Die Truppen des Großfürsten standen in Trapezunt, sie eroberten Erzerum und wälzten sich über die kurdischen Berge gen Bagdad. Die Truppen des Großfürsten standen in Teheran, in Täbris, ja sogar in der heiligen Stadt Mesched. Der Schatten des Nikolai Nikolajewitsch fiel über die halbe Türkei und über halb Persien. Einer Versammlung georgischer Edelmänner erklärte der Großfürst:
»Dem Befehle des Zaren gehorchend, werde ich nicht eher ruhen, bis das goldene byzantinische Kreuz in neuem Glanze über der Kuppel der Hagia Sophia erstrahlen wird.«
Es stand schlecht um die Länder des Halbmondes. Nur die Kotschis und Ambals von der Gasse sprachen noch von der Macht des Osmanen und dem siegreichen Schwert Enver Paschas. Es gab kein Persien mehr, und bald würde es auch keine Türkei mehr geben.
Mein Vater war sehr schweigsam geworden und ging oft aus dem Hause. Manchmal beugte er sich über Kriegsberichte und Landkarten, flüsterte die Namen der verlorenen Städte und saß dann stundenlang unbeweglich, den Rosenkranz aus Bernstein in der Hand.
Ich besuchte Juweliere, Blumenhandlungen und Buchgeschäfte. Ich schickte Nino Edelsteine, Blumen und Bücher. Ich sah sie, und für Stunden verschwanden Krieg, Großfürst und der bedrohte Halbmond.
Einmal sagte mein Vater:
»Sei abends zu Hause, Ali Khan. Es kommen verschiedene Leute, und es wird über wichtige Dinge gesprochen werden.«
Seine Stimme klang etwas verlegen, und er blickte weg.
Ich begriff und spottete:
»Hab ich dir nicht schwören müssen, Vater, mich nie mit Politik zu befassen?«
»Um sein Volk besorgt sein, heißt noch nicht, Politik treiben. Es gibt Zeiten, Ali Khan, in denen es Pflicht ist, an die Sache des Volkes zu denken.«
An jenem Abend war ich mit Nino in der Oper verabredet. Es gastierte Schaljapin. Seit Tagen freute sich Nino auf die Vorstellung. Ich ging ans Telephon und rief Iljas Beg an.
»Iljas, ich bin heute beschäftigt. Kannst du mit Nino in die Oper gehen? Ich habe bereits die Karten.«
Eine verdrießliche Stimme antwortete:
»Wo denkst du hin? Ich bin doch nicht mein eigener Herr. Ich habe heute Nachtdienst, zusammen mit Mehmed Haidar.«
Ich rief Seyd Mustafa an.
»Ich kann wirklich nicht. Ich bin mit dem großen Mullah Hadschi Machsud verabredet. Er ist nur für wenige Tage aus Persien gekommen.«
Ich rief Nachararjan an. Seine Stimme klang sehr verlegen:
»Warum gehen Sie denn nicht, Ali Khan?«
»Es kommen Gäste zu uns.«
»Um zu beraten, wie man alle Armenier umbringt. Nicht wahr? In der Zeit, da mein Volk verblutet, sollte ich eigentlich nicht ins Theater gehen. Aber da wir Freunde sind — überdies singt Schaljapin wirklich ausgezeichnet.«
Endlich. In der Not zeigt sich der wahre Freund. Ich verständigte Nino und blieb zu Hause.
Um sieben Uhr kamen die Gäste, genau die, die ich erwartet hatte. Unser großer Saal mit den roten Teppichen und weichen Ottomanen beherbergte um halb acht eine Milliarde Rubel, oder vielmehr Menschen, die über eine Milliarde verfügten. Ihre Zahl war nicht groß, und sie waren mir alle seit Jahren bekannt.
