Huehot. Später am gleichen Tag

Das Lager verdiente eigentlich nicht den Namen» Stützpunkt«, denn es bestand nur aus einer Handvoll ärmlicher Hütten, in denen vor dem Einmarsch der Japaner vermutlich nur ein paar Bergbauern gehaust hatten; und selbst diese nicht sonderlich komfortabel. Aber es verfügte über zwei entscheidende Vorzüge: über ein Funkgerät und eine kleine, aber für die wendigen japanischen Zeros ausreichende Landebahn.

Moto hatte Indiana und Lobsang getrennt unterbringen lassen, und er machte nun überhaupt keinen Hehl mehr daraus, daß sie seine Gefangenen waren. Sie wurden zwar nicht gefesselt, aber vor der Tür von Indianas Hütte hielten zwei bewaffnete Posten Wache, die seinen ersten und einzigen Versuch, sein Gefängnis zu verlassen, ziemlich grob vereitelten.

Erst spät am Nachmittag wurde er wieder zu Moto gebracht.

Der Samurai hatte das größte Gebäude zu seinem Quartier deklariert und dessen bisherige Bewohner samt der Möblierung hinausgeworfen. Im Raum befanden sich jetzt nur noch ein Tisch sowie zwei unbequem aussehende, dreibeinige Hocker.

Auf einem davon saß Moto selbst, auf dem anderen hatte er das Funkgerät aufstellen lassen. Als Indiana — die Spitzen der Bajonette seiner beiden Bewacher im Rücken — durch die Tür stolperte, zog er sich gerade die Kopfhörer von den Ohren und funkelte das Gerät an, als gäbe er ihm die Schuld an dem, was geschehen war.

Sein Gesichtsausdruck war allerdings alles, was an dem Japaner an die überstandenen Strapazen erinnerte. Moto trug jetzt wieder seine blütenweiße Paradeuniform. Die Kratzer und Blessuren, die er davongetragen hatte, waren verschwunden; ärztlich versorgt und ganz offensichtlich überschminkt, was Indiana einigermaßen überraschte. Daß Moto eitel war, hatte er bisher gar nicht bemerkt.

«Dr. Jones!«begrüßte er Indiana. Er deutete auf das Funkgerät.»Ich habe Neuigkeiten. Gute Neuigkeiten!«

«So?«Indiana runzelte die Stirn. Er gab sich jetzt nicht einmal mehr Mühe, Höflichkeit zu heucheln.»Für Sie oder für mich?«

Moto wirkte irritiert.»Für uns beide, denke ich doch«, antwortete er in einem Ton ehrlicher Verwirrung.»Höre ich da einen Unterton von Feindseligkeit in Ihrer Stimme?«

«Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Indy sarkastisch.»Das müssen Sie sich einbilden, göttlicher Sohn. Wir sind doch Verbündete, oder?«

«Ich … denke schon«, antwortete Moto zögernd.»Allerdings verstehe ich nicht ganz …«Er brach ab, zuckte mit den Schultern und deutete abermals auf den Funkempfänger.»Das war der Kommandant des Suchtrupps, den ich hinter Dzo-Lin hergeschickt habe.«

«Haben sie ihn erwischt?«fragte Indiana. Hoffnungsvoll fügte er hinzu:»Was ist mit Tamara?«

«Nicht so schnell, Dr. Jones«, sagte Moto beruhigend.»Dzo-Lin selbst ist unseren Männern leider entkommen, aber ein paar seiner Banditen sind ihnen in die Hände gefallen. Sie befinden sich bereits auf dem Weg hierher und werden in spätestens zwei Stunden hier eintreffen.«

«Wie schön«, sagte Indiana kalt.»Darf ich dann vor Ablauf dieser Frist mit meiner Hinrichtung rechnen oder heben Sie sich diesen Spaß für später auf?«

«Ich verstehe Ihre plötzliche Feindseligkeit nicht, Dr. Jones«, sagte Moto. Er stand auf, kam um den Tisch herum auf Indiana zu und sah ihn ernst an.»Sie haben mein Wort, daß wir Waffenstillstand halten, bis wir diese Angelegenheit erledigt haben.«

«Ja«, sagte Indiana.»Deshalb ist Tsangpo auch mit meinem Fallschirm abgestürzt, wie?«

Moto erschrak.»Wie? Ihr Fallschirm? Ich verstehe nicht …«

«Oh, Sie verstehen ganz gut, glaube ich«, sagte Indiana.»Tsangpo und ich haben die Rucksäcke getauscht, ehe wir in die Maschine gestiegen sind. Er ist nicht aus Dummheit oder Ungeschick abgestürzt. Sein Schirm hat sich nicht geöffnet. Mein Schirm, um genau zu sein.«

Motos Miene erstarrte.»Und jetzt glauben Sie, daß ich Sie ermorden lassen wollte.«

«Der Verdacht liegt nahe, nicht?«

«Für diese Behauptung allein schon sollte ich Sie töten, Jones«, sagte Moto kalt.»Aber ich werde es nicht tun. Sie haben mein Wort, und außerdem brauche ich Sie noch, so ungern ich das auch zugebe.«

«Ach?«sagte Indiana.»Wozu?«

«Das fragen Sie noch?«Moto schnaubte ärgerlich.»Also gut. Wenn Sie unbedingt meine und Ihre Zeit verschwenden wollen: Vielleicht denken Sie einfach einmal darüber nach, daß Sie nicht als einziger in eine Falle gegangen sind. Wir alle wären um ein Haar ums Leben gekommen. Ich gestehe Ihnen gern zu, daß Sie in einem Punkt recht haben: Es gibt einen Verräter unter uns. Aber ich bin es nicht. Ich werde Sie töten, Dr. Jones, aus verschiedenen Gründen. Aber erst, wenn einer von uns Temujins Schwert in Händen hält. Und auf ehrenhafte Weise, nicht durch einen heimtückischen Mord!«

Es war seltsam — aber Indiana glaubte ihm. Die Entrüstung in seiner Stimme war nicht gespielt, sondern durch und durch echt. Aber wenn nicht Moto hinter dem Anschlag auf sein Leben steckte, wer dann? Im Grunde war jeder, der von dem Einsatz gewußt hatte, auch dabei gewesen. Jeder mit Ausnahme des Piloten.

Indiana sprach diese Vermutung laut aus, aber Moto schüttelte den Kopf.»Der Mann wußte nichts von seinem Einsatz«, sagte er.»Er wurde ohne Vorwarnung aus dem Bett geholt und erfuhr unser Ziel erst, nachdem wir schon in der Luft waren. Nein …«Er seufzte tief und schüttelte besorgt den Kopf.»Die Sache ist höchst mysteriös, Dr. Jones. «Er sah Indiana ernst an.

«Auch auf die Gefahr hin, daß Sie jetzt wieder wütend werden und mich beschimpfen — aber nach dem Stand der Dinge bleibt außer uns beiden und dem unglückseligen Hondo eigentlich nur ein einziger Verdächtiger übrig: Ihr tibetischer Freund. «Er hob die Hand, als Indiana auffahren wollte.»Wenngleich ich zugeben muß, daß auch ich mir nicht erklären kann, wie er irgendwelche Nachrichten an General Dzo-Lin geschickt haben könnte.«

«Vielleicht brauchte er das gar nicht«, sagte Indiana leise.

Moto sah auf. Eine steile, fragende Falte erschien zwischen seinen Brauen.

Indiana zögerte noch einen Moment. Die Zusammenhänge waren ihm selbst noch nicht ganz klar, aber gleichzeitig spürte er, daß er auf dem richtigen Weg war. Ausführlich erzählte er von dem Mongolen, den er zuerst in Washington und dann in Dzo-Lins Bergfestung wiedergesehen hatte, enthielt sich aber jeder Wertung, sondern überließ es wohlweislich Moto, irgendwelche Schlüsse aus seinen Worten zu ziehen.

Was dem Japaner offensichtlich ebenfalls alles andere als leicht fiel. Er schwieg eine geraume Weile, während sich sein Gesichtsausdruck mehr und mehr verfinsterte.

«Wir haben ein paar der Toten untersucht, die wir unter den Trümmern des Klosters fanden«, sagte er schließlich.»Natürlich ist das im nachhinein schwer zu sagen — aber ich bin ziemlich sicher, daß es sich tatsächlich um Mongolen handelt, nicht um Chinesen, die Dzo-Lin als Hunnenreiter verkleidet hat, um uns an der Nase herumzuführen.«

«Das bedeutet, Dschingis Khans Horden sind bereits wieder auferstanden«, sagte Indiana.

«Ich weiß nicht, was es bedeutet«, antwortete Moto achselzuckend.»Was ich weiß ist, daß wir es noch mit einer weiteren Partei zu tun haben, die hinter dem Schwert her ist.«

«Na wunderbar«, maulte Indiana.»Jetzt fehlt eigentlich nur noch, daß die Russen und die Deutschen auftauchen.«

«Was die Russen angeht, so sind sie bereits da«, antwortete Moto.»In Gestalt Ihrer entzückenden Freundin Tamara Jaglova. Und wir sind nicht mehr allzu weit von der sowjetischen Grenze entfernt.«

«Ich hoffe, sie ist noch am Leben«, sagte Indiana.

