Dezember

Die Sonne schien noch. Über dem Schnee auf den Hügeln draußen rosiger Dunst. Die Hänge hinab blau. Lichtblau dunstig. Kalt. Sehr kalt und schon grau am Grund. Die Obstbäume schwarzzackig verkrümmt gegen den Schnee. Ragten über den Hügelrand in den Himmel. Wolken zogen vor die Sonne. Weißscheinend und dunkelgraue Fetzen. Rotbrennend am Rand. Die Sonne. Das Licht zwischen den Wolken in Strahlenbündel zerteilt. Das Kirchlein über Kötzting aus der Dämmerung gerissen und in dieses Licht getaucht. Kurz. Die Wolken verschwammen. Die Sonne ein oranger Ball hinter dunklen Wolkenstreifen. Goldglühende Ränder. Das graue Blau aus den Tälern. Stieg auf. Der Himmel dunkelviolettblau. Der Widerschein der Sonne orangefleckig auf den Wolken. Noch lange. Während längst schon die Nacht.

Sie lag da und sah der Sonne nach. Dass nur keine Leute kämen, dachte sie, und während sie es dachte, musste sie sich vom Eingang wegdrehen. Angst. Sie hatte Angst. Sie hatte Angst, es käme jemand durch den Gang von der Rezeption herunter. Käme in die Poolhalle. Ginge auf sie zu. Sie hätte weinen mögen. Dann wunderte sie sich über dieses Weinen und warum sie es nicht gut fand. Warum sie es nicht gut finden konnte, dass jetzt niemand da war. Dass sie jetzt allein war. Dass sie allein in der Poolhalle lag und das ganze Panorama ihr gehörte. Ihr allein. Dass niemand in dem pool schwamm. Und dass niemand im pool schmuste oder ohnehin fickte. Die Wochenendgäste stürmten das Hotel erst am Freitag und machten sich dann aber gleich daran. Es war Donnerstag, und sie hatte das Hotel für sich allein.

Gino lachte über sie. Sie solle das alles locker nehmen. Lockerer. Sich nicht darum kümmern. Cool bleiben. Gino. Der verdiente sein Geld damit. Sie. Sie musste hier wohnen. Er. Seine Lockerheit wurde bezahlt. Sie. Sie konnte am Wochenende nicht hierher. Und es war ihr immer gleichgültig gewesen, wie sie angesehen worden war. Bisher. Ihr ganzes Leben war ihr das gleichgültig geblieben. Erst seit sie hier. Seit sie in dieser Welt. Und seit dieser eine Gast. Wie der seine Freundin im pool fast ertränkt hatte, weil er nur auf sie geschaut hatte dabei. Wie er diese Frau von hinten und dabei auf sie gesehen. Und sie war dagelegen. So wie jetzt. Sie hatte nach dem Dampfbad gedöst und war ohnehin in eines von diesen ganz großen Badetüchern eingewickelt gewesen. Und sie hatte ihren Bikini angehabt. Darunter. Sie hatte sich nie nackt hierhergelegt, wie alle anderen das taten. Aber das hatte der Mann nicht wissen können. Gino ritt darauf herum, dass der Mann sich eben eine Phantasie gemacht habe und dass man das doch verstehen müsse. Dass sie das verstehen müsse. Warum aber sollte sie das verstehen. Sie konnte danach überhaupt nicht mehr in die Poolhalle gehen. Am Wochenende. Die Vorstellung, dass dieser Mann. Das war so ein Stämmiger gewesen. Mit Vollglatze. Ein Stammgast. Das Pusten und Strudeln seiner Freundin erst hatte alle aufmerksam gemacht. Ihr Herumschlagen im Wasser. Die Frau hatte sich entwinden müssen. Er hatte sie untergetaucht gehalten beim Ficken. Und dann war er so dagestanden. Die Frau nach Atem ringend am Geländer vom pool hängend und auf ihn einschimpfend. Er wolle sie wohl umbringen, hatte sie gekeucht. Er aber. Er hatte immer noch auf sie geschaut. Auf sie auf dem Ruhebett in ihr Badetuch gewickelt. Sie war aus dem Dösen aufgeschreckt. Vom Wassergeraschel wie von einem Kampf hochgerissen und vom Geschrei der Frau. Sie hatte ihre Augen direkt in seinen Blick aufgemacht. Er war dagestanden und hatte in ihren Blick zu grinsen begonnen. Die Frau war dann auf ihn losgegangen, und er hatte den Blick von ihr abwenden müssen.

Ein paar Gäste hatten sich sogar beschwert. Der junge Eibensteiner hatte sicherlich ernst genickt dazu. Und die Gäste hatten sich auch nicht darüber beschwert, dass der Mann im pool gefickt hatte. Sie hatten sich beschwert, weil es zu laut gewesen war. Wegen des Fickens hätten sie zum alten Eibensteiner gehen müssen, darüber hätte der sich auch aufgeregt. Aber am Ende blieben die Gäste weg, denen das nicht gefiel. Die blieben einfach weg. Und der junge Eibensteiner sagte einem ins Gesicht, dass er es selbstverständlich nicht richtig fände, wenn im pool diese Sache gemacht würde. Nein. Das wäre sicherlich nicht richtig, und man sei ein gepflegtes Haus. Aber man wolle auch nicht in die Freiheit der Gäste eingreifen, und man könne doch erwarten, dass die Gäste das Klima ihres Aufenthalts selber herstellten. So etwas könne man doch regeln. Aber es war ganz einfach. Die Ficker ließen mehr Geld zurück als die anderen. Das Personal wusste immer gleich, wer wiederkommen würde und wer nicht. Spätestens beim Abendessen. Wenn keine Flasche Wein bestellt wurde. Und kein Aperitif. Dann konnte man es gleich wissen. Und die machten Wetten darauf. Das Personal machte Wetten auf das Geschlechtsleben der Gäste.

Oh, wie sie sich in diese heruntergekommene Wohnung an der Grenze wünschte. Sie seufzte. Alle Zimmer grellhellblau ausgemalt. Aber eine Aussicht in die Hügel hinein. In die Morgensonne und das Fenster der Küche in den Abend. Sie wäre da erfroren. Der Kanonenofen in der Küche hatte gerade noch sich selbst erwärmen können, und sie hatte überhaupt nicht mehr aus dem Bett steigen wollen.

Sie steckte die Hände in die Taschen ihrer Vliesjacke. Gegen die Kälte in dem Schlafzimmer da, und jeder Atem eine Wolke vor dem Gesicht gewesen. Die Wolken am Himmel draußen blassorange. Die Schneehänge der Hügel schon längst hinter dem Licht der Poolhalle verschwunden, und der Dämmer draußen das Glas der geheizten Panoramascheibe in einen Spiegel verwandelte.

Sie hörte Stimmen. Um die Ecke. Da, wo es zum Dampfbad ging. Sie fand ihre Hände zu Fäusten geballt in den Taschen der Vliesjacke. Sie war halb aufgerichtet. Im Aufstehen steckengeblieben. Eingefroren. Sie ließ sich zusammensinken und nahm die Hände aus den Taschen. Legte sie auf ihren Bauch. Hielt die linke Hand mit der rechten fest. Steckte die Hände dann wieder in die Taschen zurück. Zum Wärmen. Und sie fühlte ihren Bauch da. Fest und warm. Lebendig.

