Müdigkeit ist auch nur eine Welle.
Sie sagte das laut vor sich hin. Sie lief.
«Müü-di-i-igk-eit-iis-sss-t-aauu-chch-nnnu-rrr-eeii-nnn-eee-www-ellll-eee.«
Sie lief und sagte sich diesen Satz vor. Es war heiß. Heiß und dunstig. Sie sah vor sich auf die Tartanbahn. Sie war allein draußen. Sie konnte nur sich hören. Keuchen. Diesen Satz vor sich hin summen. Die fünfte Runde. Wenn sie Meilen in Meter umwandeln hätte können, hätte sie gewusst, wie viel sie gelaufen war. Sie dachte in Runden. 11 Runden. Da war noch genug Zeit zum Duschen, und sie war zufrieden. Aber das Wichtigste war, nicht drinnen zu sein. Nicht im Haus. Sie schaute hinauf. Die Wolken dicht. Die Flugzeuge aber zu sehen. Immer Flugzeuge am Himmel. Hier.
«Müü-di-ig-keeiit-iis-tt-aauu-chchch-nnn-uuu-rr-eeii-nnn-eee-www-eellee.«
Das Laufen übernahm. Sie ließ sich laufen. Es dauerte ohnehin immer länger, bis diese Selbstverständlichkeit eintrat und jeder Schritt sich selber machte und sie sich nicht um sich kümmern musste. Sie hatte den Himmel über sich. Das Laufen rund um sich. Die Unruhe und die Leere. Die Angst wegen der Tante Trude. Die Familie. Jeder wollte da für sie bestimmen. Gino hatte gemailt. Die zerschmetterten Knie. Er war schon wieder operiert worden. Sie konnte nicht mehr surfen. Hatte Probleme. Mit der Vorstellung davon. War nicht locker. Nicht entspannt. Sie war kaum draußen gewesen. In Frankreich. Gerade.
Sie wollte eine einzige Linie haben. In ihrem Leben. Sie wollte einen einzigen Weg gehen. Aber sie wusste nichts mehr. Nicht, wie man leben sollte. Nicht, wie sie leben sollte. Das Leben in die Hand nehmen. Wie man so sagte. Das war das letzte Mal in Stockerau gesagt worden. Im Realgymnasium. Von der Frau von der Berufsberatung. Die hatte sie gefragt, warum sie alle Kästchen ausgefüllt hatte. In der Rubrik» Interessen«. Und sie hatte gesagt, dass das eben so sei. Es interessiere sie eben alles. Die Frau hatte auf ihren Fragebogen geschaut und gesagt, dann würde es wohl eine schwierige Aufgabe werden, ihr Leben in die Hand zu nehmen.
Sie lief. Murmelte ihren Zaubersatz gegen das Aufgeben. Und stellte sich vor, wie das war. Das Leben in die Hand nehmen. Wie das Leben sich anfühlte. Beim In-die-Hand-Nehmen. Wie sich das anfühlen könnte. Wenn das Leben dann in die Hand genommen war. Sofort fiel ihr die Wand in dem Containerzimmer ein. Sie konnte den weichen, schmutzigweißen Bodenbelag in der Handfläche spüren. Das Gefühl auf der Handfläche löste einen Geschmack aus. Sie musste den weichen, schmutzigweißen Bodenbelag an der Wand schmecken. Hatte einen trockenrau flauschigen Geschmack am Gaumen. In die Kehle hinunter. Sie musste husten. Sie bekam keine Luft. Sie musste innehalten. Warten. Vorgebeugt stehen und würgen. Bis sich genug Speichel gebildet hatte, die Kehle anzufeuchten. Ihr Wasser. Die Flasche hatte sie in der Garderobe. In ihrer Tasche. Eingesperrt. Es musste ja alles eingesperrt werden. Hier.
Sie ging dann weiter und begann, langsam wieder zu laufen. Sie steigerte das Tempo. Ihr Tantra. Es war nicht mehr gültig. Sie konnte sich an den Satz nicht einmal richtig erinnern. Es war ein Satz, wie ihn Trainer hier verwendeten. Hier war alles ein Vergleich. Alles war, als ob. Alles war Trainingsspiel. Wahrscheinlich war auch diese Szene da. Mit dem Bodenbelag die Wände hinauf. Wahrscheinlich war auch da alles Schauspielerei gewesen, und man hatte einen Test mit ihr gemacht. Mindfuckerei, sagte sie sich. Sie lief wieder schnell.
«Meeii-einnnnd-fffff- aaaaaaa-ckckckckckck-erei.«, murmelte sie.»Meeeii-nnnddddd-faaaaa-ck. You idiot.«
Es war ja jederzeit zu erwarten, dass jemand laut lachte. Hier. Weil man etwas ernst genommen hatte. Weil man Hilfe geschrien hatte. Sich aufgeregt. Erregt. Aber es war nur ein Scherz gewesen. Und man stand da. Blöd. Uncool. Alarmistisch. Bleeding heart Gutmensch. Hereingefallen. Nein. Sie wollte sich nicht genieren. Sie wollte sich nicht mehr genieren. Um Himmels willen. Konnte die Sache mit dem Genieren endlich aufhören.