«Ich denke schon«, beruhigte ihn Moto.»Sie ist für Dzo-Lin ebenso wichtig wie Sie für mich, Dr. Jones. Er ist zwar mein Feind, und ich halte ihn für einen Narren, weil er für die falsche Seite kämpft, aber er ist kein Dummkopf. Ich bin sehr sicher, daß Miss Jaglova noch am Leben ist. «Er sah auf die Uhr.»In einer guten Stunde wissen wir es genau. Vielleicht erweisen Sie mir solange die Ehre, eine Tasse Tee mit mir zu trinken?«

Aus der einen Tasse Tee wurden fünf oder sechs, und aus der guten Stunde zwei, schließlich beinahe drei, bis das Flugzeug mit dem gefangenen Chinesen endlich auf der winzigen Landebahn aufsetze. Moto ließ den Gefangenen sofort zu sich bringen, und er erhob keine Einwände, als Indiana bat, bei dem Verhör anwesend sein zu dürfen.

Indiana fieberte vor Ungeduld, etwas über Tamaras Schicksal zu erfahren, aber der Gefangene erwies sich als äußerst unkooperativ. Erst als Moto seine gute Erziehung vergaß und eine Verhörmethode anwandte, die Indiana zu einem geharnischten Protest veranlaßte (mit dem Ergebnis, daß Moto ihn hinauswerfen ließ), brach er sein Schweigen und beantwortete die Fragen des Japaners.

Soweit er dazu überhaupt in der Lage war.

Es zeigte sich, daß der Mann nicht allzuviel wußte, was ihnen weiterhalf. Er hatte zu den letzten gehört, die das Felsenkloster durch den geheimen Fluchttunnel verlassen hatten, und er hatte kurz danach den Anschluß an den Rebellengeneral und seine Leute verloren, so daß er mutterseelenallein durch das Gebirge geirrt war, als ihn Motos Männer aufgegriffen hatten.

Aber immerhin wußte er zwei Dinge zu berichten, die sowohl Moto als auch Indiana aufhorchen ließen: Zum einen, daß Tamara offensichtlich noch am Leben war, denn ihr Gefangener hatte sie in Dzo-Lins Begleitung gesehen, als sie das Kloster verließen. Und zum anderen, daß Dzo-Lin eine Stunde vor dem Heranrücken der Hunnen Besuch von einem Mann in der Kleidung eines Lama-Priesters bekommen hatte.

Motos Gesicht verlor jedes bißchen Farbe, als er dies hörte, und auch Indiana — der wieder hereingekommen war, nachdem der Gefangene zu schreien aufgehört und zu reden begonnen hatte — erging es kaum anders, nachdem Moto ihm die Worte des Chinesen übersetzte.

«Ich wußte, daß man diesen Burschen nicht trauen kann«, sagte Moto grollend.»Aber Sie wollten ja nicht auf mich hören, Dr. Jones.«

«Das … muß gar nichts zu bedeuten haben«, sagte Indiana nervös.»Es war ein buddhistisches Kloster. Was ist so außergewöhnlich daran, wenn in einem buddhistischen Kloster ein buddhistischer Mönch auftaucht?«

Moto würdigte ihn nicht einmal einer Antwort, sondern gab einem der Soldaten einen Wink.»Bringt den Tibeter!«

Indiana entging der Unterton in Motos Stimme keineswegs, aber er hielt es im Moment einfach für klüger, sich der Stimme zu enthalten. Außerdem war auch sein Vertrauen in Lobsang angeschlagen. Daß der Tibeter ein lustiges Kerlchen war und ihm so ganz nebenbei das Leben gerettet hatte, mußte nicht bedeuten, daß er nicht in Wirklichkeit auf der Gegenseite stand — wie immer diese Gegenseite aussehen mochte. Ein Feind mußte nicht notwendigerweise auch unsympathisch sein.

Lobsang lächelte freundlich und nichtssagend wie immer, als er nach einigen Minuten von zwei japanischen Soldaten in den Raum geführt wurde. Ein Ausdruck von Schrecken huschte über sein Gesicht, als er den gefangenen Chinesen sah, aber der konnte genausogut den Spuren der Schläge im Antlitz des Chinesen gelten. Als er sich wieder zu Moto umwandte, sah er jedenfalls sehr mißbilligend, aber kein bißchen beunruhigt aus.

«Ich sehe«, begann er,»es ist Ihnen gelungen, einen von Dzo-Lins Soldaten in Gewahrsam zu nehmen.«

Moto ging sofort zum Angriff über.»Hören Sie mit dem Blödsinn auf, Lobsang«, sagte er hart.»Wir wissen alles. «Er deutete herausfordernd auf den Chinesen, der sofort erschrocken zusammenfuhr und sich duckte.»Er hat geredet.«

«Das nehme ich an, so, wie Sie offensichtlich mit ihm umgesprungen sind«, antwortete Lobsang, noch immer lächelnd, aber deutlich kälter als bisher.»Ist Ihnen der neue Aufenthaltsort von General Dzo-Lin und Miss Jaglova bekannt?«

«Nein«, antwortete Moto lauernd.»Aber die gleiche Frage wollte ich dir gerade stellen.«

«Mir?«

Moto war anzusehen, daß er sich kaum noch in der Gewalt hatte.»Ein Mann sollte wissen, wenn er verloren hat, Lobsang«, sagte er kalt.»Das Theater hat keinen Sinn mehr. Wir wissen, daß du und deine Brüder auf Dzo-Lins Seite stehen.«

Lobsang schüttelte lächelnd den Kopf.»Aber das ist doch Unsinn«, sagte er sanft.

«So!?«Moto beugte sich wütend vor, packte Lobsang mit der linken Hand grob an der Schulter und deutete mit der anderen abermals auf den Gefangenen.»Dann erklär’ mir, was einer deiner Brüder bei Dzo-Lin zu suchen hatte, und wieso er ihm zur Flucht verholfen hat?«

Das Gehörte schien Lobsang nicht im mindesten zu überraschen. Sanft, aber nachdrücklich löste er Motos Hand von seiner Schulter, streifte Indiana mit einem flüchtigen und undeutbaren Blick, und antwortete dann:»Um ihn zu warnen, nehme ich an. Vor den drei Männern, die auch uns beinahe zum Verhängnis geworden wären.«

«Du weißt also, wer sie sind?«fragte Indiana leise.

«So gut wie Sie, Dr. Jones«, antwortete der Tibeter.»Oder Ihr, göttlicher Sohn. Temujins Erben. Die Männer, die gekommen sind, um sich dem Träger des Zauberschwertes anzuschließen. Oder zu verhindern, daß es in falsche Hände gerät.«

«Temujins Erben! Zauberschwert!«ereiferte sich Moto.»Ich habe allmählich genug von diesem Blödsinn!«Wieder streckte er die Hand aus und packte Lobsang, und diesmal schüttelte er ihn so heftig, daß Indiana hören konnte, wie die Zähne des Tibeters klappernd aufeinanderschlugen.»Du wirst mir jetzt die Wahrheit sagen, du alter Narr, oder ich prügele sie aus dir heraus. Wer sind diese Kerle?«

«Lassen Sie das sein, Moto«, sagte Indiana.»Das ist doch sinnlos.«

Erstaunlicherweise ließ Moto Lobsang tatsächlich los, aber nur, um plötzlich herumzufahren und seine ganze Wut auf Indiana zu konzentrieren.»So?«schrie er.»Dann sagen Sie mir, wer diese Kerle waren.«

«Ich nehme an, dieselben, die auch schon die russische Infanterie-Einheit aufgerieben haben, von der Tamara erzählte«, sagte Indy. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Lobsang.

«Ich glaube, er sagt die Wahrheit. Anscheinend wollen sie mit aller Macht verhindern, daß das Schwert in falsche Hände gerät.«

«Und anscheinend sind sie verdammt gut informiert«, fügte Moto mit einem drohenden Blick auf Lobsang hinzu.»Vielleicht haben sie das Schwert auch schon längst gefunden.«

«Wenn es so wäre, wären sie kaum das Risiko eingegangen, die Grenze zu überschreiten, um Dzo-Lin anzugreifen«, sagte Indiana.»Aber ich nehme an, sie sind ihm dicht auf der Spur.

Nicht wahr?«

Die letzten Worte galten Lobsang. Der Tibeter hielt seinem Blick noch einen Herzschlag lang stand, aber er schien auch zu begreifen, daß sich weder Indiana noch Moto länger mit einem Lächeln abspeisen lassen würden, denn plötzlich schüttelte er den Kopf.

«Sie werden es niemals finden«, sagte er.»Ebensowenig wie General Dzo-Lin oder ihr.«

«Was soll das heißen?«fragte Indiana.»Du weißt, wo das Schwert ist?«

Lobsang setzte zu einer Antwort an, aber Moto brachte ihn mit einer raschen Handbewegung zum Verstummen, warf Indiana einen fast beschwörenden Blick zu und wandte sich dann mit erhobener Stimme an die Soldaten. Zusammen mit dem Gefangenen verließen die Männer den Raum. Moto überzeugte sich davon, daß keiner hinter der Tür stehengeblieben war, um zu lauschen, legte höchstpersönlich den Riegel vor und wiederholte erst dann und mit leiser, schneidender Stimme Indianas Frage:»Du weißt, wo es ist?«

«Nein«, antwortete Lobsang.»Aber ich weiß, wo es nicht ist.«

«Bitte, Lobsang«, sagte Indiana.»Genug der Spielchen. Weißt du, wo sich Dschingis Khans Grab befindet oder nicht?«

«Das weiß ich«, bestätigte Lobsang mit einem angedeuteten Nicken.»Doch das Schwert ist nicht mehr dort. Es wurde schon vor langer Zeit aus dem Grab geholt und an einen sicheren Ort gebracht, wo es von niemandem gefunden werden kann.«

«Heißt dieser Ort zufällig Shambala?«fragte Moto ruhig.

