Kapitel 6

An späten Nachmittag meines fünften Tages auf der Insel, als ich vor dem kleinen Sandstrand am Ende des Landestreifens im Meer schwamm, dröhnte ein zweimotoriges Flugzeug heran, ging elegant hinten über dem Dorf nieder und rollte fast über die halbe Landebahn, ehe es anhielt, wendete und dorthin zurückrollte, wo vor Odin die Ansiedlung gestanden hatte.

Jeden Tag hatte ich die leuchtend gelborange Schwimmweste mit Steinen beschwert mitten auf die Rollbahn gelegt in der Hoffnung, daß sie von einem niedrig fliegenden Flugzeug aus gesehen werden würde, und jedesmal, wenn die Rinder sie vollgesaut hatten, hatte ich sie an einer der verschmutzten Zisternen wieder ausgewaschen. Hocherfreut nahm ich also an, die Weste habe ihren Zweck erfüllt, und rannte ungeachtet meiner wehen Füße schleunigst den steinigen, gewundenen Pfad vom Strand hinauf, um mich meinen Rettern zu zeigen, bevor sie am Ende die Insel noch für verlassen hielten und wieder davonflogen.

In meinem Eifer, gesehen zu werden, dachte ich überhaupt nicht daran, daß die Ankömmlinge etwas anderes als freundlich sein könnten. Sie waren mit einer Maschine für gut achtzehn Passagiere gekommen, einem Flieger, wie er regelmäßig zum Personentransport zwischen kleinen Inseln eingesetzt wird. Genau dem richtigen Flieger, um die Inseln nach Hurrikan-Überlebenden abzusuchen. Zweckmäßig, ohne Firlefanz.

Ich war überrascht, aber nicht beunruhigt, daß niemand ausstieg, als ich in plattfüßiger Hast die Rollbahn entlanghechelte. Es war sengend heiß, und ich dachte nur an die Klimaanlage und die herrlich kalten Getränke, die da an Bord sein würden. Ich war noch etwa zwanzig Meter weg, als sich die hintere Tür öffnete, die Treppe ausklappte und fünf Gestalten die Stufen herunterkamen.

Sie hatten alle das gleiche an — metallisch glänzende Schutzanzüge mit großen, über die Schultern herabhängenden Hauben, in denen rauchgraue Plastikfenster das Gesicht ersetzten: eher Raumanzüge als das passende Outfit für einen brütend heißen karibischen Nachmittag. Ich hatte solche Monturen schon gesehen — Strahlenschutzanzüge. Was sie in den Händen hielten, hatte ich auch schon gesehen — tödliche schwarze Sturmgewehre, mit denen sie wie ein Erschießungskommando auf meine Brust zielten.

Ich blieb stehen. Ich fand es überhaupt nicht komisch, schon wieder Zielscheibe zu sein, aber diesmal klärte mich wenigstens niemand über meine» Rechte «auf. Niemand sagte mir, ich hätte das Recht zu schweigen und alles, was ich sagte, könne vor Gericht gegen mich verwendet werden. Von Gericht war keine Rede. Das Recht zu schweigen aber nahm ich mir heraus.

Einer der fünf nahm die Finger lange genug von seiner Waffe, um mich heranzuwinken, und da ein Fluchtversuch mir nicht geraten schien, trat ich langsam näher, bis sie mir bedeuteten, stehenzubleiben.

Sicher machte ich keinen gepflegten Eindruck. Ich trug nur, was Odin mir gelassen hatte: einen Slip und ein zerrissenes Hemd. Mein Kinn hatte einen dunklen Bartansatz, und meine Füße waren offen und geschwollen. Das Fernsehpublikum daheim, das mich geschniegelt und gebügelt kannte, hätte ungläubig den Kopf geschüttelt.

Die fünf Vermummten unterhielten sich eine Weile miteinander, waren aber zu weit weg, als daß ich sie hätte verstehen können. Ich gewann den Eindruck, daß es ihnen weniger darum ging, sich vor radioaktiver Strahlung zu schützen, als darum, unerkannt zu bleiben, falls ich sie später einmal wiedersah. Daraus ergab sich beruhigenderweise, daß sie wohl nicht vorhatten, mich kurzerhand umzubringen und meine Leiche ins Meer zu werfen, das Tote manchmal unverhofft wieder anspült, und es schien mir darauf hinzudeuten, daß sie nicht damit gerechnet hatten, daß ich auf der Insel sein könnte.

Ich hatte vier lange Tage und Nächte Zeit zum Nachdenken gehabt, und dabei war mir vieles klarer geworden. Wenn sie mir erlaubten, mein Spiel zu spielen, würden sie zu dem Schluß kommen, ich sei noch genauso ahnungslos wie an dem Tag, als ich verschüttgegangen war.

Drei der Vermummten setzten sich in Richtung Dorf ab, so daß nur noch zwei ihre unfreundlichen schwarzen Eisen auf mich gerichtet hielten. Die beiden wirkten eigentlich eher nervös als mordlustig und traten verlegen von einem Bein aufs andere; aber nervöse Waffenträger ängstigten mich mehr als solche, die ihr Geschäft verstanden. Ich verhielt mich still und brav und war froh, daß ich nicht in schwerer Schutzkleidung zu schmoren brauchte.

