KAPITEL SECHS




»Manovitch«, wiederholt Danny leise. »Dieser Hurensohn hat uns gerade noch gefehlt.«

Manovitch war 1996, zu der Zeit als der Engel auf der Erde weilte, während der großen Brandstiftungswelle gestorben, die weltweit die Großstädte überschwemmte. Sein Körper, der nur durch die Zähne identifiziert werden konnte, war in einem ausgebrannten Apartment gefunden worden, das dem damaligen Detective Sergeant Dave Peters gehört hatte. Manovitch hatte versucht, eine Sprengfalle anzubringen und war seiner eigenen Brandbombe zum Opfer gefallen.

Die Jungs sagten, Mutter Teresa sei, nachdem er nach heftigern Kampf in der Kathedrale über den gefallenen Engel gesiegt hatte, nach Hause zurückgekehrt, nur um zu entdecken, daß er keine Wohnung mehr hatte und all seine Besitztümer vernichtet worden waren. Mutter Teresa hatte es nicht viel ausgemacht, da er erst kurz zuvor bei einem Kaufhausbrand Frau und Kind verloren hatte; die ausgebrannte Wohnung versetzte ihn in die Lage, endgültig mit seiner Vergangenheit zu brechen.

»Es kann nicht zwei Manovitchs geben«, flüsterte Dave. »Nicht noch einen von dieser Sorte.«

»Dann kennen Sie ihn?« fragte Lloyd.

Erneut hatte Dave das Gefühl, daß Lloyd Smith sich der Verbindung zwischen ihm und Manovitch bewußt war, doch geduldig erklärte er ihm, daß er und Danny schon früher mit Manovitch aneinandergeraten seien.

Lloyd beugte sich vor und schaute Dave an. »Okay, nun, Sie sind hier, um uns zu helfen, Manovitch zu fangen, bevor er unsere Konferenz ruiniert – oder bevor der Erzengel zu dem Schluß gelangt, sich persönlich mit Manovitch befassen zu müssen. Petra hat erklärt, daß der Erzengel hauptsächlich hier ist, um die Konferenz auf dieser Seite des Flusses mit seiner Gegenwart zu schützen. Doch Manovitch scheint zu Satans erfolgreichsten und liebsten Generälen auf den Schlachtfeldern Armageddons zu gehören, und der Erzengel will ihn unbedingt schnappen.«

Dave starrte Lloyd an und entschied, daß es an der Zeit war, offen zu spielen. »Ist das eine abgekartete Sache?« fragte er, während er sich vorbeugte. »Benutzt man uns, um Manovitch aus seinem Versteck zu locken?«

»Ja«, sagte Danny. »Hört sich an, als wären wir der Köder.«

»Nun, so grob würde ich es nicht ausdrücken«, sagte der Erzdiakon, der die Hände verschränkte und offenbar nicht im mindesten beleidigt war. »Hier handelt es sich um ein recht kompliziertes Szenario, und ich denke, Sie machen es sich mit ihrem ›Köder‹ und der ›abgekarteten Sache‹ zu einfach. Es… es ist einer der Gründe, weshalb Sie hier sind.«

»Hat es in letzter Zeit in London eine Zunahme an Brandstiftungen gegeben?« fragte Dave.

Lloyd nickte. »Wir versuchen, es geheimzuhalten, damit die Trittbrettfahrer nicht aus ihren Löchern kriechen. Der große, vom Erzengel verursachte Brand hat sie alle für den Augenblick mit Ehrfurcht erfüllt, aber wenn sie erfahren, daß es kleinere Brände gegeben hat, hätten wir es wieder mit einer neuen Welle von Brandstiftungen zu tun, wie 1996. Die Medien würden liebend gern etwas darüber bringen, aber die Regierung hat sie angewiesen, nichts über die Brände verlauten zu lassen.

Auch die Zahl der Morde hat sich drastisch erhöht – wir glauben, daß es Manovitch selbst ist, der sein Handwerk ausübt. Meistens erwürgt er seine Opfer, oft nach einer Vergewaltigung. Er vergewaltigt Männer und Frauen. Wenn ich Petra richtig verstanden habe, ist sein sexueller Appetit jetzt, da er wieder einen Körper besitzt, extrem stark. Ihnen würde sich beim Anblick einiger Opfer der Magen umdrehen.« Lloyd schüttelte sich unwillkürlich.

