«Komm endlich, Eva. «Michel zog sie hinter sich her. In dem barackenartigen, hellen Bau liefen viele Kinder und Jugendliche herum.
«Hej, Michel, ist das deine Freundin?«, fragte ein Junge mit einer schwarzen Samtweste. Michel nickte.
«Das war Stefan, ein Freund von meinem Bruder«, erklärte er Eva.»Aber jetzt komm, ich will dir jemand zeigen.«
Sie betraten einen mit Papiergirlanden geschmückten Raum. Auf einer kleinen Bühne stand eine Anlage, an der drei Männer herumbastelten. Es quietschte und brummte. Michel hielt sich die Ohren zu.»Petrus«, schrie er.»Kommst du mal?«
Einer der Männer, ein großer, magerer, drehte sich um. Er ließ die Anlage noch einmal so laut aufheulen, dass Eva erschrocken den Kopf einzog, dann drehte er den Knopf nach links.»Es klappt jetzt, Jungs«, sagte er zu den beiden anderen.»Ihr könnt jetzt die Bänder ordnen. «Dann sprang er mit einem Satz von der Bretterbühne herunter.»Hallo, Michel. «Er reichte Michel die Hand, dann Eva.»Und du bist die Eva?«
Sie nickte verlegen. Der Mann war noch jung. Er gefiel ihr, trotz Hakennase und Stirnglatze.
«Ich heiße Peter Guardini. Aber hier sagen alle Petrus zu mir. «Er grinste und sein Schnauzbart zog sich in die Breite.»Obwohl das nicht immer ein Paradies ist, das ich bewache.«
Eva betrachtete Michel von der Seite. Mit leicht offenem Mund starrte er Petrus an. Wie ein kleiner Junge, der gelobt werden will, fand Eva.
Petrus legte seine große Hand auf Michels Schulter.»Schön, dass du deine Freundin mitgebracht hast. Wir fangen gleich an. Ihr könntet noch im Garten beim Dekorieren helfen.«
«O. K., Petrus, machen wir. «Eva ging hinter Michel her durch einen kleinen Raum, in dem Tische und Stühle aufeinander gestellt waren und nur einen schmalen Weg zur Tür frei ließen, hinaus in die Sonne.
Im Garten standen auf langen Tischen Pappteller und Pappbecher. Ein paar Mädchen dekorierten die Tische mit Zweigen.»Schau mal, Ilona, dein Bruder mit einem Mädchen!«
Eva legte die Hand über die Augen. Die Sonne blendete sie und sie konnte keine Gesichter erkennen.
Ein Mädchen kam auf sie zu, jünger als Eva, farblos, fad, viel zu dick. Eva, verlegen, unsicher, hätte am liebsten gekichert. Das Mädchen trug ein Kleid aus genau dem Stoff, den die Mutter für sie hatte kaufen wollen. Was hatte die Mutter gesagt?» Nimm lieber was Frischeres, Kräftigeres. «Dieses Mädchen sah nicht frisch aus. Im Gegenteil.
«Wer ist das?«, fragte das Mädchen und schaute Michel fragend an.
Michel legte einen Arm um Eva.»Das ist Eva«, sagte er.»Meine Freundin. «Und zu Eva gewandt fügte er hinzu:»Und das ist meine Schwester Ilona.«
Eva streckte dem Mädchen die Hand entgegen, wollte Guten Tag sagen oder so etwas, aber bevor sie noch den Mund aufmachen konnte, hatte das Mädchen sich umgedreht und war weggegangen. Eva zog die Hand zurück. Sie fühlte sich beschämt.
«Ilona ist ein bisschen komisch«, sagte Michel.»Aber sie meint es nicht so. Wenn du sie erst ein bisschen besser kennst, dann wirst du das merken.«
Eva schaute dem Mädchen zu, das schon wieder mit bedächtigen Bewegungen Zweige von einem blühenden Strauch schnitt. Ilona war ein unpassender Name für so ein Mädchen, ein Name, der nach Lagerfeuer und Zigeunermusik klang.
