Nach vorne gerissen. Zurück gegen die Wand geschleudert. Seine Hand in ihren Pullover verkrallt. Der Mann hatte sie am Pullover vorne. Gleich unterm Hals. Er drehte die Wolle in seiner Hand. Er hatte sie so vom Sessel hinaufgerissen. Hochgehoben an ihrem Pullover. Der Saum im Genick einschneidend. Die Faust an ihrer Kehle. Er drückte mit dem Pullover gegen ihre Kehle. Sie spürte nur dieses Knäuel von Pullover und die Wand im Rücken. Die Luft von vorne mit der Faust weggedrückt. Aus den Lungen geschlagen von der Wand. Sie war größer als dieser Mann. Er stand unter ihr. Gegen sie gelehnt. Er hielt sie mit der Faust gegen die Wand. Sie versuchte aus seinem Griff wegzurutschen und ließ sich fallen. Er schlug ihr mit der linken Faust in den Bauch und hielt sie gleichzeitig mit der anderen an die Wand gedrückt. Er schlug ihr einen Laut aus dem Leib. Er schaute sie an. Schüttelte den Kopf und ließ sie los. Er hob seine Hände und schüttelte den Kopf. Sie lehnte an der Wand. Schaute ihn an. Dann schloss sie die Augen und ließ sich die Wand hinunterrutschen. Sie hockte da.
Der Mann ging an das andere Ende des schmalen, langen Zimmers. Sie müsste nur sagen, woran sie sich erinnern könne. Dann könnte das alles hier vorbei sein, und sie könne machen, was sie wolle. Sie interessiere ihn doch gar nicht. Es ginge nur um die Information.
Sie schob sich an die Wand gelehnt wieder hinauf. Lehnte da. Kurz. Und ging zum Tisch. Sie lehnte sich gegen die Lehne eines Sessels. Sie rüttelte an dem Sessel, in dem er vorher gesessen war. Der Tisch und die Sessel waren am Boden angeschraubt. Man konnte den Sessel nicht aufheben. Sie setzte sich. Musste sich setzen. Sie hatte plötzlich die Vorstellung gehabt, er nähme diesen Sessel in die Hand und schlüge mit ihm auf sie ein. Sie schaute sich genauer um. Es gab sicherlich keine Spiegelwand. Sie sah keine Kameras. Sie schaute ins Licht hinauf. Eine Glühbirne mit einem Drahtgestell davor. Wie in einem Stall. Wie war diese Lampe hierhergekommen. War die immer schon da gewesen.
Der Mann ging vor ihr auf die Seite, von der sie hochgekrochen war.»Das ist doch sinnlos. «sagte er. Er schaute sie nicht an. Es ginge ja um kein Staatsgeheimnis. Es ginge doch nur um einen Freitag. Es wäre doch ein Freitag gewesen. Oder?
Sie legte ihre Arme auf den Tisch vor sich. Wenn es keine Kameras gab. Und in der Fassung für die Stromsparglühbirne war auch nichts zu sehen. Es gab keinen Platz für eine Kamera. Wenn es keine Kameras gab. Keine Spiegelwand zum Durchschauen. Kein Fenster. Dann sah das niemand. Dann waren sie unbeobachtet. Dann waren sie allein.
«Können wir jetzt aufhören. «sagte sie.»Ich habe es schon begriffen. Ich habe schon Angst.«»Guter Schachzug. «sagte der Mann. Was sie anzubieten habe.
Sie schaute ihre Hände an. Sie könnten sich doch jetzt auf eine Geschichte einigen und die Zeit herumsitzen. Das wäre für sie beide erholsamer als diese Realsimulation.