Und warum. Warum war ihr kalt. Warum hätte sie gerne noch eines der ganz großen Badetücher haben wollen und sich einwickeln. Über die Adidashose und die ganze Thermounterwäsche, die sie anhatte. Warum eine Saunasitzung eine Verlockung. Ja. Sie sollte in die Sauna gehen. Diese Diskussion mit sich abbrechen und sich da aufwärmen und alles herausschwitzen. Es war ja klar. Sie brauchte nicht mit sich selbst zu diskutieren. Sie hatte zu viel getrunken. Sie hatte zu viel erwischt. Sie wusste nicht einmal genau, wie sie zurückgekommen war. Immerhin. Sie hatte keine Sauerei gemacht. Das Zimmer war in Ordnung gewesen. Vorhin. Beim Aufstehen. Keine Spuren im Badezimmer. Aber das hieß. Sie hatte noch alles in sich. Der Alkohol kreiste noch in ihr. Sie hätte im Zimmer bleiben sollen. Wenn da nicht diese deprimierende Aussicht das Liegen unmöglich machte. Die Bierkisten und der Müllcontainer trieben sie in die Poolhalle. Oder in die Bar.

Jemand lief an den pool. Das klatschende Tapsen nackter Füße nass auf den Fliesen. Das Wassergeraschel. Jemand stieg ins Wasser. Sprang nicht. Stieg über die Leiter und ließ sich ins Wasser fallen. Und dann fragte Gregory auch gleich, warum sie grinse, und sie musste sich nach rechts drehen, ihn sehen zu können. Gregory schaute über den Poolrand zu ihr herüber. Hochrot. Sein Gesicht und sogar seine Schultern rot angelaufen. Seine Haare nass am Kopf anliegend. Sie sah ihn an. Hatte sie gegrinst. Und warum war er da. Hatten sie heute früher aufgehört, und er hatte eine Saunasitzung eingelegt. Alle im compound waren Saunafanatiker und kamen hierher. Wenn sie nicht in dieses Casinohotel nach Tschechien fuhren. Ein heißer Schreck durchfuhr sie. Hatte Gregory sie hierhergebracht. Sie starrte Gregory an.»Gut aufgelegt. «fragte Gregory noch einmal und stieß sich vom Poolrand ab. Er paddelte auf dem Rücken liegend im Wasser und schaute sie an. Sie grinse, sagte sie hastig, weil sie neuerdings den Befehlen einer Mülltonne folge. Gregory hörte zu paddeln auf und sah sie prüfend an. Mitleidig? Einen Augenblick lehnte er sich zurück und musterte sie. Dann begann er auf dem Rücken zu schwimmen. Seine Arme holten nach hinten aus, und er zog sie den Körper entlang nach vorne durch. Dreschflegelbewegungen. Regelmäßig und vollständig. Sie sah seine Fußsohlen beim Paddeln. Er war mit 3 Zügen auf der anderen Seite des pools und begann Längen zu schwimmen. Auf dem Rücken. Er rauschte mit diesen kreisenden Armbewegungen durch das Wasser. Stetig. Klatschend und rauschend. Sein Bauch in der Mitte. Seine Gliedmaßen bewegten sich um diese weiße Wölbung und zogen diesen Bauchhügel den pool hinauf und hinunter.

Sie fühlte sich schwer. Kalt und dünn und knochenschwer. Und unbeweglich. Eine Mühe schon die Vorstellung, sich auf dem Ruhebett zu drehen. Wegzudrehen. Umzudrehen. Aufstehen. Das konnte sie sich schon gar nicht vorstellen. Und wieder dieses hilflose Weinen. Trostlosigkeit. Das war, weil sie nichts gegessen hatte. Seit wann. Hatte sie ein Mittagessen gehabt. Frühstück ja sicher nicht. Aber sie konnte sich auch daran nicht erinnern, und es war gar nicht der Grund. Sie aß nie regelmäßig.

Sie hörte Autos. Sah sie. Sah das Licht der Autos. Die Scheinwerfer strichen über den gegenüberliegenden Hang. Weißleuchtend. Die Autos bogen in die Hoteleinfahrt ab. Die Poolhalle lag auf dem Hügel über der Einfahrt. Wegen der Aussicht. Die billigen Zimmer waren unter der Poolhalle in den Hügel gebaut. So wie ihres. Sie lag hier oben, weil sie es nicht aushalten konnte, dass dieser pool über ihr war und nach links drei Zimmer weiter wieder Erde und auf der anderen Seite die Bierkisten und die riesigen Müllcontainer. Im Sommer musste das unerträglich sein. Im Sommer würde es noch riechen da hinten. Aber im Winter. Und da konnten alle lachen über sie, wie sie wollten. Da konnte man sie fragen, so viel man wollte. Dass sie doch mit der U-Bahn auch fahren könne. Oder mit dem Zug durch den Kanaltunnel nach London. Dass da ein ganzes Meer über ihr hinge. Und warum ihr das nichts ausmache. Die begriffen nicht, dass in einem Zug. Oder in der U-Bahn. Da bewegte sie sich. Da fuhr sie die ganze Zeit. Da blieb sie keinen Augenblick an einem Fleck. Da flüchtete sie fortwährend. Und dann. Im Zug. Oder in der U-Bahn. Da konnte sie selber gehen. Und stehen. Im Zug oder in der U-Bahn. Da lag sie nicht. Da musste sie nicht liegen. Und dann noch schlafen. Aufrecht. Im Stehen. Da ging das alles. Und mit Musik sowieso. In ihrem Zimmer hier. Da hatte sie die Musik im Ohr. Immer. Beim Schlafen sowieso. Und hier. Sie hatte immer dann schon etwas getrunken. Mit Gino und Heidi in der Bar. Wenn alle anderen endlich gegangen waren und Gino und Heidi Feierabend machten. Ein Glas Wodka, und es ging besser. Sie brauchte die Musik, und deshalb war sie auch keine Alkoholikerin. Obwohl die das nicht zugeben würden. In der Angehörigenunterstützungsselbsthilfegruppe in Stockerau. Da hätten sie das schon als Alkoholismus eingestuft. Weil sie das Glas Wodka brauchte, um in ihr Zimmer gehen zu können. Gino kam ja auch manchmal mit, oder sie schlief bei ihm oben unter dem Dach. Aber das war nur hier. Sie würde nicht ewig in diesem Wellnesshotel am Rand der Welt wohnen müssen, in das Leute nur zum öffentlichen Ficken kamen und wo man im pool nur am Mittwoch schwimmen konnte, weil da das Wasser dann von biologischen Substanzen gereinigt war. Weil die wasserlöslichen festen biologischen Bestandteile der Körpersäfte nach drei Tagen weggefiltert waren.

Sie ging aber trotzdem nicht hinein. Nie. Weil Gino jeden Tag schwimmen ging. Und Gino. Gino war schon sauber. So schon. Gino hatte nur Angst vor Ansteckungen für seinen Schwanz. Alles andere war ihm gleichgültig. Haare. Speichel. Schweiß. Das störte ihn nicht. Er glaubte an die Kraft der Desinfektion und behauptete immer, dass die Sammlung von Schamhaaren am Grund des pools. Dass diese Haare doch gewaschen wären, und sie solle nicht so eine Prinzessin sein. Er rannte dann auch mit seinen Damen direkt von der Sauna in den pool. Ohne Dusche. Und dann fielen sie übereinander her. Kleinkindertollereien wurden da gegeben. Bis es wieder mit der Angelegenheit begann. Es war nur gut, dass noch Donnerstag war und keine Wochenendgäste. Gregory zählte nicht. Sie wollte nicht aufstehen müssen. Sie wollte hier liegen bleiben und wissen, dass hinter der geheizten Panoramascheibe, auf der keine Eisblumen möglich waren, die Welt so groß sich ausbreitete und der Himmel darüber. Hier in der Wärme und hinausschauen und niemand sonst. Ganz tief über den Hügeln war noch ein grauheller Schein weit hinten.