Hätte er plötzlich eine giftige Spinne aus der Tasche gezogen und sie Lobsang auf die Schulter gesetzt, nachdem er ihr vorher ein Bein ausgerissen hatte, um sie richtig wütend zu machen, wäre die Reaktion des Tibeters kaum anders ausgefallen. Lobsang wurde kreideweiß im Gesicht. Seine Hände begannen zu zittern, die Augen wurden groß und quollen schier aus den Höhlen, und sein Unterkiefer sackte haltlos herab.

«So furchtbar geheim scheint dieser Ort nicht mehr zu sein«, fuhr Moto gelassen fort.

«Woher … kennt Ihr diesen Namen?«flüsterte Lobsang. Er kämpfte sichtlich um seine Fassung, fand sie aber noch nicht ganz wieder.

Moto lächelte, zuckte mit den Schultern und sagte beinahe schadenfroh:»Es war nur eine Vermutung, Lobsang. Der Gefangene hat das Wort aufgeschnappt, wußte aber nichts damit anzufangen. Und ehrlich gesagt — ich auch nicht.«

Lobsangs Hände hörten allmählich auf zu zittern.»Ich gebe zu, es ist Euch gelungen, mich zu überraschen«, sagte er.»Doch ich muß Euch trotzdem enttäuschen, göttlicher Sohn. Auch mir ist die genaue Lage Shambalas nicht bekannt. Es ist ein geheimer Ort im Himalaya, den niemals das Auge eines Ungläubigen gesehen hat. Nur wenige wissen, wo er liegt, und ich gehöre nicht dazu. Und wüßte ich es, so würde ich mir eher das Herz aus dem Leib reißen lassen, ehe ich es Euch sagte.«

Moto machte eine wegwerfende Handbewegung und setzte zu einer höhnischen Antwort an, doch in diesem Moment klopfte es an der Tür hinter ihm, und jemand rüttelte ungeduldig am Griff. Moto runzelte verärgert die Stirn, zog den Riegel zurück und fuhr den Mann auf der anderen Seite der Tür an, noch bevor er sie ganz geöffnet hatte, brach aber dann mitten im Wort ab und lauschte mit immer besorgterem Gesichtsausdruck auf das, was ihm der Soldat zu sagen hatte.

Indiana warf Lobsang einen fragenden Blick zu. Der Tibeter kam unbemerkt von Moto einige Schritte näher und flüsterte, ohne die Lippen zu bewegen:»Irgend etwas geht draußen vor.

Sie wissen nicht genau, was es ist, aber sie sind beunruhigt.«

Moto hörte den Worten des Soldaten schweigend zu, dann schickte er ihn mit einem groben Befehl wieder fort, rief ihn aber nach einer Sekunde wieder zurück und setzte einige Worte hinzu, die Lobsang zu einem abermaligen, beunruhigten Stirnrunzeln veranlaßten. Diesmal übersetzte er Indiana die Worte des Japaners nicht.

Moto warf die Tür hinter sich ins Schloß.»Shambala, so«, knüpfte er übergangslos an das unterbrochene Gespräch an.

«Wissen Sie, Lobsang — ich kann mir eine Menge anderer Dinge vorstellen, als Ihnen das Herz aus dem Leib zu reißen, um zu erfahren, was ich wissen will. Und glauben Sie mir, ich würde keine Sekunde zögern, es zu tun. Aber ich denke, das wird nicht nötig ein. Sie werden uns ganz von sich aus erzählen, wo wir dieses Shambala finden.«

«Das werde ich bestimmt nicht«, sagte Lobsang ruhig.

Moto seufzte.»Tja, ich fürchte, dann wird das Schwert des Dschingis Khan wohl in wenigen Tagen in Dzo-Lins Hände fallen.«

«Wieso?«fragte Lobsang. Es gelang ihm nicht mehr ganz, weiter den Unbeteiligten zu spielen.

«Weil Dzo-Lin offensichtlich weiß, wo sich dieses ominöse Shambala befindet«, antwortete Moto lächelnd.»Der Gefangene hat nicht viel verstanden, aber er hat immerhin mitbekommen, daß Dzo-Lin dieses Wort mehrmals erwähnt hat. Und daß Miss Jaglova und er an Bord eines Flugzeuges gegangen sind, das auf einer kleinen Piste in den Bergen auf ihn gewartet hat. Sie haben fast die gesamte Innenausstattung herausgerissen, um Platz für Reservetanks zu schaffen. Können Sie sich vorstellen, wozu sie soviel Treibstoff brauchen?«

Lobsang schwieg verbissen, und Moto fuhr nach einigen Sekunden fort:»Es ist ein ziemlich weiter Weg bis zum Himalaya.«

«Ich glaube Ihnen nicht, göttlicher Sohn«, sagte Lobsang mit einer Stimme, die verriet, daß seine Überzeugung auch nicht mehr die stärkste war.

«Das ist auch nicht nötig«, sagte Moto herablassend.»Sie sind ein fähiger Mann, Lobsang, mein Kompliment. Aber Sie haben einen großen Fehler- Sie neigen dazu, Ihre Gegner zu unterschätzen.«

Erneut wurde an die Tür geklopft. Moto öffnete, und ein japanischer Offizier kam herein, beladen mit einem ganzen Arm voller Kartentaschen und Mappen, die er kommentarlos auf dem Tisch ablud. Moto bedeutete ihm mit einer Geste zu bleiben, warf Lobsang ein rasches, fast schadenfrohes Lächeln zu, und begann die Karten auseinanderzufalten und vor sich auf dem Tisch auszubreiten. Indiana sah ihm schweigend und reglos dabei zu, während Lobsang immer nervöser wurde.

Die Zeit verstrich quälend langsam. Moto blätterte die Karten sorgsam durch, wobei sein Blick manchmal an einer bestimmten Stelle für einen Moment hängenblieb, legte sie beiseite, nahm eine neue zur Hand, legte auch diese beiseite … und dann, als er bei der vorletzten Karte, einem komplizierten, offensichtlich handgemalten und mit japanischen Schriftzeichen übersäten Gebilde angekommen war, hellte sich sein Gesicht plötzlich auf.

«Shambala!«sagte er. Sein Zeigefinger stieß triumphierend auf eine bestimmte Stelle auf der Karte herab, und Lobsang hatte sich nicht mehr gut genug in der Gewalt, um nicht leicht erschrocken zusammenzuzucken.»Ich gebe zu, die Schreibweise ist ein wenig anders«, sagte Moto spöttisch,»aber ich werde freiwillig in euer Kloster eintreten und mir den Kopf kahlscheren lassen, wenn das nicht euer legendäres Shambala ist.«

Lobsang zögerte. Fast widerwillig trat er einen Schritt vor, sah mit steinernem Gesicht über Motos Schulter hinweg auf die Karte und richtete sich wieder auf.

«Es geht doch nichts über eine wirklich gute Luftaufklärungskarte, nicht wahr?«fragte Moto spöttisch.

«Das kommt darauf an, wofür man sie braucht«, sagte Indiana nachdenklich. Während der letzten Viertelstunde hatte er die Karten, die Moto eine nach der anderen durchgeblättert hatte, sehr aufmerksam betrachtet. Die meisten davon hatten ihm nicht viel gesagt, denn er war der japanischen Schrift ebensowenig kundig wie der Sprache, aber er hatte doch begriffen, daß es sich um sehr detailliertes Kartenmaterial handelte, das mit herkömmlichen Karten dieses Teils der Welt nur wenig gemein hatte.

«Wir sind immer gern gut informiert«, sagte Moto ausweichend.

«Ja«, murmelte Indiana.»Vor allem über die Länder, die Sie als nächste erobern wollen, nicht wahr? Steht Tibet schon auf Ihrem Programm? Und was dann? Indien?«

«Ich denke nicht, daß das im Moment zur Diskussion steht«, antwortete Moto lächelnd, faltete die Karte aber trotzdem eine Spur zu hastig zusammen und verstaute sie wieder in ihrer Mappe.»Im Augenblick interessiert mich nur dieses Kloster.

Beziehungsweise das, was sich in seinen Mauern befindet. Und ich denke, daß wir beides gefunden haben.«

Sein Blick heftete sich auf Lobsang.»Nicht wahr?«

«Ich weiß es nicht«, antwortete Lobsang unsicher.»Ein paar Striche auf einem Blatt Papier bedeuten nichts. Nur wenige wissen, wo Shambala liegt. Und ich gehöre nicht dazu.«

«Du bist ein verdammt schlechter Lügner, alter Mann«, sagte Moto. Aber er sagte es nicht zornig. Ganz im Gegenteil — er lächelte ein durchaus echtes, freundliches Lächeln, als er aufstand und dem Offizier, der die Karten gebracht hatte, einen Wink gab.»Trotzdem werde ich folgendes tun: Ich schenke dir das Leben. Und wenn ich zurück bin, dann werde ich dir von Shambala erzählen. Und Ihnen auch, Dr. Jones«, fügte er hinzu.

Indiana riß erstaunt die Augen auf.»Aber wieso — «

Moto unterbrach ihn mit einer Handbewegung.»Sie hatten recht, Dr. Jones. Ich hatte niemals vor, Sie bis zum Grab des Dschingis Khan kommen zu lassen.«

«Soviel zum Thema Ehrenwort«, murmelte Indiana.

Moto wirkte ein ganz kleines bißchen verärgert; aber nicht sehr.»Ein großes Wort, Dr. Jones«, sagte er.»Und glauben Sie mir, es fällt mir nicht leicht, es zu brechen. Aber Sie werden verstehen, daß es sich um eine Angelegenheit von solcher Wichtigkeit handelt, daß die Ehre und das Leben eines einzelnen dahinter zurückstehen müssen.«

«Sie verdammter — «, begann Indiana, wurde aber schon wieder unterbrochen.