Eva half Michel beim Zurechtrücken der Bänke und beim Verteilen der Limoflaschen. Michel grinste:»Bier gibt es drin an der Theke. Das muss man kaufen.«
«Trinkst du schon Bier?«
Michel lachte.»Hast du geglaubt, ich war' ein Baby?«
«Nein, aber das Tueendschutzeesetz…«Eva war
verwirrt.
«Ach das«, antwortete Michel verächtlich.»Außerdem bin ich gestern sechzehn geworden.«
«Wirklich? Warum hast du mir nichts gesagt?«
«Ich dachte, wir feiern heute sowieso.«
«Ich hätte dir etwas schenken können.«
«Schenk mir etwas, wenn ich wegfahre.«
Laute Musik drang aus dem Haus.»Es fängt an«, sagte Michel.»Komm schnell.«
In dem geschmückten Raum hatten viele schon angefangen zu tanzen.»Nebenan gibt es ein Programm für die Kleinen und die, die nicht tanzen wollen«, erklärte Michel.»Was magst du?«
«Tanzen.«
Sie brauchte viel Zeit diesmal, bis sie sich endlich in die Musik hineinfand, viel Zeit und Michels Hand. Aber dann ging es. Es ging dann sogar sehr gut. Ich kann das, dachte sie. Ich kann das immer wieder. Staunen und Freude fühlte sie.
Freiheit.
Sie tanzte schnell, Gesichter schwammen vorbei, fremde Gesichter, und manchmal Michel. Als sie schon fast keine Luft mehr bekam, ging sie mit Michel zu der kleinen Theke.
«Bier«, bestellte Michel.»Du auch, Eva?«
Sie schüttelte den Kopf.»Cola. «Sie sagte das ganz automatisch. Selterswasser wäre ihr lieber gewesen.
«Mach keinen Scheiß, Michel«, sagte der bärtige junge Mann hinter der Theke.»Du weißt genau, dass ich dir keins geben darf.«
«Bin gestern sechzehn geworden.«
«Wirklich?«
«Wenn ich es sage!«
Später, sie hatten alle im Garten Würstchen gegessen, wurde es sehr voll im Tanzraum. Die Musik war jetzt lauter, das Licht schummriger. Jemand hatte die großen Deckenleuchten ausgemacht.
Eva tanzte. Sie tanzte auch weiter, als Michel wieder etwas trinken wollte. Sie tanzte allein weiter, merkte kaum, dass er wegging. Ein junge stellte sich neben sie,
so einer mit langen Haaren, hautengen, glänzenden Hosen und einem bunten Hemd. Ein Angebertyp., aber ein sehr gut aussehender.
«Du tanzt gut«, sagte er und griff nach ihr, wollte sie an sich ziehen.
«Nein«, sagte Eva, die jetzt erst sah, dass viele Paare dicht aneinander gedrückt tanzten.»Nein, das mag ich nicht.«
«Gefalle ich dir nicht?«, fragte der junge herausfor-
dernd.
Eva ließ ihn stehen, drehte sich um und ging zur Theke. Eine Gruppe von Jungen und Mädchen stand dort herum, Bierflaschen in der Hand.
«Lasst mal Michels Braut durch«, rief ein Rothaariger. Die anderen lachten. Eva ärgerte sich, als sie merkte, dass sie rot wurde.
«Michel, deine Frau sucht dich!«, sagte der Rothaarige.
Eva wäre am liebsten unsichtbar gewesen. Sie spürte plötzlich, wie verschwitzt sie war, spürte, wie ihr Kör-per anschwoll und plump und unbeweglich wurde un-ter den neugierigen Blicken. Doch da war Michel und nahm ihre Hand.»Hält's Maul, Pete«, sagte er zu dem Rothaarigen.»Hält's Maul und lass mein Mädchen in Ruhe.«
«Was denn«, antwortete der Rote.»Seit wann bist du so empfindlich? Hältst dich jetzt wohl für was Bes-seres, wie? So toll ist sie ja nun auch wieder nicht. Da-für hättest du zwei kriegen können.«
Er hat mit mir angegeben, dachte Eva, als sie hinter Michel herging, hinaus in den Garten. Er hat sicher al-len gesagt, dass ich ins Gymnasium gehe. Aber er hat vergessen zu sagen, dass ich so fett bin.