Sie lief an der Außenseite. Sie lief die äußere weiße Linie entlang. Sie war zu oft zur Seite gedrängt worden. In den letzten Tagen. Da lief sie gleich im Abseits. Alle anderen trainierten für den PFT Certification Letter. Sie hatte gefragt, ob denn alle zu den Marines wollten, und da war nur genickt worden. Die Instructorin hatte aufgeschaut und gefragt, wer das nicht wollen wolle. Wer das nicht wollen können wolle. Das war aber am Anfang gewesen. Da hatte sie noch so geredet. Da hatte sie sich gefragt, warum es keine britischen Regeln waren, sondern amerikanische. Aber das war dumm gewesen. Trisecura gehörte jetzt zur Greenground Group. Das war USA. Da waren US marine standards logisch. Für einen britischen contract konnte man die standards anpassen. Aber die US-Aufträge waren wichtiger.
Sie hatte zu den Morgentrainingssessions gehen wollen. Am Anfang. Jeden Morgen zum Morgentraining und richtig fit werden. Sie hatte dann zweimal verschlafen und war schon nicht mehr mitgekommen. Muscle failure. Sie hatte sich hinsetzen müssen. Rund um sie waren 50 Männer und Frauen gesprungen. Hatten schattengeboxt. Hatten sit-ups gemacht. Gestretcht. Waren im Stand gelaufen. Hatten ihre Beine in schwierigen seitlichen Positionen ewig lang stillhalten können. Sie war bei den Liegestützen ausgeschieden. Gleich das erste Mal. Als zwischen die schnellen Übungen im Stand die Liegestütze an die Reihe gekommen waren, war sie in sich zusammengesunken und nicht mehr in die Höhe gekommen. Sie hatte sich aufgerappelt und war dagesessen. Die Trainergruppe auf der Bühne oben hatte weitergezählt. Langgezogen. One. Langgezogen. Two. Three. Zwei Minuten wurde das so gemacht. In jedem Morgentraining waren die Prüfungseinheiten für die PFT Certification enthalten. Bis zum Ende der 6 Wochen wurde die Prüfung in jedem Morgentraining dreimal durchexerziert. Sie war nicht einmal bis zum ersten Mal gekommen. Mittlerweile wäre es wegen dieser Schlaftabletten nicht gegangen. Hazel hatte ihr ein Schlafmittel geborgt. Falls sie nicht schlafen könne, diese pills wären immer hilfreich. Sie hatte sie genommen und wirklich tief geschlafen. Aber am Morgen war dann mit Sport gar nichts anzufangen.
Sie hatte begonnen, in der Mittagspause zu laufen. Sie nahm beim Frühstück Obst und Muffins mit und ging auf den Sportplatz. Sie trug die Laufsachen unter dem Leinenkostüm. Sie musste nur duschen und ihre Sachen wieder anziehen. Die Schuhe hatte sie in der Umhängetasche. Sie wickelte die Muffins in Servietten und steckte sie in die Laufschuhe. Die Laufschuhe in die Schuhsäcke. Die Muffins waren dann bis zum Mittag nicht ganz zerbröselt. Vom Aufwachen an plante sie die Mittagspause. Von der Mittagspause an plante sie ihre Flucht.
Sie lief. War das die fünfte Runde. Oder die sechste. Sie lief. Sie wollte sich nichts überlegen. Keine Fragen der Personalentwicklung. Psychologische Stabilität und deren Messung. Versicherungspakete und wie sie die Motivation beeinflussten. Familienbande und wie Personalentwicklung sie einbeziehen sollte. Sie stellte sich vor, wie die Personalabteilung mit ihrer Tante Marina sprach. Über die benefits, wenn sie bei einem Auslandseinsatz umkommen würde. Es wäre gut, die Familie zu einem Treffen zusammenzuführen. Erklären, we don’t put your sons and daughters in harm’s way but … Bei ihr. Da wäre das ein nettes internationales Treffen. Die Marina konnte gleich eine Sitzung der Erbengemeinschaft anschließen. Und wenn sie tot war, dann konnten die sich die Versicherungssumme teilen. Consens building. Es würde nicht hilfreich sein, wenn die Familie die Motivation eines ihrer Mitglieder nicht verstehen würde. Es würde die Einsatzleistung mindern.
Würde das ihre Einsatzleistung mindern. Die Tante Trude. Der Onkel Schottola. Der Gino. Vielleicht. Aber die waren alle nicht Familie. Die würden da nicht aufscheinen. Ihre Mutter. Die Frau, die sie immer schon verlassen hatte. Die würde am Ende kassieren. Rein rechtlich. Aber vielleicht war das eine lustige Gelegenheit, ihre Mutter neu kennenzulernen. Ein Treffen zur Instruktion der Familie über die Versicherungsangelegenheiten bezüglich eines Auslandseinsatzes eines ihrer Familienmitglieder als Sicherheitsfachkraft. Das wäre genau richtig gewesen. Mit ihrer Mutter darüber zu reden, was ihr Tod wert war. Wert wäre. Diese Person hatte ihr das Leben geschenkt. Dann musste sie ihr ihren Tod zurückschenken.»Tit for tat «hieß das hier. Aber ihre Mutter. Die musste sie als Leihmutter ansehen. Die war ihre Leihmutter gewesen. Die hatte jetzt ihre eigenen Kinder, und sie war das leihweise Ausgetragene. Ihre Mutter war nicht bezahlt worden dafür. Das war es wahrscheinlich. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter nicht das Gefühl, belohnt genug zu sein. Für sie. Es war alles nur ein Geschäft. Schiefgegangen. Dieser deal war schiefgegangen. Und beide Geschäftspartner unzufrieden. Aber ihre Mutter war unzufrieden gewesen, bevor sie etwas hätte machen können.
