9

Hawkwood versuchte sich zu bewegen, aber er merkte, dass das ein Fehler war. Es war für ihn kein Problem gewesen, die Augen zu öffnen. Nein, das war die leichtere Übung, die kein weiteres Können erforderte: eine kurze Bewegung der Augenlider und schwupp - schon war er wieder unter den Lebenden. Doch als er versuchte, sich auf den Ellbogen zu stützen, um sich umzusehen, wo er war, fühlte es sich an, als bekäme er abermals Schläge auf Hinterkopf und Schultern, nur noch viel heftiger.

Er ließ sich wieder zurücksinken, schloss die Augen und wartete darauf, dass das schmerzhafte Pochen in seinem Kopf aufhörte. Sekunden vergingen, oder waren es Stunden? Hawkwood hatte nichts dagegen, abzuwarten, es eilte ihm gar nicht, den Versuch zu wiederholen, um sicher zu sein, dass er die Nebenwirkungen auch ertragen konnte.

Allmählich war das Pochen einem dumpfen Schmerz gewichen. Er holte tief Luft und versuchte es nochmals, etwas vorsichtiger.

Diesmal ging es schon besser, aber trotzdem war es schmerzhaft. Sein Kopf fühlte sich noch immer an, als bohrte jemand einen glühenden Schürhaken hinein, und als er sich schließlich im Raum umsah, fragte er sich, ob das die Anstrengung wert sei.

Wie gewöhnlich war es nicht sehr hell. Von der Decke hingen zwei Laternen, und am anderen Ende der Kajüte war eine vergitterte Öffnung, durch die Licht hereinfiel. Es war hell genug, um zu erkennen, dass draußen noch Tageslicht herrschte, obwohl es wohl bald dämmern würde. Er sah auch, dass er sich in einem Teil des Schiffes befand, den er noch nicht kannte. Er lag auf einer Pritsche, um ihn herum standen weitere Pritschen. Soweit er sehen konnte, waren die meisten belegt. Es war zu dunkel, um zu erkennen, wer darauf lag, aber bei dem Schniefen, Husten, Keuchen und Würgen um ihn herum war es nicht schwer zu erraten.

Sein Verdacht wurde auch durch den Essiggeruch bestätigt.

Er hob den Kopf, doch schon diese kleine Bewegung genügte, um einen erneuten scharfen Schmerz auszulösen. Man hatte sein Hemd entfernt und seine Verletzungen verbunden. Der Verbandmull war mit dunklen Blutflecken bedeckt. Er war bis zur Taille mit einem nicht sehr sauberen Laken zugedeckt. Er nahm eine Bewegung wahr und sah gerade noch, wie sich drei Kakerlaken mit glänzenden Flügeldecken über den Rand seiner Pritsche aus dem Staub machten.

Sein Blick wanderte weiter, über das Fußende hinaus. Er sah eine offene Luke, die in eine kleinere und genauso schlecht beleuchtete Kajüte nebenan führte. Er sah das Ende eines Tisches und einen Stuhl, über den ein Jackenärmel hing. An der Wand standen Schränke und Regale, auf denen eine eindrucksvolle Sammlung von verkorkten, etikettierten Flaschen in verschiedenen Farben stand. Einige waren so groß wie Ginflaschen, andere sahen aus, als hätten sie früher Parfüm enthalten. Auf dem Tisch standen weitere Flaschen, daneben ein Mörser mit Stößel sowie Schreibzeug.

Aus den Geräuschen, die er ringsum vernahm, sowie dem Essiggeruch und den Gegenständen erriet Hawkwood, wo er war. Er wusste, dass man mit dem Essig das Deck schrubbte in dem vergeblichen Bemühen, den Geruch von Erbrochenem, von Urin und anderen Exkrementen zu überdecken, die die Männer um ihn herum verursachten. Er war im Krankenrevier.

»Willkommen zurück.«

Der Gruß kam von der Pritsche nebenan, die im Halbdunkel stand. Hawkwood drehte den Kopf, vorsichtig und ganz langsam.

Lasseur hatte Platzwunden und Blutergüsse im Gesicht, seine linke Schulter war verbunden. Er betrachtete Hawkwoods Verbände und sagte lakonisch: »Sieht aus, als würden wir beide weiterkämpfen, mein Freund. Wie geht es Ihnen?«

»Beschissen«, sagte Hawkwood wahrheitsgemäß, wobei er merkte, dass das Reden nicht viel weniger schmerzhaft war als der Versuch, sich aufzusetzen.

»Mir auch, aber ich habe gehört, das sei besser, als tot zu sein.« Lasseurs Gesicht sah allerdings aus, als sei er im Moment von diesen Worten nicht so recht überzeugt.

»Mir war, als hätte ich Fouchet gesehen«, sagte Hawkwood. »Oder habe ich mir das eingebildet?«

Der Kapitän antwortete nicht gleich. Er sah immer noch nachdenklich aus. Hawkwood ahnte, dass der Tod des Jungen ihn beschäftigte, und die Katastrophe, die darauf gefolgt war. Endlich nickte Lasseur. »Unser Freund hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte die Wachen alarmiert.«

»Ich dachte, die kämen nicht gern unter Deck.«

»Tun sie auch nicht. Sébastien musste alle Überredungskunst aufwenden.«

»Sie haben Dupin umgebracht«, sagte Hawkwood.