Dave nickte. »Sie sagten, wir seien nicht nur als Köder hier.«

»Nun, das auch, aber wie ich bereits sagte, ist es nicht ganz so einfach. Petra hat mir erklärt, daß Manovitch spüren kann, wenn Sie in der Stadt sind. Also wird er durch die Straßen streifen und somit für jene, die ihn jagen – seien es Engel oder Menschen – zu einem leichteren Ziel. Wir haben Hunderte von Leuten dort draußen, die nur darauf warten, daß Manovitch seinen Zug macht. Dann werden wir ihn töten.«

»Bevor er uns tötet, hoffe ich«, knurrte Danny. »Und womit wollen Sie ihn töten? Wie tötet man eine tote Seele?«

Petra beantwortete die Frage mit weitaufgerissenen Augen: »So wie man einen Engel oder Dämon tötet, wenn er zur Erde kommt: mit heiligem Feuer, falls möglich.«

»Wir haben einen neuartigen Revolver entwickelt«, erklärte Lloyd, »einen, der Feuerprojektile verschießt. Wenn diese Kugeln auf einen Gegenstand schlagen, verdampfen sie beim Aufprall und wechseln so rasch vom festen in den flüssigen und dann gasförmigen Zustand über, daß sie sich entzünden. Wir werden jedem von Ihnen später einen aushändigen.«

»Freut mich zu hören«, brummte Danny. »Aber was ist mit der ›heiligen‹ Seite des Ganzen?«

Diese Frage machte Lloyd verlegen. Er murmelte: »Wir haben den ganzen Satz Munition von einem Erzbischof segnen lassen, so wie man Wasser segnen würde, um es in Weihwasser zu verwandeln…« Die schlanken, wächsernen Hände in seinem Schoß bewegten sich unruhig.

»Ein Erzbischof hat eine Vernichtungswaffe gesegnet?« rief Dave.

Lloyd rutschte auf seinen Stuhl hin und her. »Nun, wir hielten es für eine gute Idee. Wir sind nicht sicher, ob es funktioniert – nicht einmal Petra kann es uns sagen. Um noch einmal darauf zurückzukommen«, fuhr er ein wenig lebhafter fort, »die Gründe, weshalb wir Sie hier brauchen, sind vielfältig – oder wenigstens«, er lächelte, »mehr als einfältig. Erstens: Manovitch wird Ihnen verstärkt nachspüren und somit sichtbarer sein. Zweitens: Sie können ihn identifizieren, da Sie ihn bereits als Lebenden kannten. Drittens: Sie können ihn jagen, während er Sie jagt. Viertens… «

»Vergessen Sie’s.« Dave winkte müde ab. »Es läuft doch alles nur auf ein Wort hinaus – ›Köder‹. Nun, wenn wir deshalb hier sind – gut. Danny und ich sind Cops, und wir tun unsere Pflicht.«

»Ich möchte Petra noch eine letzte Frage stellen, solange ich noch denken kann. Als der Engel im Jahre sechsundneunzig auf die Erde kam, tötete er eine Menge unschuldiger Menschen. Er sagte, das verstoße nicht gegen die Zehn Gebote, da die Seelen der Opfer nicht für immer verloren seien; es stellte in seinen Augen keinen echten Verstoß dar. Und jetzt zerstört der Erzengel bei seiner Landung einen Haufen Gebäude, tötet aber keinen Menschen. Weshalb?«

»Weshalb was?« fragte Petra.

»Weshalb diese Veränderung im Verhalten der Engel?«

»Der Erzengel wollte das Risiko verringern.«

Danny wirkte verwirrt. »Wessen Risiko?«

»Seines. Der Erzengel wollte nicht in die gleiche Falle tappen wie der Engel. Engel sind es nicht gewöhnt, unter den Sterblichen zu weilen. Der letzte Engel wurde besudelt, verdorben. Während seines Aufenthaltes auf der Erde kam Verwirrung über ihn, und er wich vom Pfad des Gehorsams und der Wahrheit ab. Unsere Welt befleckte ihn.«

Dave nickte langsam mit zusammengepreßtem Mund. »Ich verstehe – nicht der Engel war schuld daran, daß er sich in einen Dämon verwandelte, sondern die Menschheit. Den Erzengel kümmert es nicht, ob er Menschen verbrennt, ihn interessiert nur sein ewiger Platz in den Reihen der Engel. Jesus.«

Dave war müde. Er fragte, ob man ihm sein Zimmer zeigen könne. Danny blieb mit Petra und Lloyd zurück. Dave vermutete, daß er so lange am Tisch sitzenbleiben würde, bis er entweder vor Altersschwäche starb oder Petra ging.

In seinem Zimmer warf Dave sich auf das Doppelbett. »Und wieder schlafe ich allein«, sagte er und starrte die Decke an. »Dieses verdammte Zigeunerleben.«

Dann nahm er den Telefonhörer von der Gabel, rief Vanessa in San Francisco an und genoß den Klang ihrer Stimme.

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