«Bitte, Dr. Jones«, sagte Moto.»Machen Sie es nicht für mich und sich selbst noch schwerer, indem Sie mich beleidigen. Ich stehe weiter zu meinem Wort, daß sich weder Ihr noch das Leben von Miss Jaglova in Gefahr befinden. Sollte ich sie finden, werde ich sie mit zurückbringen. Es wird mir eine Ehre sein, Sie beide persönlich an Bord eines Schiffes der Kaiserlichen Marine zu begleiten, das Sie zu einem Hafen Ihrer Wahl fahren wird.«

Er straffte sich und gab dem Mann hinter sich einen zweiten Wink, woraufhin dieser seine Pistole aus dem Halfter zog und auf Indiana richtete.

«Bitte, folgen Sie dem Lieutenant«, sagte Moto.»Er wird Sie in Ihr Quartier begleiten.«

Sie wurden nicht mehr getrennt, sondern gemeinsam in die Hütte zurückgebracht, in der Lobsang bisher allein untergebracht gewesen war: Eine windschiefe Bretterbude, die aber zumindest den Luxus eines kleinen Kohleofens hatte, und sogar ein Fenster und ein richtiges Bett.

Indiana ließ sich wütend darauf fallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte eine ganze Weile lang die Decke an. Hinter seiner Stirn überschlugen sich die Gedanken.

Er war hin- und hergerissen zwischen Zorn und Enttäuschung, zwischen dem Bedürfnis, Lobsang einfach den Hals herumzudrehen, und einer tiefen Resignation, wie er sie bisher selten verspürt hatte. Nie zuvor war er an einen Gegner wie Toshiro Moto geraten. Der Mann war ihm bisher immer einen Schritt voraus gewesen, ganz egal, was er auch unternahm, und irgend etwas sagte ihm, daß es auch so bleiben würde.

«Sie sind zornig auf mich, Dr. Jones, nicht wahr?«

Indiana ließ fast eine Minute verstreichen, ehe er auch nur den Kopf wandte, um Lobsang anzusehen. Der Tibeter hockte zusammengekauert neben dem Kohleofen. Es gab kein Licht hier drinnen, und im blassen Grau der einsetzenden Dämmerung wirkte sein Gesicht noch schmaler und älter als sonst.

Der Anblick ließ Indiana die Kälte, die mit dem Abend durch die dünnen Wände gekrochen war, erst richtig fühlen. Er stand auf, ging zu Lobsang hinüber und kauerte sich dicht neben ihm auf den Boden. Der Ofen wärmte seine rechte Seite und die Hände, die er dagegen ausstreckte, aber der Rest seines Körpers schien den eisigen Biß der Zugluft nur umso heftiger zu spüren.

«Nein«, antwortete er mit einiger Verspätung und sehr leise.

«Nicht zornig. Enttäuscht. Du hättest mir die Wahrheit sagen können.«

«Das Schwert des Dschingis Khan — «

«Verdammt, euer dämliches Schwert interessiert mich überhaupt nicht!«fuhr Indiana auf.»Glaubst du wirklich, ich würde es an mich bringen, um Macht über ein paar Stämme von Hunnenreitern zu gewinnen?«

Er las in Lobsangs Gesicht, wie sehr diesen seine Worte verletzten, aber er tat nichts, um sie zurückzunehmen oder abzumildern. Entgegen seiner eigenen Behauptung war er sehr wohl wütend auf Lobsang, wenn auch vermutlich aus anderen Gründen, als dieser annehmen mochte.

«Wer bist du wirklich, Lobsang?«fragte er.»Du und Tsangpo — ihr seid doch nicht zufällig in Schenjang aufgetaucht, oder?«

Jetzt war es Lobsang, der eine ganze Weile zögerte zu antworten. Als er schließlich nickte, war die Bewegung nur angedeutet; Indiana erriet sie im schwachen Licht mehr als er sie sah.

«Mein Bruder und ich wurden ausgeschickt, jede Expedition nach Shambala zu verhindern«, sagte er traurig.»Aber wir haben versagt.«

«Das habt ihr!«bestätigte Indiana, dem es plötzlich eine diabolische Befriedigung bereitete, das Messer in der offenen Wunde auch noch herumzudrehen.»Es wäre besser gewesen, ihr wärt gar nicht hier aufgetaucht! Was zum Teufel habt ihr euch dabei gedacht?«Er machte eine heftige Geste mit beiden Händen.»Die Japaner sind doch keine Kinder, die sich an der Nase herumführen lassen! Und was ist mit diesen … diesen Hunnen? Gehören sie auch zu euch?«

Eine verunglückte Mischung aus einem Nicken und einem Kopfschütteln war die Antwort.»Sie kämpfen für die gleiche Sache«, räumte er ein,»aber sie gehen den falschen Weg. Aus diesem Grund ging unser Bruder zu General Dzo-Lin, um ihn zu warnen. Nicht, um Moto zu verraten, sondern um Blutvergießen zu vermeiden.«

Indiana lachte humorlos.»Na ja, das ist ihnen ja auch gelungen«, sagte er.»Jedenfalls wurde kein chinesisches Blut vergossen. Dafür eine ganze Menge von ihrem eigenen.«

«Was geschehen ist, tut mir unendlich leid«, sagte Lobsang, und so, wie er es sagte, hörte es sich durchaus ehrlich an.

«Und es wird Ihnen noch sehr viel mehr leid tun, wenn Moto mit dem Schwert zurückkommt«, grollte Indiana.

«Das wird nicht geschehen«, behauptete Lobsang.

«Hör’ auf«, bat Indiana müde.»Ich habe dich beobachtet, als Moto dir die Karte gezeigt hat. Shambala liegt genau dort, wo er es vermutet, nicht wahr?«

Lobsang druckste eine Weile herum, aber schließlich rang er sich zu einem angedeuteten Nicken durch. Fast gleichzeitig schüttelte er aber auch schon wieder den Kopf.»Striche auf Papier«, sagte er.»Punkte auf einer Karte, die nichts bedeuten.«

Er lächelte mit gezwungenem Optimismus.»Das Kloster liegt in mehr als fünftausend Metern Höhe hinter einem Eisfeld, auf dem eure schnellen Holzvögel nicht landen können. Und selbst wenn sie es könnten — es gibt Festungen, die mit Waffen allein nicht gestürmt werden können. Das Schwert ist sicher.«

Aber Indiana spürte, daß er den letzten Satz nur aus einem einzigen Grund sagte: um sich selbst zu beruhigen.

Es gab eine Menge Antworten auf Lobsangs Erklärungen, aber gleichzeitig wußte Indy, wie sinnlos jedes weitere Wort war. Der Tibeter war nicht einfach nur störrisch oder uneinsichtig. Ganz im Gegenteil. Was dem alten Mann zu schaffen machte, ihn bis an die Grenzen seiner Kräfte belastete, das war das allmähliche Begreifen, daß er vielleicht einen Fehler begangen hatte, daß die Dinge eben nicht immer so liefen, wie es das Schicksal vorausbestimmte, und daß es vielleicht Mächte gab, die einfach böse waren; und kein Gesetz der Menschen oder der Götter bestimmte, daß die Mächte des Guten ihnen immer und jederzeit überlegen sein mußten. Er begriff, daß er dem alten Mann einfach Zeit geben mußte, mit etwas fertig zu werden, das seine Kräfte vielleicht überstieg.

Müde stand er auf und trat an das schmale Fenster heran, und er hatte kaum einen Blick hinausgeworfen, als ihm klar wurde, daß sie diese Zeit vielleicht einfach nicht hatten.

Er konnte nur einen kleinen Teil des Militärlagers überblik-ken, das sich auf einem Berghang über der Stadt Huehot erstreckte, aber zu diesem kleinen Teil gehörte auch die improvisierte Start- und Landebahn. Zwei der gefürchteten japanischen Zeros standen ein Stück abseits des Rollfeldes, und ein Stück dahinter hatten einige Soldaten damit begonnen, eine etwas größere, bauchlastige Transportmaschine auf die Startbahn zu schieben, während andere Männer in einer schier endlosen Kette Benzinfässer herbeirollten. Moto hatte keine Zeit zu vergeuden. Unter Umständen war General Dzo-Lin bereits jetzt auf halbem Wege nach Shambala.

Eine geraume Weile verging, ehe Indiana klar wurde, daß das Beladen und Auftanken des Flugzeuges nicht den einzigen Quell von Hektik und Bewegung im Lager darstellte. In Anbetracht des beschränkten Platzes und der viel zu vielen Menschen, die sich darauf drängten, war es nicht leicht, Einzelheiten auszumachen; aber Indiana Jones war oft genug in Situationen wie dieser gewesen, um eine Gefahr zu spüren, die er vielleicht bewußt noch nicht erkennen konnte. Und hier spürte er sie sehr deutlich. Die Männer draußen bewegten sich eine Spur zu hastig, die Kommandos kamen eine Spur zu laut, die Reaktionen darauf eine Winzigkeit zu zackig. Er sah eine kleine Gruppe japanischer Soldaten, die ein Maschinengewehr samt Munitionskästen in großer Eile auf die andere Seite des Platzes schleppten, andere brachten etwas in Stellung, das Indiana nicht genau erkennen konnte, dessen Umriß aber eine unangenehme Ähnlichkeit mit einem Mörser oder Granatwerfer hatte. Ein Jeep fuhr vorbei und hielt mit quietschenden Bremsen direkt vor Motos Quartier. Zwei der drei Männer sprangen heraus, der dritte blieb im Wagen und legte beide Hände auf den Griff eines schweren Maschinengewehrs, das aus dem Heck herausragte. Seine Haltung verriet Anspannung.