»Ja, sie haben ihn erschossen - das war Ihr Glück. Aber wenn Sie mich fragen, ich glaube, dass der, der geschossen hat, vielleicht nur auf eine passende Gelegenheit gewartet hatte.«

»Waren da noch andere?«

»Sie meinen, außer Lucien und dem Türken und diesem korsischen Miststück?« Lasseur verzog den Mund und deutete mit dem Kopf auf jemanden, der hinter Hawkwood stand. »Fragen Sie ihn. Er kennt den Endstand.«

Hawkwood überlegte, ob er den Kopf drehen sollte oder nicht, schließlich sah er schräg nach oben. Der Mann, der neben seinem Bett stand, war jung, er hatte einen dunklen Teint und sanfte braune Augen. Seine Zivilkleidung war stark abgetragen. Er hatte eine stark verschmutzte, einstmals weiße Schürze umgebunden und die Ärmel bis zum Ellbogen aufgekrempelt. Er sprach Englisch.

»Wie ich sehe, sind Sie wach, Captain Hooper.« Um die braunen Augen erschienen Lachfältchen. »Wir kennen uns noch nicht. Mein Name ist Girard.«

»Der Schiffsarzt?«, fragte Hawkwood.

Als Antwort schüttelte Girard energisch den Kopf und lächelte bescheiden. »Nein, jedenfalls nicht offiziell. Diese Position hat Dr. Pellow inne. Leider verlangen Dr. Pellows andere Pflichten, dass er überwiegend an Land ist, deshalb kann er uns hier nur in unregelmäßigen Abständen besuchen. In seiner Abwesenheit habe ich die Ehre, ihn im Krankenrevier zu vertreten.«

Nach allem, was er gesehen hatte, zweifelte Hawkwood an dieser sogenannten Ehre.

»Was er damit sagen will, ist, dass dieser Hundesohn eine einträgliche Privatpraxis hat«, sagte Lasseur verächtlich. »Natürlich interessiert ihn das Geld, das er mit seinen reichen englischen Lords und Ladies verdienen kann, mehr als wir hier.«

Der Arzt ignorierte Lasseur und hob vorsichtig den Rand des Verbandstoffes auf Hawkwoods linker Seite und sah nach der Wunde darunter. »Ich würde empfehlen, dass Sie sich so wenig wie möglich bewegen, damit die Naht nicht wieder aufgeht.«

Hawkwood hielt dies für einen Scherz des jungen Mediziners.

Doch der schnalzte leise mit der Zunge. »Sie hatten großes Glück, Captain. Ihre Verletzung wird gut heilen, vorausgesetzt Sie halten sie sauber, was hier nicht ganz einfach sein dürfte, aber Sie sollten es wirklich versuchen. Die Narben werden gut zu Ihrer restlichen Sammlung passen, und ich muss zugeben, die ist beachtlich.« Die braunen Augen wanderten über Hawkwoods Brust, und er kniff sie etwas zu, als sie den schwach bläulichen Ring um seinen Hals bemerkten.

»Keine Sorge«, sagte Lasseur im Bühnenflüstern. »Er sieht zwar aus, als ob er beim Rasieren immer noch übt, aber er weiß schon, was er macht. Sagt er wenigstens.«

Girard grinste wehmütig. »Ich war Assistenzarzt in der Garnison von Procida, ehe ich in Gefangenschaft geriet. Die Briten meinten, ich sollte mich besser hier nützlich machen, anstatt auf dem Geschützdeck Knochen zu schnitzen.«

»Das ist unser Glück«, sagte Lasseur, »wenn die ihren eigenen Mann nicht mal zu ein paar Hausbesuchen überreden können.«

Der Arzt schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, Dr. Pellows letzte Visite war erst vor ein paar Tagen. Ich glaube, Sie hatten ihn gerade verpasst. Nein, Moment mal - es muss an dem Tag gewesen sein, an dem Sie angekommen sind. Vielleicht hatten Sie sogar Gelegenheit, ein Beispiel seiner Krankenbehandlung zu erleben.« Die Stimme des Arztes klang hart.

Hawkwood und Lasseur machten ein verdutztes Gesicht. Dann stieß Lasseur einen Fluch aus. »Das Boot, das sie abtreiben ließen! Das war Pellow?«

Girard nickte, den Mund grimmig zusammengepresst. »Das waren Gefangene, die von Cadiz hierherverlegt worden waren. Als er sah, in welchem Zustand sie waren, behauptete er, sie hätten eine Infektionskrankheit und müssten auf das Krankenschiff. Aber die armen Teufel hatten nichts Ansteckendes, sie waren von den Spaniern nur miserabel behandelt worden. Aber die Briten sind ja auch nicht besser. Die behandeln ihre Haustiere besser als ihre Gefangenen, besonders wenn es sich um Franzosen handelt. Zum Glück sehen wir Pellow nur einmal die Woche, wenn es hoch kommt.«

»Bastard!«, war Lasseurs Kommentar.