Als die anderen drei schließlich von ihrem Rundgang zurückkehrten, trugen sie den Geigerzähler und den Hefter offen bei sich. Wenn sie meine Kamera an ihrem rindersicheren neuen Aufbewahrungsort hoch oben auf dem Haufen Bauholz entdeckt hatten, behielten sie es für sich.

Alle fünf besprachen sich beim Flugzeug, dann stieg ein neu gebildetes Trio in die Maschine und schloß die Türen hinter sich.

Meine Stimmung sank auf den Nullpunkt, als sie beide Motoren starteten, aber da meine zwei Bewacher mich gleichmütig weiter in Schach hielten, faßte ich mich, so gut es ging, ebenfalls in Geduld, auch wenn ich innerlich schrie. Essen, Schlaf und Schuhe brauchte ich. Auf diesem Inselparadies hatte ich Hunger, Durst, Hitze, Insekten und jede Art Entbehrung ausstehen müssen, und ich war bedenklich nahe daran zu betteln.

Denk an was anderes, sagte ich mir.

Ein leichter Wind blies stetig über die Startbahn zum Dorf hin, doch das Flugzeug rollte zwar in die richtige Richtung, machte aber viel zuwenig Fahrt, um abzuheben. Schließlich blieb es ganz stehen, jemand stieg aus und ging zum Rand der Startbahn, um das felsige Terrain zwischen Landestreifen und Meer zu überblicken. Die Gestalt kehrte um, stieg wieder ein, und die Prozedur des Rollens, Anhaltens und Erkundens wurde mehrmals nacheinander wiederholt.

Mir ging auf, daß sie das Vieh suchten, aber ich dachte nicht daran, ihnen auf die Sprünge zu helfen, obwohl ich es gekonnt hätte. Ich ließ sie anhalten und suchen, anhalten und suchen, anhalten und suchen, bis sie am anderen Ende der Insel fündig wurden, wo die Tiere friedlich im saftigen Gras lagen und wiederkäuten.

Nach einer ausgiebigen Begutachtung der Herde wendete das Flugzeug und hielt wieder an seinem Ausgangspunkt.

Es folgte eine weitere Besprechung, die damit endete, daß zwei meiner Langzeitbewacher nervös auf mich zukamen und einer mit dem Gewehr im Anschlag aufpaßte, während mir der andere zuerst mit einem Tuch die Augen verband und dann mit etwas Schmalerem mir die Hände unangenehm straff auf dem Rücken fesselte.

Ich war versucht, mich mit Worten und Taten zu wehren, hielt das aber für völlig zwecklos und beschwerte mich auch nicht, als man mich unsanft vorwärts stieß, so daß ich ohne etwas zu sehen die Treppe hinauf ins Flugzeug stolperte und hinten auf einen Sitz gedrückt wurde. Die Motoren heulten sofort auf, als hätten sie es eilig, und schon hob sich das Flugzeug in die Luft.

Von der Insel und den vertrauten Ruinen sah ich daher nichts mehr, als ich Trox verließ, aber wenn meine Häscher dachten, ich wüßte nicht, wer sie seien, hatten sich drei von ihnen geirrt.

Bis wir landeten, schätzungsweise fünfunddreißig bis vierzig Minuten später, hatte sich zu meinen Wehwehs noch ein Krampf gesellt, eine Kleinigkeit gemessen daran, daß man mich auch über Bord in das tiefe karibische Meer hätte schmeißen können. Die Maschine rollte nach der Landung noch ein ganzes Stück und wartete dann mit leerlaufenden Motoren, bis die hintere Tür aufging und einige der Passagiere ausstiegen. Danach rollte sie wieder eine Weile und hielt erneut mit laufenden Motoren. Wieder hörte ich die hintere Tür aufgehen, und schwitzend und mit klopfendem Herzen dachte ich, wenn mich der Tod erwartete, dann sicher hier, am Ende einer langen Fahrt nach nirgendwo.

Püffe und Stöße beförderten mich holterdipolter treppab auf steinigen Boden. Dem Ausstieg folgte erst mal keine Kugel ins Gehirn, sondern der Gang durch ein unsichtbares, aber quietschendes Tor in einem rasselnden Zaun. Grobe Hände brachten mich mit einem letzten Stoß aus der Balance, und während ich mich taumelnd wieder aufrichtete, hörte ich das quietschende Tor hinter mir ins Schloß fallen und begriff mit kolossaler Erleichterung, daß man mich definitiv lebend auf freien Fuß gesetzt hatte.

Ich schluckte, schauderte, mir war schlecht. Das Flugzeug rollte ins Unbestimmte davon. Ich machte die wenig erstaunliche Feststellung, daß man sich ganz schön blöd vorkommt, wenn man halbnackt mit verbundenen Augen und gefesselten Händen mitten in der Pampa steht.

