§ 6. Psychologie und ihr Aufgabenbereich

Text А (Erlebach – Uhlefeld – Zehner, S. 13 – 14, 21 – 22, 16 – 18, 251)

1. Das Wissenschaftsgebiet der Psychologie wurde – ohne so genannt zu werden – bereits durch Aristoteles (um 350 v.u.Z.) in seiner noch heute lesenswerten Schrift «Über die Seele» als selbständiger Bereich abgegrenzt.

Im Laufe der Jahrhunderte bildete das Problem des Seelischen einen wichtigen Gegenstand der Auseinandersetzungen zwischen fortschrittlichen und reaktionären Philosophen.

Die gesellschaftlichen Umwälzungen in Europa im 18. und 19. Jahrhundert brachten eine stürmische Entwicklung aller Wissenschaften mit sich. Der schnelle Aufschwung der Naturwissenschaften, insbesondere der Physiologie und die materialistische Philosophie bildeten die Voraussetzung für die Entstehung der Psychologie als einer selbständigen Wissenschaft.

Das Wort Psychologie kommt aus dem Griechischen und heißt soviel wie Seelenlehre: psyché = Atem, Seele; logos = das Wort, die Lehre.

Es ist heute die Bezeichnung für ein umfangreiches Wissenschaftsgebiet.

Die Worterklärung sagt noch nichts über den Gegenstand der Psychologie aus, und man fragt deshalb sofort: Was ist das Seelische bzw. das Psychische?

So ungefähr meint[110] das jeder zu wissen, und in der Alltagssprache[111] hört man manchmal, daß einem etwas auf der Seele liege, daß man Seelenqualen erleide, oder man kennzeichnet einen Menschen als eine schwarze Seele. Aber erst dann, wenn man ganz genau sagen soll, was unter der Seele zu verstehen ist, merkt man, wie schwer es ist, sich klar auszudrücken.

Die Wörter Physiologie und Psychologie sind mitunter recht strapaziert[112] und mißbraucht worden. Auch heute bestehen bei manchen Menschen noch falsche Ansichten darüber, was Psychologie eigentlich ist und womit sie sich beschäftigt. Wer etwa einmal das Verhalten eines anderen richtig vorausgesagt hat, mag sich bereits als Psychologe wähnen[113]. Andere erwarten vom Psychologen, daß er Gedanken lesen oder die Zukunft voraussagen könne. Mit solchen Dingen hat die Psychologie nichts zu tun.

Die Psychologie ist eine Wissenschaft und erforscht das Psychische an Hand der Gesetzmäßigkeiten seiner Entwicklung. Im System der Wissenschaften läßt sie sich weder den Natur noch den Gesellschaftswissenschaften eindeutig zuordnen, sondern, da der Mensch das Produkt der Entwicklung der Natur und das Subjekt der Geschichte ist, muß die Psychologie vor allem als eine «Wissenschaft vom Menschen» bezeichnet werden.

Unter dem Psychischen verstehen wir ganz bestimmte, mit der Tätigkeit des Nervensystems – besonders des Gehirns – in uns ablaufende Erscheinungen.

2. Ständig strömt eine Fülle von Reizen auf unsere Sinnesorgane ein und wird von diesen aufgenommen. Ihrem Ursprung nach können die Reize aus zweierlei[114] Quellen stammen: Erstens aus der Umwelt des Menschen. Dazu gehört alles, was uns über die Sinne erfahrbar werden kann, zum Beispiel Licht, Farben, Töne, Geräusche, Geschmack, Geruch, Temperatur, Druck, aber auch mündliche und schriftliche Sprache. Zweitens gibt es Reize, die ihren Ursprung im Organismus selbst haben. Durch sie erfahren wir etwas über den Zustand der inneren Organe, zum Beispiel bei Erkrankung. Alle diese Reize signalisieren uns Dinge oder Vorgänge, die unabhängig von unserem Bewußtsein existieren. Die Reizeinwirkung löst im Sinnesorgan eine Erregung aus, die im Sinnesnerv zum Zentralnervensystem weitergeleitet wird. Hier werden ganz bestimmte Gruppen von Nervenzellen bis zum Großhirn – wenn auch nicht in jedem Falle – in einen Erregungszustand versetzt und die Tätigkeit der Nervenzellen der Großhirnrinde – die höhere Nerventätigkeit – kann uns bewußt werden, aber nicht als ein bestimmtes System von erregten Nervenzellen und -verbindungen, sondern etwa als Wahrnehmung: Wir sehen ein Haus, wir hören eine Melodie, wir haben Schmerzen am Bein, d.h. die Wahrnehmungen spiegeln die objektive Realität wider.