Man merkte deutlich, dass in Lasseur noch immer die Wut brodelte. Zwar war sein Gesicht vom Blut gereinigt, aber Hawkwood dachte noch immer daran, wie der Zorn seine Züge verzerrt hatte, als er dem Korsen die Kehle durchschnitt. Hawkwood spürte einen scharfen Schmerz in der Stirn, fast als sei diese Erinnerung zuviel gewesen.

Sein Gesicht musste ihn verraten haben, denn der Arzt sah ihn besorgt an.

»Ach, Sie hätten mal den anderen sehen sollen«, sagte Hawkwood, ohne weiter nachzudenken.

Der Arzt machte ein ernstes Gesicht. »Oh, das habe ich, Captain Hooper. Ich habe sie alle gesehen. Sie haben ziemlich viel Schaden angerichtet, Sie und Captain Lasseur.« Der Blick des Arztes wanderte von einer Pritsche zur anderen.

Hawkwood ließ sich zurückfallen. »Wie viele?«

Girard sah ihn an. »Fünf Tote, einschließlich des Jungen.«

»Fünf!« Hawkwood versuchte, sich an den Ablauf der Geschehnisse zu erinnern. Er wusste noch, dass er Matisses Mann den eisernen Reifen abgenommen hatte, aber danach wurde seine Erinnerung undeutlich. Sein Kopf brummte auch immer noch ganz fürchterlich und es war besser, sich nicht anzustrengen.

»Es hat auch zwei Verwundete gegeben, mit Schnittwunden, die Ihren ganz ähnlich sind. Ich behandle solche Wunden nicht zum ersten Mal. Rasiermesser werden auf den Gefängnisschiffen häufig als Waffen benutzt, besonders bei Meinungsverschiedenheiten. Captain Lasseur war jedoch äußerst zurückhaltend, als ich ihn danach fragte.«

Hawkwood antwortete nicht.

Der Arzt zuckte die Schultern. »Na ja, wie auch immer. Mir müssen Sie nicht Rede und Antwort dazu stehen. Ich habe Befehl von Leutnant Hellard, ihn sofort zu benachrichtigen, wenn Sie aufgewacht sind. Eigentlich hatte ich vorgehabt, das noch ein wenig hinauszuzögern, aber ich vermute, die Wachen draußen werden bereits Meldung gemacht haben. Ich wäre nicht überrascht, wenn der Leutnant nicht schon jemanden losgeschickt hätte, um Sie abzuholen.«

»Wollen Sie damit sagen, dass der Leutnant uns nicht auf unserem Krankenlager besucht?«, fragte Lasseur in gespielter Entrüstung. »Ich bin schockiert und zutiefst beleidigt.«

»Leutnant Hellard hält nicht viel von Hausbesuchen. Es ist eine Eigenheit, die er mit dem Schiffsarzt teilt«, fügte Girard verächtlich hinzu.

»Captain Hooper ist nach dem Schlag auf seinen Kopf ja gerade erst aufgewacht«, sagte Lasseur.

»Ich glaube, Leutnant Hellard wird der Ansicht sein, dass, solange Sie beide den Gebrauch Ihrer Beine nicht verloren haben, Sie sich unter bewaffneter Begleitung bei ihm einzufinden haben. Und wenn ich mich nicht irre, ist diese Begleitung bereits hier.«

Von der Treppe her kam das schwere Trampeln von Militärstiefeln.

»Die haben nicht viel Zeit verschwendet«, murmelte Lasseur.

Hawkwood sah vier Milizionäre, die sich durch die Pritschen hindurch ihren Weg zu ihnen bahnten. Das machte einige Schwierigkeiten, denn in dieser Enge war nicht viel Platz, mit den Musketen herumzufuchteln.

Der Arzt beugte sich herunter und sagte schnell: »Nur damit Sie es wissen, ich habe Ihre Verletzungen etwas übertrieben, und auch die Zeit, die Sie zur Genesung brauchen. Es wäre gut, wenn wir vorläufig alle bei dieser kleinen Notlüge blieben.«

Hawkwood und Lasseur sahen sich an.

»Warum?«, fragte Hawkwood.

Aber der Arzt hatte sich schon abgewandt.

»Sergeant Hook! Es ist doch immer ein Vergnügen«, behauptete Girard.

Der Sergeant ließ seine Garde halten. Er beachtete den süffisanten Gruß des Arztes nicht weiter, sondern sah die beiden Männer auf den Pritschen streng an. »Aufgestanden! Befehl des Commanders!«

»Diese Offiziere sind längst noch nicht wieder bei Kräften, Sergeant«, sagte Girard. »Vielleicht könnten Sie Leutnant Hell …«

»Die atmen doch beide, oder?« Hook funkelte den Arzt an.