Indiana blieb eine gute Viertelstunde am Fenster stehen und sah dem beunruhigenden Geschehen im Lager zu, ehe er endlich auf die Idee kam, sich mit einer entsprechenden Frage an Lobsang zu wenden.»Was hat der Soldat vorhin genau gesagt, als er hereinkam?«

Lobsang stand auf, trat neben ihn und blickte eine halbe Minute schweigend aus dem Fenster, ehe er antwortete.»Nur daß irgend etwas vorgeht.«

«Nach irgend etwas sieht das da draußen nicht aus«, sagte Indiana.

Lobsang nickte, enthielt sich aber jeder Antwort.

«Wir müssen raus hier«, sagte Indiana plötzlich. Er deutete auf das Rollfeld, wo die Benzinfässer jetzt mit ebensolcher Hast zurückgerollt wurden, wie sie herangebracht worden waren. In dem großen Cockpit brannte Licht, aber er konnte niemanden darin entdecken.»Wenn er damit losfliegt, ist alles vorbei.«

«Er wird Shambala niemals finden«, beharrte Lobsang.

«Sei kein Narr, Lobsang!«antwortete Indiana heftig und deutete wieder gestikulierend auf die Maschine.»In das Ding passen mindestens zwanzig Mann! Du hast gesehen, wie gut seine Ninjas sind. Zwanzig von ihnen nehmen es mit einer ganzen Armee deiner Hunnenkrieger auf.«

«Es sind nicht meine Hunnen«, antwortete Lobsang beleidigt, und außerdem — «

Ein Schuß krachte, und der Tibeter verstummte erschrocken.

Auch Indiana fuhr herum und sah wieder aus dem Fenster.

Das Echo des Schusses war noch nicht ganz verklungen, und für einen winzigen Moment schien es, als wäre die Zeit stehengeblieben; alles Leben dort draußen war wie erstarrt, als blicke er auf einen gewaltigen Scherenschnitt aus lebensgroßen Figuren.

Dann krachten ein zweiter und in rascher Folge ein dritter und vierter Schuß, und im gleichen Moment brach draußen im Lager das Chaos los. Schreie gellten. Alle rannten ziellos durcheinander, und irgendwo begann ein Maschinengewehr zu hämmern. Ein Scheinwerfer flammte auf und schnitt eine Spur grellweißer Helligkeit in die Nacht; mit dem Ergebnis, daß die Dunkelheit dahinter nur noch undurchdringlicher wurde.

Indiana prallte vom Fenster zurück, fuhr herum und war mit einem Satz bei der Tür. Mit aller Kraft riß er am Riegel, aber umsonst. So baufällig das ganze Gebäude war, so massiv schien das Schloß zu sein, das Motos Männer nachträglich angebracht hatten.

«Lobsang!«schrie er.»Hilf mir! Tu’ irgend etwas!«

«Ich kann nicht zaubern, Dr. Jones«, sagte der Tibeter ruhig.

Indiana fuhr wütend herum und funkelte Lobsang an, beherrschte sich aber. Natürlich hatte Lobsang recht, aber sie mußten hier heraus! Ganz egal, ob das Lager nun angegriffen wurde oder es einfach falscher Alarm war — eine bessere Gelegenheit zur Flucht würden sie kaum bekommen!

Zornig ballte er die Hand zur Faust und schlug sie gegen die Wand neben der Tür — und kämpfte plötzlich mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht, als die morschen Bretter unter dem Hieb zersplitterten und er um ein Haar der Länge nach ins Freie gestürzt wäre.

Woran er im letzten Moment Halt fand, das war der Lauf des Gewehres, das ein japanischer Soldat aus der Dunkelheit heraus auf ihn richtete.

Offensichtlich war der Mann ebenso verblüfft wie Indiana, denn er verzichtete darauf, das Nächstliegende zu tun und einfach abzudrücken, sondern klammerte sich nur mit aller Kraft an seine Waffe, während Indiana ebenfalls daran zerrte und gleichzeitig verzweifelt versuchte, den Lauf nach unten zu drücken.

Es gelang ihm, wenn auch nicht ganz so weit wie er es gern gehabt hätte. Der Japaner zerrte mit aller Macht an seinem Gewehr, Indiana zerrte ebenfalls — und stieß die Waffe dann plötzlich vor. Der Kolben bohrte sich knirschend in den Leib des Japaners. Der Soldat keuchte, blies die Backen auf — und sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug.

Indiana sprang mit einem grotesken Hüpfer in die Höhe, als die Kugel zwischen seinen Beinen hindurchsauste; so dicht, daß er ihren glühenden Lufthauch spüren konnte. Trotzdem ließ er den Gewehrlauf nicht los, sondern klammerte sich weiter daran fest und zog und zerrte, so fest er nur konnte.

Der Japaner drückte ein zweites Mal ab. Diesmal jagte die Kugel nur Millimeter an Indianas Schulter vorbei. Der Lauf der Waffe wurde warm.

Indiana warf sich herum, trat nach dem Schienbein des Japaners und sah aus den Augenwinkeln, wie zwei, vielleicht auch drei weitere Soldaten auf ihn zustürmten. Mit aller Kraft warf er sich zurück, wobei er das Gewehr samt des daranhängenden Japaners einfach mit sich zerrte. Ein dritter Schuß löste sich.

Die Kugel pfiff nur Zentimeter an seiner Hüfte vorbei, traf einen der heranstürmenden Soldaten und streckte ihn nieder.

Der Gewehrlauf in seinen Händen wurde allmählich heiß.

Wieder versuchte er, nach den Knien des Japaners zu treten.

Er traf auch jetzt nicht, aber der Soldat sprang hastig zurück, verlor das Gleichgewicht und stürzte, allerdings ohne sein Gewehr loszulassen, wodurch nun Indiana nach vorn gerissen wurde. Für eine halbe, gräßliche Sekunde deutete die Mündung des Gewehres direkt auf Indianas linkes Auge. Mit dem anderen konnte er sehen, wie sich das Gesicht seines Gegners zu einem hämischen Grinsen verzog, während sich sein Finger abermals um den Abzug krümmte.

Mit einer verzweifelten Bewegung warf er den Kopf zur Seite, drückte das Gewehr herunter und brachte den Lauf irgendwie unter seine Achselhöhle.

Die Kugel riß eine rauchende Spur in seine Jacke und traf den Japaner, der mit hoch erhobenem Schwert hinter ihm aufgetaucht war, und der Lauf der Waffe wurde so heiß, daß Indiana vor Schmerz aufstöhnte.

Allerdings ließ er das Gewehr trotzdem nicht los, preßte den Arm nur noch fester gegen den Leib, so daß die Waffe unter seiner Achselhöhle eingeklemmt war, so sehr sich der Japaner auch bemühte, sie loszureißen.

Der Soldat schlug nach ihm, aber da Indy praktisch auf ihm lag, hatten seine Hiebe keine nennenswerte Kraft. Aber Indiana bemerkte aus den Augenwinkeln, wie mehr und mehr Japaner in ihre Richtung gestürmt kamen.

«Lobsang!« brüllte er. »Hilf mir! Ich brauche ein kleines Ommerchen!«

Der Tibeter stand zwar kaum drei Schritte hinter ihm, schien aber plötzlich der englischen Sprache nicht mehr mächtig zu sein. Er blickte ihn nur fragend an, während die Japaner näher und näher kamen.

Indiana versuchte verzweifelt auf die Füße zu kommen und sich gleichzeitig aus dem Griff des Soldaten zu befreien, allerdings ohne die Waffe loszulassen, dieser wiederum klammerte sich mit ebensolcher Kraft an Kolben und Abzug seines Gewehrs und schlug mit der freien Hand vergnügt auf Indianas Gesicht ein. Die Hiebe waren nicht wirklich gefährlich, aber sie taten weh, und jeder kostete Indiana ein kleines bißchen mehr Kraft. Mit aller Gewalt warf er sich zurück und kam irgendwie auf die Füße, aber sein Gegner ließ ihn trotzdem nicht los, so daß er ihn wohl oder übel mit in die Höhe zerren mußte.

Indiana rammte ihm das Knie in die Rippen. Der Japaner keuchte, krümmte sich vornüber und dann den Finger um den Abzug der Waffe, und ein langer, höllisch heißer Feuerstoß jagte aus dem Lauf der Waffe, der Indiana vor Schmerz aufschreien und sich herumwerfen ließ. Er selbst, sein Gegner und der noch immer unter seiner linken Achsel eingeklemmte Lauf der Maschinenpistole vollführten eine Dreivierteldrehung, und endlich gelang es Indiana, seine rechte Hand in eine günstige Position zu bekommen und dem Soldaten einen wuchtigen Hieb auf die Kinnspitze zu versetzen. Der Japaner verdrehte die Augen und ging bewußtlos zu Boden. Indiana fing die Waffe gedankenschnell auf und vollführte eine neuerliche halbe Drehung, während er auf das rechte Knie herabfiel, das Gewehr im Anschlag und den Zeigefinger am Abzug.

Aber es gab nichts mehr, worauf zu schießen sich gelohnt hätte.

Einige Sekunden lang saß Indy einfach da und blickte verblüfft auf ein halbes Dutzend regloser japanischer Soldaten, die offensichtlich genau in die MP-Salve hineingelaufen sein mußten. Dann stieg ein unangenehmer verbrannter Geruch in seine Nase.

Alarmiert senkte er den Blick — und erst in dem Moment, in dem er den verkohlten, glimmenden Stoff seines Hemdes unter der linken Achselhöhle sah, spürte er auch den Schmerz.