Die höhere Nerventätigkeit ist sehr kompliziert. So wissen wir wohl, daß die Reizeinwirkungen bestimmte Spuren hinterlassen und daß der Mensch auf diese Weise Kenntnisse und Erfahrungen erwirbt, die dann sein Handeln mitbestimmen. Jedoch kann man über die physiologisch-chemische Beschaffenheit dieser Spuren zur Zeit erst wenig aussagen.

3. Um die Mannigfaltigkeit des psychischen Geschehens zu erforschen, haben sich im Laufe der Zeit mehrere Zweige der Psychologie herausgebildet, die von jeweils[115] verschiedenen Gesichtspunkten und Fragestellungen ausgehen.

Die allgemeine Psychologie beschäftigt sich mit den Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten der psychischen Prozessen und Eigenschaften beim gesunden erwachsenen Menschen. Sie wird immer stärker als Psychologie der Persönlichkeit betrieben[116], bedingt durch die Erkenntnis, daß man psychische Vorgänge eben nicht isoliert neben- oder hintereinanderstellen kann, sondern daß stets die gesamte Persönlichkeit in ihrem Handeln den Einzelvorgang mitbestimmt.

Das Psychische ist nicht vom Moment der Geburt an so vorhanden, wie es uns beim Erwachsenen entgegentritt, sondern es entwickelt sich im Verlauf der Kindheit und des Jugendalters. Wir finden in der Entwicklung des Psychischen solche Erscheinungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei allen Kindern einer ganz bestimmten Altersstufe auftreten, und nennen diese Erscheinungen altersgemäße Besonderheiten. Hierzu gehören zum Beispiel das relativ starke Überwiegen der Phantasie über das Denken beim Vorschulkind und die relative Labilität der Gefühle in einer ganz bestimmten Phase der Pubertät. Die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung des Psychischen in der Ontogenese erforscht die Psychologie des Kindes und Jugendlichen. Sie ist ein Teil der Entwicklungspsychologie, zu der weiterhin die Tierpsychologie gehört, welche u.a. wichtige Hinweise für den Verlauf der Entwicklung des Psychischen in der Phylogenese gibt.

Weiterhin können wir auch die Völkerpsychologie, die sich mit dem Vergleich der psychischen Entwicklung bei den auf verschiedenen Zivilisationsstufen befindlichen Völkerschaften befaßt, zur Entwicklungspsychologie rechnen. Diese Forschungen werden immer schwieriger, da die Entwicklung heutzutage bereits einen solchen Stand erreicht hat, daß es kaum noch weit zurückgebliebene Volkstämme gibt. Dagegen werden in Zukunft immer mehr die nationalen Besonderheiten untersucht werden müssen.

Eine sehr wichtige Disziplin für den Lehrer ist die pädagogische Psychologie. Sie ist eng mit der Psychologie des Kindes und Jugendlichen verbunden und knüpft an die von dieser erkannten Alterbesonderheiten der Kinder an.

Die Arbeitspsychologie befaßt sich mit den psychologischen Voraussetzungen des Arbeitsprozesses. Außerdem werden Probleme der Rationalisierung der Produktion, der Anpassung der Maschinen an die menschlichen Besonderheiten, Möglichkeiten der Unfallverhütung, die Anforderungen der Berufe an den Menschen, Fragen der Eignung für bestimmte Berufe u.a.m. untersucht.

4. Ein weiterer Fachbereich der Psychologie befaßt sich mit Störungen des Psychischen, mit krankhaften Erscheinungen: die Psychopathologie (manchmal auch Pathopsychologie genannt). Sie steht in engem Zusammenhang mit der medizinischen Psychologie, die besonders in letzter Zeit große Bedeutung erlangt[117] hat, seitdem man erkannte, daß Störungen im Bereich des Seelenlebens nicht selten organische Krankheiten auszulösen vermögen und umgekehrt.

Die materialistische Psychologie betrachtet das Psychische im Gegensatz zur idealistischen als eine Stufe in der Entwicklung der Materie.