Seinal Aga, Iljas Begs Vater, kam als erster. Er ging gebeugt, seine wäßrigen Augen waren verschleiert. Er saß auf der Ottomane, den Stock neben sich, und aß langsam und bedächtig ein Stück türkischen Honigs. Nach ihm betraten zwei Brüder den Saal: Ali Assadullah und Mirza Assadullah. Ihr Vater, der verstorbene Schamsi, hinterließ ihnen ein Dutzend Millionen. Die Söhne erbten den Verstand des Vaters und lernten lesen und schreiben dazu. So vermehrten sie die Millionen um ein Vielfaches. Mirza Assadullah liebte Geld, Weisheit und Ruhe. Sein Bruder war wie das Feuer Zarathustras. Er brannte und verbrannte nicht. Er bewegte sich unaufhörlich. Er liebte Kriege, Abenteuer und Gefahren. Es gab viele blutige Geschichten im Lande, deren Held er gewesen sein sollte. Der finstere Burjat Sade, der neben ihm saß, liebte keine Abenteuer, um so mehr liebte er die Liebe. Als einziger unter uns hatte er vier Frauen, die sich erbittert bekriegten. Er schämte sich dessen, konnte aber an ihrer Natur nichts ändern. Nach der Zahl seiner Kinder gefragt, antwortete er melancholisch: »Fünfzehn oder achtzehn, was weiß ich, ich armer Mann?« Nach der Zahl seiner Millionen gefragt, antwortete er dasselbe.
Jussuf Oghly, der am anderen Ende des Saales saß, sah ihn mißbilligend und neiderfüllt an. Er hatte nur eine, wie es hieß, nicht sehr schöne Frau. Diese sagte ihm schon am Hochzeitstag:
»Wenn du deinen Samen an andere Frauen vergeudest, so werde ich diesen anderen Frauen Ohren, Nasen und Brüste abschneiden. Was ich dir antun werde, kann ich gar nicht aussprechen.«
Die Frau stammte aus einem kriegerischen Geschlecht. Es war keine leere Drohung. Also sammelte der Arme Bilder.
Der Mann, der um halb acht in den Saal trat, war sehr klein, sehr mager und hatte zarte Hände und rotgefärbte Nägel. Wir erhoben uns und verbeugten uns, sein Unglück ehrend. Sein einziger Sohn Ismail war vor wenigen Jahren gestorben. Zu Ehren des Sohnes erbaute der Mann in der Nikolaistraße ein prunkvolles Gebäude. »Ismail« stand mit großen goldenen Lettern an der Fassade geschrieben. Das Gebäude schenkte er der islamischen Wohltätigkeit. Er hieß Aga Musa Nagi, und nur das Gewicht seiner zweihundert Millionen verschaffte ihm den Zugang in unsern Kreis. Denn er war kein Muslim mehr. Er gehörte der ketzerischen Sekte des Bab an, des Häretikers, den Schah Nassreddin hinrichten ließ. Nur wenige von uns wußten genau, was Bab wollte. Dafür wußten wir alle, daß Nassreddin glühende Nadeln unter die Nägel der Babisten jagen, sie auf Scheiterhaufen verbrennen und mit Peitschen zu Tode prügeln ließ. Eine Sekte, die solche Strafen heraufbeschwor, muß Schlimmes gelehrt haben.