Nachdem ich eine Zeitlang vergeblich versucht hatte, meine Hände freizubekommen, fragte eine Stimme neben mir verwundert:»Was machen Sie hier draußen, Mann?«, und ich antwortete heiser, mit eingerosteten Stimmbändern:

«Wenn Sie mich losbinden, erklär ich’s Ihnen.«

Er war groß, schwarz und lachte über meine mißliche Lage, als er mir das weiße Dreieckstuch abnahm, das um meinen Kopf geschlungen war.

«Das sind mehr Verbände, als Sie brauchen, Mann«, meinte er vergnügt.»Wer hat Sie denn da aufgezäumt wie ein Brathähnchen? Ihre Alte, hm?«Mit kräftigen Fingern befreite er meine Handgelenke aus den Binden.»Wo sind Ihre Schuhe, Mann?«fragte er.»Ihre Füße haben geblutet.«

Er sah das Ganze als einen Witz an.

Ich lächelte steif zurück und fragte, wo ich sei. Es war Abend, fast Nacht. In der Ferne überall Lichter.

«Auf der Crewe Road natürlich. Wo kommen Sie denn her?«

«Von Trox«, sagte ich ohne Betonung.

Ein Stirnrunzeln verdrängte das Lachen.»Das soll der Hurrikan ausradiert haben.«

Ich stand im Gras am Rand einer Straße, die am Maschendrahtzaun eines mittelgroßen Verkehrsflughafens entlangführte. Als ich meinen lachfreudigen Retter fragte, ob wir auf Jamaika oder auf Grand Cayman seien, meinte er gutgelaunt, wir ständen vor dem Owen Roberts Airport, Mann, auf Cayman. Da sei der Hurrikan ja gottlob drunter vorbeigezogen. Er selbst stamme aus Jamaika, aber die Crewe Road sei in Georgetown auf Grand Cayman.

Natürlich hätte er zu gern gewußt, wie ich in die Lage gekommen war, in der er mich gefunden hatte, aber er sah ein, daß ich, wenn ich überfallen worden war und völlig mittellos und ohne Kleider dastand, vor allem einmal ein Transportmittel brauchte, und bot mir an, mich in seines Schwagers Jeep, von dem aus er mich hilflos an der Crewe Road hatte stehen sehen, mitzunehmen — wo ich denn hinwollte?

Zu Michael Ford, sagte ich, falls er den Weg dahin kenne, und er zuckte die Achseln und fuhr mich längst nicht mehr so herzlich, eher schon mißbilligend zu Fords Adresse und nickte nur mit dem Kopf, als ich am Tor ausstieg und mich vielmals für seine Freundlichkeit bedankte. Er drückte mir die Binden in die Hände, sagte:»Die Leute sind nicht gut«, und fuhr davon, als bedaure er, überhaupt meinetwegen angehalten zu haben.

Michael und Amy Ford begrüßten mich mit der größten Verblüffung.

«Wir dachten, Sie seien tot…!«

«Kris sagte — «

Kris sagte.

Herzlich bedeuteten sie mir, einzutreten, und führten mich in das Wohnzimmer, das ich schon kannte.

«Kris lebt also?«fragte ich.»Ist das wahr?«

«Natürlich lebt er«, bekräftigte Michael. Er musterte mich im Wohnzimmerlicht.»Mein lieber Mann, wie sehen Sie denn aus!«

Ich schnitt ein Gesicht und fragte, ob meine Kleider und mein Paß noch bei ihnen seien, und zu meiner Erleichterung sagte Amy, sie hätten die Sachen noch nicht nach England geschickt.

«Und meine Großmutter…«, fiel mir ein,»dürfte ich sie mal von hier aus anrufen?«

«Bitte sehr, mein Lieber. «Er schob mir ein Telefon hin.

«Bloß wird sie jetzt schlafen. In London ist es Mitternacht.«

Ich drückte die Tasten.»Sie soll wissen, daß ich am Leben bin.«

Wie vorauszusehen meldete sich die Stimme einer Pflegerin. Nicht vorausgesehen hatte ich, daß es Jett van Els war, die ausrief:»Es hieß, Sie seien tot…«

Meine aus dem Schlaf geweckte Großmutter bemerkte kernig, sie habe gleich gewußt, daß ich noch am Leben sei, und verdarb den Spruch dann durch ein Schluchzen.

«Ich hab ihnen…«Sie schluckte und hielt inne.»Ich hab ihnen gesagt, du kämst schwimmend durch jeden Hurrikan. Auch wenn ich wußte, daß das nicht stimmt.«

«Wem, ihnen?«fragte ich.

«Der BBC. Die wollten im Wetterbericht einen Nachruf auf dich bringen, und ich sagte, wartet erst mal ab.«

Ich lächelte, wünschte ihr einen angenehmen Schlaf, versprach, morgen wieder anzurufen, und als ich aufgelegt hatte, fragte ich die Fords, ob sie wüßten, wo Kris sei.