Warum war Cindy da. Hatte sie geschlafen. Gedöst. Eingenickt. Cindy saß am Rand ihres Ruhebetts und schaute sie an. Oder hatte sie Filmrisse. Cindy war im Bademantel. Im Hotelbademantel. Die dunkelgrünen Hirsche auf der Brust rechts und links. Sie verstand das nicht. Cindy war noch nie hier gewesen. Sie hatte Cindy hier noch nie gesehen. Cindy lächelte. Cindy lächelte sie an. Sie richtete sich auf. Aber Cindy schob sie wieder ins halbaufrechte Liegen zurück und hielt ihr eine Flasche Vöslauer hin. Sie bräuchte doch sicherlich etwas zu trinken, sagte Cindy und fügte dann» Amy «hinzu. Nach einer langen Pause sagte Cindy diesen Namen, und sie. Sie wusste plötzlich, dass sie so hieß, als habe sie sich nicht erinnern können, und wieder diese Weinerlichkeit. Eigentlich eine Weichheit. Sie nahm die Flasche und war dankbar. Sie war zittrig und musste die Flasche mit beiden Händen halten. Die Dankbarkeit füllte sie warm aus, und sie hätte sich in Cindys Arme fallen lassen können. Sie fühlte sich Cindy nahe und vertraut und hatte ein Bedürfnis, sich an Cindy zu drängen. Hinter Cindy zog Gregory seine Bahnen. Sie lächelte. Gregory nähme es wirklich ernst. Mit dem Schwimmen, sagte sie, und sie lachten beide. Ein einverständiges Lachen war das, und sie wollte, dass Cindy nicht aufstünde. Die richtete sich aber auf und warf sich auf das Ruhebett daneben. Cindy musste aber wieder aufstehen. Sie versuchte, den Verschluss der Wasserflasche aufzudrehen, und es gelang nicht. Cindy nahm ihr die Flasche aus der Hand und drehte sie auf. Mit einem Griff. Dann hielt sie ihr die Flasche wieder hin. Reichte sie ihr. Drückte sie ihr in die Hand, und sie trank.

Sie trank und hörte erst auf damit, als sie schon sehr dringend wieder Luft holen musste. Sie setzte die Flasche ab. Schnappte nach Luft. Trank wieder und fühlte die Augen übergehen. Ihre Augen wurden nass. Die Feuchtigkeit quoll zwischen den Lidern hervor, und sie musste die Augen abwischen. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und den Mund und lehnte sich auf das Ruhebett zurück. Es war alles gut. Sie hielt die Flasche hoch. Sie hatte sie leergetrunken. Cindy griff vom Bett daneben herüber und nahm die Flasche. Sie hielt die Flasche gegen das Licht und lachte leise. Das wäre ja schon ein Durst gewesen. Ob Amy noch Wasser trinken wolle. Und sie nickte. Und lachte. Und Cindy ging weg. Sie schaute hinaus. Der Raum spiegelte sich auf der Panoramascheibe. Sie konnte Cindy sehen. Cindy war ein heller Schatten, der aus der Poolhalle hinausging. Gregorys Spiegelbild schwamm auf der Scheibe hinter Cindy her.

In ihrem Bauch sammelte sich Unruhe. Die Unruhe war zum Platzen dicht, und sie musste sich aufsetzen. Sie schaute Cindy nach. Gregory schwamm von rechts nach links. Sie zwang sich, sich wieder zurückzulegen. Zurückzulehnen. Sie zwang sich zu Ruhe. Sie sagte sich das vor.»Ruhig. Sei ruhig. «flüsterte sie sich selbst zu. Das war anders als sonst. Das war total anders als sonst. Hatte sie etwas anderes getrunken. Dann. In der Zeit, von der sie nichts wusste. In der Zeit. Diese Zeit. Im Kopf nichts. Nichts von dieser Zeit. Diesem Zeitraum. Nicht einmal eine leere Stelle. Sie konnte sich an das Trinken erinnern. Im Auto. Der Vogel. Ein riesengroßer Vogel war da gewesen. Auf der Fahrt zum compound. Das weitgespannte Tal. Der Schnee. Das Sitzungszimmer. Grotowski. Cindy. Cindys Gesicht. Gregory hinter ihr. Sie konnte Gregory hinter sich stehen fühlen. Und dann nichts. Aber sie musste funktioniert haben. Alles war in ihrem Zimmer. Das Auto draußen auf dem Parkplatz. Sie hatte hinausgeschaut. Gleich am Anfang des überdachten Parkplatzes draußen. Gerade eingeparkt.

Paranoia. Ging das los. War das möglich. Half ihr da die Erbschaft ihrer Mutter. Half es, dass ihre Mutter ein Junkie gewesen war und genadelt hatte. Während der Schwangerschaft. Hatte ihre Mutter ihr einen Schatz an Paranoia zurückgelassen, bevor sie wieder nach Amsterdam davongefahren war und nachdem sie sie dem Staat überschrieben hatte. Ihre Urgroßmutter hatte es auch so gesagt.»Das Staatsmündel. «hatte die gesagt. Oder war das alles in der Familienkette aufgehoben. Hatte ihre Großmutter das über die Betsimammi so behauptet, weil ihre Großmutter ihre Mutter, die Urgroßmama, hasste und ihre Tochter nur so in Schutz nehmen konnte. Sie hatte nie mit der gesprochen. Die hatte in Los Angeles gelebt und war dann gestorben. Gleich nachdem sie auf die Welt gekommen war. Sie war dann ihrer Großmutter weggenommen worden. Von Amts wegen. Und das war auch richtig gewesen. Das Mammerl war schon für ihre Mutter nichts gewesen. Ihre Mutter schon keinen Vater gehabt. Das Mammerl wusste den Vater von ihrer Mutter. Der war ein ehemaliger Liebhaber ihrer Urgroßmutter gewesen. Schien es. Ihre Mutter. Die arme Betsimammi. Die konnte nicht sagen, wer das gewesen war. Männer im Alter von Gregory. Die konnten alle ihre Väter sein. Das würde das Interesse von Gregory erklären. Der war ja wiederum sicherlich ein Liebhaber ihrer Großtante. Oder so etwas. Und mit dieser Unruhe und dem Gefühl, dass sie etwas nicht wusste. Da kam dieser Schatz zum Vorschein. Die Verlassenschaft ihrer Mutter. Sie hatten nun schon lange nichts gehört von ihr. Die Tante Schottola wusste etwas, aber die sagte es ihr nicht, und der Onkel Schottola stellte sich ans Blumenfenster und schaute starr hinaus und sagte dann so über die Schulter, dass sie es nicht zu wissen brauche. Es wäre nichts Wichtiges. Aber es wäre auch nichts Schlimmes, und man solle nicht zu früh hoffen. Sie machte sich dann gleich Bilder von ihrer Mutter, die wieder schön und gesund wie Barbie als Königin von Oceana zur Tür hereinkam und ihr Kleider mitbrachte, damit sie in Wien in all die tollen Lokale gehen konnten und bewundert werden. Aber da war sie klein gewesen. Wie sie sich das gewünscht hatte. Die Belastungen. In jedem psychologischen Gutachten vom Jugendamt stand das ganz oben. Dass ihre Mutter drogensüchtig gewesen war. Während der Schwangerschaft. Sie musste sich nicht wundern. Sie musste Ruhe bewahren. Es schoss ihr durch den Kopf, dass sie dazu Ruhe einmal haben musste. Um sie zu bewahren. Und was sie innen hatte. Das wusste sie nicht. Sie wusste nicht, was das war. Diese Unruhe. Vielleicht war das ihre Ruhe. Sie hatte das ja oft. Vielleicht hatte sie es falsch verstanden, und das war Ruhe und das, was sie sich als Ruhe vorstellte. Das war die Unruhe.

Sie versuchte, dieses zusammengeballte Toben tief im Bauch sich auflösen zu lassen. Aber es wurde nicht still. Im Liegen und sich in diese Tiefe in sich denkend. Die Unruhe zerstob in den ganzen Körper. Bis in die Fingerspitzen, und sie hätte schreien können über das Klingeln in den Händen, und im Bauch die Ballung nicht weniger.