Ein Frau kam quer über den Sportplatz. Im Businesskostüm. High heels. Das war verboten hier. Sie ging zielstrebig. Querte die Tartanbahn. Stieg auf das Kunstrasenfeld. Steuerte auf die Mitte zu. Sie blieb stehen. Wandte sich um. Winkte.
In der Kurve konnte sie die anderen sehen. Lachend. Redend. Rufend. Sie kamen über die Straße herüber auf den Sportplatz. Aufgeregt. Alle dunkel gekleidet. Auf dem Sportplatz breiteten sich die Personen aus. Eine Gruppe in der Mitte. Ein Mann zog sich aus. Er ging und knöpfte sein Hemd auf. Die Männer rund um ihn johlten. Eine Frau ging neben ihm. Sie trug sein Sakko und nahm sein Hemd in Empfang. Der Mann begann seinen Gürtel aufzumachen. Die Hose. Er zog die Hose im Gehen aus. Er trug eine Sporthose unter seiner Anzughose.
Wie ich, dachte sie. Trugen alle unter ihren dunklen, seriösen Kleidern ihre Sportsachen. Sie war enttäuscht. Sie war sich so geschickt vorgekommen. Aber wenn alle das so machten. Dann war das keine Leistung mehr. Der Mann zog sein Unterhemd aus. Die Frau, die als Erste aufgetaucht war. Alle gingen zu ihr. Sie hatte den Arm gehoben. Der Mann verschwand in der Gruppe.
Sie hatte stehen bleiben müssen. Ein Mann querte die Tartanbahn vor ihr. Sie schaute ihn fragend an. Er deutete mit dem Kopf auf die Gruppe. Eine Wette. Sie wiederholte.»Just a bet?«Ja. Ja. Nickte der Mann. Man müsse sich doch irgendwie unterhalten. Hier. Oder. Der Mann hatte die Hände in den Hosentaschen. Er sprach leise. Sie musste sich anstrengen, ihn zu verstehen. Der Mann war stehen geblieben. Er sah sie fragend an. Sie ging neben ihm zur Gruppe. Es war ein Kreis gebildet worden. Der Mann in der Mitte zog gerade seine Socken aus. Er rollte die Socken zu einem Bällchen und stecke sie in den rechten Schuh. Die Schuhe hatte er genau nebeneinandergestellt. Er setzte sich auf den Boden. Rund um ihn wurde diskutiert. Geschrien. Gestikuliert. Es ging um die sit-ups. Ob man nicht doch in die Halle gehen solle. Da sei es noch heißer. Die Frau in der Mitte hielt immer noch ihren Arm in die Höhe. In der Nähe war zu sehen, dass sie eine Stoppuhr in der Hand hielt. Dann eben das Doppelte. 4 Minuten sit-ups und 4 Minuten push-ups. Der Mann hob nun selbst den Arm. Nein. 5 Minuten von beiden. Alle applaudierten. Und dann die 3 Meilen. Wie wäre es, eine Meile. Das wären 4 Runden, und er solle eine der Frauen auf dem Rücken tragen dabei. Wieder wurde applaudiert und gepfiffen.