«Von Simulation war nicht die Rede. Junge Dame. «Der Mann blieb vor dem Tisch stehen. Wie sie auf die Idee kommen könne, dass das nicht die Wirklichkeit wäre. Ihr war noch übel vom Schlag in den Bauch. Trüb im Kopf vom Knall gegen die Wand. Ihr war kalt. Ihr war kalt von einem dünnen Schleier Schweiß auf ihrer Haut. Auf dem ganzen Körper. Klebrig kalt. Sie holte tief Luft. Während des Luftholens musste sie sich fragen, woher frische Luft käme. Hier. Drinnen. Frischluft. Tiefe Atemzüge und Ruhe. Kühle leere Luft. Und ein Duft. Wiese. Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.»Es kann uns doch hier niemand kontrollieren. Was verlieren Sie schon, wenn wir uns einigen. Oder macht dir so etwas Spaß.«
Der Mann griff ihr über den Tisch unter das Kinn und verkrallte sich wieder im Pullover. Er beugte sich über den Tisch. Bohrte seinen Blick in ihre Augen. Sie hätte Sie zu ihm zu sagen. Wenn sie noch einmal du zu ihm sagte. Er ließ sie wieder los und hob die Hände hoch. Ließ die Arme fallen und begann, auf und ab zu gehen. Sie blieb sitzen. Sie legte ihre Hände auf ihre Oberschenkel. Setzte sich gerade auf. Spannte die Gesäßmuskeln an. Straffte den Rücken. Hob das Genick. Schob das Genick lange heraus. Sie atmete tief. Sie wollte diesen Mann nicht ansehen. Sie musste aber gegen den Wunsch kämpfen, diesen Mann anzuschauen. Ihm mit dem Blick zu folgen. Sie merkte gleich, wie er anders ging, wenn sie ihm dabei zusah. Sie wollte ihm das nicht lassen. Sie atmete tief und schaute vor sich auf den Tisch. Der Tisch. Eine Nirostaplatte. Die Sessel metallen silbrig. Die Tischbeine Metall. Die Platte aus Nirosta. Glatt glänzend. Eine spiegelnde glänzende Fläche. Sie beugte sich zum Tisch hinunter. Sie konnte dieses Putzmittel riechen. Ein Metallputzmittel war das. Das Mammerl hatte die Türklinken aus Messing damit poliert. Die Tante Trude hatte versiegelte Türklinken. Da musste man nur noch mit einem feuchten Tuch darüberwischen. Der Raum. Auch der Boden war sauber. Grauer Beton.
«Also gut. Fangen wir von vorne an. Ganz von vorne. «Der Mann hatte sich auf den Tisch gesetzt. Gleich neben ihr. Er schaute jetzt auf sie hinunter. Es hatte ihm wahrscheinlich keinen Spaß gemacht, zu ihr hinaufschauen zu müssen. Beim Niederschlagen.
Sie musste lachen. Es war ein Kichern. Zuerst. Das Kichern steigerte sich zu einem Glucksen. Dann lachte sie laut. Sie hielt ihren Kopf mit den Händen fest. Die Arme auf den Tisch aufgestützt. Die Kälte des Metalls sofort in den Ellbogen zu fühlen. Der Mann saß ruhig. Sie lachte. Wenn er sie jetzt gefragt hätte. Sie musste lachen, weil sie alle diese Skripten und Handbücher gelesen hatte. Da war natürlich nie dringestanden, wie ein Gefangener sich richtig verhielt. Immer nur der Interrogator. Der Befrager. Hätte sie zurückschlagen müssen. Das Lachen erstarb.
Sie saß starr. Entsetzt. Verwirrt. Den Tränen nahe. Wie viel Zeit war vergangen. 5 Minuten. Eine Viertelstunde. 2 Sekunden. Das waren Reaktionen. Zurückschlagen. Das war eine Reaktion. Aber ihr fiel das erst eine Stunde später ein. Sie wurde geschlagen, und sie hatte nur brave Ideen. Sie war unfähig. Nicht überlebensfähig. Der Druck hinter ihrem Nabel. Schreien. Schreien und sich auf diesen Mann stürzen. Den Kampf aufnehmen. Sie schrie sich selbst zu. Befahl sich, den Kampf aufzunehmen. Kämpfen. Es tobte in ihr. Die Hitze davon in ihr Gesicht gestiegen. Fiebrige Hitze. Der Mann saß neben ihr. Sie spürte seine Körperwärme. Ihre rechte Schulter. Die rechte Seite. Seine Wärme verstärkte ihre Hitze. Der Wunsch, sich anzulehnen. Anlehnen und nichts mehr. Ihn bestimmen lassen. Hier hinaus. Ins Freie. Es war kalt hier unten. Draußen war Frühling. Fast schon Sommer, so warm war es. Hier in diesem Hügelgebirge. Windig und leicht, und man musste nur einen der Waldwege von der Straße weg und den Wald riechen.