Cindy kam zurück. Sie hatte sich aufsetzen müssen und sah Cindy zu, wie sie zu den Ruhebetten um den pool ging. Cindy hatte noch eine Flasche Wasser in der Hand und lächelte ihr entgegen. Sie lächelte zurück. Wieder so weich vor Dankbarkeit. Cindy war eine wunderbar freundliche Person. Sie griff nach der Flasche. Hielt ihre Arme ausgestreckt Cindy entgegen. Cindy blieb stehen. Sah auf sie hinunter. Streng. Das Lächeln weg. Sie musste die Arme sinken lassen und sah zu, wie Cindy wartete, bis die Arme auf ihren Oberschenkeln lagen und nichts mehr erwarteten. Sie selber sah ihren Armen zu. Den Händen. Wie sie sich noch kurz zu einer Faust ballten und dann weich wurden. Aufglitten. Ihr Kopf sank nach vorne und baumelte über den Händen. Aus dem Bauch stieg ein Elend auf. Ein noch nie gekanntes Elend. Sie spürte sich sitzen mit dem hängenden Kopf und die Hände kraftlos im Schoß. Und wie sie nicht einmal schluchzen konnte und sich ihr etwas abringen wollte. Dass sie es nicht wert war. Dass sie nichts wert war. Dass sie nichts. Dass es. Dass es sie nicht. Nicht geben sollte und dass es. Dass es.

Sie spürte die Flasche in den Händen. Cindy war ganz tief über sie gebeugt. Sie flüsterte ihr etwas zu. Cindy sagte etwas. Sie konnte es nicht verstehen. Aber sie wusste, sie durfte diese Flasche nicht nehmen. Unter keinen Umständen. Sie schaute auf. Sie schaute durch ihre langen Haare durch zum pool. Gregory schwamm. Er zog sich mit seinen Armbewegungen durch das Wasser. Sie war mit Cindy allein. Sie wollte dieses Wasser trinken. Sie wollte von Cindy versorgt werden. Bemuttert. Sie wollte Cindy ihr zulächeln haben. Sie wollte Cindy über sie sprechen hören. Cindys Urteil hören. Cindy sollte sagen, dass sie. Dass sie, die Amy, eine wunderbare Person sei. Und dass es ein Gewinn war, Amy zu kennen. Amy als Kollegin. Cindy sollte zu Gregory gehen und ihn anschreien, dass er Amy gefälligst freundlich behandeln sollte. Und achtungsvoll. Aber sie durfte dieses Wasser nicht trinken. Sie durfte die Flasche nicht einmal berühren. Sie blieb so hängend sitzen. Sie bewegte sich nicht. Cindy rüttelte sie an den Schultern. Sie hätte sich gegen Cindy lehnen wollen. Cindy sie umarmen haben. Die Flasche lag zwischen ihren Beinen. Ihre Arme hingen von den Schultern. Wie ein Affe, dachte sie. Sie saß da wie ein Affe. Sie blieb so sitzen. Cindy redete auf sie ein. Sie solle doch trinken. Sie bräuchte das. Das wäre dringend notwendig. Sie sei doch vollkommen dehydriert. Das könne auch ein gefährlicher Zustand sein. Sie hörte mit. Sie hörte Cindy zu. Dann rief Cindy Gregory zu, er solle doch kommen. Sie blieb über sich gebeugt sitzen und schaute die Flasche Vöslauer Mineralwasser an. Es war» leicht «aufgedruckt auf die Flasche. Es stand da» Vöslauer Mineralwasser«, und darunter war» leicht «geschrieben. Sie starrte auf das» leicht «und bewegte sich nicht.

Gregory kam angetappt. Sie konnte das Chlor an ihm riechen. Was los sei, fragte er. Knapp. Sachlich. Wie er mit Cindy sprach. Cindy war ungeduldig. Cindy wippte mit dem Knie und stieß das Ruhebett an. Tapp. Tapp. Tapp. Amy trinke nichts. Ob er sich keine Sorgen mache. Gregory stand am Bettende. Cindy solle sich nicht aufführen. Gregory sprach Englisch. Cindy sprach Englisch. Alle konnten plötzlich Englisch. Oder hatten alle schon immer Englisch gesprochen. Die Verwunderung darüber ließ sie schwanken. Ob die Dosis groß genug gewesen war, fragte Gregory. Cindy stieß gegen das Bett. Die Dosis hätte für einen Elefanten gereicht. Die Dosis. Die Dosis. Also. Cindy solle die Situation monitoren. Er wolle jetzt ins Casino, sagte Gregory. Cindy sagte, dass sie nicht dafür da wäre und dass sie auch Pläne habe. Aber sie mache sich Sorgen. Ja, dann, sagte Gregory. Dann solle man die kleine Trinkerin da sich selbst überlassen.»Leave her to herself and to her own fate. «sagte er. Das wäre doch eine gute Idee, sagte Cindy und nahm die Flasche wieder an sich. Sie griff ihr unter den Kopf und die langen Haare und holte die Flasche von ihren Oberschenkeln.»No way we overdosed. «sagte Gregory.»You can go wrong with the weight. «Cindy war am Bett stehen geblieben. Dann folgte sie Gregory.

«Overdosed. «dachte sie.»Overdosed?«

Ob sie auch Hunger hätte. Gino zog die weiße Jeans hinauf. Er hatte keine Unterwäsche an und stopfte sich vorsichtig hinter den Zippverschluss. Sie schaute ihm zu. Warum er diese Hose heute schon anziehe, fragte sie ihn. Erwarte er eines seiner Mädels früher. Ein Extratreffen. Gino drehte sich vom Spiegel um.»Nein. «sagte er. Nein. Es wäre ein ganz normaler Freitagabend, und er gähnte. Er ließ sich zu ihr aufs Bett fallen. Was sie denn machen wolle.

«Freitag. «sagte sie. Das könne nicht stimmen.»Doch. «sagte er und dass sie nicht so unschuldig tun solle. Sie solle ihm noch erzählen, was sie getrieben habe. Gestern Abend. Da wäre sie ja nicht aufgetaucht. Was hätte es denn Spannendes gegeben. Da. In ihrem Betrieb. Gino sagte das Wort» Betrieb «so, wie sie» Mädels «sagte.

Sie lag auf Ginos Doppelbett. Ginos Zimmer unter dem Dach. Das Bett unter die Dachschräge geschoben. Sie rollte ans Ende und setzte sich auf. Sie musste sich wieder hinlegen. Es war doch Donnerstag. Es musste Donnerstag sein. Gino war ein airhead. Dem konnte das passieren. Der konnte einen Tag verlieren. Oder verwechseln. Am besten sie ging an die Rezeption und schaute dort nach. Da wussten sie es genau. Gino sollte nur seine engen weißen Hosen anziehen.

«Du musst allein essen, mein Darling. «Gino frisierte seine Haare zu einem Schöpfchen über der Stirn hoch. Er zog mit dem Stylingwachs die Haare in die Höhe.»Die Angestellten müssen wieder hinter die Kulissen. «rief er aus dem Badezimmer und kam an die Tür. Sie lag da und schaute die Wandverkleidung an. Ginos Zimmer war mit Holz ausgekleidet. Wie in einer Sauna.

Was denn los sei. Mit ihr. Gino stand am Bett und zog das Wachs durch seine Haare. Er zupfte die Haare zu kleinen Büscheln wie Strahlen zusammen. Sie schaute ihm zu. Im Liegen. Wenn sie das wüsste, sagte sie. Wenn sie das nur wüsste. Gino setzte sich auf das Bett. Er saß mit dem Rücken zu ihr und begann die Haare am Hinterkopf zu stylen.