«Auf Cayman gibt es keinen Such- und Rettungsdienst«, sagte Amy.»Robin rief an und meinte, er fühle sich für Sie und Kris verantwortlich, weil er Sie auf einen so riskanten Flug geschickt habe, und als Sie nicht zurückkamen, ließ er aus Florida einen Hubschrauber kommen und, als die Wetterlage es erlaubte, nach Ihnen beiden suchen;der fand Kris dann in dem Schlauchboot, was eigentlich schon an ein Wunder grenzt.«

«Aber…«, fuhr Michael fort, als Amy schwieg,»Kris sagte mir, das Flugzeug sei in furchtbar schwerer See gesunken, und Sie seien abgetrieben worden und hätten nichts als eine Schwimmweste gehabt, und bei solchen über zehn Meter hohen Wellen sei auch ein ausgezeichneter Schwimmer wie Sie verloren.«

«Ich hatte Glück«, sagte ich.»Wann ist er gefunden worden?«

«Wollen Sie sich nicht erst mal was anziehen?«unterbrach Amy mitfühlend.»Und Ihre armen Füße…«

Ich trat vorsichtshalber nur auf ihre Bodenfliesen, um die Teppiche nicht zu versauen.»Meine Füße sind okay. Wann hat der Hubschrauber Kris gefunden?«

Michael furchte die Stirn und antwortete unbestimmt:

«Gestern nicht… vorgestern, glaube ich. «Er suchte Bestätigung bei Amy, die unsicher nickte.

«Und, ehm…«, fragte ich ohne Nachdruck,»wo ist er jetzt?«

Amy überlegte, bevor sie Antwort gab.»Er ist zurück nach England. Er müsse wieder arbeiten, sagte er. Und jetzt ziehen Sie sich mal was Vernünftiges an. Ihre Sachen hängen noch in dem Zimmer, wo Sie geschlafen haben.«

Ich gab ihrem hausfraulichen Drängen nach, duschte ausgiebig, trennte mich von meinen Bartstoppeln und zog ein nach Waschmittel duftendes Hemd, Flanellhosen und Zehensandalen an. Amy begrüßte das Ergebnis mit einem Hochwerfen der Hände und vielen Komplimenten, und Michael meinte, er habe den Grill angeworfen und es gebe Backkartoffeln zum Steak.

Erst nach dem Essen fragten sie mich, wo ich gewesen sei und wie ich überlebt hätte, und lauschten mit wohldosierter Verblüffung und Anteilnahme meinem Bericht.

Ich erklärte, daß Kris, kurz bevor er die Kontrolle über das Flugzeug verlor und wir ins Meer stürzten, noch gesagt habe, er wolle versuchen, nach Trox zu kommen, und daß die Strömung mich wunderbarerweise wirklich wieder zu der Insel, auf der wir im Auftrag Robins zwischengelandet seien, zurückgetragen habe.

«In welchem Auftrag?«fragte Michael interessiert.

Ich sagte, das wisse ich nicht. Kris scheine es auch nicht recht gewußt zu haben. Ich sah sie hilflos an. Schwer zu glauben, aber ich sei mit einem quasimilitärischen Flugzeug zurück nach Cayman gebracht worden, dessen mit Sturmgewehren bewaffnete Besatzung Strahlenschutzanzüge getragen habe. Die Leute, sagte ich, hätten mich weder angesprochen noch einen für mich erkennbaren Zweck verfolgt. So merkwürdig das alles sei, sie hätten mir die Augen verbunden, mir die Hände mit Verbandszeug gefesselt, das vermutlich aus der Bordapotheke stammte, und mich nach der Landung auf Cayman freigelassen. Ein vorbeifahrender Jamaikaner habe mich netterweise losgebunden und hier vor ihrer Tür abgesetzt.

«Du liebe Zeit!«rief Amy aus.»Das ist ja furchtbar!«

«Gehen Sie zur Polizei?«fragte Michael stirnrunzelnd.

«Lieber nicht«, gab ich zu.»Ich will die Leute nicht in Schwierigkeiten bringen. Sie waren über meine Anwesenheit auf der Insel wohl nicht erfreut, aber sie haben mich, wenn auch gefesselt, heil hierher zurückgebracht. Was sie da zu schaffen hatten, geht mich nichts an.«

Michael und Amy bekundeten breit lächelnd ihren Beifall. Ich verschwieg ihnen, daß ich in dreien meiner Fänger und Retter eindeutig Michael und Amy selbst sowie Robin Darcy erkannt hatte.

Ich dankte ihnen nicht dafür, daß sie einen Weg gefunden hatten, mich der Menschheit wiederzugeben, ohne mir ihre Gesichter zu zeigen, obwohl ich froh darüber war.

Ich verschwieg ihnen, daß ich alle Zeit der Welt gehabt hatte, mir die Registriernummer des Flugzeugs einzuprägen — die mit einem N für die Vereinigten Staaten anfing.

Ganz besonders verschwieg ich ihnen, daß ich ihren Tresor geknackt und mir die langen Tage auf der Insel hauptsächlich mit dem Entschlüsseln der fremdsprachigen Briefe verkürzt hatte.