Der Mann auf dem Gras. Ein Europäer. Groß. Braune Haare. Sehr kurz geschnitten und vorne hochgegelt. Eine Lausbubenfrisur. Er war gebräunt. Muskulös. Sie wollte weggehen. Die alle. Die vom Grundkurs der Academy. Die schickten einander Nachrichten und trafen einander zu solchen Wetten. Oder zu einer Besetzung des swimming pools, und alle sprangen im Anzug ins Wasser. Das war dann eine Frage der Ehre. Das zu machen. Gegen alle Regeln. Aber die waren alle lange hier. Die mussten sich unterhalten. Sie war da nicht integriert. Das ging gar nicht. Die meinten es ja auch ernst. Mit der Gefahr. Sie könne jetzt nicht weg, sagte eine Frau neben ihr. Sie würde noch gebraucht. Sie sei doch die ideale Last für diese Prüfung. Sie wäre total verschwitzt, wandte sie ein. Die Frau rief laut, alle sollten still sein. Wäre diese Schönheit hier. Sie sagte» this young beauty«. Wäre die nicht die ideale Last. The ideal burden. Die Beschwerung für die Laufrunde. Was sage Henry dazu. Henry drehte sich ihr zu. Er schaute an ihr hinunter und hob den Daumen. Die Frau mit der Stoppuhr rief» Go. «und Henry begann mit den sit-ups. Es wurde mitgezählt. Die Gruppe von Personen verwandelte sich in einen Chor. Henry lag auf dem Boden. Seine Hände waren im Genick verschränkt. Ein anderer Mann kniete vor ihm und drückte Hernys Füße auf den Boden. Henry setzte sich auf und legte sich wieder zurück. Genau. Er hatte genau abgezirkelte Bewegungen. Seine Bauchmuskeln spannten sich zum sixpack und dehnten sich in die Ruhestellung zurück. Die Menge rund um ihn. Das Zählen. Lange. Ab 90. Bei jeder neuen Zahl kamen sie näher. Alle standen vorgebeugt. Die Frau mit der Stoppuhr schrie am lautesten. Henry war vollkommen sicher. Konzentriert. Seine Haut gebräunt und glatt. Ihr selbst lief der Schweiß über den Rücken. Dieser Mann war epiliert. Kein einziges Haar auf der Brust oder an den Armen und Beinen. Sie fühlte sich klebrig. Ihr Lauftop tropfnass. Henry setzte sich auf und ließ sich zurück ins Liegen gleiten. Ihre Nachbarin schaute auf ihre Uhr. Dann schaute sie auf die Frau mit der Stoppuhr. Die zählte mit. Einige Personen hatten begonnen, mit den Händen die Zahl zu betonen. Sie standen rund um Henry. Ganz außen. Am Rand der Gruppe. Es wurde geplaudert. Herumgegangen. Das Zählen. Der Mann über Henrys Beinen. Er hob die eine Hand, die Krawatte zu lockern. Henrys Beine schnalzten in die Höhe. Der Mann fiel fast nach hinten zurück. Henry stieß einen Schrei aus. Der Mann stürzte sich wieder über Henrys Füße und drückte sie nieder.
Zwei Männer gingen aus der Gruppe weg. Das mache diesen Versuch ungültig. Aber es wäre doch nicht Henrys Schuld, sagte die Frau mit der Stoppuhr. Dann müsse man es eben nur ein wenig verlängern. Henry grunzte etwas. Er machte weiter. Aber er war aus seinem Rhythmus gekommen. Er setzte sich nicht mehr so gerade auf. Die Bauchmuskeln wurden nicht mehr so glatt und lang. Beim Hinlegen. Die Muskeln zitterten nach. Henry wollte etwas sagen. Stieß etwas hervor. Die Frau mit der Stoppuhr schüttelte den Kopf und zählte weiter. Sie war bei 140. Sie wurde lauter. Bei 150 wurde applaudiert. Die Männer, die weggegangen waren, kamen zurück. Bei 190 wollte Henry aufhören. Die Frau mit der Stoppuhr lächelte und schüttelte den Kopf. Die anderen verstanden und grölten.
Henry schwitzte. Die Bauchmuskeln blieben gespannt. Sein Körper klappte in die aufrechte Position. Das Hinlegen war ein Hinfallen geworden, aus dem er sich hinaufwerfen musste. Die nahe an ihm Stehenden waren vorgebeugt. Ihre Hände fast in seinem Gesicht. Sie schrien ihm die Ziffern zu. Die am Rand Stehenden. Manche plauderten. Grinsten. Gingen ein wenig herum. Bei 220 kamen alle in den Kreis um ihn zurück. Ein mächtiger Chor.
Sie schaute auf. Auf der einen Seite des Sportplatzes die äußerste Mauer. Beton. Stacheldrahtrollen. Stromgeladene Drähte. Kameras. Links die Sporthalle. Aber hinten. An der Straße. Gebäude. Das Hauptgebäude. Sie wurden sicherlich beobachtet. Konnte man dieses Gebrüll dort hören. Sie schaute hinauf. Die Flugzeuge zogen dahin. Die Wolkendecke dünner. Die Hitze größer. Das Licht greller.
Henry kämpfte. Die anderen waren wieder zurückgetreten. Sie schauten auf ihn hinunter. Schrien die Zahlen. Aufmunternd. Henry wollte etwas sagen. Die anderen wurden wieder lauter. Brüllten die Zahlen. Henry schien zu zögern. Wieder rückten alle nahe an ihn heran. Beugten sich über ihn. Sie zischten die Zahlen. Beschwörend. Eindringlich. Henry nickte. Klappte in die Höhe. Fiel zurück. Fing sich selbst auf und brachte sich wieder in die Höhe. Sein Gesicht war verzerrt. Rot. Seine Haut rotfleckig. Rau. Seine Haut war nicht mehr glatt. Die Frau mit der Stoppuhr schrie nur noch» Come on.«. Die anderen zählten weiter. Sie hatten sich hingehockt. Sie skandierten die Zahlen. Schoben mit ihren Oberkörpern die Zahlen über diesen Mann hin. Beschworen die nächste Bewegung.