«Ich möchte mich ja nicht einmischen.«, sagte er.»Und du kannst natürlich machen, was du willst. Eh klar. Aber bist du sicher, dass da nicht etwas Komisches läuft. Ich meine. Ich habe ja auch nicht. Hier. Du weißt ja. Ich meine. Ich. Aber das ist reell. Verstehst du. Das ist alles klar. Die Gritschi kommt, und da ist alles klar. Und ich mag die Gritschi. Und die Petra. Und die Gitti. Das ist schon so. Aber bei dir. Da geht es um etwas anderes. Ich weiß auch nicht. Mit dir. Da ist das anders. Du kannst nicht so aufpassen auf dich wie die. Die wissen, was sie wollen. Die wissen, was sie kriegen können. Und die sind nicht traurig darüber. Ja. Ich weiß schon. Wir sind alle traurig. Aber dazwischen. Da läuft das so. Mit dir. Du kannst das nicht. Ich weiß ja auch nicht. Aber ist dir nicht aufgefallen. Dieser komische Kerl. Der hat so eine Phantasie mit dir. Ich schwöre dir. Ich habe denen zugesehen. Die haben dich. Das ist wie in dieser Serie. Weißt du, welche. Na die. Du weißt schon. Die war immer so spät am Abend. Du weißt schon. ›Alias.‹ Du schaust nur noch besser aus. Die hatte doch auch diesen Vater, der sie überallhin geschickt hat, und dann ist sie vergewaltigt worden, gestorben, gefoltert. Was weiß ich was. Ich sage dir. Die zwei. Das schaut genauso aus. ›Alias.‹ Ja. So hat die geheißen. Die hat auch nie gewusst, was passiert ist und wie sie wohin gekommen ist. Wie die dich heute hereingebracht haben. Das war richtig komisch. Richtig seltsam. Ich meine, diese Frau geht dann mit dir einfach in dein Zimmer, und du schaust so. Du hast mich nicht gesehen, und ich bin auch nicht in die Lobby gegangen. Das war so. Na du weißt schon. Der Jungeibi wollte mich mit dem Alteibi in den Weinkeller schicken. Stand machen. Nein. Da verzupf ich mich. Und grad, wie ich in den Lift steigen will, da kommt ihr daher. Das war wie so ein Auftritt von einem Filmstar. Die haben dich so herein. Geschoben haben die dich. Und du hast nur auf den Boden geschaut. Und dann hat der Papi noch dafür gesorgt, dass das normal ausschaut, und hat mit dem Alteibi geredet, und die dürre Ziege hat dich abgeschleppt. Aber du hättest nichts zu sagen gehabt. Die hat dich die ganze Zeit am Arm dahergezogen.«

Gino hatte die ganze Zeit an seinen Haaren gezupft. Er stand auf und ging ins Badezimmer zum Spiegel zurück. Sie schaute ihm nach. Sie wusste nichts. Sie konnte sich an nichts erinnern. Das Liegen war aber so angenehm. Friedlich. Ginos Gerede flutete an ihr vorbei. Sie tastete ihre Arme ab. In der Armbeuge ein Pflaster. An den Oberarmen. Gleich unter der Rundung des Bizeps. Die Arme waren da druckempfindlich. Die Schultergelenke schmerzten. Verdreht gewesen. Sie konnte sich selbst sehen. Cindy hatte sie im Polizeigriff. Wie es im Skript aufgezeichnet war. Cindy hielt sie eisern von hinten an den Armen fest und schob sie in Richtung Lift. Sie konnte das vor sich sehen. Aber sie konnte sich nicht erinnern. Es war aber fast lustig. Während Gino vor sich hin redete. Die Schmerzen sprangen auf. Erwachten. Ihr Körper begann, an allen Ecken weh zu tun. Zerschlagen. Sie lag zerschlagen auf Ginos Bett. Sie musste lachen. Er solle aufhören, stöhnte sie. Wenn er weiterreden würde. Sie würde noch richtig krank. Und er solle nicht so dumme Geschichten erfinden und ihr die falschen Tage sagen. Er sei doch selber wahnsinnig und verrückt, und das sei ja alles schön und gut. Aber jetzt könne sie nichts mehr aushalten. Sie wolle hier liegen bleiben. Ob er sein Zimmer bräuchte. Gino hatte den Föhn aufgedreht und schrie über das Föhngeräusch, dass sie dableiben könne. Er wüsste nicht, wann er heute ins Bett kommen würde. Sie könne sein Zimmer haben. Sie solle ihm den Schlüssel von ihrem geben. Ihm würde das nichts ausmachen. Im Hügel unter dem swimming pool. Er könne immer schlafen. Und sie solle schlafen. Was immer da los sei. Sie schaue entsetzlich aus. Sie müsse einmal eine Nacht wirklich schlafen. Sie habe schließlich auch nicht die ewige Schönheit gepachtet. Und er wolle, dass seine Emilie die Schönste sei. Gino kam aus dem Badezimmer und setzte sich wieder auf das Bett.»Amalie. «sagte sie. Amalie wäre ihr Name. Emilie, das käme doch von Emil, und sie könne Frauennamen, die von Männernamen abgeleitet wären. Die könne sie nicht leiden.

Sie legte ihren Kopf auf seinen Schoß und zupfte an seinen Haarschöpfchen.»Warum machen das Menschen. «fragte sie. Gino griff nach seinen Haaren. Sie solle das nicht machen, bat er sie. Sonst könnte er die ganze Prozedur wiederholen. Das mit der Holzverkleidung, sagte sie. Warum verkleideten Menschen solche Zimmer mit Holz und machten kleine Saunaräume daraus. Ginge es diesen Menschen darum, sich heiß und zu groß für das Zimmer zu fühlen.

Das wüsste er nicht. Gino stand auf. Ihr Kopf fiel auf das Bett zurück. Gino ging ins Badezimmer. Sie hörte einen Entsetzensschrei und dann:»Amalie. Vielen Dank. Das habe ich jetzt wirklich dringend gebraucht. Noch einmal die Haare waschen. «Dann ging die Brause los. Das Wasser trommelte auf die billige Brausetasse. Es dröhnte, als ginge ein heftiger Regenguss nieder. Sie lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Sie begann die Bretter zu zählen. Sie zählte bis 10 und begann dann von vorne. Dann konnte sie sich nicht erinnern, ob sie nicht doch bis 20 durchgezählt hatte. Sie begann noch einmal. Dann drehte sie sich auf den Bauch. Im Badezimmer war der Föhn zu hören. Sie dehnte sich. Ihre Beine taten weh. Die Zerschlagenheit. Sie streckte sich. Alle Gelenke waren so rostig und unangenehm. Die Hüften. Auf dem Bauch liegend. Als wäre sie auf eines von diesen Turnwochenenden von der Sportunion gefahren und hatte nicht trainiert. Muskelkater. Ein schrecklicher Muskelkater war das. Das hatte sie noch nie gehabt. Vom Trinken.»Weißt du was. «rief sie Gino zu. Der hörte sie nicht. Sie nahm einen Polster und schoss ihn durch die Badezimmertür. Der Föhn wurde ausgeschaltet.»Weißt du was. «wiederholte sie. Gino kam an die Tür. Er hielt den Föhn als Pistole und sagte:»Peng. Peng.«