Sie untersucht die psychischen Prozesse und Eigenschaften anhand der Gesetzmäßigkeiten ihrer Entwicklung. Die psychischen Erscheinungen sind als Tätigkeit des Gehirns – als höhere Nerventätigkeit – aufzufassen, die im Ergebnis von Reizeinwirkungen entsteht und reflektorischen Charakter trägt. Die psychische Tätigkeit ist durch äußere Einwirkungen determiniert, wobei die äußeren Einwirkungen durch die inneren Bedingungen wirksam werden. Das Wesen des Psychischen besteht in der subjektiven Widerspiegelung der objektiven Realität, das heißt, unsere Empfindungen, Wahrnehmungen usw. spiegeln Dinge und Vorgänge wider, die unabhängig von unserem Bewußtsein existieren. Das Psychische entwickelt und äußert sich in der Tätigkeit.

Übungen

I. Sprechen Sie richtig aus:

die Umwälzung; die Seelenqualen; zuordnen; der Ursprung; die Sinnesorgane; der Geruch; das Zentralnervensystem; die Nervenzellen; der Erregungszustand; die Großhirnrinde; das Vorschulkind; die Ontogenese; die Phylogenese.

II. Lesen Sie und übersetzen Sie den Text A.

III. Nennen Sie die entsprechenden russischen Ausdrücke:

1. seelisch; die Bezeichnung des Wissenschaftsgebiets; Seelenqualen erleiden; sich klar ausdrücken; die Wörter mißbrauchen; eindeutig bestimmen; den Naturwissenschaften zuordnen;

2. auf unsere Sinnesorgane einströmen; einen Reiz empfinden; der Ursprung der Reize; aus Quellen stammen; starker Ton; leises Geräusch; guter Geschmack; angenehmer Geruch; der Druck des Wassers; Vorgänge signalisieren; das Zentralnervensystem; in einen Erregungszustand versetzen; die erregten Nervenzellen; die Großhirnrinde; die höhere Nerventätigkeit; etw. kann uns bewußt werden; Spuren hinterlassen; Erfahrungen erwerben; physiologisch-chemische Beschaffenheit;

3. altersgemäße Besonderheiten; die relative Labilität; das Gefühl der Freude; die Phasen der Pubertät; die Ontogenese; die Phylogenese; die Tierpsychologie; die Völkerpsychologie; zurückgebliebene Volksstämme; die pädagogische Psychologie; die Arbeitspsychologie; die Anpassung an die Besonderheiten; die Eignung für bestimmte Berufe; die Unfallverhütung;

4. die Psychopathologie; krankhafte Erscheinungen; medizinische Psychologie; Krankheiten auslösen; umgekehrt; reflektorischer Charakter.

IV. Welche Wörter kennen Sie mit den Wurzeln:

1) druck-, 2) brauch- und 3) sinn-.

Geben Sie auch ihre russische Entsprechung (Siehe «Auflösungen», SS. 103 – 104).

V. Analysieren Sie die folgenden zusammengesetzten Sätze:

1) Auch heute bestehen bei manchen Menschen noch falsche Ansichten darüber, was Psychologie eigentlich ist und womit sie sich beschäftigt.

2) Manche Leute erwarten vom Psychologen, daß er Gedanken lesen oder die Zukunft Voraussagen könne.

3) Im System der Wissenschaften läßt sich die Psychologie weder den Natur- noch den Gesellschaftswissenschaften eindeutig zuordnen, sondern, da der Mensch das Produkt der Entwicklung der Natur und das Subjekt der Geschichte ist, muß die Psychologie vor allem als eine «Wissenschaft vom Menschen» bezeichnet werden.

VI. Beachten Sie den Gebrauch der fettgedruckten Verben. Übersetzen Sie die Sätze:

1) Im allgemeinen fehlt mir noch viel, um alles auszudrücken, was ich denke.

2) Die Entscheidung hat allgemeine Empörung ausgelöst.

3) Der Feind erlitt eine schwere Niederlage.

4) Der Roman hat allgemeines Interesse erregt.

5) Hier können Sie Erfahrung erwerben und das erworbene Wissen in Ihrer Praxis anwenden.

6) Es ist mir peinlich, Ihre Güte zu mißbrauchen.

7) Die Uhr stammt aus dem 16. Jahrhundert.