Mit einem Schrei sprang er in die Höhe, schleuderte die Waffe von sich und schlug mit der flachen Hand immer wieder auf den Stoff ein, in dem immer noch kleine, rote Funken nisteten. Scharf riechender, ätzender Qualm stieg in seine Nase, und der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Es dauerte eine geraume Weile, bis er den Schwelbrand in seinem Hemd gelöscht und der Schmerz soweit nachgelassen hatte, daß er aufhörte, einen Kriegstanz auf der Stelle zu vollführen.

Das erste, was er erkannte, als er wieder halbwegs klar sehen konnte, war Lobsang. Der Tibeter stand unmittelbar vor ihm und sah ihn mit wie stets undurchschaubarem Ausdruck an.

Aber Indiana war fast sicher, sich das spöttische Glitzern in seinen Augen nicht einzubilden.

«Du hättest mir verdammt noch mal helfen können«, sagte er vorwurfsvoll.

Lobsang lächelte milde.»Ich hatte den Eindruck, daß Sie ganz gut allein zurechtkommen, Dr. Jones«, antwortete er. Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen.»Wenn der Moment einmal günstiger ist, dann müssen Sie mir Ihre Technik der Selbstverteidigung unbedingt beibringen. Sie ist sehr originell. Ungewöhnlich, aber durchaus wirksam.«

Indiana starrte ihn an und überlegte, ob er ihn mit einigen anderen ungewöhnlichen Techniken bekanntmachen oder ihm schlichtweg den Hals umdrehen sollte. Aber für solche Kindereien war nun wirklich nicht der richtige Moment.

Der Gedanke brachte ihn auf einen anderen, nämlich den, wieso trotz der zahlreichen Schüsse und Schreie niemand sonst auf sie aufmerksam geworden war.

Fast im gleichen Moment wußte er die Antwort. Das Chaos im Lager hatte noch zugenommen. Von überall her gellten Schreie und aufgeregte Rufe, und sein Gegner war längst nicht der einzige, der geschossen hatte. Auf der anderen Seite der kleinen Hüttensiedlung erklang das dumpfe, abgehackte Bellen eines Maschinengewehres, dazwischen die helleren, peitschenden Schüsse von Gewehren und Pistolen, und von weit her hörte er einen ganzen Chor brüllender Stimmen, die etwas riefen, das er nicht verstand. Er bückte sich, hob das Gewehr abermals auf und stellte mit einem einzigen Blick fest, daß es so gut wie leergeschossen war. Enttäuscht ließ er die Waffe wieder fallen und sah nach Norden, von woher das Geschrei kam.

Im ersten Moment erkannte er auch dort nichts außer Dunkelheit und bloßer, hektischer Bewegung, doch dann wurde ihm klar, daß in dieser Bewegung ein Muster war, ein irgendwie bekannter Rhythmus, in dem sich die Schatten und Umrisse vor- und zurückbewegten.

Und im gleichen Moment, in dem er diese Bewegung wirklich identifizierte, verstand er auch, was die näher kommenden Stimmen schrien:

«Temujin! Temujin! Temujin!«

Indiana runzelte verblüfft die Stirn. Temujin …?

«Wir sollten wirklich langsam unserer Wege gehen, Dr. Jones«, sagte Lobsang beinahe sanft.

Indiana hörte gar nicht hin. Sein Blick hing wie gebannt an den Schatten im Norden, Schatten, die er jetzt eindeutig als die von Reitern identifizierte, Dutzenden, Hunderten, wenn nicht Tausenden von Reitern, einer ganzen Reiterarmee, die sich den Berghang im Norden herunterbewegte und nur durch die große Entfernung langsam und schwerfällig schien.

Temujin — das war der eigentliche Name Dschingis Khans, der Name, den er getragen hatte, bevor ihm der Kaiser von China, dessen Reich einer von Temujins Söhnen später übernehmen sollte, zum Dschingis, zum Großen Khan machte.

Und obwohl Indiana die Angreifer noch immer nur als Schemen erkennen konnte, wußte er doch, wer sie waren. Es waren die gleichen Männer, die sie in Dzo-Lins Felsenkloster angegriffen hatten, die gleichen Männer, die Tamara und ihn in Washington überfallen und um die halbe Welt verfolgt hatten.

Dschingis Khans Horden. Die Hunnenreiter, die einmal den größten Teil der Welt erobert hatten und jetzt aus dem Abgrund der Zeit wiederauferstanden schienen, um die Herrschaft der Mongolen zu erneuern!

Zu dem unablässigen Rattern des Maschinengewehres gesellte sich jetzt der dumpfe Abschuß eines Mörsers, und kaum eine Sekunde später flammte zwischen den heranpreschenden Reitern eine grelle Feuerblume auf. Im lodernden Flammenlicht konnte Indiana erkennen, wie Menschen und Tiere beiseitegeschleudert, Pferde mitten im Galopp zu Boden gerissen und Reiter aus den Sätteln geschleudert wurden. Aber die anderen setzten ihren Weg unbeeindruckt fort. Eine zweite und dritte Granate explodierte inmitten des Reiterheeres, und auch das Maschinengewehr forderte einen grausigen Tribut von den Angreifern. Aber den Männern schien der Begriff Furcht fremd zu sein. Immer schneller und schneller werdend kam die Reiterarmee den Berg herab, und in das Rattern des Maschinengewehres, die gellenden Temujin-Schreie der Reiter und das dumpfe Krachen der Explosionen mischte sich jetzt ein dumpfes, immer lauter werdendes Grollen, wie das Dröhnen einer näherkommenden Flutwelle. Es war das Hämmern Hunderter, vielleicht Tausender Pferdehufe auf dem steinigen Boden. Und plötzlich brach das Rattern des Maschinengewehres ab. Der schrille Chor, der immer wieder Dschingis Khans Namen intonierte, verstummte, und an seine Stelle traten gellende Kampfschreie, das Klirren von Stahl und die dumpfen Laute aufeinanderprallender Körper. Das Reiterheer hatte das Lager erreicht.

Die Japaner schossen aus allen Läufen auf sie, und Indiana sah, wie die Hunnen zu Dutzenden aus den Sätteln stürzten.

Aber auch ihre Pfeile und Speere trafen mit erstaunlicher Präzision ihr Ziel, und immer öfter gelang es ihnen, Motos Soldaten in Zweikämpfe mit Schwertern und Bajonetten zu verwickeln, Waffen, mit denen sie den Japanern eindeutig überlegen waren.

Der Anblick war entsetzlich, aber gleichzeitig doch so bizarr, daß Indiana einfach wie gelähmt dastand. Hätte man ihm zehn Minuten vorher erzählt, daß eine Horde mit Schwertern und Speeren bewaffneter Mongolenreiter es mit einer der schlagkräftigsten und gefürchtetsten Armeen der Welt aufnehmen würde, hätte er einfach nur gelacht. Aber jetzt sah er es mit eigenen Augen: Die Japaner wichen Stück für Stück vor den heranrückenden Hunnen zurück. Es konnte allerhöchstens noch Minuten dauern, bis der letzte von ihnen geflohen oder gefallen war.

Lobsang berührte ihn an der Schulter und sagte noch einmal:»Wir sollten wirklich gehen, Dr. Jones«, und daß genau in diesem Moment eine kurzstielige Axt in Indianas Richtung geflogen kam und sich kaum einen Meter vor seinen Füßen ins Erdreich bohrte, war zwar wahrscheinlich Zufall, unterstrich aber die Dringlichkeit von Lobsangs Worten auf sehr drastische Weise.

Indiana fuhr herum, machte zwei oder drei Schritte und blieb wieder stehen.

Sein Blick blieb an dem aufgetankten Transportflugzeug hängen, das startbereit neben den beiden Zeros auf der Landebahn stand. Auch davor und dahinter bewegten sich hektische Gestalten, aber die Pilotenkanzel schien noch immer leer zu sein.

«Was … haben Sie vor, Dr. Jones?«fragte Lobsang, als hätte er Indianas Gedanken gelesen. In seine Stimme hatte sich ein leiser, nervöser Unterton geschlichen.

Statt zu antworten, ergriff Indiana seine Hand und zerrte ihn einfach mit sich, während er loseilte.

Obwohl sich die Startbahn an der dem Angriff entgegengesetzten Seite des Lagers befand, schafften sie es nur mit Mühe und Not. Es war den Japanern nicht gelungen, eine wirkungsvolle Abwehr zu organisieren. Die zahlenmäßige Überlegenheit, aber auch der todesverachtende Mut der Angreifer schien Motos Soldaten völlig demoralisiert zu haben. Die, die bisher überlebt hatten, rannten einfach in kopfloser Panik durcheinander und suchten ihr Heil in der Flucht. Nur noch einige wenige schossen auf die Mongolen oder stellten sich mit Bajonetten und Schwertern zum Kampf, den sie allerdings in den meisten Fällen verloren. Auch Indiana wurde von einem japanischen Soldaten attackiert, der sich offensichtlich entschlossen hatte, auf alles zu schießen, was nicht die Uniform seiner Armee trug. Aber es gelang ihm, dem Mann mit einem gezielten Peitschenhieb die Waffe zu entreißen, woraufhin dieser auch noch das letzte bißchen Mut verlor und in die Dunkelheit davonstürzte.

Ohne noch einmal angegriffen oder aufgehalten zu werden, erreichten sie das Flugzeug. Indianas Herz machte einen Sprung, als er sah, daß die beiden Motoren bereits liefen. Ein Mann in schwarzer Fliegerkombination und Lederjacke trat gebückt durch die Tür, als Indiana die dreistufige Leiter hinaufstieg. Ein verblüffter Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er Indy und den kleinwüchsigen Tibeter erblickte, und verwandelte sich in Schrecken, als Indiana ihn am Kragen seiner schwarzen Lederjacke packte und kurzerhand aus der Maschine zerrte. Sofort sprang er wieder hoch, aber er schaffte es nur auf ein Knie und die Hände, dann beugte sich Lobsang zu ihm herab und berührte ihn fast sanft an der Schläfe. Das Gesicht des Japaners erschlaffte. Er stürzte ein zweites Mal nach vorn und blieb diesmal liegen.