«Ich möchte nicht mehr so heißen. «Gino lehnte sich an den Türrahmen der Badezimmertür. Er hielt den Föhn baumelnd in der Hand. Da könne man wenig machen. Gegen einen Namen. Was sie denn störe. Er fände Amalie nett. Altmodisch und sogar ein bisschen exklusiv. Genau das fände sie daran so blöd. Die Exklusivität. Amy. Das wäre besser. Aber um den Vornamen ginge es nicht. Es ginge um ihren Nachnamen. Sie habe jetzt und eben und beim Zählen des 27. Holzbretts der Holzverkleidung seiner Zimmerdecke einen unüberwindlichen Widerstand gegen ihren Namen gefasst. Gino müsse wissen, dass sie wie ihre Mutter hieße. Weil sie unehelich sei. Und ihre Mutter hieße so wie alle vor ihr. Sie wolle da heraus.»Aber das ist doch ein berühmter Name. «Gino ging ins Badezimmer zurück. Sie konnte ihn sehen. Von hinten. Er stand auf Zehenspitzen und hatte begonnen, das Spiegelkästchen über dem Waschbecken zu durchsuchen. Er nahm die Dosen und Fläschchen und schaute die Etiketten genau an. Dann stellte er alles auf den Boden und suchte weiter. Man wisse doch nie, wann so ein Name praktisch wäre. Sie musste lachen. Das sagten alle, rief sie Gino zu. Aber erstens wüsste doch ohnehin kaum noch jemand etwas von einem berühmten Mann, der 1911 gestorben wäre, und in der Kunst kenne sich doch auch keiner aus.»Na dann. «seufzte Gino und drehte eine der Dosen auf. Ihm sei sein Haarstylinggel ausgegangen. Was er nun machen solle. Ob sie eines habe. Er kam wieder an die Tür. Hinter ihm standen die Fläschchen und Döschen und die Tuben auf dem Boden.»Nein, o großer König der Kosmetika und Pflegemittel. «Sie drehte sich auf die Seite und schaute ihn an. Er wisse doch, dass sie nichts verwende. Sie habe einen Haarfestiger. Aus der Apotheke. Gino wandte sich ab. Gespielt angewidert begann er die Fläschchen und Döschen vom Boden aufzuheben und stellte sie wieder in die Fächer des Spiegelschranks. Sie rollte wieder auf den Rücken. Das sei wirklich ein Problem, klagte sie. Für sie sei das ein Problem. Mit diesem Namen. Sie könnten heiraten, sagte Gino, und dass er jetzt diesen alten Haarspray nehmen müsse. Ob er den aufsprayen sollte oder als Saft. Sie hörte ihn sprayen. Sofort der Geruch nach Friseur. Sie glaube nicht, dass man einen solchen Spray aufschrauben könnte. Die stünden doch unter Druck. Oder. Und war das nicht der Grund, warum man sie nicht verwenden sollte. Gino sprayte im Badezimmer. Amalie Denning, das wäre doch nicht so schlecht. Oder? Gino stand in der Tür und zog an seinen Haaren. Das Blöde wäre, dass er keine Zeit haben würde. Zum Einkaufen. Ob sie das machen könne. Er würde sie heiraten. Sie hieße dann Denning, und er bekäme sein Haargel. Sie könne das schon machen, sagte sie. Aber könne man nicht gemeinsam. Wenigstens auf einen Kaffee nach Kötzting. Müsse er das ganze Wochenende. Gino nickte. Das ganze Wochenende. Es waren drei seiner Stammkundinnen da. Und er hatte Wassergymnastik und Fitnessraum und Langlauf und Buchungen für Massagen. Die Heidi hätte auch so ein Programm. Bis Weihnachten waren nur er und die Heidi da, und es war schwierig genug, die Wünsche der Gäste zu koordinieren. Der Jungeibi habe noch dazu neue Software für den Wellnessbereich gekauft, und jetzt ging alles durcheinander, weil die Biggy jetzt auf Urlaub geschickt worden war. Und obwohl sie gleich im ersten Haus im Ort unten wohnte, weigerte sie sich, auszuhelfen.»Ich versteh sie ja. Sie hat an Weihnachten zu ihrem Freund nach Müchen fahren wollen. Aber der Jungeibi hat ihr gesagt, dass sie dann gleich bei dem bleiben soll. «Sie würde an Biggys Stelle in München bleiben, sagte sie. Ja, das sage sie jetzt, seufzte Gino und ging wieder ins Badezimmer. Er stand vor dem Spiegel und zuckte mit den Schultern. Das ginge schon, sagte sie. So wie er jetzt aussähe. Das ginge schon. Er müsse doch sowieso in die Sauna. Mit den Mädels. Sie verstünde gar nicht, warum er sich so fesch machen wolle. Gino seufzte wieder. Gerade für die Sauna bräuchte er doch diesen ganz besonders starken Festiger. Er kam wieder ins Zimmer und zog sein Jeanshemd an und eine Lederweste darüber. Ob sie schon zu Abend gegessen habe, fragte er und zog die Schuhe an. Trachtenschuhe mit Gummisohlen. Er trug diese hässlichen Schuhe, damit er nicht tanzen musste. Er zeigte dann nur die Gummisohlen her und sagte, dass man damit nicht tanzen konnte. Gino hatte Tänzer werden wollen. Immer schon. Aber weil der Bauernhof seines Großvaters im Niederbayrischen so weit weg von allem war, hatte es nur zu Sport gereicht. Und weil die zweite Frau des Großvaters schon alles zu Lebzeiten überschrieben bekommen hatte und der Großvater lange genug leben würde, dass die Schenkung nicht mehr angefochten werden konnte. Deshalb hatte Gino seine Ausbildung zum Sportpädagogen abgebrochen und arbeitete als personal trainer. Da machte er alles. Nur tanzen. Dazu konnte ihn keine seiner Kundinnen bringen.»Ich habe alles beisammen. «Gino saß über seine Füße gebeugt.»Was braucht man denn. Wenn man heiraten will. «Sie rollte sich auf die Seite und lehnte ihre Hüfte gegen seinen Rücken.»Ich schau nach. Das kann doch keine Hexerei sein. Ihr seid doch auch in der EU. «Er grunzte beim Schnüren der Schuhbänder. Sie boxte ihm in den Arm.»Wir sind das Heilige Römische Reich, und ihr habt zu uns gehört. Wir haben euch Hunderte von Jahren beherrscht. So schaut’s aus. «sagte sie, und ja, er solle das doch herausfinden. Sie sei entschlossen. Unter allen Umständen sei sie entschlossen. Sie müsse diesen Namen loswerden. Sie habe das Gefühl, dass sie mit diesem Namen keine Luft bekommen könne.»Du bekommst keine Luft, meine Liebe, weil du zu viel gesoffen hast.«»Glaubst du, du kannst eine Trinkerin heiraten.«»Gibt es etwas anderes als Trinkerinnen?«Gino ging zur Tür. Er lasse den Schlüssel da. Falls sie unten nicht schlafen könne. Er wüsste ohnehin noch nicht, ob er es überhaupt ins Bett schaffen würde.»Schönes Hully-Gully!«rief sie ihm nach. Er ließ die Tür ins Schloss fallen. Sie hörte ihn davongehen.