8) Die Einfuhr überwiegt die Ausfuhr.

9) Alles kam so, wie ich es vorausgesagt hatte.

VII. Setzen Sie – wo nötig – den entsprechenden Artikel ein:

Ständig strömt … Fülle von … Reizen auf … unsere Sinnesorgane ein. Ihrem Ursprung nach können … Reize aus verschiedenen Quellen stammen: Erstens aus … Umwelt … Menschen. Dazu gehört alles, was wir über … Sinne erfahren können, z.B. … Licht, … Farben, … Töne, … Geräusche, … Geschmack, … Geruch, … Temperatur, … Druck usw. Zweitens gibt es … Reize, die ihren Ursprung in … Organismus selbst haben. Durch sie erfahren wir etwas über … Zustand … inneren Organe, z.B. bei … Erkrankung. … höhere Nerventätigkeit ist sehr kompliziert. Wir wissen, daß … Reizeinwirkungen … bestimmte Spuren hinterlassen und daß Mensch auf diese Weise … Kenntnisse und … Erfahrungen erwirbt.

VIII. Die vier angegebenen Sätze sind völlig oder teilweise falsch. Sagen Sie auf Deutsch, warum sie falsch sind.

1. Die Seele befindet sich im Herzen.

2. Die Hunde können nicht denken, weil sie keine Großhirnrinde haben.

3. Die Wahrnehmung entsteht nie auf der Grundlage der Empfindung, – sie stellt eine neue Qualität der sinnlichen Widerspiegelung dar.

4. Das Psychische kann außerhalb des Zentralnervensystems, also auch außerhalb des Organismus, existieren.

IX. Übersetzen Sie die folgenden Wörter und setzen Sie sie anstatt der Punkte ein.

чувство, требования, подъём, однозначный, возбуждение, болезненный, рождение, помехи, наоборот, подчинять.

1. Dieses Ereignis rief in mir ein gemischtes … hervor.

2. Die Kenntnisse des Studenten Schmidt entsprechen nicht den … der Prüfungskommission.

3. Überall machte sich ein großer … im Bau von Werken und Wohnhäusern bemerkbar.

4. Ich habe ihm eine … Antwort gegeben.

5. Dies alles bringt Paul in starke … .

6. Dieser … Zustand beunruhigt mich.

7. Ich gratuliere Ihnen zur … des Sohnes und wünsche der Mutter und dem Kind Gesundheit.

8. Im Werk traten empfindliche … auf.

9. Bei uns macht man es gewöhnlich … .

10. Man kann Psychologie weder den Natur- noch Gesellschaftswissenschaften eindeutig … .

X. Finden Sie für jedes russische Wort der ersten Spalte ein deutsches Wort aus der zweiten Spalte. Verdecken Sie dann die zweite Spalte und nennen Sie die deutschen Wörter aus dem Gedächtnis.

свойство die Eignung
пригодность die Seelenqual
приспособление die Bezeichnung
народность der Volksstamm
племя die Völkerschaft
обозначение die Anpassung
переворот die Beschaffenheit
душевная мука die Umwälzung
половая зрелость die Labilität
лабильность die Pubertät
— — —
онтогенез die Völkerpsychologie
филогенез die Tierpsychologie
этническая психология die Arbeitspsychologie
психология труда die Nerventätigkeit
психология животных die Phylogenese
возрастной reflektorisch
патопсихология heutzutage
предупреждение несчастных случаев die Unfallverhütung
нервная деятельность die Ontogenese
в настоящее время die Pathopsychologie
рефлекторный altersgemäß

XI. Im folgenden sind zwei bekannte Persönlichkeiten beschrieben. Wer sind sie?

1. Er war Begründer einer experimentellen Schule von Weltbedeutung. Er erforschte vor allem die Funktionen des Gehirns (Großhirn). Der Gelehrte erbrachte mit seiner Lehre von dem bedingten Reflex und dem zweiten Signalsystem die Beweise für die materialistische Lehre vom Bewußtsein als Produkt der höchstorganisierten Materie. 1904 erhielt er den Nobelpreis. Lebensdaten: 1849 – 1936.

2. Er war Nervenarzt und Professor in Wien. 1938 wurde er vom Faschismus in die Emigration getrieben. Dieser Gelehrte entwickelte die Psychoanalyse als medizinisches Verfahren und als einseitige, letztlich idealistische Theorie des Einflusses unbewußter Triebe (besonders des Sexualtriebes) auf das Kulturleben. Lebensdaten: 1856 – 1939.

