Katzenjammer

Am Montagmittag erwachte das kleine Gespenst mit Kopfschmerzen. Es fühlte sich matt und elend.

„Die gestrige Anstrengung hat mir gewaltig zugesetzt", dachte es. „Aber vielleicht fehlt mir weiter nichts als ein bißchen frische Luft um die Nase, ich finde es ziemlich stickig hier ..."

Es verließ die Kommode und sah sich im Keller der Ratsapotheke um. Nacheinander besichtigte es den Vorratskeller, die Waschküche und den Kohlenkeller, den Obstkeller und die Holzlege. Schließlich geriet es auf seinem Rundgang auch in den Weinkeller. „Donnerwetter, die vielen Flaschen!" staunte es. „In dem Haus scheinen Leute mit einem gesunden Durst zu wohnen."

Der Weinkeller hatte ein schmales, vergittertes Fenster zum Garten hinauf. Das Fenster stand offen. Eben wollte das kleine Gespenst den Kopf durch das Gitter stecken und einen Blick nach draußen werfen, da hörte es in der Nähe des Fensters Kinder sprechen, und schleunigst zog es den Kopf zurück.

Die drei Kinder des Apothekers lagen im Schatten des Hauses auf einer Decke und unterhielten sich. Das kleine Gespenst konnte jedes Wort verstehen. Weil es gerade nichts Besseres vorhatte, hörte es ihnen zu.

Der eine der beiden Jungen hieß Herbert und war elf Jahre alt. Seine Geschwister, die Zwillinge Günther und Jutta, waren knapp neun.

Herbert führte wie immer das große Wort.

„Ihr müßt zugeben, daß es ein tolles Stück war!" rief er. „Der Schwarze Unbekannte ist großartig. Wie die Hasen sind sie vor ihm davongelaufen! Ich finde, es war zum Totlachen!"

Jutta war anderer Meinung.

„Was du an der Geschichte bloß spaßig findest! Tut es dir denn nicht leid um das schöne Festspiel?"

„Mir schon!" brummte Günther. „Es wäre bestimmt eine feine Sache geworden, wenn dieser Kerl nicht dazwischengefahren wäre . . . Der Anfang war jedenfalls gar nicht schlecht."

„Weißt du, was mir am besten daran gefallen hat?"

fragte Jutta. „Am besten hat mir gefallen, daß alles so echt gewirkt hat. Zum Beispiel der Torstenson! Hat er nicht haargenau ausgesehen wie auf dem Bild im Burgmuseum? Sogar den Provisor Deuerlein mußte jeder für einen schwedischen Offizier halten, wenn er nicht wußte, daß er in Wirklichkeit ein verkleideter Apotheker war!"

„Ich stelle mir vor", meinte Günther nachdenklich, „wieviel Mühe und Geld es gekostet hat, vierhundertsechsundsiebzig schwedische Uniformen zu schneidern. Und woher sie wohl ihre Federhüte und Waffen hatten? Es muß für die Festspielleitung nicht einfach gewesen sein, alle Mitspieler "damit auszustatten!"


Das kleine Gespenst hing mit beiden Händen am Gitter des Kellerfensters und traute seinen Ohren nicht. Wenn es die Kinder im Garten recht verstand (und daran gab es überhaupt nichts zu zweifeln), dann waren es also gestern gar keine echten Schweden gewesen, die es verjagt hatte -und schon gar nicht der echte Torstenson!

Nein, zum Kuckuck, der echte Torstenson konnte es ganz unmöglich gewesen sein! Seit er die Burg und das Städtchen belagert hatte, waren ja volle dreihundertfünfundzwanzig Jahre vergangen! So alt wird kein Mensch, so alt werden nicht einmal Generäle.

„Was habe ich da bloß angestellt!" dachte das kleine Gespenst entsetzt. ,Ach du liebe Güte! Wie konnte ich nur so dumm sein! Und dabei kam ich mir noch wie ein großer Held vor . . . Ein feiner Held bin ich! Einer der feinsten Helden, die man sich vorstellen kann!"

Das kleine Gespenst hätte sich ohrfeigen können, so zornig war es. Je länger es über die Angelegenheit nachdachte, desto größer wurde sein Katzenjammer.

„Mir scheint, es wird höchste Zeit, daß ich wieder nach Hause zurückkehre auf den Eulenstein", sagte es sich. „Hier unten erlebt man ja nichts wie Ärger und Aufregung jeden Tag, und das reicht mir nun, davon habe ich für den Rest meines Lebens die Nase voll. - Doch bevor ich mich aus dem Städtchen empfehle, werde ich den drei Kindern im Garten erzählen, wie alles gekommen ist. Das mit den Schweden gestern und überhaupt. Dann können sie allen Leuten davon berichten. Wenn ich schon daran schuld war, daß das Festspiel ein solches Ende genommen hat, sollen die Eulenberger auch wissen, was ich mir bei der ganzen Sache gedacht habe. Es geht dabei schließlich um meinen guten Ruf!"

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