»Offensichtlich«, sagte der Arzt. »Aber …«

»Dann sollen sie ihre Ärsche von den Pritschen heben und mitkommen. Sonst helfen wir ihnen. Sie haben die Wahl, Herr Doktor. Mir isses egal.«

Der Arzt schluckte die Antwort hinunter, wandte sich an Hawkwood und Lasseur und sagte auf Französisch: »Der Sergeant ist tief betrübt, Sie so gebrechlich hier vorzufinden, und fragt, ob Sie beide die Güte hätten, Ihr Bett zu verlassen und ihn zum Quartier des Commanders zu begleiten.«

»Aber selbstverständlich«, sagte Lasseur und warf das Laken zurück. »Bitte richten Sie Sergeant Hook aus, dass wir uns freuen, ihn bei so blühender Gesundheit anzutreffen, und dass Captain Hooper und ich uns freuen würden, ihm zu folgen. Sie können ihm auch ausrichten, dass ich nicht umhin kann festzustellen, dass sein Gesicht eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einem Kuharsch hat.«

In der Wange des Arztes zuckte es.

»Was hat er gesagt?«, fragte Hook misstrauisch.

»Er hat gefragt, ob Ihre Männer mit ihren Musketen nicht woanders hinzielen können. Sie machen ihn nervös.«

»Tun sie das?«, sagte Hook. Er gab Hawkwoods Pritsche einen Fußtritt. »Los, auf die Beine!«

»Was für ein widerlicher kleiner Kerl«, sagte Lasseur. »Ich hoffe, seine Eier schrumpfen, bis sie so klein wie Korinthen sind.«

»Wenn sie nicht vorher jemand abschneidet«, fügte Hawkwood hinzu.

»Möge Gott uns jetzt eines von Sébastiens Wundern bescheren«, sagte Lasseur, indem er nach seinen Stiefeln angelte.

»Sie werden Ihre Jacke brauchen«, sagte Girard zu Hawkwood und reichte sie ihm. »Ich fürchte, ihr Hemd war nicht mehr zu retten.«

Genau wie mein verdammter Auftrag, dachte Hawkwood.


»Ich werde nicht dulden, dass Gefangene auf meinem Schiff ihre privaten Streitigkeiten auf diese Weise austragen!« Leutnant Hellard fixierte Hawkwood und Lasseur mit dem Blick eines Basilisken. »Selbst wenn es sich nur um Abschaum handelt, der anderen Abschaum umbringt.« Er sah Murat an. »Haben Sie verstanden?«

Der Dolmetscher nickte und man sah ihm an, dass er sich unbehaglich fühlte. »Ja, Sir.«

»Dann sagen Sie’s ihm«, sagte Hellard und deutete auf Lasseur.

»Das ist nicht nötig, Commander«, sagte Lasseur. »Ich spreche Englisch.«

Hellard warf dem Privateer einen wütenden Blick zu. Lasseur erwiderte seinen Blick völlig ungerührt. Der Leutnant wandte daraufhin seine Aufmerksamkeit Hawkwood zu. Er musterte die blutgetränkten Verbände. Dann sah er ihn an und runzelte die Stirn. Hawkwood überlegte, ob der Commander sich wohl an den Moment auf dem Quarterdeck erinnerte, als er die Reihe der Gefangenen mit den Augen abgesucht hatte nach jemandem, der ihn ansah. Hawkwood hielt dem Blick eine gewisse Zeit lang stand, ehe er die Augen auf einen Punkt hinter Hellards Schulter an der Wand richtete, um ihm das Gefühl zu geben, dass er derjenige war, der nachgegeben und den Blickkontakt abgebrochen hatte.

Sie waren im Wohnzimmer des Commanders, das, wie auf allen anderen Gefängnisschiffen auch, gleichzeitig das Büro war. Zwei Milizionäre bewachten die Tür. Hellard saß hinter dem Schreibtisch, das große, nach innen fallende Heckfenster im Rücken. Vor ihm lag ein aufgeschlagenes Register, daneben etliche Papiere. Über der Marsch ging die Sonne unter und tauchte Land und Flussmündung in rot glühendes Licht. Auf dem Fluss ging es noch immer äußerst lebhaft zu, weil viele Schiffe die frühe Flut am Abend nutzen wollten, um entweder flussaufwärts einen Ankerplatz zu finden oder flussabwärts das offene Meer zu erreichen.

Aus dem Augenwinkel sah Hawkwood, dass Lasseurs Blick ebenfalls auf die Flusslandschaft hinter dem Commander gerichtet war. Es war nicht schwer zu erraten, woran er dachte.

Die Kajüte war sparsam möbliert. Im aktiven Dienst war es üblich, dass jeder Commander den Wohnbereich auf seinem Schiff je nach Geschmack und Umfang des Geldbeutels selbst einrichtete; auf seine Kosten konnte alles an Bord geschafft werden: vom Schreibtisch bis zum Esstisch, vom Sideboard über Besteck, Porzellan und Sektkühler bis hin zu den Teppichen.