Amy kam durchs Wohnzimmer, hob wieder die Hände, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte mich auf die Wange. Sie duftete zart nach dem gleichen Parfüm wie einer von der Flugzeugbesatzung, der schmale Wächter, der sich lang machen mußte, um mir die Augen zu verbinden.

Robin der Rundliche hatte unter seiner Silberhaube die von außen sichtbare, dick gerahmte Brille getragen, ohne die er halb blind war, und außerdem hatte er die Hände vor dem Bauch verschränkt gehalten, eine dieser unbewußten Eigenarten, wie sie jeder hat und die mir bei ihm schon in Newmarket und auf der Terrasse seines Hauses aufgefallen war, als die Polizei wegen des» Eindringlings «erschien.

Amy, klein und schlank, und Michael, breitschultrig und o-beinig, vervollständigten das Trio, das mir auf seinem Weg vom Flugzeug zu den Bunkern eine unverkennbare Rückenansicht geboten hatte.

Zu wissen, wer sie waren, wo sie doch unerkannt bleiben wollten, hatte mir das große Fracksausen bereitet, weshalb ich angesichts ihrer Gewehre still, passiv und konzentriert geblieben war.

Mit der Ausrede, ich sei wirklich müde, setzte ich der lächelnden Künstlichkeit des Abends ein frühes Ende und ging zur Erleichterung meiner sichtlich aufatmenden Gastgeber schlafen.

Odin, so erfuhr ich nach einer weiteren Nacht voll schlechter Träume aus dem Fernsehen, hatte einmal mehr die Richtung gewechselt, seit Kris und ich von Trox zu seinem Zentrum aufgebrochen waren.

Michael stellte mir großzügig wieder das Telefon zur Verfügung, und ich rief meinen Kollegen in Miami an, der verblüfft zur Kenntnis nahm, daß Wetterfrosch Perry Stuart in die Fußstapfen von Lazarus getreten war. Als ich fragte, ob ich mich vor der Rückreise nach England auf der Arbeit mit ihm treffen könne, sagte er begeistert, er werde am Empfang Bescheid geben, und so landete ich später am Tag, nach dem freundlichsten Abschied von Michael und Amy, die mich mit ihrem orangen Pick-up zum Owen Roberts Airport gebracht hatten, in Miami, begab mich zu meinem noch nie gesehenen Telefonpartner und wurde in das forschende Herz des Hurricane Center geleitet.

Kollege Will war Mitte Zwanzig, lang, dünn, Vollblutmeteorologe und sehr herzlich.

«Sie dürfen hier nur rein, weil Sie es sind«, sagte er.»Ihre BBC–Vorderen haben sich für Sie stark gemacht.«

«Zu gütig.«

Er sah mir scharf ins Gesicht, deutete meine Worte zu Recht als ironisch und stellte mich dem Meteorologenteam vor, das sich mit Odin befaßte. Dann sei ich also der andere der beiden beim Flug durch Odins Auge abgestürzten Vollidioten? fragten sie. Ganz genau.

Es sei Wahnsinn gewesen, da einen Durchflug zu versuchen, meinten sie. Hurrikanflieger seien das letzte. Nur die 53. Wettererkundungsstaffel der US Air Force besitze die dafür nötige Ausrüstung und Erfahrung.

Kleinlaut gab ich ihnen recht. Will zahlte mir meine Ironie doppelt zurück und führte mir reuig Zerknirschtem vor Augen, wieso die Sturmforscher sich noch immer wegen Odin sorgten, der nach einem neuerlichen Schwenk jetzt von der Karibik ganz langsam in den Golf von Mexiko vordrang und mittlerweile von fern schon Galveston in Texas bedrohte. Der warme Golfstrom kurbelte die Kreisbewegung wieder gefährlich an. Weder Will noch ich verstanden, wie ich die Gewalt der turmhohen Sturzseen überstehen konnte.

Als ich ihm vorschlug, zur Feier des Tages etwas trinken zu gehen, sagte Will mit einem Blick auf seine Armbanduhr, er habe sowieso ein Treffen mit jemandem arrangiert, der mich interessieren könnte, und als wir dann unter dem rot-blauen Sonnenschirm eines Straßencafes saßen, gesellte sich eine bärtige, hochaufgeschossene Figur um die Sechzig zu uns, versetzte Will einen deftigen Schlag ins Kreuz, stellte sich mir als Unwin vor und fragte:»Was wollen Sie denn über Trox wissen?«

Überrumpelt sagte ich erst einmal unentschlossen:

«Ehm…«, und dann, dankbar:»Eigentlich alles, was Sie mir sagen können.«

Vierzig Minuten könnten wir reden, meinte er. Er hatte für ein Buch über Trox recherchiert, aber kein Verleger interessierte sich dafür. Als Pilot der Dakota, einer alten DC 3, die allwöchentlich den dreißig oder mehr Bewohnern frische Lebensmittel anlieferte, war er oft selbst auf der Insel gewesen.

