KAPITEL ELF




Die tägliche Einsatzbesprechung fand in der Jasmine-Suite statt, einem Hotelzimmer, das für die Gruppe reserviert worden war. Alle waren anwesend, sogar die beiden Fahrer, Stan Gates und Rajeb Patel. Danny erzählte die Geschichte des Dämons, der an diesem Nachmittag explodiert war.

Dave zuckte zusammen; die Geschichte erinnerte ihn an den Brand, bei dem seine Frau und sein Kind ums Leben gekommen waren. Obwohl er Vanessa liebte, waren die Wunden, die ihm vor sechs Jahren geschlagen worden waren, immer noch nicht ganz verheilt. Ein Feuer in einem Kaufhaus bedeutete für ihn die Wiederkehr eines alten Alptraums.

»… dann weiß ich nur noch, daß Petra im Eingang stand«, schloß Danny.

»Haben Sie den Dämon gesehen?« fragte Lloyd Petra.

»Ich habe ihn zuerst bemerkt – gerade als er erkannte, was ich bin…«

»Was Sie sind?« fragte Lloyd mit gerunzelter Stirn.

»Ja, daß ich in Verbindung zum Erzengel stehe. Der Dämon hat gefühlt, daß ich da war, und ich wußte, wer er war – ich kann es spüren. Ich wußte, daß er ein Dämon war. Dann lief er fort, und Danny setzte ihm nach. Ich folgte ein wenig später.«

Lloyd wandte sich an Stan Gates. »Und was ist mit Ihnen, Sergeant?«

Stan fühlte sich sichtlich unwohl bei all dem Gerede über das Übernatürliche. Er sah aus, als würde er es vorziehen, wirkliche Verbrecher zu jagen – richtige Menschen, die nicht in einem weißen Feuer explodierten. Stan Gates fuhr gern in einem schnellen Wagen mit kreischenden Sirenen umher, sicher, daß der Mann, den er verfolgte, aus Fleisch und Blut bestand. Er rutschte so heftig auf seinem Stuhl hin und her, daß dieser protestierend quietschte; das Geräusch machte Lloyd nervös.

»Nun?« fragte er, schärfer als beabsichtigt.

»Ich, eh, ich habe das Opfer gesehen – langer, schwarzer Mantel, schmieriges, am Kopf anliegendes Haar, seltsam aussehende Augen. Er stand auf dem Bürgersteig und starrte uns an, als hätte er jemanden erkannt. Damals nahm ich an, er sei unser Mann, daß die Anwesenheit von Sergeant Spitz ihn aufgescheucht hätte, aber die junge Lady hier belehrte mich eines Besseren. Ich bin nicht ausgestiegen – ich hatte die Anweisung, im Wagen zu bleiben –, und habe deshalb die, äh, Verbrennung, nicht gesehen.«

»Sind Sie auch vollkommen sicher, daß es sich nicht um Manovitch handelte?« fragte Lloyd Petra.

»Vollkommen. Genauso, wie ich sicher bin, daß das Opfer kein Sterblicher war.«

Dave unterbrach sie. »Gibt es einen Grund zu bezweifeln, daß Petra mit dem Erzengel in Verbindung steht? Ich möchte nur sicher sein, daß sie kein falsches Medium ist, das versucht, sich einen Namen zu machen.«

Danny stellte sich schützend vor Petra. »Hey…«

»Nein. Hör zu, Bruder Tuck, wir alle wissen, daß dich diese geheimnisvolle junge Frau bei den Eiern hat, aber das heißt noch lange nicht, daß sie ehrlich ist. Sie könnte sich sogar selbst zum Narren halten. Wir haben keinen Beweis, oder?«

»Jetzt hör mal gut zu, Mutter Teresa«, sagte Danny. »Hab nur ein kleines bißchen Vertrauen und werde deinem Spitznamen gerecht.«

»Gentlemen, Gentlemen«, sagte Lloyd. »Bitte, regen Sie sich nicht auf. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß Petra die Macht besitzt, die sie zu haben vorgibt, aber natürlich hat Lieutenant Peters das Recht zu zweifeln. Lassen sie uns jetzt einen Blick auf die gegenwärtige Situation werfen. Wir haben einerseits eine verderbte und unbarmherzige tote Seele in einem der Stadtteile, die – soweit wir wissen – bereits mehrere Menschen getötet hat, aber bis jetzt im verborgenen blieb. Auf der anderen Seite haben wir den Erzengel – die zweite Stufe aus dem dritten Kreis der Engel. Engel werden in neun Ränge eingeteilt: Im ersten Rang befinden sich die Seraphim, die Cherubim und die Throne; im zweiten die Herrschaften, die Tugenden und die Mächte, und im dritten die Fürstentümer, die Erzengel und die Engel. Aber was geschieht, wenn der Erzengel versagt? Vielleicht wird ein Höherrangiger zur Erde geschickt – möglicherweise jemand aus dem obersten Rang. Was geschieht, wenn ein Seraphim kommt, um Manovitch zu zerstören?«

»Goodbye, Erde?« fragte Danny.

Lloyd nickte ernst. »Sie verstehen also, weshalb wir ihn erwischen müssen. Können wir Petra jetzt fragen, wie geduldig der Erzengel voraussichtlich sein wird?«

»Der Erzengel sagt, er sei auf die Erde gekommen, um die Konferenz vor Manovitch zu beschützen.«

»Rock ‘n’ Roll«, sagte Dave sarkastisch. »Aber das ist immer noch kein Beweis dafür, daß Sie mit ihm in Verbindung stehen. Sie könnten ein Dämon sein, nach allem, was wir wissen. Schön genug sind Sie ja. Ich vermute, es gibt auch weibliche Dämonen, stimmt’s, Bruder Tuck? Man nennt sie Sukkubi, oder?«

»Treib es nicht zu weit, Dave«, sagte Danny. »Ich weiß, daß du wegen der Sache zwischen mir und Petra sauer bist.«

»Sauer«, brummte Dave. »Weshalb sollte ich sauer sein? Ich versuche nur, dich zu schützen, du Idiot. Wir wissen nicht das geringste über diese Frau«, er schaute Petra ins Gesicht, »außer dem, was man uns gesagt hat. Ich bin skeptisch; und ich möchte einen Beweis dafür sehen, wer oder was sie ist, bevor wir weitermachen.«

»Und was meinen die anderen dazu?« fragte Lloyd. Dann wandte er sich an Petra: »Verzeihen Sie mir, meine Liebe, aber wir müssen diesen Punkt klären.«

»Natürlich«, erwiderte sie mit unbewegtem Gesicht.

»Ich schließe mich dem Lieutenant an«, sagte Stan Gates ruhig. »Ich bin altmodisch. Ich brauche einen kleinen Beweis.«

Rajeb Patel nickte, um zu zeigen, daß er der gleichen Meinung war.

»Nun, Sie werden Ihren Beweis nicht bekommen, Lieutenant«, sagte Petra, »weil ich vor niemandem einen Nachweis erbringen muß, am allerwenigsten vor Ihnen. Sie müssen mir glauben wie alle anderen. Das war’s.« Sie erhob sich und verließ das Zimmer.

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