Sie stand auf. Sie zwang sich, sich nicht abzuwenden. Sich nicht auf dem Sessel nach links zu drehen und ihm auszuweichen. Sie stand auf und streifte ihn. Die winzige Berührung. Brechreiz. Sie musste sich am Tisch festhalten. Dann begann sie, auf und ab zu gehen.»Das ist alles kindisch. «sagte sie. Kindisch. Immer wieder musste sie» kindisch «sagen und gehen dabei. Der Mann sah ihr nicht zu. Er saß mit dem Rücken zu ihr. Sie sagte» kindisch «vor sich hin und überlegte, ob sie ihn außer Gefecht setzen konnte. Aber sie wusste währenddessen schon. Er wartete darauf. Er hielt den Kopf angespannt nach vorne gebeugt und wartete. Sie setzte sich auf den anderen Sessel.
Der Mann ließ sich auf der anderen Seite des Tischs in den Sessel gleiten. Ob sie es nun endlich begriffen habe. Woran könne sie sich erinnern. Donnerstag. Freitag. Der 16. und 17. Dezember seien das gewesen. Sie solle sich konzentrieren und einfach beginnen. Mit dem Donnerstag. Wie sei sie denn zu dem Treffen damals gekommen. Wann. Sie habe wahrscheinlich hier gefrühstückt. Damals sei dieses Haus ja noch das Hotel gewesen. Damals habe sie ja noch in den compound fahren müssen. Damals habe Allsecura ja dieses Hotel noch nicht als Ausbildungs- und Administrationszentrum gekauft gehabt. Also. Wie sei das gewesen. Was habe sie zum Frühstück gegessen.
Sie schaute dem Mann ins Gesicht. Ließ ihn reden und schaute ihn an. Blickkontakt. Blickkontakt halten. Sie hörte nicht genau, was er sagte. Sie sah ihn reden. Der Ton war wie weit weg. Wodka. Ihr fiel Wodka ein. Sie konnte eine Flasche Wodka spüren. Wie sie die in der Hand hielt. Wie sie die öffnete. Aufschraubte. Ansetzte. Wie der Wodka über die Kehle. Kalt und glatt in der Kehle. Wie alles klar zu sehen und doch weit weg sein konnte. Sein hatte können. Mit Wodka. Sie konnte ja nicht mehr trinken. Sie konnte sich Wodka nur mehr vorstellen. Wenn sie einen Schluck nahm. Sie musste ihn ausspeien. Ausprusten. Der Geruch. Ekel. Es war aber kein Ekel, den sie fühlte. Es war ein Ekel, der für sich allein reagierte. Ein Ekel war das, der in ihr wohnte. Ein Ekel, den sie beherbergte und der reagierte, wenn der Reiz ausgelöst wurde. Sie war von Ekel befallen. Sie selbst. Sie hätte Wodka trinken mögen. Lange Züge nehmen und dann der Welt zusehen, wie sie wegrückte und alles so leicht wurde. Easy. Der Ekel. Der hatte ihr das genommen. Der Ekel hatte sich dazwischengeworfen. Sie wischte sich die Tränen ab. Der Mann hatte aufgehört zu reden und schaute sie an. Erwartungsvoll. Auffordernd. Sie suchte in ihren Jeanstaschen nach einem Taschentuch. Es war keines da. Sie wusste das. Sie wünschte sich, der Mann reichte ihr ein Tuch. Ein Taschentuch. Oder ein Kleenex. Er sah ihr ins Gesicht. Diese Ablenkungsmanöver würden ihr nicht helfen, sagte er. Das solle sie nicht glauben. Sie bräuchte ihn gar nicht so anzusehen. Sie solle sich die Tränen sparen. Oder wolle sie ihn anmachen. Wolle sie ihn verführen.
Er stand auf und kam um den Tisch neben sie. Er stand hinter ihr. Ein winziger Abstand. Sie solle ihm jetzt sagen, woran sie sich erinnern könne. Was geschehen sei. An diesem Donnerstag und Freitag. Es ginge um Vertrauen. Man könne Vertrauen in sie nur haben, wenn sie keine Geheimnisse habe. Überhaupt keine. Es wäre doch nicht zu verstehen, warum sie diese beiden Tage nicht erzählen wolle. Alle anderen. Da hätte sie doch sicherlich keine Probleme. Sie seufzte.»Warum. «fragte sie.»Warum diese Tage. «Sie musste den Kopf senken. Mit dieser Frage. Sie hatte das Gefühl, etwas preisgegeben zu haben. Sie fühlte eine Zerrissenheit. Sie hatte damit nichts gesagt. Sie hatte nichts damit gesagt. Sie war aber wütend auf sich. Sie hätte gar nichts sagen sollen. Wenn sie hier erstickte, dann erstickte dieser Mann auch.»Sagen Sie mir doch einmal Ihren Namen. «sagte sie und hasste sich dafür. Sie nahm Kontakt auf und wollte das nicht. Sie solle nicht seufzen, sagte der Mann. Und was sein Name damit zu tun habe, dass sie ein Geheimnis für sich behalten wolle und dass man kein Vertrauen zu ihr haben könne.