XII. Geben Sie deutsche Äquivalente für die folgenden Ausdrücke an:

душевный; обозначение научной области; переживать душевные муки; ясно выражаться; злоупотреблять словами; однозначно определять; подчинять естественным наукам; устремляться в наши органы чувств; ощущать раздражение; источник (происхождение) раздражений; происходить из источников; сильный звук; тихий шорох; хороший вкус; приятный запах; давление воды; процессы сигнализируют; центральная нервная система; приводить в возбуждённое состояние; возбуждённые нервные клетки; кора головного мозга; высшая нервная деятельность; что-либо может быть нами осознано; оставлять следы; получать опыт; физиологико-химическое свойство; возрастные особенности; относительная лабильность; чувство радости; фазы половой зрелости; онтогенез; филогенез; психология животных; этническая психология; отсталые племена; педагогическая психология; психология труда; приспособление к особенностям; соответствие определённым профессиям; психопатология; болезненные явления; медицинская психология; вызывать болезни; наоборот; предупреждение несчастных случаев; рефлекторный характер.

XIII. Finden Sie russische Äquivalente für folgende Sprichwörter (Siehe «Auflösungen»).

1) Über den Geschmack läßt sich nicht streiten.

2) Wonach einem der Sinn steht.

3) Aus den Augen, aus dem Sinn.

4) Vier Augen sehen mehr als zwei.

5) Andere Städte, andere Bräuche.

6) Soviel Köpfe, soviel Sinne.

7) Was man nicht im Kopfe hat, muß man in den Beinen haben.

8) Wie der Kopf, so der Hut.

XIV. Wie verstehen Sie diese Aussprüche:

1) «Es hört doch jeder nur, was er versteht». (Goethe)

2) «Alle anderen Dinge müssen: Der Mensch ist das Wesen, welches will». (Schiller)

3) «Ich habe durch mein ganzes Leben gefunden, daß sich der Charakter eines Menschen aus nichts so sicher erkennen läßt, als an einem Scherz, den er übelnimmt»[118]. (Lichtenberg)

XV. Schreiben Sie eine kurze Zusammenfassung des Textes A.

XVI. Lesen Sie und übersetzen Sie den Text В ohne Wörterbuch.

Text В

Das Bewußtsein kann man sich als Produkt der Hirntätigkeit interpretieren. Aber es entsteht und entwickelt sich im Gehirn nur, weil das Gehirn mit der Außenwelt materiell verbunden ist. Das Gehirn ist mit der Außenwelt durch die Sinnesorgane verbunden: Auge, Ohr, Nase, Zunge usw.

Die Quelle der Empfindungen ist also die Außenwelt, die Materie, die materielle Umwelt mit ihren Erscheinungen und Gegenständen. Die Empfindungen sind die Grundlage, auf der Bewußtseinserscheinungen aufbauen. Ohne Empfindungen ist keine Erkenntnis möglich. Nur durch die Empfindungen gewinnt das Bewußtsein seinen Inhalt. Je umfassender und vielfältiger die Verbindung des Bewußtseins mit der materiellen Umwelt ist, desto reicher ist sein Inhalt.

Es kommt vor, daß Menschen von Geburt an gleichzeitig blind, taub und stumm sind. Wenn für diese Menschen keine ärztliche Hilfe geleistet wird, reduziert sich ihre Existenz im wesentlichen auf rein physiologische Funktionen, und ihr Bewußtsein erweist sich als außerordentlich arm. Wenn das Gehirn überhaupt keine Verbindungen mit der Außenwelt hätte, könnten dann in ihm keinerlei Empfindungen und daher auch keine anderen Bewußtseinsformen entstehen. Folglich würde der Mensch kein Bewußtsein haben.

Ein und dieselbe Eigenschaft eines bestimmten Dinges ruft unter den gleichen Bedingungen in unserem Gehirn ein und dieselbe Empfindung hervor. Eben weil bestimmte Eigenschaften der materiellen Objekte in uns bestimmte Empfindungen hervorrufen, können wir diese Eigenschaften voneinander unterscheiden.