Soweit er sehen konnte, hatte Hellard entweder ein geringes Einkommen - was nicht unwahrscheinlich war in Anbetracht seines Ranges und der näheren Umstände seiner Anstellung -, oder die Kajüte war von der Transportbehörde möbliert worden, der Funktionalität wichtiger war als Komfort. Genauer gesagt, Leutnant Hellard hatte keine andere Wahl, als sich mit dem zu begnügen, was man ihm hingestellt hatte, und das war nicht viel. Die wenigen Möbelstücke sahen genau so schäbig und abgenutzt aus wie das ganze Schiff, auf dem sie sich befanden, als habe man sie irgendwo in einem längst vergessenen Lagerhaus einer stillgelegten Werft gefunden und hier an Bord gebracht.

Außer dem Schreibtisch gab es einen Toilettentisch mit Spiegel, von dem Hawkwood vermutete, dass er aus einem Feldzug stammte; ferner ein bejahrtes Stehpult, das in einer Ecke stand, außerdem ein Sideboard mit vier Schubladen und schließlich einen kleinen runden Tisch, um den vier einfache Stühle mit gerader Lehne standen. An den Fenstern hingen dunkelrote Vorhänge, auf der Gardinenstange lag Staub. Es waren keinerlei persönliche Gegenstände zu sehen; kein Aquarell eines Porträts, keine Miniaturen mit Bildern einer Frau, weder auf dem Sideboard noch auf dem Toilettentisch, auch keine Bücher. Die Wand auf der linken Seite war geteilt. Hawkwood nahm an, dass Hellards Bett dahinter stand. Alles in allem war der Wohnbereich des Commanders genauso nüchtern wie der Mann selbst.

Aus der Nähe war Hellard noch hagerer, als er auf Deck erschienen war. Bisher hatte Hawkwood ihn nur aus der Ferne gesehen, eine einsame Gestalt, die auf dem Quarterdeck auf und ab ging, die Hände auf dem Rücken. Aus nächster Nähe traten seine Wangenknochen noch schärfer hervor, waren seine Augen noch melancholischer. Auf Kragen und Schultern seiner Jacke lagen Schuppen.

»Weiß einer von Ihnen, welche Strafe auf Duellieren steht?«

»Es war kein Duell«, sagte Lasseur und nahm Haltung an. »Es war Selbstverteidigung.«

»Wie erklären Sie dann die Stöcke mit den Rasiermessern, die wir im Laderaum gefunden haben?«, fragte Hellard barsch.

»Damit haben Matisses Leute uns angegriffen«, sagte Lasseur. »Wir waren gezwungen, uns zu verteidigen.«

Hellard brummte und sagte: »Leutnant Thynne sagte mir, es sei eine Auseinandersetzung wegen eines Kindes gewesen, die zu dem tödlichen Ausgang führte. Was ist Ihre Version, Hooper?«

Thynne, dessen Gesicht im Licht der untergehenden Sonne kantig wirkte, stand etwas seitlich hinter Hellards Stuhl und kaute an einem Fingernagel. Mit einer halben Drehung nach hinten nahm Hellard seinen Kollegen zur Kenntnis, dann wandte er sich wieder an den Captain.

»Das ist richtig«, sagte Hawkwood. »Matisse ließ den Jungen für sein eigenes perverses Vergnügen entführen, und für das seiner Leute. Captain Lasseur und ich beschlossen, Matisse damit zu konfrontieren, weil wir den Jungen wieder nach oben holen wollten.«

»Warum haben Sie die Wachen nicht über die Entführung des Jungen informiert?«, unterbrach Hellard ihn.

»Weil wir es nicht für nötig hielten. Wir wussten nicht, dass es in Gewalt ausarten würde.«

»Etwas naiv von Ihnen, im Hinblick auf Matisses Ruf«, sagte Hellard.

Lasseur konterte schnell. »Mit Verlaub, Commander, wir sind erst kurze Zeit an Bord. Wir hatten keine Ahnung von Matisse und in welchem Ruf er stand.«

Hellard konsultierte das Register, das vor ihm lag. »Das sehe ich. Da haben Sie beide aber nicht lange gebraucht, um sich in Scherereien zu verwickeln, nicht wahr?«

Der Leutnant sah auf die Papiere. Er nahm einen Federhalter und machte eine Notiz. »Wer von Ihnen hat Matisse getötet?« Er sah nicht hoch, sondern schrieb weiter.

Es folgte ein längeres Schweigen, in dem man nur das Kratzen der Feder auf dem Papier hörte.

»Das war ich«, sagte Lasseur schließlich.

Hellard unterbrach sein Schreiben. Mit einem Ruck hob er den Kopf und kniff seine Augen zusammen. »Würden Sie uns dann vielleicht Ihre Version des Hergangs schildern, Captain Lasseur? Wenn Ihr Englisch dazu nicht ausreichen sollte, wird Leutnant Murat gern dolmetschen.«

Er sah Hawkwood durchdringend an. Der rechnete fast damit, dass Hellard sagen würde: »Ich weiß nicht, ob mir der Schnitt Ihrer Jacke gefällt«, und war fast enttäuscht, als es nicht kam. Hawkwood versuchte, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen.