Das Atmen ging nicht mehr. Die Brust ließ sich nicht heben, dem Einatmen Platz zu machen. Ein Flimmern fiel vom Scheitel über ihr Gesicht. Hinter ihr Gesicht. Rieselte in die Arme. Sie konnte die Arme nicht heben. Konnte die Arme nicht erreichen. Sie musste schlucken. Gegen die Atemlosigkeit schlucken. Aber kein Speichel. Die Kehle. Ein trockenes Reiben. Sie holte ihre Arme auf den Tisch. Gummibewegungen. Dann legte sie den Kopf auf die Arme. Sie hatte diese Anfälle. Oder was das war. Sie hatte das seit der Narkose. Überfälle waren das. Überfälle eines Verlassens. Einer Verlangsamung. Als schliefe ihr ganzer Körper ein. Als wäre ihr ganzer Körper eingeklemmt und nicht nur ein Bein oder ein Arm. Sie lag. Konnte in den Armen aber nichts spüren. Sie lag auf ihren Armen und fühlte die Arme nur in den Wangen. Wie Gummiwürste, auf denen sie lag.
Der Mann war über sie gebeugt. Das wäre die falsche Strategie. Er sagte das ganz ruhig. Gelassen. Er würde auf so etwas schon gar nicht reagieren. Und dann hatte sie Todesangst.
Die Angst vertrieb sie aus ihrem Körper. Sie musste sich sehen. Irgendwie von oben musste sie sich selber sehen. Wie sie schlaff dalag. Dahing. Wie ihr die Sinne schwanden. Wie sie schluchzend gegen die Atemnot anschluckte und wie es klar war, dass sie jetzt starb. Sie konnte nichts sagen. Nichts schreien. Keine Bewegung. Sie war gerade in der Lage, dieses Schlucken. Sie hätte nichts flüstern können. Sie wollte um Hilfe rufen. Um Hilfe flehen. Aber sie musste schlucken. Ihr Hals vor Schlucken verschlossen. Zugeschnürt. Und ein Elend. Im Bauch. Im Magen. Ein tobendes Elend. Der Magen krampfte und stieß Säure in die Kehle hinauf. Die Säure schnitt in die trockenen Häute. Schneidende Ränder in der Kehle. Aber dann auch schon weiter weg. Es rutschte ja alles weg. Sie sah sich nach sich selber greifen. Sah sich davongleiten. Versuchte, sich aufzuhalten. Sie müsse nur sagen, woran sie sich erinnern könne. Der Mann klang beruhigend. Sie solle das sagen, und sie käme sofort an die frische Luft.»Ins Freie. «sagte der Mann. Sie wusste nicht mehr, wo er stand. Seine Stimme. Von irgendwo im Raum. Sie wollte es sagen. Sie wollte sagen, dass sie sich nicht erinnern konnte. Sie wollte sagen, dass sie aber betrunken gewesen war. Dass sie offenkundig so betrunken gewesen war, dass sie mit irgendjemandem gefickt hatte. Oder jemand sie. Und dass sie das alles nur wusste, weil sie eine Fehlgeburt erlitten hatte, und dass sie gestehen musste, dass sie keinen Geschlechtsverkehr gehabt hatte seit dem August des vergangenen Jahres. Und dass die Daten. Dass die Daten diesen Verdacht bestätigten. Sie sagte das alles im Kopf. Sie formulierte alle diese Sätze weit oben im Kopf. In einem Rest von ihrem Kopf. Ganz oben unter der Schädeldecke vorne. Fiebrig. Fiebrig nebelig. Aber der Nebel flirrend und in schwarzen Pünktchen flimmernd. Sie spürte wieder Tränen auf der Wange. Die Wolle des Pullovers feucht. Sie fand sich atmen. Während sie die Wahrheit gedacht hatte, hatte sich der Panzer der Brust gehoben. Sie atmete flach. Sie zwang sich, die Luft tief in den Bauch zu holen. Sie schnappte dann doch nach Luft. Sie schämte sich. Die Scham erfüllte sie. Aber die Scham ließ dem Atmen Platz. Die Kehle war feuchter. Sie musste sich räuspern. Schnappte nach Luft. Räusperte sich. Der Kopf wurde wieder ganz. Sie schloss einen Augenblick die Augen. Es war schmerzhaft. Ihr wurde schwindelig, so fühlte der Kopf sich hin und her geworfen. Als schlüge das Blut den Kopf von innen von einer Seite zur anderen.