Es war wirklich das Wichtigste. Das mit dem Namen. Sie drehte sich auf den Bauch und legte den Kopf auf den Arm. Ginos Kleider lagen auf dem Boden verstreut. Die Badezimmertür stand offen. Unter dem Waschbecken zwei Spraydosen und eine weiße Flasche. Ein nasses Handtuch hing über der Klinke der Badezimmertür. In der Ecke zur Duschnische schwarzer Schimmel. Über der einen Reihe Fliesen an der Wand schwarzer Schimmel die Kante zur Duschecke hinauf und in Flecken unter dem Waschbecken zur Toilette hin. Wahrscheinlich war unter der Holzverkleidung an den Wänden überall solcher Wandschimmel. Gino lüftete auch nie. Bei ihm mussten die Fenster immer dicht geschlossen sein. Und er war nicht geruchsempfindlich. Aber ohne Gino. Sie hätte es hier nicht aushalten können. Ohne ihn. Hätte sie das alles nicht ausgehalten. Ohne ihn. Wenn sie ihm alles erzählte, dann wurde das alles erst wirklich. Erst wenn sie es ihm erzählt hatte, hatte sie es erlebt. So musste es mit Geschwistern sein. Und vielleicht hatte sie ja welche. Ihr unbekannter Vater konnte 25 Kinder haben. Und ihre Mutter. Vielleicht lebte sie in Amsterdam mit noch einmal 2 Kindern und führte ein ganz normales Leben. Es wäre lustig gewesen, wenn Gino wirklich ein Halbbruder sein könnte. Wenn sie wirklich heirateten, dann war das eine doppelte Versicherung. Sie robbte an den Bettrand und suchte in Ginos Nachtkästchen. Gino hortete Notizblöcke, das wusste sie. Er nahm aus jedem Zimmer, in das er mit diesem Job hier geriet. Er nahm dann immer den Notizblock mit. Die Notizblöcke waren aber nicht in seinem Nachtkästchen. Da lagen die» TV «und ein Filzstift. Gino strich Sendungen an, die er sehen wollte. Sie nahm den Filzstift und die Zeitung und begann, vor sich auf dem Polster» Amalie Denning «zu schreiben. Sie musste auf den schmalen Rand schreiben und in die schmalen Zwischenräume zwischen Titeln und Bildern. Amalie Denning. Ja. Das war besser. Amy Denning war noch besser. Aber den Vornamen konnte man nicht loswerden. Beim Heiraten. Oder.

Sie schrieb» Elisabeth.«»Elisabeth Denning.«

Sie lag dann wieder auf dem Rücken. Lang. Sie drehte sich, bis sie durch das Dachfenster in den Himmel sehen konnte. Sternenklar. Sie hätte kein Licht haben wollen. Das Licht im Badezimmer abgedreht. Die Lampe über dem Kopfpolster. Sie konnte sich aber nicht bewegen und musste es lassen. Sie war sicher, dass die Sterne mehr gestrahlt hätten, hätte sie die Lichter ausschalten können. Aber der Blick in den Himmel schon eine Erleichterung. Das, was über ihr war und was sie nur innen spüren konnte. Es lag nicht so schwer auf ihrer Brust, wenn sie in den Himmel starrte. Wenn sie überlegte, ob nun Donnerstag war. Oder doch Freitag. Hier oben war das gleichgültig. Hier oben wohnten nur Angestellte und jetzt, in der Nebensaison. Es waren nur drei der Zimmer belegt. Die drei gegenüber leer. Gino hatte umziehen müssen, damit nur ein Heizungsstrang laufen musste, und er hatte deshalb ein größeres Zimmer bekommen. Das war das Chefkochzimmer. Es hatte ein Doppelbett. Das vorher ein schmales Bett die Wand entlang. Das Zimmer ein schmaler Schlauch. So wie ihres. Ihres war ein etwas breiterer Schlauch auf der billigen Etage unten. Ginos Zimmer jetzt. Das war über dem Zimmerturm ganz oben und der pool links weit weg. Dieses Zimmer der höchste Punkt weit und breit. Das Hotel auf der Kuppe des Hügels über Kötzting. Der Ort an den Fuß des Hangs gedrängt. Hier oben pfiff der Wind, und es war bitterkalt. Deshalb konnte sie das Fenster auch nicht aufmachen. Das Fenster war eines von diesen Kippfenstern, die nie die Sicht freigaben. Immer war das Fenster im Bild. Außer man hängte sich aus dem Fenster raus. Dafür war es zu kalt.

Sie hatte Hunger. Wahrscheinlich sollte sie etwas essen. Vielleicht war dieses Gefühl. Dieses Hängen in einer Schwere. Vielleicht war das Hunger. Durst. Sie musste nur aufstehen. Zum Wasserhahn gehen. Trinken. Es trieb sie dahin. Es hielt sie fest. Hielt sie aufgespannt. Aufgespannt. Das war es. Sie war aufgespannt wie eines von den Tieren, die hängend ausgenommen wurden. In dem einen Kochbuch von der Tante Schottola die Zeichnung. Der Hase aufgespannt an den Hinterläufen. Der Bauch nach vorne. Und in Schritten wurde vorgeführt, wie das Fell ab. Wie man um die Läufe einen runden Schnitt machen musste und dann abziehen. Die Haut abziehen. Möglichst ganz. Und dann den Bauch auf. Die Eingeweide langsam. Nicht zu groß den Schnitt. Die Eingeweide konnten herausquellen, und es ging ja darum, das Fleisch nicht mit Galle zu verunreinigen. Die Gallenblase musste vorsichtig herausgelöst werden, damit man das Fleisch nicht ungenießbar machte. Das Messerchen von den Bildern. Es war eine Hand mit einem Messerchen gezeichnet, die die Schnitte anzeigte. Sie konnte diese Hand an sich spüren und das Messerchen in ihre Knöchel ritzen. Sie musste aufstehen. Die Vorstellung dieses Ritzens um die Knöchel kitzelte, und das Gedränge im Bauch wurde zu groß. Sie konnte nicht liegen bleiben. Sie ging im Zimmer auf und ab. Es waren fünf Schritte möglich. Von der Tür zum Bett und zum Badezimmer. Dann wieder zwei von der Badezimmertür zum Bett und drei zur Zimmertür. Gino hatte seine Trainingskleidung auf den Boden geworfen und liegenlassen. Sie hob die Kleider auf und warf sie über die Lehne des einzigen Sessels. Auf dem Tisch stand ein glänzendes Köfferchen. Aus glänzendem schwarzen Kunststoff. Hatte Gino aufheizbare Lockenwickler. Sie klappte den Deckel auf. Es waren X-Man-Dildos. Auf der Innenseite des Köfferchens stand das scharlachrot auf schwarzsamtigem Untergrund.»X-Man-Dildos«, und für jeden der Name. Kevin. Steven. Tim. Rocket I. Rocket II. Rocket III. Kevin war schwarz. Steven rot. Tim violett. Die Rockets waren alle schwarz. Kunststoffglänzend ragten sie aus der schwarzen Bodenhalterung. Das Antriebsgerät war vorne quer eingelassen und Ersatzbatterien in einem Seitenfach. Sie warf den Deckel zu. Hoffentlich waren die gereinigt. Sie wollte nicht einmal in die Nähe von solchen Dingern kommen. Ginos Handwerkzeug. Es war schon fraglich, ob Gino wirklich bi war oder ob er sich das nur vormachte. Aber vielleicht war Gino hygienischer und wählerischer, als sie das vermutete. Sie kannte ihn ja auch erst seit 7 Wochen. Und zuerst hatte sie hier nur gegessen, bis die Kälte sie aus der Wohnung in dem verlassenen Haus vertrieben hatte. Da hätte sie jetzt sein wollen. Ein Haus, in dem sie herumspazieren konnte und niemanden treffen musste. Irgendwie sollte dieses Haus aber dann auch bei den Eltern Schottola sein, und sie musste nur hinuntergehen, und in der warmen Küche war der Eiskasten und alles da. Sie musste lachen. Der Schreck über die ungereinigten Dildos hatte in ihrem Bauch zu Ruhe geführt. Sie zog den Schlüssel ab und ging. Die Dildos schienen ihr lebendig zu sein. Sie hatte das Gefühl, sich verabschieden zu müssen. Sie hörte sich selbst ärgerlich grunzen und musste lachen. Die Tür fiel hinter ihr zu. Gino musste dieses Zeug wegräumen. Sie wollte mit denen nicht in einem Zimmer sein. Sie ging zum Lift. Es war still, und sie hörte den Lift heraufsummen.

