicht aus unangebrachter Hilfsbereitschaft sagen, daß sie für alles einen Schlüssel hatte.

Sie warf mir erneut einen unsicheren Blick zu und biß die Zähne aufeinander.

Rose hörte auf zu lächeln, bestückte ihre Pfeife mit einem weißglühenden, golfballgroßen Glasklumpen und hielt ihn dicht vor Hickory.

Ich versah, so gut es ging, meine immer weniger vollblütige Schöpfung mit einem Schweif. Der Schweif und die beiden Hinterbeine bildeten ein Stützdreieck für das steigende Pferd. Wenn ich etwas wirklich Gutes machen wollte, ging es in diesem Stadium leicht schief. Heute stimmte die Balance genau.

Hickory wand sich verzweifelt, um von Roses gefährlich glühendem Ball wegzukommen.

Pamela Jane sah, daß ich, statt etwas für Hickory zu tun, seelenruhig weiter an meinem Spielzeug bastelte, und strafte mich wieder mit Verachtung.

Ich setzte den Kopf auf den Hals und zog die Ohren hoch. Das fertige Pferd hatte vier Beine, Kopf, Mähne und

Schweif und nicht einen Funken Eleganz. Ich stellte es aufrecht auf die Bank, so daß der Weg nun frei war für die Kristallkugel, die sein Aufbäumen in einen Sprung in die Zukunft verwandeln würde.

Trotz seiner Mängel schien Rose beeindruckt. Allerdings nicht so beeindruckt, daß sie unvorsichtig geworden wäre oder die Pfeife von Hickorys Kopf weggehalten hätte.

Ich sah auf die Werkstattuhr.

Eine Minute — ticktack, ticktack — konnte sehr lang sein.

Ich sagte:»Das Gold ist für die Mähne, die Hufe und den Schweif gedacht.«

Ticktack, ticktack.

Rose stieß ihre abkühlende Pfeife in den Ofen und holte sie mit einem neuen Posten weißglühenden Glases heraus, den sie wiederum an Hickorys Kopf hielt.

«Und wann kommt das Gold endlich?«fragte sie.

Hickory zappelte heftig, versuchte sich von dem Klebeband auf Mund und Augen zu befreien.

Pamela Jane, die Augen geschlossen, sah aus, als ob sie betete.

Zwei Minuten. Tick, tack.

«Das Gold«, sagte ich,»wird in kleinen Barren geliefert. Es muß geschmolzen werden, damit man es auf Hufe, Mähne und Schweif auftragen kann.«

Hickory warf sich nach vorn in dem Versuch, sich aus den Polstern des Sessels zu befreien. Rose nahm die Glasmacherpfeife nicht weit genug von ihm weg, und mit dem einen Ohr streifte er den schwankenden, weißglühenden Glasklumpen.

Unter dem Paketband konnte er nicht schreien. Er krümmte sich zusammen. Rose sprang mit einem Satz zurück, doch Hickorys Ohr zischelte und roch jetzt nach verbranntem Fleisch, und es würde nie wieder wie vorher sein.

Drei Minuten. Eine Ewigkeit. Tick, tack.

Hickorys Entsetzen, qualvoll und unübersehbar, machte uns alle zu Gaffern. Rose hätte ihre Pfeife hinwerfen und ihm zu Hilfe eilen sollen, aber sie tat es nicht.

Drei Minuten, zehn Sekunden, seit ich das steigende Pferd auf die Bank gestellt hatte.

Länger durfte ich nicht warten.

Ich nahm die große Zange, mit der ich die Mähne des Pferdes geformt hatte, und zerschnitt damit das Paketband, das Pamela Janes Füße zusammenhielt. Ich zog sie an den noch zusammengeklebten Händen hoch, und Rose drehte sich von Hickory zu uns herum und schrie, ich solle sie loslassen.

Pamela Jane hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, und es ging um Sekunden.»Laufen Sie«, sagte ich eindringlich zu ihr, doch statt zu laufen, zögerte sie und sah sich nach Hickory um. Schluß jetzt. Ich packte sie und trug sie vor mir her.

Pamela Jane verwahrte sich dagegen. Rose befahl mir, sie abzusetzen. Ich dachte nicht daran, sondern peilte mit etwas wackligen Schritten den Verkaufsraum an und rief dem Trio an der halbhohen Zwischenwand zu, sie sollten dahinter in Deckung gehen.

Rose kam mir durch die Werkstatt nach und hielt die glasbelegte Pfeife vor sich, als wäre es ein Schwert.

Halb sah ich sie, halb spürte ich die sengende Gefahr, und so riß ich Pamela Jane wie ein Stierkämpfer herum, um dem Stoß der Pfeife zu entgehen, aber Rose ging mit, stach zu und brannte mir einen langen schwarzen Schlitz in das weiße Unterhemd.

Keine Zeit mehr.

Ich schleppte Pamela Jane in den Verkaufsraum hinter der Trennwand, stieß die lauthals Protestierende zu Boden und warf mich über sie, damit sie sich nicht rühren konnte.

Das Pferd hatte drei Minuten und vierzig Sekunden ungekühlt bei größter Hitze auf der Bank gestanden, als es zerplatzte.

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