Die Bewohner, sagte er, waren hauptsächlich die Meteorologen und Seismologen, die ihn angeheuert hatten, sowie Pilzzüchter, Holz- und Kokoshändler, und früher einmal hatte auch der Handel mit Guano floriert. Noch heute, sagte er, gab es auf Trox Tausende von Guano produzie-renden Tölpeln und Hunderttausende von faulenzenden Echsen. Die Insel sei einst Anlaufstelle für amerikanische Geheimagenten gewesen, auch wenn die CIA das jetzt bestreite. Deshalb sei damals die Landebahn gebaut worden, und Trox habe auch eine Funkstation gehabt, die aber vor Jahren schon aufgegeben worden sei.

Ich fragte, wem die Insel gehöre, und Unwin ließ sich viel Zeit mit der Antwort.»Erst war sie britisch, dann amerikanisch«, sagte er schließlich.»Dann hat ein ganzer Strauß südamerikanischer Staaten darauf Anspruch erhoben, aber immer nur für einen bestimmten Zweck, auf Dauer wollte sie keiner, weil kein fließendes Wasser da ist, nur das Regenwasser aus den Zisternen, und kein Strom, seit irgendein Verein den Generator abgestaubt hat. Wie es aussieht, hauen die Leute also jeweils wieder ab, wenn sie mit Trox fertig sind. Lange vor dem Hurrikan Nicky, nicht zu reden von Odin, hat eine Firma namens Unified Trading Company den Laden geschmissen, aber vor ungefähr einem Monat haben sie dann nichtsahnenden Tröpfen wie mir die Tür vor der Nase zugeknallt. «Er grinste und ließ zu meiner Überraschung große gelbe Zähne sehen.»Wenn Sie die Insel haben wollen, brauchen Sie nur hinzuziehen, zu sagen, daß sie Ihnen gehört, und alles, was anrückt, in die Flucht zu schlagen.«

Er unterbrach seine Erzählung, um sich dem kühlen Bier zu widmen, das Will ihm bestellt hatte, und fuhr dann fort, als habe er nur darauf gewartet, die Schleusen zu öffnen.

«Irgendwas war merkwürdig mit den Pilzen. Ein paar Züchter, mit denen ich mich unterhalten habe, meinten nämlich, daß man selbst mit exotischen Pilzen nichts anstellen kann, wenn man sie in so kleiner Menge anbaut. Es hieß, das sei eine Experimentierstation für Pilze, aber die Unified Trading Company hat ihre Arbeiter aus Europa mitgebracht, die Einheimischen wußten also nicht, was da eigentlich abging. Und mit den Kühen war es genauso.«

«Kühe?«fragte Will verwundert.»Was denn für Kühe?«

Unwin der Trox-Experte zeigte wieder die Zähne.»Einmal, als ich da war, wurde am Pier ein Schiff voll Bullen und Kühen ausgeladen, und die sind landein spaziert, durchs Dorf getrampelt und haben sich über die ganze Insel verteilt. Das gab ein Riesentheater mit den Bewohnern, aber die Bullen haben nie jemanden angegriffen oder aufgespießt. Sie haben sich nur gegenseitig aufgespießt und die Kühe gebumst, und nach und nach sind sie zahmer geworden, dazu kamen Kälber, und dann haben sie ihre Zeit hauptsächlich damit verbracht, das Gras auf der Rollbahn kurz zu halten. Weiß der Geier, was Odin mit ihnen angestellt hat. Wahrscheinlich sind sie alle umgekommen.«

Will erinnerte ihn daran, daß ich nach Odin auf der Insel gewesen war, und ich schilderte ihm, wie sich die Rinder bäuchlings am Boden wie ein Teppich zusammengedrängt hatten, um zu überleben. Aber was sollten sie da überhaupt? fragte ich, doch der Experte sagte, das wisse er nicht.

Er brachte das Gespräch auf die Wissenschaftler, die die beiden Bunker erbaut und Seismographen zur Aufzeichnung von Erdbebenwellen aufgestellt hatten und die täglich Ballon- und Radiosonden hatten aufsteigen lassen, um den Luftdruck und die Temperatur in großer Höhe zu messen. Sie kannte er alle namentlich, da er in ihrem Auftrag die Dakota geflogen hatte.

Die Unified Trading Company hatte dann den zweiten Bunker übernommen, und stirnrunzelnd erzählte Unwin, gegen Ende hätten ihm die Bewohner gesagt, daß vor diesem Bunker immer ein bewaffneter Posten stand, so daß außer den Topleuten der Firma niemand hineinkam. Die Topleute wiederum hätten gesagt, solange sie Trox verwalteten, gehöre die Insel ihnen.

«Was für ein Durcheinander«, meinte ich.»Warum sind die Verwalter weg?«

Unwin lehnte sich auf seinem gußeisernen Kaffeehausstuhl zurück und musterte mich unter gesenkten Lidern hervor.

«Etwas hat die Bewohner verängstigt«, sagte er gedehnt.

«Wissen Sie, was?«fragte ich.