Hellard sah weg. »Nun, Captain Lasseur?«

»Matisse brachte den Jungen um. Er tat es ganz kaltblütig, vor unseren Augen.«

»Warum sollte er das denn tun?«

»Um zu beweisen, dass er es konnte«, sagte Hawkwood. »Captain Lasseur und ich versuchten, ihn davon abzuhalten. Das war dann der Moment, als er seinen Leuten den Auftrag gab, uns umzubringen.«

»Sie scheinen sich ganz wacker geschlagen zu haben, trotz der Ungleichheit. Die anderen waren weit in der Überzahl.«

Lasseur hob den Kopf. »Captain Hooper und ich sind Fachleute. Matisses Männer waren Pöbel.«

Hellard seufzte tief auf. Er legte die Feder hin und lehnte sich zurück. »Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich Ihnen auch nur ein Wort glauben soll. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung hier sind meine Offiziere und ich nicht ganz so ahnungslos über die Vorgänge unter Deck. Aber denken Sie, es interessiert uns, wenn Sie sich prügeln? Das ist einer der Gründe, warum wir uns in Ihre internen Streitigkeiten nicht einmischen. Wir wissen ganz genau, dass Matisse den Türken dazu benutzte, um seine Autorität zu untermauern und seine Gegner einzuschüchtern. Wir wissen auch, wozu man die Rasiermesser benutzte. Übrigens ist es interessant, dass die Verletzungen an der Leiche des Türken und die von Captain Hooper ganz ähnlich sind«, fügte Hellard vielsagend hinzu. »Deshalb habe ich den Verdacht, dass es hier um mehr ging als nur um die Unschuld eines kleinen Jungen.«

»Der Türke hatte die Waffe«, sagte Hawkwood. »Ich habe sie ihm abgenommen.« Zumindest war es fast die Wahrheit, dachte er.

Hellard winkte ab. »Na gut, damit haben Sie Initiative bewiesen, Captain Hooper. So möchten die neuen Amerikaner doch gesehen werden, nicht wahr? Geistesgegenwärtige Pioniere, die eine neue Nation gründen. Ich nehme an, Sie wissen, dass das Wort ›Pionier‹ aus dem Französischen kommt? Peonier - das heißt Fußsoldat. Etwas ironisch, nicht wahr, für die Lage, in der Sie sich befinden?«

Hawkwood antwortete nicht. Er nahm an, dass Hellard ihn reizen wollte.

»Sie sind ein Überläufer, Hooper, Sie und der Rest Ihrer Landsleute. Ich habe mit Ihnen und Ihresgleichen nichts zu schaffen, außer dass ich Sie vielleicht bemitleide wegen Ihrer miserablen Urteilsfähigkeit. Es kann nicht viele Männer geben, die unter zwei verschiedenen Fahnen dienen und dann entdecken, dass beides die falschen waren.«

»Der Krieg ist noch nicht vorbei, Leutnant«, sagte Hawkwood.

»Für Sie schon«, sagte Hellard kurz. »Darauf können Sie sich verlassen.«

Die Augen des Commanders verengten sich. »Mich interessieren diese blauen Flecke um Ihren Hals. Wovon haben Sie die bekommen?«

Hawkwood sah ihm ins Gesicht. »Das geht Sie nichts an.«

Murat schnappte nach Luft.

Hellard fixierte Hawkwood mit starrem Blick. Nach einigen Sekunden, die eine Ewigkeit zu dauern schienen, schien er Hawkwoods Widerstand zu akzeptieren. Er nickte kurz und schlug knallend das Register zu. »Ich gebe zu, der Verlust des Jungen ist ein Unglück. Doch weder der Tod des Korsen noch der des Türken wird mir den Schlaf rauben, genau so wenig wie der irgendeines anderen, der in seinem Dunstkreis lebte.« Hellard machte eine Kunstpause. »Andererseits kann ich die Vorkommnisse auch nicht ignorieren.«

»Auf Duellieren steht die Todesstrafe durch den Strang«, sagte Thynne fast träge und sah Hawkwood an. »Steht in der Vorschrift.«

»In der Tat, so ist es, Leutnant«, sagte Hellard. »Vielen Dank für den Hinweis.«

Thynne wurde rot.

»Es war kein Duell«, wiederholte Lasseur hartnäckig.

»Ja, Captain, das sagten Sie bereits.« Hellard bedachte den Privateer mit einem säuerlichen Blick. »Die Verletzungen, die der Türke und Captain Hooper haben, sagen etwas anderes aus. Ganz gleich, heute sind hier Männer auf barbarische Art und Weise umgekommen, und das heißt, dass ich etwas tun muss. Das verlangt die Admiralität. Außerdem bin ich der Ansicht, dass ich ein Exempel statuieren muss, erstens als Strafe, aber auch zur Abschreckung. Jetzt, wo Matisse vor seinem Schöpfer steht, oder in seinem Falle wohl eher vor dem Teufel, müssen die Gefangenen daran erinnert werden, wer hier das Sagen hat, falls jemand den Ehrgeiz haben sollte, sich dessen Krone aufzusetzen. Sie verstehen das doch?« Hellard lehnte sich zurück.

»Was passiert mit den restlichen Männern von Matisse?«, fragte Hawkwood.