Kurtchen röstete Zwiebeln. Er stand am Herd und rührte in einem riesigen silbernen Topf. Der Dampf stieg senkrecht in die Abzugshaube. Kurtchens Gesicht glühte von der Hitze, und die Aknepickel saßen dunkelrot und prall auf den Wangen und um den Mund. Sie musste ihn anschreien. Sie stand auf der anderen Seite des Herds und formte mit den Händen einen Trichter. Die Abzugshaube schepperte so laut. Kurtchen schaute erschreckt auf und wollte etwas Strenges sagen. Es war natürlich niemandem erlaubt, sich in der Küche herumzutreiben. Der Jungeibi hatte dauernd Angst vor Kontrollen. Das sagte er jedenfalls. In Wahrheit wollte er nicht, dass der Kurtchen von der Arbeit abgehalten würde. Der Kurtchen glaubte, dass das hier seine Chance sein würde und dass er damit berühmt werden konnte. Kurt Kannegießer im» Bayrischen Hirschen«, und dass er zu einer dieser Wettkochsendungen eingeladen würde. Kurtchen hatte die Eibensteiners nicht durchschaut. Der glaubte denen noch, und vielleicht glaubte der Alteibi das alles ja auch. Für die Eibensteiners war es perfekt. Ein guter Koch, der sich die Seele aus dem Leib kochte für Leute, die das nicht verstanden, und der deshalb noch besser kochen musste. Und die Hautprobleme. Kurtchens Kochakne würde ihn in diesem Kaff hier halten. Niemand wollte wissen, dass Kochen solche Folgen haben konnte. Und ein erfolgreicher Koch stand ja auch nicht in der Nacht da und röstete Zwiebeln für das Gulasch, das bis 2 Uhr in der Früh in der Bar bestellt werden konnte und das einer der Renner war. Kurtchen kam aus Linz und wurde als Wiener in der Speisekarte geführt. Unser Koch aus Wien, stand da. Deshalb war das Gulasch ein Wiener Fiakergulasch, und das machte es noch interessanter.

Kurtchen sah sie fragend an. Sie machte Handbewegungen, als äße sie. Kurtchen nickte und hielt ihr den riesigen Kochlöffel hin. Sie ging um die Herdzeile und nahm ihn. Sie schaute nur kurz in das glasig glänzende Gemisch und rührte. Es war anstrengend. Am Grund zu rühren und diese Zwiebelmasse in Bewegung zu halten. Sie musste beide Hände nehmen. Der Geruch. Sie würde diesen Geruch. Sie musste Haare waschen. Dazu musste sie in ihr Zimmer. Das shampoo. Sie konnte nur mit diesem shampoo ihre Haare waschen. Alle anderen machten ihr Kopfjucken. Trockneten die Kopfhaut aus. Sie saß dann bei den Gruppensitzungen und hatte nur dieses Jucken im Sinn und wie sie sich kratzen konnte. Die Gruppensitzung fiel ihr ein. Was war nun mit Grotowski. Hatten sie den herausgeholt. Das war doch der Name gewesen. Wieder diese Unsicherheit. War das eine Erinnerung oder eine Erfindung von ihr. Hatte sie sich das nur vorgestellt, und in Wirklichkeit war sie gar nicht auf der Arbeit gewesen. Kurt tupfte sie an. Er hielt ihr ein Tablett hin. Käsebrote. Tomatensuppe. Kurt zuckte mit dem Achseln. Das wäre es. Oder wollte sie ein Gulasch. Das konnte er ihr natürlich machen. Sie verneinte. Sie küsste Kurtchen. Die Pickel spitz gegen ihre Wange im Streifen des Küsschens. Kurt nickte und nahm ihr den Kochlöffel aus der Hand. Er begann heftig zu rühren. Sie nahm das Tablett und ging durch die Gleittüren in den Speisesaal. Sie setzte sich an den hintersten Tisch.

Sie tauchte den Löffel in die Suppe und ließ dann alles abrinnen. Dann nahm sie den Löffel in den Mund. Der dünne Überzug mit Tomatensuppe war genug. Mehr wollte sie nicht im Mund haben. Sie saß da und löffelte. Bröselte die Rinde vom Brot und knabberte am Käsebrot. Von ihrem Tisch aus konnte sie in die Rezeption sehen. Heidi stand hinter der Rezeption und schrieb etwas auf einen Block. Der Jungeibi kam vorbei. Er trat hinter Heidi und umarmte sie von hinten. Sie konnte dann nur die Hände vom Jungeibi sehen, wie er von hinten in den Dirndlausschnitt von Heidi griff. Heidi schrieb weiter und sagte etwas. Der Jungeibi ging dann wieder davon. Zwei Paare kamen von der Poolhalle und gingen in die Bar. Sie hatten nasse Haare und schlenderten durch die Halle. Gino lief an ihnen vorbei in die Bar voraus. Ginos Haare waren auch nass an den Kopf geklatscht. Gino lachte. Alle verschwanden in der Bar. Heidi rief ihnen etwas nach. Nach langem legte sie den Block weg und versperrte die Laden. Sie ging hinter der Rezeption in Richtung Bar davon. Zwei Frauen wanderten in die Halle. Sie standen an der Rezeption. Dann setzten sie sich in die Fauteuils an der Seite. Dann standen sie wieder auf und wanderten wieder in Richtung Poolhalle. Ein Paar kam von der Bar und ging zum Lift nach hinten zu den guten Zimmern. Die Frau war wütend. Der Mann ging verdrossen hinter ihr. Gino lief durch die Halle der Rezeption zur Poolhalle.

Sie saß vor ihrem Essen. Sie holte sich eine große Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank in der Küche. Kurtchen rührte am Herd. Es roch nach Essig und geröstetem Fleisch. Sie setzte sich wieder zu ihrem Essen und schaute in die Halle. Gregory kam in die Halle und ging zum Lift nach hinten. Er hatte den schwarzen Mantel mit dem weißen Seidenschal an. Er ging schnell und sah sich nicht um. Sie träufelte Tomatensuppe auf den Käse. Im Speisesaal waren die großen Lüster ausgeschaltet. Es brannten nur die Wandleuchten. Es war ein rotes funzeliges Licht, und die Tomatensuppe sah graustichig aus. Sie schaute von ihrem Versuch auf, ein Muster auf das Käsebrot zu zeichnen. Gino küsste eine Frau. Es war Cindy. Sie standen ineinander verkeilt in der Mitte der Halle und küssten einander. Es sah technisch aus. Sie hielten immer wieder inne und grinsten einander an. Dann versenkten sie wieder ihre Zungen im Mund des anderen. Die Lifttür hinten ging auf. Gregory kam heraus. Er hatte es eilig und schritt weit aus. Dann sah er Cindy und Gino. Er schaute die beiden kurz an, dann ging er hinaus. Man konnte die große Eingangstür rauschen hören. Gino und Cindy hörten mit dem Küssen auf. Cindy sagte etwas, und sie gingen in Richtung Bar.

Sie brachte ihr Geschirr in die Küche. Sie hatte kaum etwas gegessen. Sie warf alles in den Müllschlucker. Käsebrot und Suppe und den Teller und die Suppentasse. Dann ging sie in die Halle. Sie hielt die Wasserflasche an sich gepresst. Unter diesen Umständen konnte sie nicht in Ginos Zimmer zurück. Sie würde es nicht ertragen können, wenn Gino kam, die Dildos zu holen. Oder nicht kam. Oder mit Cindy ins Zimmer kam. Sie war nicht prüde, und Gino. Sie war ja befreundet mit ihm. Da konnte eine Cindy nichts zerstören. Aber sehen wollte sie ihn nicht. In ihr Zimmer konnte sie auch nicht. Im pool. Da wurde bis spät in die Morgenstunden noch. Das hielt sie schon gar nicht aus. Sie ging in den Speisesaal zurück. Hinten an der Wand. Sie legte sich auf eine der Bänke da. Sie würde ohnehin nicht schlafen, und wenn es wieder hell war, dann konnte sie in ihr Zimmer zurück. Bei Tageslicht war es nicht so schlimm.

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