Unwin zögerte und sagte dann, man habe ihnen mitgeteilt, die Pilzschuppen seien verstrahlt und ihre Häuser durch aus dem Boden aufsteigendes Radon gefährdet.»Ein Schiff kam zur Evakuierung, und sie haben ihre Habseligkeiten verfrachtet und sind ab nach Grand Cayman, wo die meisten von ihnen Verwandte haben. Das ist mindestens einen Monat her, und soviel ich weiß, ist niemand krank geworden.«

Ich schwieg einen Augenblick und fragte dann:»Haben Sie mal welche von den Topleuten bei dem Bunker gesehen, als Sie dort waren?«

Unwin nickte und trank sein Bier aus. Ich wartete mit unterdrückter Ungeduld, während er eine neue Runde bestellte, aber schließlich erklärte der Quell aller Informationen dann, die Topleute, etwa fünf an der Zahl, hätten sogar abwechselnd selbst Wache gestanden oder vielmehr gesessen, auf einem Stuhl vor dem Eingang des Bunkers nämlich, mit einem Gewehr auf den Knien, und das sei ungefähr eine Woche so gegangen, bis das Fangboot kam und alle nach Cayman brachte.

«Kamen die Unified Trader von Cayman?«fragte ich.

Nach einer Denkpause sagte er:»Einige ja.«

«Und die anderen?«

«Ich weiß es nicht«, war Unwins direkte Antwort.»Bevor die Evakuierung losging, haben sie erst noch einen großen, schweren Pappkarton von Bord geholt und ihn mit einer Art Sackkarre, die sie da oben hatten, zu dem Bunker gefahren — und fragen Sie mich nicht, was in dem Karton war. Ich weiß es nicht. «Er schwieg.»Alle haben zugesehen.«

In dem Karton, dachte ich, war der Tresor gewesen.

«Waren Sie danach noch mal in dem Bunker?«fragte ich.

«Alle sind da rein. Die Trading-Leute haben keinen mehr zurückgehalten, aber was sie in dem Karton angeschleppt hatten, blieb ihr Geheimnis, denn außer dem Seismographen war da nichts zu sehen, und der stand vorher schon drin.«

«Und, ehm… wie sahen die Topleute aus?«

Unwin dachte nach und seufzte.»Sie werden alle so zwischen vierzig und fünfzig gewesen sein. Hatten Baseballmützen auf, waren aber nicht mehr jung. Das ist jetzt drei, vier Wochen her. Ich kann mich nicht erinnern. «Er kippte sein Bier, stand auf und wedelte zum Abschluß der vierzig Minuten mit der Hand.»Nächste Woche fliege ich wieder nach Trox«, sagte er.»Ich soll Leute und Material für den Wiederaufbau der Wetterstation hinbringen.«

«Was hat er denn da bloß über Strahlung erzählt?«fragte Will immer noch verwundert, während er Unwins entschwindendem Rücken nachschaute.

Ich sah Will zerstreut an.»Weiß ich auch nicht so genau. Wo wohnt er?«

«In der nächsten Straße rechts, über dem T-Shirt-Laden von so ein paar Hippies. Unwin ist ein komischer Vogel. Ich dachte, er hätte mehr zu bieten. Tut mir leid.«»Er weiß doch viel über die Insel«, sagte ich.

Will nickte kläglich.»Ich hatte von Trox praktisch noch nie gehört, bis Sie mich darauf ansprachen.«

«Ich ja auch nicht. Vergessen wir’s einfach.«

Die Bereitwilligkeit, mit der er die Sache sofort auf sich beruhen ließ, war die Grundlage unserer künftigen Freundschaft: Er wollte nichts ernst nehmen müssen — mit Ausnahme des Wetters eben.

Daher behielt ich für mich, daß ich in eine Art Verschwörung hineingezogen worden war und daß sich die Verschwörer meiner gern wieder entledigt hätten, wie man sagt, zuerst aber sicher sein wollten, daß ich sie nicht erkannt hatte und nicht ahnte, warum sie mir bei meiner Rettung die Augen verbinden mußten. All das hätte Will eher abgeschreckt, als ihn zu einem möglichen Verbündeten gemacht. Wir tranken in bestem Einvernehmen unser Bier aus, und während er mir ohne Wenn und Aber anbot, sich auch weiterhin über die Winde der Welt mit mir auszutauschen, lud ich ihn zu einer Führung durch das Wetterzentrum daheim in Bracknell ein, bevor wir uns trennten.

Unwin, den ich dann aufsuchte, saß wieder unter einem Sonnenschirm und trank Bier.

Ich setzte mich neben ihn. Er zuckte mit den Achseln und meinte:»Früher war es schön auf Trox.«

«Fliegen Sie wieder mit der Dakota hin?«

«Klar.«

«Hatte die Unified Trading Company auch ein eigenes Versorgungsflugzeug für ihre Leute?«

Unwin schluckte gelangweilt sein Bier, gähnte und sagte, meist hätten sie eins gemietet, das sei billiger.

Wußte er, was für ein Flugzeug?

Was für ein Typ, wußte er. Als ich ihm die Registriernummer aufschrieb, nickte er sofort wiedererkennend und mit erwachendem Interesse.»Das ist es. Ein Flieger von Downsouth Air Rentals. Man kann ihn ohne Pilot auf Stunden-, Tages-, Wochen- oder jeder anderen Basis chartern.«

Er ließ sich noch eine Flasche spendieren.