Sie musste den Kopf heben. Im Liegen würde das Elend wieder ansteigen. Sie lehnte sich zurück. Der Mann ging um den Tisch und schaute sie an. Er musterte sie. Sie konnte sehen, wie er sie einschätzte. Sie konnte wieder Luft bekommen. Sie saß ihm gegenüber. Sie schaute seinem abschätzigen Mustern zu. Wut stieg in ihr auf. Sie sah, wie der Mann das sehen konnte. Sie hasste sich dafür. Sie hasste ihr Gesicht, das kein Geheimnis behalten konnte. Der Mann begann zu grinsen. Sie hasste diesen Mann und sich. Rasende Wut. Jetzt schlüge sie ihn gerne, sagte er. Das könne er sehen.
Sie drehte sich weg und beugte sich vor. Sie stützte ihre Arme auf ihre Knie und legte den Kopf in die Hände. Sie konnte wieder alles von sich fühlen. Der Kopf wusste von den Händen. Die Hände vom Kopf. Die Ellbogen bohrten sich in die Oberschenkel, und sie konnte die Ellbogen in den Oberschenkeln spüren. Die Gedanken. Denken. Es ging nur schleppend. Sie wusste, sie musste reagieren. Sie musste auf dieses Grinsen reagieren. Sie wusste, es war etwas anderes wichtiger. Aber sie konnte das nicht finden. Ein Vorhang von diesem Flimmern ließ sich nicht durchdringen. Der Druck im Bauch begann wieder. Sie richtete sich auf. Legte die Hand auf den Bauch. Der Körper. Sie musste den Körper in den Griff bekommen. Der Körper durfte ihr nicht in den Rücken fallen. Sie musste diesem Bauch die Angst verbieten. Sie durfte Angst nur im Kopf haben. Aber das Flimmern im Kopf ließ nur das Denken eines solchen Gedankens zu. Die Angst begann sich wieder im Bauch zu sammeln.
Sie wollte gerade etwas sagen. Sie dachte, es wäre gut, irgendetwas zu sagen. Irgendetwas, was weit weg war von dem Geständnis, dass sie nichts wusste. Dass sie sich nicht erinnern konnte. Der Mann griff wieder über den Tisch. Er zog sie an den Haaren in die Höhe. Er zwang sie, aufzustehen und um den Tisch zu ihm zu kommen. Er zwang ihren Kopf auf die Tischplatte. Sie kniete nieder. Sie wollte ihren Hintern nicht preisgeben. Sie schob sich unter die Tischplatte. So weit es ging. Sie kniete. Sie hielt sich mit den Händen an der Tischplatte fest. Der Mann sprach wieder in diesem ruhigen Ton. Sex mit Frauen. Das mache ihm nicht so Spaß. Nicht so richtig. Aber das hieße nicht, daß er es nicht machen könne. Wie würde es ihr passen. Sie solle einmal diese Jeans ausziehen. Dann wäre man schon einmal einen Schritt weiter.
Während er das sagte, wurde es zum wichtigsten Ding auf der Welt, die Jeans nicht auszuziehen.
Sie richtete sich auf. Der Mann ließ sie den Kopf heben. Er ließ seine Hand in ihren Haaren.»Sex. «fragte sie.»Vielleicht doch Sex? Aber das ist doch das Einfachste von der Welt. Das machen wir ganz einfach. Da müssen Sie doch nur fragen. «Der Mann ließ ihren Kopf los. Er stieß ihren Kopf weg. Sie kroch auf. Der Mann hatte sich abgewandt. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Was solle sie machen. Was würde ihm denn Spaß machen. Überhaupt.