Sie fand sich mitzählen. Sie stand am Rand. Vorgebeugt. Sie hatte ihre Hände in die Hüften gestützt. Sie stieß ihren Kopf in die Richtung des Wettkämpfers. 241. Henry war unter den Menschen verschwunden. Wenn er sich aufsetzte, hob sich die Menge um ihn mit und fiel über ihm zusammen, wenn er wieder in der Rückenlage angelangt war. Dieses Aufbäumen und Niedersinken. Es wurde langsam. Langsamer. Zeitlupenlangsam. Die Beschwörung dringlichst.
Henry blieb dann liegen, und sofort standen alle auf. Richteten sich auf. Die Männer am Rand gingen gleich weg. Die anderen standen noch kurz um Henry herum. Henry krächzte etwas. Die Frau mit der Stoppuhr schaute auf ihn hinunter. Wer etwas davon gesagt habe, dass es Regeln gäbe, sagte sie und wandte sich ab. Sie nickte einem Mann zu, und die beiden spazierten zusammen weg. Alle waren erhitzt. Der Mann, der Henrys Füße niedergehalten hatte, setzte sich auf den Kunstrasen. Auch er war verschwitzt. Er riss sich die Krawatte vom Hals und knöpfte sein Hemd auf. Er tätschelte Henrys Schenkel.»Well done. «sagte er und stand auf. Im Weggehen zog er sein Sakko aus und schwenkte es. Er ging mit einer der Frauen weg. Alle strebten weg. Schauten auf ihre Uhren. Henry lag auf dem Boden. Er war bleich. Seine Haut grau. Seine Kleider lagen neben ihm auf dem Boden.
Sie war stehen geblieben. Sie. Sie konnte sich nicht aus dieser Szene wegdrehen. Hinausgehen. Sie war noch in dieser Szene gefangen. Sie war schweißverklebt. Aber auch vom Schreien. Sie konnte das Schreien noch in der Kehle spüren. Atmete noch für das Schreien. Sie hatte so laut wie alle mitgeschrien. Hatte sich über diesen Mann gebeugt. Sie erinnerte sich. Es war ihr nicht bewusst gewesen. Sie konnte sich an das Schreien nur erinnern. Sie hatte nichts von sich gespürt. Währenddessen.
Henry bewegte sich nicht. Sie trat an ihn heran. Er lag lang ausgestreckt. Die Arme weit ausgebreitet. Die Augen geschlossen. Langsam. Mit unendlicher Mühe. Der Mann zog seine Beine hoch. Zog seine Arme an den Körper. Er drehte den Kopf zur Seite und holte mit äußerster Anstrengung seinen Körper in die Seitenlage. Währenddessen atmete er hechelnd. Hoch in der Brust und hechelnd. Sie schaute sich um. Seine Kollegen. Sie waren alle auf dem Weg in das Hauptgebäude zurück. Sie gingen in Grüppchen und in Paaren. Redeten. Niemand schaute zurück. Eine Decke, dachte sie. Wasser. Sie beugte sich zu dem Mann hinunter. Was sie für ihn tun könne. Der Mann hörte sie. Das konnte sie sehen. Sie wartete.
Es war längst niemand mehr da. Sie waren allein. Sie setzte sich auf den Boden. Schaute den Mann an. Dann bewegte Henry sich wieder. Er hob den Kopf von der Brust weg. Sie fragte ihn wieder. Laut. Was er benötige. Der Mann machte die Augen auf. Sah nichts Genaues. War verwirrt. Wie nach einer Ohnmacht. Dann wurde sein Blick fester. Er begann sie in den Blick zu bekommen. Sie wahrzunehmen. Sie beugte sich vor. Ob sie etwas tun könne. Henry? Er schaute sie an. Lange. Er schloss die Augen. Schaute sie wieder an. Sie begann, ihn anzulächeln. Der Mann sah sie erstaunt an und begann, sich zu erinnern. Er schaute schnell weg. Aber sie hatte es gesehen. Den Wunsch, im Erdboden zu versinken. Die Scham. Die Erniedrigung. Sie wollte gerade anfangen zu sagen, dass er doch betrogen worden wäre. Dass die Zeit nicht eingehalten worden sei. Die Regeln nicht eingehalten. Plötzlich hatte sie aber deutsch gedacht und musste erst im Kopf übersetzen. Da flüsterte der Mann» fuck off«. Sie beugte sich vor, das genau zu verstehen. Der Mann sagte nichts mehr. Er hatte die Augen geschlossen. Sie stand auf und ging.
In der Dusche ärgerte sie sich über sich selbst. Warum war sie nicht einfach in ihr Zimmer gegangen. Das war weit weg vom Sportplatz. Aber jetzt. Das hier war eine Unisexdusche. Henry konnte hier jeden Augenblick auftauchen. Sie drehte sich zur Wand. Die Schamesröte stieg ihr wieder auf. Sie drehte das Wasser noch stärker auf. Sie stand unter Wasserbeschuss. Jeder Tropfen ein schmerzender Aufprall. Nadelspitzenhart. Nur der Gedanke, wie schädlich das für die Haut war, ließ sie die Dusche beenden. Sie zog ihre Kleider über die nasse Haut. Sie zog die Sportschuhe wieder an und ging zur Straße. Der Sportplatz war leer. Niemand lag in der Mitte des Kunstrasens. Die Sonne war durch die Wolken durchgebrochen, und es war stechend heiß.