Die Atmosphäre in der Kajüte veränderte sich so schlagartig, als sei die Luft plötzlich elektrisch aufgeladen. Hellard sah seinen Kollegen an.

Thynne nahm den Finger aus dem Mund. Nach einer angemessenen Pause sagte er: »Wir werden die Bastarde aufhängen. Jeden Einzelnen von ihnen; und mögen ihre Seelen in der Hölle schmoren.« Der Leutnant ballte die Fäuste.

»Weil sie sich duelliert haben?«, fragte Lasseur. Er starrte den Commander an.

Nein, dachte Hawkwood, der die beiden beobachtete, es musste einen anderen Grund haben. Er erinnerte sich an das, was Fouchet gesagt hatte: Wenn ich Ihnen auch nur die Hälfte erzählte, würden Sie mich für verrückt erklären.

»Was hat es mit denen auf sich?«, fragte Hawkwood. In seinem Kopf fing es wieder an zu hämmern, aber eigentlich hatte es nie ganz aufgehört.

»Sagen Sie mal, Hooper«, sagte Hellard kurz, »haben Sie jemals darüber nachgedacht, was mit Ihren Leichen passiert wäre, wenn Matisses Leute Sie beide umgebracht hätten?«

»Nein, wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.«

»Vielleicht erzählt Leutnant Murat Ihnen dann mal, was für ein Schicksal Sie erwartet hätte, wenn Ihnen das nicht gelungen wäre«, sagte Hellard. »Na los, Leutnant, erzählen Sie mal, was Matisse mit den Leichen der Männer gemacht hat, die sich damals mit dem Türken duelliert und verloren haben.«

Murat schluckte nervös.

»Ich denke, es wird Sie interessieren«, sagte Hellard, »ehe ich Ihnen mein Urteil verkünde.«

Hawkwood wartete.

»Sagen Sie’s uns«, sagte Lasseur.

Murat holte tief Luft. »Ja, also, es scheint, dass die übliche Methode darin bestand, die Leiche des Verlierers … zu beseitigen.«

»Wie?«, fragte Hawkwood.

»Die Leichen wurden in Stücke zerteilt und durch die Latrine ins Wasser geworfen. Auf diese Weise waren die Beweise verschwunden und der Sieger entkam dem Strang.«

Hawkwood und Lasseur starrten den Dolmetscher ungläubig an.

Hellard, der Hawkwoods und Lasseurs Reaktion sah, sagte: »Na los, weiter, jetzt erzählen Sie auch noch den Rest.«

Murat wurde blass.

»Was meint er?«, fragte Lasseur.

»Es gab noch eine andere Methode.« Der Dolmetscher warf Hellard einen flehenden Blick zu, doch der beantwortete ihn mit eisernem Schweigen.

»Sarazin sagte, soweit er weiß, ist es einmal passiert. Er sagte, er habe davon gehört, als er in Portsmouth war …« Murat zögerte, seine Stimme war unsicher.

»Ja?«, sagte Lasseur.

»Er sagte, einmal war die Leiche zerlegt, aber nicht ins Meer geworfen worden. Sarazin sagte, das Fleisch wurde ganz zerschnitten und die Rafalés bekamen es zu essen.«

Lasseur war blass geworden. Entsetzt sah er Hellard an. »Ist das wahr?«

Hellard zuckte die Schultern. »Vielleicht ist es nur eine Geschichte, und der Kerl versuchte, seine eigene Haut zu retten, indem er seine Kameraden anschwärzte. Er wird zusammen mit den anderen an der Rahe hängen.«

Sarazin war der, der auf Cabrera und in Millbay gewesen war, erinnerte Hawkwood sich.

»Also«, unterbrach Hellard die gespannte Stille, die eingetreten war, »somit bleibt die Frage: Was soll ich mit Ihnen beiden machen?«

»An der Rahe ist reichlich Platz«, sagte Thynne, dann fügte er leiser hinzu, »aber wenn Sie mich fragen, Aufhängen ist zu gut für diese Schufte.«

Hellard erhob sich.

Als der Leutnant hinter dem Schreibtisch hervortrat, bildete sich ein Knoten in Hawkwoods Magen. Zuerst schien es eine gute Idee, sich mit Lasseur zu verbünden, in der Hoffnung, dass dessen Entschlossenheit zur Flucht ihm eine organisierte Route zeigen würde. Und jetzt, nur weil der Privateer einen Rachefeldzug vom Zaun brechen musste, um einen Schiffsjungen zu retten, der noch nass hinter den Ohren war, und weil er selbst sich von einem völlig irrationalen Pflichtgefühl hatte hinreißen lassen, hatte sein Auftrag sich zerschlagen und lag in Scherben vor seinen Füßen.

Hellard spitzte die Lippen. Es sah sehr beunruhigend aus, als würde er Thynnes Vorschlag ernsthaft erwägen.