Der Mann ging um den Tisch auf die andere Seite. Sie blieb stehen. Dann setzte sie sich wieder. Sie saß wieder in dem Sessel, in dem er am Anfang gesessen war. Sie hatte ihn vertrieben. Sie saß auf seinem Sessel. Das war gut. Aber es war noch nichts gelungen.
Der Mann schaute sie an und nickte. Er war dabei, wieder langsam zu atmen. Er hatte gekeucht. Beim Weggehen hatte er gekeucht. Das wäre ein gutes Zeichen, sagte er. Er setzte sich wieder hin. Saß ihr gegenüber. Das wäre ein gutes Zeichen, wenn sie Sex anbieten könne. Es hieße, dass sie Prioritäten setzen könne. Dass sie reagieren könne. Das wäre gut. Und jetzt solle sie doch einfach sagen, ob sie sich erinnern könne oder nicht.
«Das ist eine andere Frage. «sagte sie.»Das ist doch eine ganz andere Frage. Was wollen Sie also wissen. Woran ich mich erinnern kann oder ob ich mich erinnern kann. «Der Mann schaute auf seine Hände vor sich. Flucht in Formalitäten sei das. Das sei schon gut. Aber er wolle Antworten. Und zwar auf beide Fragen. Er wolle wissen, ob sie sich erinnern könne und woran.»Das ist doch ein Widerspruch. «sagte sie. Erstaunt. Es war ein Widerspruch. Die erste Frage war doch, ob sie sich erinnerte, und von der wusste nur sie etwas. Wie kam dieser Mann darauf. Hatte sie doch etwas gesagt. Hatte sie während ihr so elend gewesen war. Hatte sie da etwas gesagt. Das gesamte Elend fiel mit dieser Vorstellung wieder über sie her. Als Erinnerung. Ihr war elend und schwindelig, und zur gleichen Zeit erinnerte sie sich an die Todesangst. Sie hatte Todesangst, und die Erinnerung davon. Sie blieb aufrecht sitzen. Schwankte. Der Mann schlug mit der Faust vor ihr auf den Tisch. Es dröhnte. Sie starrte auf diese Faust. Nickte dazu. Das war schon richtig. Man musste auf diesen Tisch einschlagen. Das Glänzen widerlich. Die Kälte der Oberfläche. Der Mann schlug wieder auf den Tisch. Er schlug mehrmals. Woran sie sich erinnern könne. Er schlug mit der Faust den Rhythmus dieses Satzes. Er schrie diesen Satz. Es war sehr laut. Auf einmal war alles sehr laut. Sie musste. Dringend. Der Mann schrie den Satz noch einmal. Sie musste so dringend. Sie stand auf und beugte sich dem Mann über den Tisch zu und schrie den Satz mit. Der Mann schlug ihr ins Gesicht und schrie, sie solle es endlich sagen. Sie richtete sich auf und schrie ihm zurück, er solle es sagen. Der Mann schrie. Sein Gesicht verzerrt. Sie solle es endlich zugeben. Sie schrie zurück, er solle es endlich zugeben. Der Mann riss sie über den Tisch und hielt sie wieder vorne fest. Sie habe etwas zu verbergen. Sie wiederholte den Satz.»Du verbirgst doch etwas. Du verschweigst doch etwas. «Sie bekam wieder einen Schlag ins Gesicht. Sie taumelte vom Tisch weg. Sie war nicht sicher auf den Beinen. Im Kopf dröhnte dieser Lärm. Sie konnte die Glühbirne dröhnen hören. Wieder ein Schlag. Sie stürzte nach vorne in die Ecke. Fing sich ab. Lehnte sich gegen die Wand in der Ecke. Drehte sich um. In die Ecke gedrängt. Der Mann stand vor ihr. Ob sie wahnsinnig sei. Sie schrie den Satz. Sie schrie, so laut sie konnte.»Sind Sie denn wahnsinnig. Das sollte ein normales Gespräch sein. «Sie ließ sich zusammensinken. Stand schlaff gekrümmt in der Ecke.»Jetzt ist wieder alles meine Schuld. Eigentlich. «sagte sie. Sie sagte es traurig. Schüttelte den Kopf.