«Lobsang!«rief Indiana ungeduldig.»Hör mit der Spielerei auf und komm her!«

Er streckte dem Tibeter die Hand entgegen, zog ihn mit einem kraftvollen Ruck zu sich in die Höhe und trat die Leiter davon.

Ein rascher Blick nach vorn in das offenstehende Cockpit zeigte ihm, daß die Maschine tatsächlich leer war. Hastig verschlossen sie die Tür und stürzten in die Pilotenkanzel.

Indianas Mut sank ein wenig, als sein Blick über das komplizierte Instrumentenpult glitt. Trotzdem zögerte er keine Sekunde, sich in den Pilotensitz fallenzulassen und Lobsang mit einer ungeduldigen Geste zu bedeuten, auf dem zweiten Sessel neben ihm Platz zu nehmen. Nervös, aber trotzdem sehr schnell und sicher, legte er die linke Hand auf den Steuerknüppel und die rechte auf den Gashebel — so ziemlich die einzigen Instrumente hier, mit denen er umzugehen verstand.

«Sind Sie sicher, daß Sie diesen Holzvogel fliegen können, Dr. Jones?«fragte Lobsang nervös neben ihm.

«Dieser Holzvogel besteht aus Wellblech«, antwortete Indy gepreßt.»Und ich bin sicher, keine Angst. «Was eine glatte Lüge war. Aber welche Wahl hatten sie schon noch?

Entschlossen schob er den Gashebel ein Stück nach vorn. Die Maschine zitterte, als die beiden großen Motoren an den Tragflächen schneller liefen. Im ersten Moment hatte Indiana das schreckliche Gefühl, daß die Maschine sich trotzdem nicht von der Stelle bewegte, aber dann begann sie langsam loszurollen.

Indianas Herz schlug immer schneller und härter. Er war in Schweiß gebadet, und seine Hände zitterten so stark, daß er Mühe hatte, den Steuerknüppel zu halten. Trotzdem gab er mehr Gas und versuchte, die mittlerweile fast vollkommene Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen.

Die beiden Zeros glitten vorüber, und er sah ein halbes Dutzend Gestalten, die sich mit hastigen Sprüngen aus dem Weg warfen. Vergeblich versuchte er sich zu erinnern, wie lang die Startbahn gewesen war. Er wußte es nicht — aber er hatte das ungute Gefühl, daß sie ihm sehr kurz vorgekommen war.

Das Dröhnen der Motoren wurde lauter, als Indiana den Gashebel weiter nach vorn schob. Er sah aus den Augenwinkeln, wie sich Lobsang an den Kanten seines Sitzes festzuklammern begann, schloß für eine Sekunde die Augen, gab noch mehr Gas und zog den Steuerknüppel mit beiden Händen behutsam an sich heran.

Das Flugzeug hob die Nase ein wenig in die Höhe, machte einen Hüpf er von kaum anderthalb oder zwei Metern und fiel mit einem furchtbaren Krachen wieder zurück.

Lobsang keuchte, schwieg aber tapfer weiter, und Indiana stieß den Beschleunigungshebel mit einem entschlossenen Ruck bis zum Anschlag vor.

Die Motoren brüllten auf. Das brennende Lager und die Schatten der Kämpfenden huschten an ihnen vorüber, und eine dünne, häßliche Stimme hinter seiner Stirn begann Indiana zuzuflüstern, daß er mit seiner Vermutung recht hatte und die Startbahn tatsächlich doch sehr viel kürzer war, als er annahm.

Er ignorierte sie, zählte in Gedanken langsam bis fünf und zog dann noch einmal am Steuerknüppel. Die Maschine hob mit enervierender Langsamkeit die Nase in die Luft. Das Bugrad verlor den Kontakt zum Boden, aber die beiden anderen Räder rumpelten plötzlich über eine Erde, die nicht mehr aus festgestampftem Lehm, sondern aus Gras, kleinen Felsbrocken und Steinen bestand — und plötzlich war nichts mehr unter ihnen.

Das Flugzeug jagte in einer immer steiler werdenden Kurve in den Himmel hinauf und kippte wieder in die Waagerechte zurück, als Indiana im letzten Moment auf den Gedanken kam, den Steuerknüppel wieder ein wenig loszulassen.

Er atmete erleichtert auf, und neben ihm stieß auch Lobsang hörbar die Luft aus.

«Geschafft!«sagte Indy, um mit einem Seitenblick auf Lobsang stirnrunzelnd hinzuzufügen:»Was ist los mit dir, alter Freund? Hat dir deine Vision nicht gezeigt, daß du noch zu einem kostenlosen Rundflug kommst?«

«Ich wußte, daß ich mich … in den Himmel erheben werde«, antwortete Lobsang ernsthaft.»Aber ich habe die Zeichen falsch gedeutet. Ich dachte, es wäre … anders gemeint.«

Indianas spöttisches Lächeln erlosch, als er begriff, was der Tibeter wirklich meinte. So, wie er Tsangpos Tod in Kauf genommen hatte, hatte er Indiana in dem vermeintlich sicheren Wissen begleitet, daß er sterben würde.

«Keine Sorge«, sagte er aufmunternd,»so schnell wirst du nicht zu deinen Göttern gehen. «Er grinste.»Das Beste kommt doch erst noch.«

So behutsam er konnte, legte er die Maschine in eine Linkskurve und nahm ein wenig Gas zurück. In einer halben Meile Höhe flogen sie über das japanische Militärlager hinweg. An zahlreichen Stellen waren Brände ausgebrochen, und das Flugfeld war jetzt von einem großen Scheinwerfer beleuchtet, der vor einer Minute noch nicht gebrannt hatte. Überall wurde gekämpft. Indiana sah hin- und herhastende Gestalten, Männer zu Pferde und zu Fuß, aber auch an zahllosen Stellen das grelle Mündungsfeuer von Waffen. Der Rest von Motos kleinem Heer schien sich wohl doch zu so etwas wie organisiertem Widerstand durchgerungen zu haben.

Trotzdem zweifelte Indiana nicht am Ausgang der Schlacht.

Er hatte noch immer keine Ahnung, warum die Mongolen die japanischen Truppen angriffen, aber sie taten es mit dem Mut von Männern, für die der Tod nichts Erschreckendes, sondern die Erfüllung ihres Lebens war.

Er beendete seinen Rundflug, ließ das Flugzeug wieder höhersteigen und drehte die Nase nach Westen.

«Wohin fliegen wir, Dr. Jones?«

«Zum Himalaya«, antwortete Indiana.»Sieh’ bitte nach, ob du eine Karte findest.«

Lobsang erhob sich unsicher aus seinem Sitz und begann erst die Pilotenkanzel, dann den rückwärtigen Raum zu durchsuchen. Er brauchte fast zehn Minuten, aber als er zurückkam, hielt er eine in schwarzes Leder gebundene Mappe in den Händen.

Indiana war überrascht, als Lobsang sich wieder neben ihn setzte und die Mappe aufschlug — sie enthielt die Karte, auf der Moto am Abend zuvor den Standort Shambalas ausgemacht hatte. Die Karte war für Moto von unschätzbarem Wert. Daß sie sich trotzdem an Bord des Flugzeuges befand, konnte nur bedeuten, daß sie dem Japaner im buchstäblich allerletzten Moment zuvorgekommen waren.

Lobsang sah nicht besonders glücklich aus. Es fiel Indiana nicht sehr schwer, seine Gedanken zu erraten.

«Es gefällt dir nicht, nicht wahr?«fragte er.

Lobsang antwortete nicht, aber sein Blick sprach Bände.

«Wir müssen dorthin, Lobsang«, sagte Indiana mit leiser, eindringlicher Stimme. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Karte.»Und ich brauche deine Hilfe. Ich bin nicht sicher, daß ich den Weg allein finde. Ich bin kein Pilot.«

Lobsang schwieg weiter.

«Du hast bei deinem Leben geschworen, den Weg nach Shambala nicht zu verraten, nicht wahr?«murmelte Indy.

Der Tibeter sah ihn ernst und durchdringend an, und nach einer Ewigkeit nickte er.

«Ich würde diesen Schwur respektieren, wenn ich es könnte«, sagte Indiana.»Aber wir müssen nach Shambala. Das Schwert muß an einen anderen Ort gebracht werden. Und wenn wir es nicht tun, dann Moto. Wenn er den Kampf überlebt«(und aus irgendeinem Grund zweifelte Indiana keine Sekunde daran),»dann kostet es ihn wahrscheinlich nur ein paar Stunden, eine neue Karte zu besorgen.«

Wieder vergingen endlose Minuten, in denen Lobsang nur aus blicklosen Augen ins Leere starrte. Sein Blick war wie Stein, aber Indiana spürte, welcher Kampf hinter seiner Stirn tobte.

Er war nicht ganz sicher, ob er wirklich nachempfinden konnte, was der Tibeter in diesen Augenblicken durchmachte.

Er hatte nur die Wahl, seinen Schwur zu brechen, oder das zu verlieren, zu dessen Schutz er diesen Schwur getan hatte. Und wie immer er sich entschied, er mußte dabei das Gefühl haben, das Falsche zu tun.

