9.

Das Notsignal des dirnaischen Schiffes war von tausend Empfängern zugleich aufgenommen worden. Jedes andere über der Erde Wachdienst tuende dirnaische Schiff hatte das Signal aufgefangen, und es ging mit Lichtgeschwindigkeit weiter in den Raum hinaus, erreichte die vier um den Erdmond stationierten Schiffe und die sechs anderen, denen die Kontrolle der künstlichen Raumsatelliten irdischer Nationen oblag. Minuten später wurde es von den Empfängern dirnaischer Schiffe in der Nachbarschaft des Mars und der Venus registriert, und nach etwa einer Viertelstunde ging es im dirnaischen Hauptstützpunkt auf Ganymed ein, Jupiters planetengroßem Mond, wo über neunzig Beobachtungsschiffe lagen, während ihre Besatzungen Urlaub machten. Es wurde von den über fünfzig Entsatzschiffen bemerkt, die von Ganymed zu anderen Posten des Sonnensystems unterwegs waren, deren Besatzungen auf ihren Urlaub warteten. Wie eine Welle breitete es sich weiter und weiter aus, zu den Schiffen, die den fernen Neptun umkreisten, und bis hinaus zum Planeten Pluto, dem äußersten Vorposten des Systems. Nach langer Zeit würde dieses unzerstörbare Signal sogar die Heimatwelt selbst erreichen.

Andere, die vom Schicksal der Gruppe Mirtin-Vorneen-Glair und ihres Schiffes erfuhren, waren gewisse Vertreter der rivalisierenden Rasse der Kranazoi, die den dirnaischen Funkverkehr abhörten. Aber in diesem Fall brauchte das kranazoische Hauptquartier dem Signal keine weitere Beachtung zu schenken, weil es schon kurz darauf von einem der eigenen Beobachtungsschiffe eine ausführliche Meldung über die Explosion erhielt.

Schließlich wurde das Notsignal auch vom dirnaischen Hauptquartier auf der Erde empfangen.

Eigentlich durfte es kein dirnaisches Hauptquartier auf der Erde geben. Dirna und Kranaz hatten Verträge über die erlaubten Kontakte zwischen den beiden galaktischen Rassen und den Erdbewohnern unterzeichnet, und zu den Dingen, die nach diesen Verträgen verboten waren, gehörte jede Art Landung von dirnaischem und kranazoischem Personal auf dem Planeten — von einer dauernden Anwesenheit ganz zu schweigen. Aber Verträge erweisen sich oft als hinderliche Fesseln, und die Dirnaer hatten es für nötig erachtet — zu ihrem eigenen Schutz, versteht sich —, eine Handvoll Agenten auf der Erdoberfläche zu stationieren. Der Stützpunkt war gut getarnt, weniger aus Furcht vor einer Entdeckung durch Erdbewohner als aus Vorsicht gegenüber Kranaz. Erdbewohner waren keine Gefahr; aber die Kranazoi wären über den Vertragsbruch erbittert, so erbittert vielleicht, daß sie es auf einen Krieg ankommen lassen würden.

Sekunden nach dem Notsignal wurde der geheime Stützpunkt mit Meldungen und Anfragen überschüttet. Alle vierhundert Beobachtungsschiffe über der Erde schalteten sich gleichzeitig ein, gaben Informationen, Kommentare, stellten Fragen. Mehrere Minuten lang war das gesamte Nachrichtennetz auf allen Bandbreiten blockiert. Dann gelang es der Bodenstation, dem Durcheinander ein Ende zu machen und alle wissen zu lassen, daß sie sich der Situation bewußt sei und geeignete Maßnahmen ergreifen werde. Die Schiffe fuhren fort, den Unglücksfall zu diskutieren, aber sie hörten auf, die Bodenstation zu behelligen.

Dort arbeitete bereits eine Datenverarbeitungsanlage an der Ermittlung möglicher Landeplätze für die abgesprungene Besatzung.

»Es gab Überlebende«, meldete ein Agent. »Wir haben drei Absprünge festgestellt.«

»Sind alle drei mit dem Leben davongekommen?«

»Ja. Wenigstens haben sie das Schiff vor der Explosion verlassen.«

»Liegen schon Meldungen von den umdirigierten Beobachtungsschiffen vor?«

»Die drei sind über New Mexico abgesprungen. Aber sie haben offenbar ihre Funksprechgeräte beschädigt.«

»Wie konnte das passieren?«

»Sie stiegen in ungewöhnlich großer Höhe aus und müssen ziemlich hart gelandet sein. Wir empfangen undeutliche Signale von einem, aber bisher konnten wir sie noch nicht orten. Die anderen zwei kommen überhaupt nicht herein.«

»Dann sind sie tot oder verletzt.«

»Ob tot oder verletzt, wir müssen sie finden.«

»Richtig. Wie viele Agenten können wir noch diese Woche nach New Mexico entsenden?«

»Ein halbes Dutzend, wenn es sein muß.«

»Dann sollen sie sich auf den Weg machen. Die offizielle Version ist, daß sie nach dem sogenannten Riesenmeteor suchen. Einige von ihnen können sich als Wissenschaftler ausgeben, die nach Bruchstücken suchen, die anderen als Reporter, die Augenzeugen interviewen. Sie sollen den ganzen Staat abgrasen. Wir werden inzwischen versuchen, die genauen Landeplätze zu errechnen. Bisher fehlen uns leider noch Daten über die tatsächliche Flugbahn des Schiffes vor der Explosion.«

»Weißt du, wo wir die besten Angaben darüber bekommen können?«

»Wo?«

»Bei der Luftwaffe. Ich wette, das AFAO hat alles aufgenommen.«

»Guter Gedanke. Du verständigst sofort unseren Mann im AFAO und läßt ihn die Datenspeicher nachprüfen.«

»Wahrscheinlich sind die Leute vom AFAO schon auf der Suche nach Wrackteilen.«

»Aber sie wissen nichts von der Mannschaft. Wir werden sie zuerst finden.«

»Das wird nicht einfach sein. Wie ist noch das Sprichwort der Erdbewohner? Nadel im Misthaufen?«

»Heuhaufen.«

»Richtig. Heuhaufen. Also, ich schicke die Leute los.«

»Bist du sicher, daß die drei am Leben sind?«

»Ich weiß es.«

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