«You fuck off. «dachte sie beim Vorbeigehen. Sie schaute auf ihr handy. Es war 14.30 Uhr. Der Unterricht hatte schon begonnen. Sie konnte in ihr Zimmer gehen. Da konnte man auf dem Bett liegen oder in der Dusche stehen. Sitzen konnte man nur auf der Toilette. Das Bett hing so durch, dass es einen zusammenklappte, wenn man da sitzen wollte. Sie ging zum Hauptgebäude. Sie fühlte sich frisch. Beschwingt. Entspannt. Wie nach einem richtig guten stretching. Sie konnte sich nicht vorstellen, woher das gute Gefühl kam. Die lange Dusche. Oder war sie genug gelaufen. Endlich einmal. Es machte ihr nicht einmal die Hitze etwas aus. Die feuchten Kleider waren kühl auf der Haut.
Sie bog zum Hauptgebäude ab. Ihre Klasse war im 9. Stock. Sie kramte ihre Sicherheitskarte aus der Tasche und hielt sie an den scanner. Die Tür glitt auf. Drinnen kühl. Zu kühl mit den feuchten Kleidern. Sie ging an den Liften vorbei. Zum Haupteingang. Sie musste warten. Alle Sicherheitsbeamten an der Rezeption beschäftigt. Sie wartete. Sie wartete, bis der Sicherheitsmann sie an die Theke winkte. Sie wolle sich austragen. Sie bekam das Buch hingeschoben. Gab ihre Sicherheitskarte ab. Sie bekam eine Marke dafür. Der Mann klickte ihr das Drehkreuz auf. Sie ging hinaus. Sie ging zur Bushaltestelle. Wartete da. Sie war allein. Der Bus kam. Sie stieg ein. Vorne. Sie legte 1 Pfund 20 Pence hin. Bekam ihre Karte. Sie ging gleich nach hinten. An den Ausstieg. Stand da. Sie schaute vor sich hin. Wenn jemand sie vom Hauptgebäude aus beobachtete, dann war sie mit dem Bus nach Nottingham ins Zentrum gefahren. Sie drückte auf den grünen Knopf. Sie wollte aussteigen. Der Bus hielt. Die Türen gingen auf. Sie sprang die Stufen hinunter auf den Gehsteig. Sie ging langsam weg. Wartete, bis der Bus weggefahren war. Sie schaute sich wieder um. Sie lächelte. Das war ein schönes Spiel. Sie ging um die Ecke. Die Straße hinauf. In einer Sackgasse zwischen Lagerhäusern hatte sie das Auto stehen. Sie klickte das Auto von weitem auf. Lief zum Auto. Setzte sich hinein. Startete. Ließ alle Fenster aufgehen. Sie setzte sich hin. Sammelte sich. Links fahren. Sagte sie zu sich. Streng. Es muss links gefahren werden. Sie hatte wieder auf der falschen Seite einsteigen wollen. Dann fuhr sie los. Sie musste vor einer Einfahrt reversieren. Das GPS. Sie drückte auf» NAVI«.»Previous destinations«. Sie drückte auf das letzte Ziel. Sie hatte die Frauenstimme im Navigationsgerät beibehalten. Sie hatte aber auf Deutsch umgeschaltet. Sie ließ sich aus der Sackgasse hinausschleusen. Sie war beschäftigt, auf der linken Seite zu bleiben. Sie konnte nur auf die Straße starren und im Kopf alles umkehren. Langsam kam die Gewöhnung, und sie konnte sich umsehen.
Sie fuhr eine einzige lange verlassene high street entlang. Aus Nottingham hinaus. Die Straße in Richtung Peak District. Erst Industrie. Lagerhäuser. Hallen. Dazwischen Wohngegenden. Kleine Häuschen. Häuser in Gärten. Parks. Und immer wieder high streets. Geschlossene Geschäfte. Verklebte Auslagen. Dazwischen Supermärkte. Grau und staubig und leer. Es war sehr heiß. Das Thermometer im Auto gab 93 Grad Fahrenheit an. Die Hitzewelle dauerte schon 3 Wochen. Sie hatte die Fenster wieder geschlossen. Die Klimaanlage war auf die höchste Stufe gestellt. Das Fahren in diesem kühlen Schächtelchen. Der kleine weiße Golf. Es machte sie vergnügt, über diese Straßen zu steuern. Sie durfte aber nicht zu vergnügt werden. Sie musste sich an das Linksfahren erinnern. Mit der Automatik war das nicht so schwierig. Schalten hätte ihr Probleme gemacht. Sie konnte für ihre linke Hand nicht so gut mitdenken wie für die rechte.
Kreisverkehre. Kreuzungen. Zweispurige Straßen. Vierspurige Straßen. Sie konnte schneller fahren. Wieder durch kleine Ortschaften. Dann endlich unverbaute Gegenden. Brachliegende Felder. Baugründe. Schafweiden. Felder. Hügel. Wiesen. Bäume. Hecken rundherum. Sie fuhr Alleen entlang. Wäldchen. Wälder. Und dann die Abzweigung. Haversham Gardens. Riesige Eichen. Farne. Das Sonnenlicht. Tanzende Flecken.