Draußen im Freien war es kaum kühler als im Haus.»Es wird ein Gewitter geben«, sagte Eva.
«Ja.«
«Tut es dir Leid, dass du mich hierher gebracht hast?«
«Nein«, antwortete Michel böse.»Der Pete ist ein blöder Kerl. Man darf gar nicht hinhören, wenn er was sagt, so blöd ist der. Komm wieder rein.«
An den Türpfosten gelehnt stand der Junge mit der engen Jeans und dem bunten Hemd.»Na«, sagte er.»Wo "war denn mein kleiner Bruder mit seinem Frau-chen? Bisschen Händchen halten? Traust du dich über-haupt?«
«Lass mich in Ruhe, Frank«, sagte Michel und drängte sich an dem Jungen vorbei. Als Eva durch die Tür ging, streckte Frank die Hand aus und streifte ihre Brust. Eva ging schnell weiter.»Dein Bruder ist nicht besonders freundlich«, sagte sie zu Michel. Er schüt-telte den Kopf.»Wir haben oft Streit. Er ist so.«
Eva schaute auf die Tanzenden, betrachtete sie, be-sonders die Mädchen, ihre Hüften, die Weite ihrer Taillen, die engen Hosen, und sie fühlte sich wieder ganz fremd.
Schlager, Schnulzenmusik. Michel legte den Arm um sie. Sie gab sich Mühe, nicht zur Seite zu sehen, nicht auf die Umgebung zu achten, nur Michels Hand auf ihrer Hüfte zu spüren, nur seinen Körper, der ihr so nah war. Nur das.
Jemand tippte ihr auf die Schulter.»Kannst du Wal-zer?«, fragte Petrus.
«Ja.«
«Entschuldige mal«, sagte Petrus zu Michel und tanzte mit Eva. In einer Ecke stand ein Paar, fast bewe-gungslos, eng umschlungen. Eva drehte den Kopf weg. Plötzlich war sie sehr müde. Stefan tanzte mit ihr und der Junge mit der schwarzen Weste, dann wieder Mi-chel. Sie ließ sich drehen und führen, bis das Licht vor ihren Augen verschwamm und das Zimmer anfing, sich zu drehen.
«Ich brauche frische Luft.«
Sie setzten sich auf die Stufen, die vom Haus m den Garten führten. Im Garten war niemand. Auf den Tischen standen die Pappteller mit Senfresten, leere Limoflaschen, angebissene Semmeln.
Eva rückte näher zu Michel, ganz dicht an ihn heran.»Ich bin verschwitzt«, sagte sie,»ich stinke.«
«Nein, du stinkst nicht. «Michel legte seine Hand auf ihr Knie, schob sie weiter unter ihren Rock.
«Gehst du noch ein bisschen mit mir spazieren?«Seine Stimme war so leise, dass Eva ihn kaum verstehen konnte. Er legte seinen Kopf an ihre Schulter. Eva schaute hinauf in den Himmel und die Welt war voller Sterne. Seine Hand, dachte sie. Wenn uns jemand sieht.
«Was macht denn unser Kleiner da?«, fragte Frank.
Eva zuckte zusammen. Es gab keine Sterne mehr auf der Welt. Michel hatte seine Hand zurückgezogen.
«Hau ab, Frank.«
«Wie redest du denn mit mir? Bist du verrückt geworden? Geh halt mit deiner Puppe woandershin, wenn du sie aufs Kreuz legen willst.«
«Nimm dich in Acht!«Michel war aufgesprungen und starrte seinen Bruder wütend an. Frank stand da, die Daumen m den Schlaufen seiner Jeans eingehakt, breitbeinig.
Eva wich Michels Blick aus. Sie machte ein paar Schritte seitwärts in den Garten, hinein in den Schutz der Dunkelheit. Ein Junge mit einer Lederjacke trat aus der Tür.»Was ist, Frank, ziehst du wieder eine Schau ab?«, sagte er.