«Wenn sich auf Trox etwas tut«, tippte ich an,»etwas Ungewöhnliches, meine ich, würden Sie dann Will Bescheid sagen, damit er es mich wissen läßt?«Ich steckte ihm mehr Geld zu, als ich mir leisten konnte, und er zählte es ohne Begeisterung.

«Geht klar«, meinte er.

«Ich habe meine Kamera da in einem der Bunker zurückgelassen, sie hängt an einem Balken unter der Decke, damit die Kühe nicht drankommen. Die Kamera ist hin. Sie ist völlig verdreckt. Ich hätte sie aber schon gern wieder, falls Sie darauf stoßen. Wie wär’s mit einem Kasten Bier, und Sie schicken mir das gute Stück mit Dreck und allem?«

«Zwei Kästen«, sagte er. Wir besiegelten unser Geschäft mit Handschlag, und ich notierte ihm die Anschrift meiner Großmutter.

Ich tippte an den Zettel mit der FlugzeugRegistriernummer und fragte ohne viel Hoffnung:»Wissen Sie vielleicht, wo ich das Fangboot finden könnte, das Trox evakuiert hat?«

Unwins gelbes Gebiß teilte sich zu einem breiten Grinsen, und er zeigte mit dem Daumen über seine Schulter.

«Sie sind ein bißchen schlapp zu Fuß«, bemerkte er,»und es ist ein Stück zu gehen. Es ist die >Darnwell Rosec, ganz die Straße runter, dann links, am dritten, nein, vierten Pier. Eigentlich ist das kein Fangboot. Es ist ein Handelsschiff zur beliebigen Verwendung.«

Ich dankte ihm aufrichtig und lief die lange Straße hinunter, und kurz darauf holte er mich ein.

«Ich kenn den Käpten. Er läuft heute nacht aus. Ich schulde ihm noch ein Bier«, sagte er, und ich war froh über seine Gesellschaft und seine Vermittlung.

Der Kapitän der >Darnwell Rosec, massig, mit buschigem Bart und Goldstreifen am Ärmel, nahm Unwin zum Biertrinken mit unter Deck und ließ mich durch seinen unheimlich wetterhart wirkenden Stellvertreter in puncto Trox aufklären.

«Eine Handelsgesellschaft, die Unified Trading, hat die >Darnwell Rose< gechartert, um eine Schiffsladung Haushaltsgüter von Trox nach Grand Cayman zu schaffen«, sagte der Stellvertreter,»und zunächst gab es Komplikationen mit dem Zoll wegen Radon, aber das hat sich dann alles geklärt. Die Sachen waren nicht verstrahlt, also haben wir sie hergebracht.«

Ich sagte:»Erinnern Sie sich auch noch an einen schweren Pappkarton, den Sie nach Trox gebracht haben?«

«Den Tresor, meinen Sie?«

«Ja«, und ich nickte.

«Hören Sie«, sagte er,»wenn ich Ihnen jetzt erzähle, was da abging, dann bleibt das unter uns.«

«Das versteht sich.«

Er schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase.»Also«, sagte er,»der Tresor war ausgepackt, und die Tür war auf — offengehalten durch zusammengeknülltes Papier, damit beim Transport nichts kaputtgeht —, und in der Schublade eines Schreibtischs, der da stand, lag irgend so ein Hefter, und da wir die Möbel alle mitnehmen sollten, hat einer der Matrosen den Hefter in den Tresor gelegt und den Schreibtisch rausgeschafft, und als alles mit dem Geigerzähler überprüft war, haben sie den auch in den Tresor getan, das sollte beides nur für den Moment da bleiben, aber dann warf ein Matrose die Tresortür zu, und sie ging nicht wieder auf; da haben sie das ganze Ding eben in die dafür vorgesehene Wandnische gestellt und fertig, und niemand hat sich je beklagt. Der Kapitän nimmt an, daß die Firma, für die wir gefahren sind, die Tür schon wieder aufgekriegt hat. Ist es das, was Sie wissen wollten?«

«Danke, das reicht völlig.«

Ich gab ihm meine restlichen Dollars, bedankte mich bei Unwin und dem Kapitän und nahm ihr Angebot, mich zum Flughafen zu fahren, mit Freuden an.

Bevor ich zum Nachtflug nach London eincheckte, überlegte ich, wenn ich den Verschwörern schon half, mich auf elegante Weise loszuwerden, daß ich dann auch so höflich sein sollte, mich von Robin Darcy zu verabschieden, der durch unseren Leichtsinn immerhin sein Flugzeug verloren hatte, und rief bei ihm an, bekam aber nur Evelyns Stimme zu hören, die sagte:»Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«

«Ich schreibe Ihnen«, sagte ich, froh über den Aufschub, und zog auf dem Heimflug die Knie unters Kinn und versuchte zu schlafen, aber meine schmerzenden Füße und die Erinnerung an Schießeisen und Wirbelsturm hielten mich wach.

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