Sie fuhr auf den Parkplatz. Zahlte ihren Eintritt. Sie kaufte einen Becher Tee im Kiosk. Gleich beim Eingang. Sie trug den Tee. Hatte ihre Tasche über der Schulter. Sie wäre am liebsten losgelaufen. Die Wege rote Erde. Übergrünes Gras an den Rändern. Sie bog nach links. Gleich in den Wald. Und sie wollte gehen. Diesen breiten Weg entlangspazieren und im Gehen glücklich sein. Total europäisch. Sie wollte total europäisch spazieren gehen. Wandeln. Und es war erst hier wieder gewesen. Sie hatte sich noch nie so gefühlt. So gerettet. So wissend, dass es wieder gut war. Sie musste gehen. Dieses Gefühl war nur im Gehen zu haben. In dieser Umgebung. Es gab nur sie. Für sich. Es war ein schamloses Gefühl. Beim Gehen. Im sonnenfleckigen Licht unter den Bäumen und im klirrenden Sonnenlicht in den Lichtungen und über den Wiesen. Hügelauf und hügelab. Sie hätte es gerne mitgeteilt. Tänzelnd hätte sie rufen mögen, schaut her, ich bin das. Ich bin wieder ganz und heil und werde wieder ganz oben auf der Welle reiten. Es war aber niemand da. Und mit dem Teebecher in der Hand ging das mit dem Tänzeln ohnehin nicht. Sie grinste sich selber zu.
Sie setzte sich. Die Bank in einer Mulde. Tiefer Schatten. Die Bank ein Stück im Wald und versteckt. Sie stellte den Becher mit dem Tee neben sich. Packte ihren Proviant aus. Die Muffins waren in ihren Pumps ganz geblieben. Die Banane. Sie legte alles auf die Bank. Warum war sie so glücklich. War sie glücklich. Oder war sie zufrieden. Es gab keinen Grund für beides. Die Welt war schrecklich. Die Zukunft war schrecklich. Es war nichts zu erwarten. Sie musste froh sein, kein Baby zu bekommen. So wie das mit dieser Radioaktivität seit Japan einzuschätzen war. Sie war schon ein Tschernobyl-Jahrgang. Aber das war wahrscheinlich alles gar nichts gewesen und die curettage gar nicht notwendig. Das war alles wegen der Sache mit ihrer Mutter. Das war vorbei. Für sie war das vorbei. Seit der Katastrophe in Japan. Sie hatte sofort. Gleich beim ersten Mal, als sie diese Welle sah. Im Fernsehen. Diese Tsunamiwelle von hoch oben, wie sie alles vor sich herschob und dann auf ein Schiff geschnitten worden war. Ein Schiff, das dann über eine Welle nach rechts gegen eine Brücke gedrückt versank. In dieses Schiff hatte sie ihre Mutter gesetzt und sterben lassen. Da waren ja Leute drinnen gewesen. Das wusste man. Während man diesem Untergang des Schiffs zusah, wusste man, dass da Leute zerdrückt und ertränkt wurden. Für sie war da ihre Mutter drin gewesen, und sie hatte sehr geweint. Aber seit diesen Bildern. Nichts war wichtig. Nichts war wichtiger. Deshalb saß sie hier und nicht in STEERO. Systemic Team Efficiency Evaluation and Response Optimisation. Sie hatte auch da den Anschluss verloren. Sie war an diesem einen Nachmittag nicht da gewesen. Das ging hier schnell. Den Anschluss verlieren. Und es war sehr angenehm. Es war wie einem Zug nachschauen, mit dem alles Schreckliche wegfuhr.
Sie saß. Winzige Sternchenblumen am Boden. Weiß. Es war ein blöder Zeitpunkt, sich sicher und ganz zu fühlen. Sie lehnte sich zurück. Aber es war ihr Zeitpunkt. Sie schaute in den Baumwipfel über sich hinauf. Es war alles so gleichgültig. Sie lächelte. Das Wort gleichgültig machte sie nicht mehr müde. Es ließ nicht mehr die Schultern nach unten sinken und beugte den Kopf. Sie musste seufzen. Sie musste tief Luft holen. Aber dann zogen sich die Schultern nach hinten, und das Kinn hob sich. Sie holte ihr iPad aus der Tasche. Sie nahm den Deckel vom Tee. Kostete. Trank. Das war der richtige Zeitpunkt, die e-mail an die Tante Trude zu schicken. Sie zippte das iPad aus der Hülle. Schaltete ein. Öffnete ihren e-mail account. Es gab Empfang. Sie schüttelte den Kopf. Wo waren hier Mobilfunkantennen. In den Eichen. Oben in den Wipfeln. Sie schaute zu, wie die mails sich aneinanderreihten. Eine Adresse. Sie kannte sie nicht. Eine mail von Gregory:»suggest meeting in london. Savoy Grill. 12.00 sharp … g.«
Das klang nicht gut. Sie schaute auf den Boden. Gregory zu treffen. Es war eine Gelegenheit, nach London zu flüchten. Es war aber gleich wie in der Schule. Zum Direktor gehen müssen. Zum Direktor gerufen. Krampf in der Magengrube. Schwierigkeiten beim Sehen. Schwindelanfälle. Brechreiz. Blitzartig Durchfall und Schwindel dabei. Und danach. Das Gehen eine Mühsal. Am Geländer die Stufen hochziehen. Die Beine dicke Betonsäulen und nicht abzubiegen. Der Kopf unendlich weit von diesen Betonsäulen entfernt.