Um acht Uhr waren alle Gäste versammelt. Sie saßen da, die Fürsten des Öls, tranken Tee, aßen Süßigkeiten und sprachen von ihren Geschäften, die blühten, von ihren Häusern, ihren Pferden, ihren Gärten und ihren Verlusten am grünen Tisch des Spielkasinos. So sprachen sie bis neun, dem Gebote des Anstandes folgend. Dann räumten die Diener den Tee weg, schlossen die Türe, und mein Vater sagte:
»Mirza Assadullah, der Sohn Schamsi Assadullahs, hat verschiedene Gedanken über das Schicksal unseres Volkes. Wollen wir ihn anhören.«
Mirza Assadullah hob sein schönes, etwas verträumtes Gesicht. Er sagte:
»Wenn der Großfürst den Krieg gewinnt, gibt es kein einziges islamisches Land mehr. Die Hand des Zaren wird schwer sein. Uns wird er nicht anrühren, denn wir haben Geld. Aber er wird Moscheen, Schulen schließen und die Sprache verbieten. Fremde werden in Überzahl ins Land kommen, denn niemand schützt mehr das Volk des Propheten. Es wäre besser für uns, wenn Enver siegen würde, auch wenn er nur ein ganz klein wenig siegen würde. Aber können wir etwas dazu tun? Nein, sage ich. Wir haben Geld, aber der Zar hat mehr Geld. Wir haben Menschen, aber der Zar hat mehr Menschen. Was sollen wir tun? Wenn wir einen Teil unseres Geldes und einen Teil unserer Menschen dem Zaren geben, wenn wir eine Division aufstellen und ausstatten, wird seine Hand nach dem Kriege vielleicht dankbar sein. Oder gibt es einen anderen Weg?«
Er verstummte. Sein Bruder Ali richtete sich auf. Er sagte:
»Die Hand des Zaren ist schwer. Aber wer weiß, vielleicht gibt es nach dem Kriege überhaupt keine Hand des Zaren.«
»Auch dann, mein Bruder, gibt es immer noch zu viele Russen im Land.«
»Ihre Zahl kann abnehmen, mein Bruder.«
»Man kann sie nicht alle totschlagen, Ali.«
»Man kann sie alle totschlagen, Mirza.«
Sie schwiegen. Dann sagte Seinal Aga — er sprach sehr leise, altersschwach und ganz ohne Ausdruck:
»Niemand weiß, was im Buche geschrieben steht. Die Siege des Großfürsten sind keine Siege, auch wenn er Stambul erobert. Der Schlüssel zu unserm Glück, er liegt nicht in Stambul. Er liegt im Westen. Und dort siegen die Türken, auch wenn sie Deutsche heißen. Russen besetzen Trapezunt, Türken besetzen Warschau. Die Russen? Sind es überhaupt noch Russen? Ich habe gehört, daß ein Bauer, Rasputin soll sein Name sein, über den Zaren herrscht, die Zarentöchter streichelt und die Zarin Mama nennt. Es gibt Großfürsten, die den Zaren stürzen wollen.
Es gibt Menschen, die nur den Frieden abwarten, um zu rebellieren. Es wird alles ganz anders sein nach diesem Krieg.«
»Ja«, sagte ein dicker Mann mit langem Schnurrbart und funkelnden Augen, »es wird ganz anders sein nach dem großen Krieg.«
Es war Feth Ali Khan von Choja, ein Rechtsanwalt. Wir wußten von ihm, daß er ständig über die Sache des Volkes grübelte.
»Ja«, wiederholte er inbrünstig, »und da es ganz anders sein wird, brauchen wir um niemandes Gunst zu betteln. Wer immer in diesem Krieg siegt, er wird schwach, mit vielen Wunden bedeckt, aus dem Kampf hervorgehen, und wir, die nicht geschwächt, nicht verwundet sind, können dann fordern anstatt zu bitten. Wir sind ein islamisches, ein schiitisches Land, und wir erwarten vom Hause Romanow und vom Hause Osman dasselbe: Selbständigkeit in allen Dingen, die uns angehen. Je schwächer die Mächte nach dem Kriege sein werden, desto näher werden wir der Freiheit sein. Diese Freiheit wird uns erwachsen aus unserer unverbrauchten Kraft, unserem Geld und unserem Öl. Denn vergeßt nicht, die Welt hat uns nötiger als wir die Welt.«
Die Milliarde im Zimmer war sehr zufrieden. Abwarten, das war ein schönes Wort. Abwarten, ob der Türke, ob der Russe siegt. Wir haben das Öl, der Sieger wird um unsere Gunst betteln müssen. Und bis dahin? Spitäler bauen, Kinderasyle, Blindenheime, für Krieger unseres Glaubens. Niemand soll uns Mangel an Gesinnung vorwerfen.
Ich saß in der Ecke, schweigend und grollend. Ali Assadullah ging durch den Saal und setzte sich zu mir.