Frank beachtete ihn nicht.»Wie machst du es denn mit ihr?«, fragte er Michel.»Kommst du überhaupt dran, wenn du auf ihr liegst?«
«Du alte Sau!«
«Werd nicht frech, Kleiner, sonst kannst du was erleben!«
«Probier's doch! Los, probier's doch mal!«Michels Stimme klang hoch und schrill. Frank, ohne die Arme zu bewegen, trat nach Michel.»Willst du deinem Fettkloß beweisen, was für ein toller Kerl du bist?«
Michel stürzte sich auf ihn, hämmerte wild mit den Fäusten auf ihn ein. Eva stand erstarrt. Ihr Mund öffnete sich, aber sie schrie nicht. Sie sah, dass auf einmal einige Jungen und Mädchen in der Tür standen und dem Kampf zuschauten.
«Mensch, Frank, hör auf zu spinnen!«, rief einer.
«Los, Michel, zeig's ihm!«, drängte ein anderer.
Plötzlich hatte Frank ein Messer in der Hand.
«Nein!«, schrie Eva.»Nein, nein!«Hatte sie laut geschrien? Panik erfasste sie. Sie wollte sich auf die Kämpfenden stürzen, aber sie konnte sich nicht rühren. Die anderen, die in der Tür, hatten weiße Gesichter, weiß mit dunklen Löchern dann. Jemand schob Michel einen Stuhl zu, der Junge, der vorher» Zeig's ihm «gesagt hatte.
Michel nahm den Stuhl an zwei Beinen, hielt ihn hoch über seinem Kopf, machte zwei staksige Schritte auf Frank zu und schlug mit dem Stuhl auf ihn ein. Eva schloss die Augen. Als sie sie wieder aufmachte, lag Frank auf dem Boden. Aus einer Wunde an seinem Kopf lief Blut und verklebte die langen Haare zu Strähnen, zu rötlich braunen, hässlichen Strähnen. Michel stand da, noch immer den Stuhl in den Händen, und starrte auf seinen Bruder.»Nein«, wiederholte er immer wieder,»nein, nein! Das nicht!«
Ein Junge mit einem silbernen Kreuz um den Hals nahm Michel den Stuhl aus der Hand und trug ihn zurück ins Zimmer. Die anderen machten ihm schweigend Platz. Dann war Ilona da, setzte sich neben Frank und nahm seinen Kopf auf den Schoß. Sie wiegte ihn hin und her, wie eine Puppe, und Tränen liefen über ihr Gesicht. Ihr Kleid war hochgerutscht, ihre Oberschenkel waren dick und weiß in dem Licht, das aus der offenen Tür fiel.
«Ilona, nicht! Frank muss ganz ruhig liegen. «Petrus hatte sich gebückt und hielt den Kopf des Jungen. Ilona schaute ihn mit großen Augen an. Jemand kam und zog sie weg.
«Reiner, ruf den Notarzt an«, sagte Petrus.
Ein Junge ging zurück in das Haus. Niemand sagte ein Wort. Auch als der Notarzt kam, mit Martinshorn und Blaulicht, wurde nicht viel gesprochen.
«Frank Weilheimer heißt er, ja.«
«Nein, wir haben nichts gesehen. Wir waren beim Tanzen.«
«Er muss gestürzt sein.«
«Ja, so wird es gewesen sein.«
Die anderen standen um Michel herum, der mit aufgerissenen Augen zusah, wie Frank auf eine Trage gehoben und zum Wagen gebracht wurde.
«Wenn du nur nicht gekommen wärst…!«, sagte Ilona zu Eva.
Alle halfen, das Haus aufzuräumen. Petrus brachte Michel und Ilona nach Hause, war aber bald wieder zurück.
«Schluss mit der Feier«, sagte er.
Niemand antwortete ihm.
Eva sammelte gerade die Pappbecher ein, die überall herumlagen, als ihr Vater kam.
«Sehr fröhlich seht ihr ja nicht aus«, sagte er.