Sie antwortete. Schrieb» sure.«. Starrte auf das tablet. Sie schob die mails weg. Holte sie wieder auf die Oberfläche. grtrd@hotmail.de. Wer war das. Was war das. Sie wollte gerade auf» Löschen «klicken. Dann öffnete sie doch.
Von: e.k.@allsecura.de
An: g.m@trisecura.co.uk
Betreff: Re: Re: Re: Drachenopfer
Ok., geht auch …
Cindy
Von: g.m@trisecura.co.uk
An: e.k.@allsecura.de
Betreff: Re: Re: Drachenopfer
All right. Im Hintergrund Verdi. G.
Von: e.k.@allsecura.de
An: g.m@trisecura.co.uk
Betreff: Re: Drachenopfer
Greg, ich sorge dafür, dass es hier in der personalsitzung so sein wird; wir werden ihr auch keine wohngelegenheit mehr geben — und prüfungen darf sie ohnehin keine machen. junge fräuleins (mit verlaub …) sind ohnehin schwierig, wenn sie mit sich und der welt ringen. gut abgehangen kann man sie dann manchmal ertragen. dass amy nicht alle tassen im schrank hat, war mir bei unserem ersten kontakt schon klar. also gräm dich nicht … wir haben alle solche misserfolge … liebe grüße … im hintergrund schubert — so halte ich es aus in der welt,
cindy
Von: g.m@triscecura.co.uk
An: e.k.@allsecura.de
Betreff: Drachenopfer
Cindygirl,
mit A. macht das alles keinen Sinn. Trotz allem stellt sie kein Material dar, und das wird auch nicht mehr. Sie wird in Ermangelung einer Alternative ihrerseits auf ihrem Ausbildungsvertrag bestehen. Ich bin gegen jede Weiterführung und rate zu verhindern, dass sie sich mittelfristig durch Mitarbeit in Strazny unverzichtbar macht. Ich warne aufgrund des katastrophalen Abschneidens in Nottingham. Ich warne vor allem aber aufgrund meiner persönlichen Einschätzung, die weit über das Persönliche hinausgeht, sie weiter als bislang in die Ausbildung zu integrieren, etwa in Form einer Stellenversprechung.
Herzl. G.
Sie schob den Text hinauf und hinunter. Wie war das. Das musste man von unten lesen. Das begann mit Gregory an Cindy. Gregory schrieb Cindy. Gut. Das war nicht erstaunlich. Sie hatte sich das immer schon gedacht. Heinz und Anton waren Fremdkörper gewesen. Aber nicht wegen ihrer Stasierinnerungen. Die waren assets. Die zwei waren einfach altmodische Typen. Raubeine. War Cindy jetzt Geschäftsführerin geworden. Frauenquote für die Börseneinführung. Cindy als henchwoman für Gregory. O.k.
Sie beugte sich vor. Griff nach den weißen Blümchen am Boden. Strich mit den Fingern über die Blüten. Gregory wollte sie in London sprechen. Würde er ihr seine persönliche Einschätzung mitteilen. Im» Savoy Grill«. War die Marina da auch da. Ging es ohnehin nur um ihre Unterschrift. Wer aber hatte diese e-mails mit Cindy geschickt. Wer war grtrd. Das musste Gertrud heißen. Grtrd. Das hieß Gertrud. Gertrud hatte ihr diesen Mailaustausch zugeschickt. Zugespielt. Warum. Gertrud. Hinter ihrem Tisch in der Lobby.»Sie sollten hier verschwinden. «Hatte sie verschwinden gesagt. Oder weggehen. Abhauen. Das war doch böse gemeint gewesen. Ablehnend. Aggressiv. Gertrud hatte sie besonders schlecht behandelt. Warum sollte Gertrud ihr diese mails zum Lesen geben. Machte das Spaß. War das vergnüglich für Gertrud. Ihr Versagen ausgebreitet.»Ich warne aufgrund des katastrophalen Abschneidens in Nottingham. «Katastrophales Abschneiden. Das klang richtig fies. Wütend. Empörte sich Gertrud mit Gregory und schickte ihr das. Da schau. So ein Versager bist du.
Sie schaltete das iPad aus. Saß da. Zippte das Ding wieder weg. Stopfte es in die Tasche. Der Tee war kalt. Sie aß einen Muffin. Trank Tee. Das gute Gefühl war weg. Alles war wieder kompliziert. Und die mail an die Tante Trude. Das hatte die Gertrud verhindert. Sie konnte jetzt keine mail an die Tante Trude schreiben.