Der Mann schwitzte. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche. Er hatte nur Hemd und Hose an. Sie hatte seinen Körper spüren können. Spüren müssen. Sie wünschte sich eine dicke Jacke rund um sich. Und eine Mütze. Sie wünschte sich, dick angezogen zu sein und auf einer Wiese und weit und breit niemand. Aber dann hatte sie Angst, dass aus dem Wald rund um die Wiese jemand heraustreten könnte und auf sie zu, und dann wünschte sie sich in ein Zimmer. In ein Zimmer mit einer Tür, die abgesperrt werden konnte. Aber dann wieder hätte man sie einsperren können, und sie wusste nicht mehr, wohin sie sich wünschen konnte. Sie spürte, dass sie nass vor Schweiß war. Der Schweiß rann innen unter der Unterwäsche den Rücken und auf der Seite hinunter. Unter dem Hosenbund. Kalt. Nass. Überhaupt kalt. Eiskalt. Frierend. Schwitzend und frierend. Sie stand in der Ecke und konnte sich nicht bewegen.
Der Mann sagte, sie solle sich wieder setzen. Man müsse das vernünftiger machen. Sie konnte nicht weg. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie schaute vor sich auf den Boden. Die Angst war nicht mehr da. Ruhig. Leer. Innen. Aber keine Bewegung möglich. Sie musste lächeln. Dann musste sie eben hierbleiben. Hier in dieser Ecke. Für immer in dieser Ecke. Und war sie nicht schon immer in so einer Ecke gewesen. War ihr Leben nicht immer schon auf so eine Ecke hinausgelaufen. Es war sinnvoll. Eigentlich war das sinnvoll, dass es so endete. Eine Weinerlichkeit stieg auf. Selbstmitleid. Sie ließ sich vom Selbstmitleid umgeben. Hüllte sich mit dem Selbstmitleid ein. Warm und freundlich. Sie war arm. Sie war verfolgt. Niemand wollte sie. Niemand liebte sie. Niemand brauchte sie. Warum sagte sie diesem Mann nicht, was er wissen wollte, und legte sich in ihr Bett. Legte sich in ihr Bett oben. In der Mansarde. In Ginos ehemaligem Zimmer. Sie hatte ja jetzt Ginos Zimmer bekommen. Warum ging sie nicht dahin schlafen. Der Mann da. Der sollte sie gernhaben. Der konnte ihr nichts verbieten.
Sie riss sich aus der Ecke heraus. Ihre Beine steif. Der Kopf glühend. Alles ungenau. Sie ging unsicher. Sie solle sich setzen, sagte der Mann. Sie hätten noch gar nicht begonnen. Sie ging in Richtung Tür. Der Mann blieb sitzen. Fixierte sie. Sie blieb stehen. Sie musste stehen bleiben. Sein Blick. Sie wollte den nächsten Schritt machen. Sie konnte das Bein nicht heben. Sie musste das Bein vorschieben. Dann. Sie schüttelte den Kopf. Ob sie etwas sagen wolle, fragte der Mann. Sie sei müde, sagte sie. Der Mann hielt seinen Kopf schief und schaute sie an.»Na und. «Was bedeute das schon. Sie hätte es ja in der Hand gehabt, das alles kurz und schmerzlos zu machen. Sie habe diesen Weg nicht beschritten. Diese Gelegenheit nicht ergriffen. Compliance. Das habe sie nicht gezeigt.
Sie schaffte den Schritt. Dann noch einen. Sie stand an die Tür gelehnt. Nein. Das stimme nicht, sagte sie. Das könne er nicht sagen.»Ich habe mich immerhin selbst angeboten. «Der Mann schnaubte verächtlich.»Ein Trick. Aber so etwas ist kein Problem. So etwas ist überhaupt kein Problem. «Er starrte ihr in die Augen.»Im Übrigen haben wir dafür die Hunde. «Er schaute sie unverwandt an. Sie starrte zurück und musste zuschauen, wie er sah, dass sie verstand. Sie brauchte lange. Sie schämte sich dafür. Sie schämte sich dafür, wie lange sie gebraucht hatte, zu verstehen, was er damit gemeint hatte. Die Hunde. Sie stand da wie das kleine Mädchen, das nicht verstand, was die Erwachsenen machten, und sich dann genieren musste. Dafür, dass sie nichts gewusst hatte davon, was die Erwachsenen so machten. Und dann wieder dafür, was die Erwachsenen da so machten, von dem sie vorher nichts begriffen hatte. Sie konnte zusehen, wie er sie dabei beobachtete. Sie fühlte sich nackt. Entblößt. Und er musterte sie.