Eva fing an zu weinen.»Hat dir jemand etwas getan?«, fragte der Vater. Er sah groß und stark aus und sehr besorgt. Eva lehnte sich an ihn. Er legte den Arm um sie.»Hat dir jemand etwas getan?«, fragte er noch einmal. Eva schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Nein, niemand hatte ihr etwas getan. Nichts war geschehen, nein. Eva drückte ihr Gesicht an seinen Ärmel. Der Geruch war vertraut und tröstend. Nein, es war nichts.
«Es hat einen Unfall gegeben«, erklärte Petrus dem Vater.»Ein Junge ist gestürzt.«
Eva weinte, den Kopf in die Kissen vergraben, mit heißem, verquollenem Gesicht.»Willst du deinem Fettkloß beweisen, was für ein toller Kerl du bist?«Und dann Frank, auf dem Boden liegend, Ilona, die seinen Kopf wiegte, Ilona, die sagte:»Wenn du nur nicht gekommen wärst…!«
Eva spürte, wie ihr Magen sich zusammenzog. Ich Fettkloß! Meinetwegen ist das passiert, nur meinetwegen. Und Michel? Warum war er nicht einfach weggegangen? Frank hatte ein Messer in der Hand, es blitzte im Lichtschein.
Eva, mit kribbelnden Wangenmuskeln und vorgeschobenem Unterkiefer, erreichte gerade noch das Badezimmer, beugte sich über das Waschbecken und würgte, würgte alles heraus, bis ihr Bauch sich zusam-menkrampfte. Sie drehte den Kaltwasserhahn auf und ließ das Wasser über ihr Gesicht und ihre Hände laufen, spülte das Erbrochene weg, wischte so lange, bis nur noch der säuerliche Geruch übrig blieb.
Sie fühlte eine große Leere in sich, ein riesiges Loch, hohl war sie, ausgehöhlt, schmerzhaft ausgehöhlt.»Mir tut der Magen weh, weil er so leer ist. «Ein tröstlicher Gedanke, dass sie etwas gegen die schmerzende Unlust tun konnte.
Sie aß eine trockene Scheibe Weißbrot, ganz langsam aß sie, kaute lange, um ihren armen, gepeinigten Magen zu schonen. Das trockene Brot kratzte in ihrem Hals. Sie wärmte sich Milch, aß ein Butterbrot dazu, dann noch eines, Salami war im Kühlschrank und Mil~ kana Schmelzkäse, zwei Ecken waren noch da. Die Schmerzen in ihrem Bauch ließen nach, sanft wurde ihr Magen, ganz sanft und voll. Sie schlich in ihr Bett zurück.
Es gab kein Problem außer diesem Problem, dem Problem der Probleme. Der Speck war es, diese widerliche, weiche Wabbelschicht, die zwischen ihr und ihrer Umwelt stand, Stoßdämpfer und Kokon, Polster und Eisenring. Nur der Speck war schuld. Speck bedeutete Traurigkeit, Abseitsstehen, Abgelehntwerden, bedeutete Spott, Angst, Scham.
Eingebettet in Speck verbarg sie sich, sie, die wahre Eva, die eigentliche Eva, so wie sie sein sollte: unbelastet von der Last des Fettes, leicht-lebig, hebens-wert.
Eingesperrt in dieser Fettschicht war sie, die wirkliche Eva, die nicht ständig an Essen dachte, an Nahrung und Füllstoff, die nicht so beschämend heimlich über alles Essbare herfiel und es in sich hineinfraß wie eine Maschine, wie ein Bagger, alles, egal was, und so lange, bis nichts mehr da war.
Eingepfercht in diesen Kokon lebte die andere Eva, die, die keine Gier kannte, kein wahlloses Mampfen, Schlingen, Schlucken, Würgen.
Eines Tages, an irgendeinem Tag, würde der Speck in der Sonne schmelzen, ein ganzer Fettbach würde in den Rinnstein fließen, eine widerliche, stinkende, ölige Flüssigkeit, und übrig blieb sie, die andere Eva, die schwerelose, heitere, wirkliche Eva. Die glückliche Eva.