Nach einer Ewigkeit nickte der Tibeter.»Sie haben recht, Dr. Jones«, sagte er.»Ich … werde Ihnen den Weg nach Shambala zeigen. Aber es fällt mir sehr schwer.«

«Danke«, sagte Indiana einfach.

Eine ganze Weile flogen sie schweigend dahin, dann fragte Lobsang:»Der Weg ist sehr weit. Glauben Sie, daß der Treibstoff reicht?«

«Ich denke schon«, antwortete Indiana.»Da hinten steht ein Dutzend Benzinfässer. Und die Schläuche haben sie bestimmt nicht verlegt, weil sie so dekorativ aussehen. Ich glaube nicht, daß Moto vorhatte, das letzte Stück Weg zu Fuß zu gehen.«

Lobsangs Antwort bestand nur aus brütendem Schweigen, aber Indy mußte plötzlich wieder daran denken, was ihm der Tibeter über Shambala erzählt hatte — nämlich, daß es in einem ziemlich unzugänglichen Teil des Gebirges lag, in dem ein Flugzeug nicht landen konnte.

Trotzdem war das im Moment eigentlich seine geringste Sorge; er hatte kein bißchen übertrieben, als er Lobsang gegenüber behauptet hatte, kein Pilot zu sein. Um die Wahrheit zu sagen, war er nicht nur kein guter Pilot: Er war überhaupt kein Pilot. Daß er das Flugzeug in die Luft bekommen hatte, wunderte ihn selbst am meisten. Und er hatte nicht die mindeste Ahnung, wie er es landen sollte, weder auf einem Eisfeld in fünftausend Metern Höhe, noch auf einem Flugplatz.

Nach einigen Sekunden des Überlegens entschied er sich, zumindest das vorerst für sich zu behalten. Lobsang war nervös genug.

Und er auch.

Eine gute halbe Stunde lang flogen sie nach Westen. Da es Nacht war und Indiana die Bedeutung der meisten Instrumente nicht einmal zu erraten vermochte, ließ er das Flugzeug so weit aufsteigen wie es ging, um nicht in der Dunkelheit mit einem Berggipfel zu kollidieren. Ein paarmal korrigierte er ihren Kurs um eine Kleinigkeit, so daß sie sich nicht mehr nur nach Westen, sondern nun auch ganz leicht in südliche Richtung bewegten, hielt es aber ansonsten für sicherer, mit größeren Kurskorrekturen bis zum Morgen zu warten.

Sie sprachen sehr wenig in dieser Zeit. Lobsangs Lächeln war erloschen, und Indiana war nicht sicher, ob es jemals wieder zurückkehren würde, und jedes Wort des Trostes, das er hätte sagen können, kam ihm selbst billig und verlogen vor, so daß er es vorzog zu schweigen. Lobsang tat ihm leid. Er war noch immer nicht völlig davon überzeugt, daß der Tibeter wirklich auf seiner Seite stand, aber das spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Endlich erwachte der Tibeter aus seiner Starre. Mit umständlichen, erzwungen wirkenden Bewegungen legte er die Karte in die Mappe zurück, klappte sie zu und deponierte sie vorsichtig neben sich auf dem Boden. Indiana wollte einen Einwand erheben, aber Lobsang schien seine Gedanken zu erraten, denn er machte nur eine abwehrende Handbewegung und sagte:»Wir brauchen diese Karte nicht. Ich finde den Weg auch so. «Er ließ eine Sekunde verstreichen, dann deutete er nach links.

«Wir müssen weiter nach Süden.«

Indiana korrigierte den Kurs der Maschine gehorsam, bis Lobsang ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, daß er zufrieden war.»Sie sollten vielleicht — «

Der Tibeter brach mitten im Wort ab. Schrecken breitete sich auf seinen Zügen aus. Indiana fuhr herum, blickte nach links — und fuhr ebenfalls entsetzt zusammen.

Der Himmel neben ihnen war nicht mehr leer. Nur wenige hundert Meter neben ihnen war ein zweites Flugzeug aufgetaucht. Es war zu dunkel, um die Hoheitskennzeichen auf Tragflächen und Leitwerk zu erkennen, und Indiana verstand nicht genug von Flugzeugen, um es anhand seines Umrisses zu identifizieren — aber es gehörte wirklich nicht viel Phantasie dazu, zu erraten, um welche Maschine es sich handelte. Erschrocken wandte er den Blick und sah nach rechts, und fast im gleichen Augenblick tauchte auch dort der Umriß eines Flugzeuges am Himmel auf. Plötzlich flammten am vorderen Ende des schwarzen Schattens kleine, orangerote Funken auf. Eine doppelte Reihe greller Leuchtspurgeschosse jagte auf Indianas Maschine zu und verfehlte sie nur um wenige Meter. Und auch das andere Flugzeug eröffnete das Feuer, so daß sich die hellgrünen Bahnen der Leuchtspurmunition vor dem Bug der Maschine kreuzten.

Indiana riß verzweifelt am Steuerknüppel. Das Flugzeug schoß mit aufbrüllenden Motoren in die Höhe, kam ins Trudeln und fing sich im buchstäblich allerletzten Moment wieder.

Indiana hielt das Steuerruder mit aller Kraft. Kalter Schweiß bedeckte seine Stirn. Die beiden Zeros hatten das Feuer eingestellt, aber die Bedeutung ihrer Salven war klar.

Wenige Augenblicke später begann auf dem Instrumentenbord vor Indiana eine kleine, rote Lampe zu blinken. Beinahe verzweifelt irrte sein Blick über die verwirrende Vielzahl von Instrumenten und die japanische Beschriftung. Schließlich griff er nach den Kopfhörern des Funkgerätes, stülpte sie über und begann unsicher, an den Knöpfen des Empfängers zu drehen.

Im ersten Moment erntete er nichts als statisches Rauschen und Knistern, aber dann hörte er ganz schwach Motos Stimme.

«… Jones? Verstehen Sie mich? Wenn Sie mich hören können, geben Sie mir ein Zeichen!«

Indianas Finger drehten weiter an den Knöpfen, die Stimme wurde klarer, verschwand für einen Moment völlig und kehrte dann zurück, so laut und deutlich, als säße der Japaner neben ihm.

«Ich bin sicher, daß Sie mich verstehen, Dr. Jones«, sagte Moto.»Geben Sie mir ein Zeichen. Zwingen Sie uns nicht etwas zu tun, was Sie am meisten bedauern würden, Dr. Jones.«

Indiana fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, sah die beiden Maschinen rechts und links ihres eigenen Flugzeuges an und bewegte dann ganz sachte den Steuerknüppel.»Wenn Sie die große rote Taste am Funkgerät drücken, können Sie mit mir reden.«

Indiana streckte die Hand aus, zog sie aber dann wieder zurück.»Es reicht, wenn Sie verstehen, was ich Ihnen sage. Hören Sie mir genau zu, Dr. Jones. Ich werde meine Worte nicht wiederholen.«

Indiana drückte nun doch die Sprechtaste des Funkgerätes.

«Was wollen Sie, Moto?«fragte er unfreundlich.

Zu seiner Überraschung lachte Moto.»Sie sitzen in einem Flugzeug, das mir gehört«, antwortete er ruhig.»Leider befindet sich an Bord dieses Flugzeuges eine Karte, die ich Ihnen nun beim besten Willen nicht überlassen kann.«

«Dann machen Sie das Fenster auf«, riet ihm Indiana.»Ich werfe sie Ihnen hinüber.«

Wieder lachte Moto.»Sie haben Ihren Humor noch nicht verloren«, sagte er.»Das ist gut. Vielleicht werde ich Ihnen sogar vergeben, Dr. Jones, obwohl Sie meine Gastfreundschaft schamlos ausgenutzt haben. Auf der anderen Seite ist der Verlust der Karte vielleicht nicht ganz so tragisch, wie es mir im ersten Moment erschien. Schließlich haben wir einen guten Führer.«

Indiana schwieg darauf.

«Ich nehme doch an, daß Sie Luftkarten lesen können«, fuhr Moto fort.»Genauer gesagt, ich hoffe es, um Ihretwillen, Dr. Jones. Da ich leider keine andere Möglichkeit mehr habe, muß ich mich Ihrer Führung anvertrauen.«

«Das einzige, wohin ich Sie führen werde, Moto — «, begann Indiana, wurde aber sofort wieder unterbrochen.

«— ist Shambala«, ergänzte Moto. Plötzlich klang seine Stimme hart und kalt wie Glas, jede Spur von Freundlichkeit war daraus gewichen.»Und bitte versuchen Sie keinerlei Tricks. Unsere Flugzeuge sind schneller als Ihres und gut genug bewaffnet, um Sie jederzeit abschießen zu können. Also seien Sie vernünftig, spielen den Pfadfinder für uns und tun ein gutes Werk. «Er lachte humorlos.

«Ach ja«, fügte er hinzu,»bevor Sie sich einer falschen Hoffnung hingeben, lassen Sie mich Ihnen sagen, daß auch diese beiden Zeros mit zusätzlichen Treibstofftanks ausgerüstet wurden. Wir hatten die Expedition von vornherein für drei Maschinen geplant. Wenn Sie mir versichern, keine weiteren Schwierigkeiten zu machen, dann verspreche ich Ihnen, etwas Bestimmtes in Betracht zu ziehen; obwohl es mir immer schwerer fällt, um ganz ehrlich zu sein.«

«Und das wäre?«fragte Indiana, eigentlich wider besseres Wissen und sich darüber im klaren, daß er Moto nur ein Stichwort gab, das dieser von ihm erwartete.

Der Japaner lachte häßlich.»Sie und Ihren närrischen Freund am Leben zu lassen, Dr. Jones«, sagte er.»Vielleicht.«

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