Thynne, der am Fenster stand, intonierte wieder: »Die Vorschrift sagt …«

»Danke, Herr Leutnant«, schnitt Hellard ihm das Wort ab, ohne sich umzudrehen. »Die Vorschrift ist mir bekannt.«

Thynne wurde rot. Hawkwood sah, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte. Man konnte den bitteren Blick nicht übersehen, mit dem er den Rücken seines Commanders bedachte. Hawkwood ahnte, dass Hellards Abfuhr nicht der einzige Grund war. Die Feindschaft ging tiefer, und es war Hellard anzumerken, dass sie auf Gegenseitigkeit beruhte. Hawkwood fragte sich, was die Ursache sein könnte. Es konnte eine ganze Reihe von Gründen haben, obwohl man nach den wiederholten Hinweisen auf die Vorschriften ahnen konnte, dass Thynne sich für den besseren Offizier hielt und vermutlich glaubte, dass er eigentlich hier das Kommando führen sollte.

Hawkwood ging es durch den Kopf, was für eine Vorgeschichte Thynne wohl haben mochte. Genau wie die Armee brauchte auch die Navy ihre besten Männer an der Front. Kompetente Offiziere wurden nicht beauftragt, heruntergekommene Hulks in irgendwelchen Nebengewässern zu befehligen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Irgendwo musste auch auf Thynnes Weste ein Schmutzfleck sein, genau wie bei Hellard. Entweder das, oder Thynne hatte absichtlich versucht, dem Schlachtenlärm zu entgehen, indem er sich weitab vom Schuss die Stelle eines Commanders sicherte, nur um festzustellen, dass hier bereits ein in Ungnade gefallener Offizier von gleichem Rang, aber älter als er selbst, die Befehlsgewalt hatte. Hawkwood musste zugeben, dass diese zweite Version eher unwahrscheinlich war. Tatsache war, die beiden Leutnants waren sich nicht grün, was immer auch der Grund sein mochte.

Hellard sagte: »Nach den Aussagen des Gefangenen Fouchet und nach Ihren eigenen Aussagen neige ich dazu, im Zweifel für die Angeklagten zu entscheiden und Ihnen zu glauben, dass Sie aus Sorge um den Jungen gehandelt haben. Die Bekanntschaft mit dem Henker wird Ihnen erspart bleiben.«

»Sir?« Thynne trat einen Schritt vor. »Allerdings«, Hellard hielt die Hand hoch und Thynne blieb stehen, »der Tod von Matisse und seinen Leuten darf nicht - und wird auch nicht - ohne Strafe bleiben. Das wäre wirklich gegen die Vorschriften und es wäre nachlässig von mir, wenn ich Sie nicht angemessen bestrafen würde. Die Admiralität würde nichts anderes erwarten. Meine Entscheidung wird auch davon beeinflusst, dass Sie sich durch Ihre Tat hier einen gewissen Ruf erworben haben. Ich vermute, es gibt bereits Leute, die Ihnen am liebsten den Königsmantel des Korsen umhängen würden. Das wäre natürlich völlig inakzeptabel. Deshalb werden Sie beide auf das Gefängnisschiff Samson verlegt werden, das im Augenblick vor Gillingham liegt.«

Lasseur atmete scharf durch.

Diese Reaktion war verständlich. Jeder Gefangene auf der Rapacious hatte schon von der Samson gehört, egal wie lange er an Bord war. Es war ein Schiff, auf das Gefangene kamen, die als Unruhestifter galten. Den Gerüchten zufolge waren die Bedingungen auf der Samson so schlimm, dass die Rapacious dagegen eine Gartenparty war.

»Wäre es Ihnen lieber, wenn ich Sie zusammen mit den anderen aufhängte, Captain?«, sagte Hellard.

Ein süffisantes Lächeln erschien auf Thynnes Gesicht.

Lasseur antwortete nicht. Sein Gesicht war wie versteinert.

»Leider werden Sie nicht sofort verlegt werden können«, sagte Hellard. »Ich habe Nachricht, dass es an Bord der Samson einen Zwischenfall gegeben hat. Einige der Gefangenen haben versucht, mit einem Aufstand gegen ihre Verpflegung zu protestierten. Der Commander gab den Befehl, auf die Demonstranten zu schießen, und eine Anzahl von ihnen wurde getötet. Es wird eine Weile dauern, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Ich bin nicht unmenschlich. Die Gefängniszellen sind alle voll, und es wäre unklug, Sie mit den restlichen von Matisses Gefolgsleuten zusammenzulegen. Deshalb werden Sie zunächst unter Bewachung im Krankenrevier bleiben, wo sich der Arzt wenigstens um Ihre Verletzungen kümmern kann. Ich empfehle, dass Sie diese Gelegenheit zum Nachdenken benutzen. Für Sie, Captain Hooper, bedeutet dieses Debakel natürlich, dass Ihr Antrag auf Hafterleichterung zurückgezogen wurde. Wie ich höre, sollten Sie demnächst eine Anhörung haben. Diese ist nun auf unbestimmte Zeit vertagt und hängt von der Beurteilung Ihres künftigen Verhaltens ab. Ich vermute, es wird lange dauern, ehe einer von Ihnen seine Heimat wiedersieht, wofür Sie sich selbst zu danken haben.« Hellard nickte den Wachen zu. »Das wäre alles. Bringt sie zurück.«

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