Die Hunde. Es war immer nur der eine zu sehen gewesen. Der vom Heinz. Der in die Sitzungen mitgenommen wurde. Aber es mussten mehrere Hunde gewesen sein. Ihr Bellen war zu hören gewesen. Hinter einer der Baracken, die den Parkplatz abgegrenzt hatte, war Hundegebell zu hören gewesen. Sie hatte sich nichts gedacht. Wie immer. Sie hatte sich nie etwas gedacht. Und schon gar nicht so etwas. Sie hatte Pornobilder davon gesehen. Hunde. Sie musste erbrechen. Es reckte sie. Sie griff nach der Klinke um Halt. Und die Klinke ging auf. Sie stolperte auf den Gang hinaus.
Der Kellergang taghell erleuchtet. Eine Tür weit unten ging auf. Heinz und Cindy und einer der Psychologen kamen auf den Gang heraus. Sie applaudierten. Sie klatschten in die Hände.»Gut gemacht. «rief Cindy. Die 3 kamen auf sie zu. Sie wurde von ihnen erfasst und in das Zimmer zurückgeschoben. Der Mann hinter dem Tisch. Er war aufgestanden. Er wischte sich Schweiß von der Stirn ab. Auch er nickte ihr zu. Das wäre schon ganz gut gewesen. Cindy setzte sich mit einem Hüpfer auf den Tisch.»Du hast dich endlich geöffnet. «sagte sie. Besonders der Sexantrag sei richtig gelungen gewesen. Sie habe sehr gut durchgehalten, sagte der Psychologe. Er unterrichtete Kommunikationstechnik und Konfliktmanagement. Sie hatte seinen Namen vergessen. Sie habe es verstanden, den Rhythmus des Interrogators zu unterbrechen. Sie müsse gemerkt haben, dass das positive Gefühle bei ihr ausgelöst habe. Das müsse sie sich merken. Diese Selbsterfahrung würde nun dazu beitragen, dass sie ihre Befragungstechnik entwickeln könnte. Alle wandten sich dem Mann zu. Er habe eine schwierige Aufgabe gehabt. Alle nickten ihr wieder zu.»Ja. «sagte Cindy. Sie sei richtig stolz auf ihre Amy. Er müsse seinen Rhythmus besser finden. Er dürfe sich nicht so aus dem Rhythmus bringen lassen. So ein Verhör. Der Psychologe murmelte» Intensivbefragung«. Heinz schüttelte den Kopf. Er würde das nicht mehr lernen. Also so eine Intensivbefragung. Die müsse schon nach einem strengen Rhythmus ablaufen.»Bach?«Alle schauten wieder sie an. Der Psychologe ärgerlich. Heinz lachte. Ja. Das sei schon richtig. Bach. Das hätte sich in der Praxis bewährt. Heinz begann zu lachen. Der Psychologe lachte nicht mit. Der Mann nickte. Cindy lächelte. Sie rutschte vom Tisch. Ja. Es sei nicht leicht, aus der Stimmung herauszukommen. Sie würde anraten, joggen zu gehen. Oder in den Kraftraum.»Warum geht ihr zwei nicht auf einen Waldlauf. «sagte sie zu ihr und dem Mann. Sie nannte ihn André. André und sie. Amy. Sie hätten einander ja jetzt kennengelernt. André wäre neu zu ihnen gestoßen. André habe in seiner Polizeiarbeit wenig mit Befragungen zu tun gehabt. Er sei mehr ein Internetspezialist gewesen, und darin sei er eine sehr vielversprechende Ergänzung des Teams. Es grinsten alle. Heinz ging als Erster aus dem Zimmer. Die anderen drängelten nach. Sie wartete. Ging als Letzte.
Auf dem Gang. Cindy drehte sich um. Die anderen waren voraus. Cindy ging zu ihr gewandt rückwärts.»Klasse. «sagte sie. Es sei klasse gewesen, wie ruhig Amy den Vorschlag gemacht habe, doch einfach Sex zu haben.»Wie habt ihr denn überhaupt zugeschaut. «fragte sie. Cindy kicherte.»Nadelöhrvideokamera. Da kriegt man es hautnah mit. Das ist lustig. «sagte Cindy und ging den Männern nach.