Die materiellen Objekte besitzen nicht nur eine Eigenschaft, sondern viele: Form, Gewicht, Farbe, Geruch usw. Unsere Sinnesorgane empfinden diese Eigenschaften. Auf Grund dieser Empfindungen entsteht im Gehirn die einheitliche und geschlossene Wahrnehmung der Gegenstände. Jedem materiellen Objekt entspricht seine bestimmte Wahrnehmung durch das Subjekt. In den Besonderheiten der Wahrnehmung kommt die Besonderheit der materiellen Objekte, kommen ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede zum Ausdruck.

Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, Vorstellungen zu reproduzieren, das heißt Abbilder solcher Gegenstände, die im Augenblick keine Empfindungen in uns hervorrufen. Solche Bilder scheinen Produkte einer spontanen Bewußtseinstätigkeit zu sein. Das ist aber nicht der Fall. Vorstellungen kann es nur von solchen Objekten geben, die in uns wirklich einmal Empfindungen hervorgerufen haben, deren Spuren im Gehirn festgehalten wurden. Gleich den Empfindungen und Wahrnehmungen, auf deren Grundlage sie entstehen, sind die Vorstellungen, Widerspiegelungen, Abbilder der materiellen Welt.

Da aber die Vorstellungen nicht an jeweils gegebene Empfindungen gebunden sind, besitzen sie eine relative Selbständigkeit und können willkürlich miteinander verbunden werden. Die Phantasie des Menschen kann Elemente der verschiedenartigsten Vorstellungen kombinieren, die auf der Grundlage früherer Empfindungen und Wahrnehmungen gebildet worden sind, aber letztlich sind alle diese Elemente Widerspiegelungen der objektiven Realität.

Das Denken ist ebenfalls eine Widerspiegelung der Außenwelt. Diese Form der Widerspiegelung der Welt ist gleichfalls ohne Empfindungen nicht möglich. Aber im Unterschied zu den Empfindungen, Wahrnehmungen und Vorstellungen hat das Denken keinen konkret-sinnlichen Charakter und widerspiegelt nicht nur einzelne Dinge und Erscheinungen, sondern vor allem das Allgemeine in den Dingen und Erscheinungen, ihr inneres Wesen, die inhärenten Zusammenhänge, Gesetzmäßigkeiten. Diese verallgemeinerte Widerspiegelung der Wirklichkeit durch das Denken geht mit Hilfe der Begriffe vor sich (die selbstverständlich auch falsch sein können).

Das Gesagte bestätigt nochmals, daß die materialistische Philosophie die Grundfrage der Philosophie völlig richtig beantwortet. Aus ihr geht hervor, daß die Materie primär, das Bewußtsein dagegen sekundär ist. Das ist nicht nur so zu verstehen, daß das Bewußtsein von der Materie hervorgebracht worden ist, sondern auch in dem Sinne, daß der Inhalt des Bewußtseins durch die materielle Wirklichkeit bestimmt wird, deren Widerspiegelung es ist.

Übungen

XVII. Geben Sie den Inhalt des Textes kurz wieder. Betiteln Sie den Text.

XVIII. Wiederholen Sie den §5. Machen Sie einen mündlichen Bericht zum Thema «Die formale und die dialektische Logik».

Fragen für Fortgeschrittene

Die hier angeführten Aussagen widersprechen einander im wesentlichen. Welche davon halten Sie für richtig und warum?

1. «Um die wahren Meinungen der Menschen kennenzulernen, glaubte ich mehr auf ihre Handlungen, als auf ihre Reden achtgeben zu müssen».

Decartes.

2. «Das wesentliche im Dasein eines Mannes liegt in dem, was er denkt, und nicht in dem, was er tut oder auch erleidet».

A. Einstein.

3. «Die Menschen denken über die Vorfälle[119] des Lebens nicht so verschieden, als sie darüber sprechen».

G.Ch. Lichtenberg.

Fünf Sinne (Ein Scherz)

Der Lehrer fordert Fritz auf, ihm die fünf Sinne zu nennen. Fritz aber kennt sie nicht. Da will der Lehrer nachhelfen: «Na, denke doch mal nach. Wenn du dir die Welt anschaust, siehst du doch allerlei, und wenn die Leute reden, dann hörst du doch allerhand».

Da fällt es Fritz plötzlich ein: «Ja, die fünf Sinne heißen: Blödsinn, Unsinn, Stumpfsinn, Eigensinn und Wahnsinn».

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