Gute Nachrichten

Kaum hatte am nächsten Mittag die Rathausglocke zwölf Uhr geschlagen, da stürzte das kleine Gespenst zum Kellerfenster hinaus in den Apothekersgarten, wo Herbert und seine Geschwister es schon erwarteten.

„Na und?" rief es aufgeregt. „Habt ihr etwas erreichen können? Ja oder nein?"

„Sie dürfen beruhigt sein, es hat alles geklappt", sagte Herbert; und Jutta ergänzte mit strahlender Miene: „Ich hoffe, Sie werden zufrieden sein. Es sieht ganz so aus, als ob wir Ihnen helfen können."

„Wirklich?!" Das kleine Gespenst war so glücklich über die gute Nachricht, daß es vor Freude zu hüpfen anfing. „Erzählt doch!" bat es in höchster Aufregung. „Bitte, erzählt doch!"

Aber Herbert entgegnete: „Gehen wir lieber ins Gartenhäuschen, dort stört uns niemand. Und außerdem möchte ich Ihnen zuvor den Schlüsselbund mit den dreizehn Schlüsseln zurückgeben, schönen Dank dafür!"

„Bitte, bitte, wenn er euch nur genützt hat!"

Im Gartenhäuschen war es gemütlich eng. Wie Verschwörer hockten die vier um den runden Gartentisch.

„Nun aber los! Ich will endlich wissen, woran ich bin!"

Herbert und seine Geschwister berichteten von dem Gespräch mit dem Uhu Schuhu, und daß er vermute, das Mißgeschick, das dem kleinen Gespenst widerfahren sei, stehe in irgend einem geheimen Zusammenhang mit der Rathausuhr.

„Zuerst haben wir wenig mit diesem Hinweis anfangen können", gab Günther zu.

„Aber dann haben wir uns gesagt: Was die Rathausuhr angeht, da fragt man am besten den Uhrmachermeister Zifferle. Wir also hin zu ihm - und was, glauben Sie, hat sich dabei herausgestellt?"

„Was denn?" fragte das kleine Gespenst. „Herr Zifferle hat uns erzählt", sagte Jutta, „daß er vor sechzehn Tagen im Auftrag des Bürgermeisters die Rathausuhr überholen mußte. Morgens um sieben hat er das Uhrwerk abgestellt.

Hernach hat er volle zwölf Stunden lang an der Uhr gearbeitet, bis um sieben Uhr abends."

„Und dann, nach zwölf Stunden also", fuhr Herbert mit wichtiger Miene fort, „hat er die Rathausuhr wieder in Gang gesetzt, der Herr Zifferle - und zwar ließ er sie einfach dort weiterlaufen, wo sie am Morgen stehengeblieben war. Auf dem Zifferblatt bleibt es sich schließlich gleich, ob es sieben Uhr früh oder sieben Uhr abends ist."

„Aber eben bloß auf dem Zifferblatt!" hakte Günther ein. „In Wirklichkeit geht die Rathausuhr seither um zwölf Stunden nach: Wenn es Mitternacht ist, schlägt sie Mittag; und wenn es Mittag ist, schlägt sie Mitternacht! Das hat niemand im ganzen Städtchen gemerkt, denn es ist niemand dabei zu Schaden gekommen - mit einer Ausnahme ..."

„Und die Ausnahme, die bin ich!" rief das kleine Gespenst, das allmählich begriffen hatte, wie alles zusammenhing.

„Bloß weil die Rathausuhr nachgeht, wache ich neuerdings immer zu Mittag auf, statt um Mitternacht!"

Die Geschwister nickten. Sie zweifelten nicht daran, daß die Sache sich so verhielt.

„Ihr glaubt also wirklich, daß ihr mir helfen könnt?"

„Das glauben wir", sagte Herbert.

„Und deshalb", erklärte Günther, „steigen wir heute abend um sieben mit dem Herrn Zifferle auf den Rathausturm ..."

„Und dann", setzte Jutta fort, „wird die Rathausuhr einfach um zwölf Stunden weitergedreht, bis sie wieder stimmt."

„Das ist alles?" staunte das kleine Gespenst.

Ja, das sei alles, sagten die Apothekerskinder. Sollte es fehlschlagen, wüßten sie nicht, was sonst helfen könnte.

„Aber es wird schon klappen!" rief Jutta zuversichtlich; und Günther beteuerte:

„Selbstverständlich klappt es!"

„Ach, Kinder!" seufzte das kleine Gespenst und verdrehte die weißen Augen dabei. „Wenn ihr recht behieltet - es wäre nicht auszudenken!"

Dann schwärmte es den Geschwistern vor, wie sehr es sich darauf freue, wieder als Nachtgespenst durch die Burg zu geistern, und daß es sich überhaupt nichts Schöneres denken könne. Und so schwärmte es, bis die Mittagsstunde beinahe zu Ende war.

Da fiel ihm auf einmal der Brief an den Bürgermeister ein.

„Den Brief könnt ihr heute abend zur Post bringen", sagte es. „Ob wir Glück haben mit der Rathausuhr oder nicht -morgen um diese Zeit werde ich jedenfalls nicht mehr im Städtchen Eulenberg sein, das steht fest."

Dann wollte es sich empfehlen, um in den Keller zu schlüpfen. Doch Jutta ließ das nicht zu. Sie bestand darauf, daß das kleine Gespenst diesmal nicht im Keller schlief, sondern im Gartenhäuschen, wo sie ihm mit den Kissen aus ihrem Puppenbett in der Sitztruhe ein bequemes Lager richtete.

„Schlafen Sie wohl - und viel Glück beim Erwachen!" wünschte sie ihm, bevor sich Schlag eins über ihm der Deckel schloß.

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