»Was sagen Sie dazu, Ali Khan?«
Ohne meine Antwort abzuwarten, beugte er sich vor und flüsterte: »Es wäre schön, alle Russen in unserem Lande umzubringen. Und nicht nur die Russen. Alle Fremden, die anders sprechen, anders beten und anders denken. Im Grunde wollen wir es ja alle, aber nur ich wage es auszusprechen. Was dann kommt? Meinetwegen soll dann Feth Ali regieren. Obwohl ich mehr für Enver bin. Aber zuerst ausrotten.«
Er sprach das Wort »ausrotten« mit zarter Sehnsucht aus, als hieße es »lieben«. Seine Augen glänzten, sein Gesicht lächelte spitzbübisch. Ich schwieg. Jetzt sprach Aga Musa Nagi, der Babist. Seine kleinen Augen blinzelten.
»Ich bin ein alter Mann«, sagte er, »und ich bin traurig über das, was ich sehe, und über das, was ich höre. Russen rotten die Türken aus, die Türken die Armenier, die Armenier wollen uns ausrotten und wir die Russen. Ich weiß nicht, ob das gut ist. Wir haben vernommen, was Seinal Aga, Mirza, Ali und Feth Ali über das Schicksal unseres Volkes denken. Ich habe verstanden, daß sie um die Schulen, um die Sprache, um die Krankenhäuser und um die Freiheit besorgt sind. Aber was ist Schule, wenn dort nur Unsinn unterrichtet wird, was ist ein Krankenhaus, wenn dort der Körper geheilt und die Seele vergessen wird. Unsere Seele will zu Gott. Doch jedes Volk denkt, es habe einen andern Gott. Ich glaube aber, daß sich durch die Stimme aller Weisen derselbe Gott offenbarte. Deshalb verehre ich Christus und Konfuzius, Buddha und Mohammed. Von einem Gott kommen wir, und durch Bab kehren wir alle zu ihm zurück. Das sollte dem Volke verkündet werden. Es gibt kein Schwarz und es gibt kein Weiß, denn in Schwarz ist Weiß und in Weiß ist Schwarz. Deshalb ist mein Rat: tun wir nichts, was jemandem auf Erden schaden kann, denn wir sind in jedem, und ein jeder ist in uns.«
Wir schwiegen betroffen. Das war also die Häresie des Bab.
Neben mir ertönte ein lautes Schluchzen. Ich blickte mich erstaunt um und sah das Gesicht Ali Assadullahs tränenüberströmt und gramverzehrt.
»Oh, meine Seele«, schluchzte er, »wie recht Sie haben. Welch Glück, Ihnen zu lauschen. Oh, Allmächtiger! Wenn bloß alle Menschen zu gleich tiefer Erkenntnis gelangt wären.«
Er trocknete sich die Tränen, schluchzte noch ein paarmal und fügte bedeutend kühler hinzu:
»Ohne Zweifel, mein Verehrungswürdiger, die Hand Gottes ist über allen Händen, aber deshalb ist es nicht weniger wahr, o Quelle der Weisheit, daß man sich auf die gnadenvolle Eingebung des Allerhöchsten nicht unbedingt verlassen kann. Wir sind nur Menschen, und wenn die Eingebung fehlt, müssen wir selbst Wege finden, um die Schwierigkeiten zu beseitigen.«
Es war ein kluger Satz und es waren kluge Tränen. Ich merkte, wie Mirza seinen Bruder voll Bewunderung ansah.
Die Gäste erhoben sich. Schmale Hände berührten grüßend die dunklen Stirnen. Die Rücken beugten sich und die Lippen murmelten:
»Friede über euch. Bleiben Sie mit einem Lächeln zurück, o Freund.«
Die Sitzung war zu Ende. Die Milliarde ergoß sich über die Straße, grüßend, händedrückend und kopfnickend. Es war halb elf. Der Saal war leer und bedrückend. Einsamkeit überfiel mich. Ich sagte dem Diener:
»Ich gehe noch weg. Zur Kaserne. Iljas Beg hat Nachtdienst.«
Ich ging zum Meer, am Hause Ninos vorbei, zur großen Kaserne. Im Fenster des Wachgebäudes brannte Licht. Iljas Beg und Mehmed Haidar würfelten. Ich trat ein. Ein stummes Kopfnicken begrüßte mich. Endlich war das Spiel zu Ende. Iljas Beg warf die Würfel in die Ecke und knöpfte seinen Kragen auf.
»Wie war es?« fragte er. »Hat Assadullah wieder einmal geschworen, alle Russen umzubringen?«
»So ungefähr. Was hört man vom Krieg?«
»Krieg«, sagte er gelangweilt, »die Deutschen haben ganz Polen besetzt. Der Großfürst wird im Schnee steckenbleiben oder auch Bagdad besetzen. Vielleicht werden die Türken Ägypten erobern. Was weiß ich? Es ist langweilig auf dieser Erde.«
Mehmed Haidar rieb seinen kurzgeschorenen, spitzen Schädel.
»Es ist gar nicht langweilig«, sagte er, »wir haben Pferde und Soldaten und verstehen mit Waffen umzugehen. Was braucht ein Mann mehr? Manchmal will ich über die Berge ziehen, im Schützengraben liegen und einen Feind vor mir haben. Der Feind soll gute Muskeln haben und seine Haut soll nach Schweiß riechen.«
»Melde dich doch zur Front«, sagte ich.
Mehmed Haidars Augen blickten unter der niedrigen Stirn traurig und verloren.
»Ich bin nicht der Mann, der auf Mohammedaner schießt. Auch wenn sie Sunniten sind. Aber ich habe den Eid geleistet und kann auch nicht desertieren. Es sollte alles ganz anders werden bei uns im Land.«
Ich sah ihn liebevoll an. Er saß breitschultrig, kräftig, mit einfältigem Gesicht, und erstickte fast vor Kampflust.
»Ich will an die Front, und ich will auch nicht«, sagte er bekümmert.
»Was soll mit unserm Land geschehen?« fragte ich ihn.
Er schwieg und runzelte die Stirn. Das Denken war nicht seine Stärke. Endlich sagte er:
»Unser Land? Moscheen sollte man bauen. Der Erde Wasser geben. Unsere Erde ist durstig. Es ist auch gar nicht gut, daß jeder Fremde zu uns kommt und uns sagt, wie dumm wir sind. Es ist unsere Sache, wenn wir dumm sind. Und dann: ich glaube, es wäre sehr schön, ein großes Feuer anzulegen und alle Öltürme im Lande zu verbrennen. Es wäre ein herrlicher Anblick, und wir wären wieder arm. Niemand brauchte uns dann, und die Fremden ließen uns in Ruhe. Und an Stelle der Bohrtürme würde ich eine schöne Moschee bauen, mit blauen Kacheln. Büffel müßten kommen, und auf dem Ölland sollten wir Getreide pflanzen.«
Er verstummte, in die Vision der Zukunft versunken. Iljas Beg lachte vergnügt:
»Und dann sollte man das Lesen und das Schreiben verbieten, Kerzenlicht einführen und den dümmsten Menschen im Lande zum König wählen.«
Mehmed Haidar überhörte den Spott.
»Gar nicht schlecht«, sagte er, »in früheren Zeiten gab es viel mehr Dumme als jetzt. Die Dummen bauten Wasserkanäle statt Ölquellen, und die Fremden wurden ausgeraubt, anstatt daß sie uns ausraubten. Früher gab es viel mehr glückliche Menschen.«
Ich wollte den einfältigen Burschen umarmen und küssen. Er sprach, als ob er selbst ein Klumpen unserer armen, trockenen, mißhandelten Erde wäre.
Ein wildes Klopfen am Fenster riß mich empor. Ich blickte hinaus. Ein dunkles, pockennarbiges Gesicht starrte mich an. Die schräg sitzenden Augen blitzten.
»Ich bin es, Seyd Mustafa. Laßt mich hinein.«
Ich lief zur Tür. Seyd Mustafa stürzte ins Zimmer. Sein Turban hing schief über die schweißbedeckte Stirn. Sein grüner Gurt war aufgelöst, und der graue Überwurf staubig. Er fiel in den Sessel und rief keuchend:
»Nachararjan hat Nino entführt. Vor einer halben Stunde. Sie sind auf dem Wege nach Mardakjany.«