13. Kapitel

Gurronsevas’ Optimismus hielt nur wenige Stunden an, und im Laufe der ersten drei Tage, in denen er sich zurückhielt, fühlte er sich immer niedergeschlagener, unsicherer und einsamer. Nur noch selten stattete er seinen Mitarbeitern beim Nahrungssynthesizer und der Pathologie einen kurzen Besuch ab, weil ihn die Beschäftigten an beiden Orten andauernd merkwürdig anstarrten, wenn sie seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet glaubten; doch ob diesen Blicken Mitleid oder krankhafte Neugier zugrunde lag, wußte er nicht. Abgesehen von diesen wenigen Stippvisiten blieb er in seiner Unterkunft, ging nicht an den Kommunikator und nahm ausschließlich Nahrung aus dem Essensspender zu sich, und dieses freiwillige Abkapseln trug kein bißchen dazu bei, seine gedrückte Stimmung zu heben.

Am vierten Tag klopfte mittags jemand höflich, aber mit außerordentlicher Hartnäckigkeit an die Tür. Es war Padre Lioren.

„Wir haben Sie in letzter Zeit nicht mehr in der Kantine gesehen“, begann er, bevor Gurronsevas etwas sagen konnte. „Sie könnten es mit der Zurückhaltung auch übertreiben, Gurronsevas, denn sich vollkommen zurückzuziehen erregt oft mehr Aufmerksamkeit, als sich wie gewöhnlich zu zeigen. Außerdem haben die meisten Spezies — mich selbst nicht ausgeschlossen — sowieso SchwierigkeitenATralthaner ohne einen Blick auf die Armbinden auseinanderzuhalten. Ich bin gerade auf dem Weg zur Kantine. Hätten Sie Lust, mich zu begleiten?“

„Meine Unterkunft liegt weitab von Ihrem üblichen Weg von der psychologischen Abteilung zur Kantine“, entgegnete Gurronsevas, den seine Verlegenheit innerlich wütend machte.

„Stimmt“, bestätigte Lioren. „Vielleicht habe ich noch bei jemand anderem auf dieser Ebene vorbeigeschaut, ich könnte Ihnen aber auch aus therapeutischen Gründen eine Unwahrheit aufgetischt haben. Was von beidem zutrifft, werden Sie allerdings nie erfahren.“

Ohne zu wissen, warum, antwortete Gurronsevas: „Na gut, ich komme mit.“

Falls ihn tatsächlich mehr Kantinenbesucher beobachteten als sonst, dann wußte Gurronsevas jedenfalls nichts davon, weil er seine vier Augen auch nicht eine Sekunde lang von Lioren, Braithwaite, Cha Thrat und dem eigenen Teller abwandte — und von den Gesprächen, die an den Nachbartischen geführt wurden, drehte sich keins um ihn. Als er sich zu den anderen gesetzt hatte, hatte er sich laut gefragt, wie es den dreien gelungen war, von O’Mara die Erlaubnis zu erhalten, das Vorzimmer unbeaufsichtigt zu lassen. Daraufhin hatte ihm Braithwaite erklärt, es sei ein ungeschriebenes Gesetz des Orbit Hospitals, daß niemand geistesgestört werde, solange die Mitarbeiter der psychologischen Abteilung beim Essen seien. Bei dieser Äußerung hatte sich Gurronsevas der Verdacht aufgedrängt, es handle sich um eine weitere Unwahrheit aus therapeutischen Gründen, und war zu dem Schluß gekommen, daß man versuchte, ihn aufzuheitern.

Doch dann wurde das Gespräch sehr schnell ernsthaft.

„Wie uns zu Ohren gekommen ist, haben Sie in den letzten Tagen nicht gerade viel Zeit bei den Nahrungssynthesizern verbracht, und Abwandlungen bei der Kost hat es in jüngster Zeit auch nicht mehr gegeben“, kam Lieutenant Braithwaite auf den Punkt. „Ist das Ihre freie Entscheidung gewesen, oder wird Ihre Arbeit von anderen behindert? O’Mara würde das gerne wissen.“

Da Gurronsevas von drei Psychologen eingekreist war, kam er zu der Überzeugung, daß es sinnlos wäre, nicht die Wahrheit zu sagen.

„Sowohl als auch“, antwortete er deshalb. „Ich hatte überhaupt keine Lust, jemandem zu begegnen, und meine Arbeit ist auch behindert worden, allerdings nicht von anderen, sondern durch das Fehlen notwendiger Zutaten. Eigentlich hatte ich vorgehabt, Skempton zu bitten, mir bei der Beschaffung zu helfen, weil diese Zutaten nicht auf der normalen Versorgungsliste stehen und vielleicht nur unter hohen Kosten hierher transportiert werden können, doch man hat mir verboten, mit dem Colonel zu sprechen.“

„Ich verstehe“, sagte Braithwaite. Nach kurzem Nachdenken fuhr er fort: „In diesem medizinischen Tollhaus bestellen wir derart viele seltsame und ungewöhnliche Sachen, Geräte und Medikamente und dergleichen, daß die Beschaffung im allgemeinen für keinen Abteilungsleiter ein Problem darstellt. Haben Sie zu Thornnastor ein freundschaftliches Verhältnis?“

„Thornnastor ist immer freundlich zu mir gewesen“, antwortete Gurronsevas. „Aber was der leitende Diagnostiker der Pathologie mit dieser Angelegenheit zu tun hat, ist mir völlig schleierhaft.“

„Natürlich ist Ihnen das nicht klar, zumindest bis jetzt noch nicht“, meinte Lioren. „Aber wenn Sie Thornnastor Ihre Schwierigkeiten erklären würden, müßte es möglich sein, den Colonel zu umgehen. Bei Skemptons erstem Assistenten, Creon-Emesh, handelt es sich nämlich um den Leiter der Beschaffungsabteilung. Creon-Emesh und Thornnastor sind seit vielen Jahren so eng befreundet, daß sie beide große Probleme damit hätten, sich gegenseitig einen Gefallen abzuschlagen.“

„Ich verstehe“, sagte Gurronsevas. „Wenn zwei Mitglieder einer Spezies eine derart lange emotionale und sexuelle Beziehung miteinander führen, denken und fühlen sie wie ein einziges.“

Mitten im Satz brach er ab, weil Braithwaite und Cha Thrat anscheinend Atembeschwerden hatten. Bevor er sich voller Sorge nach ihrem Wohlbefinden erkundigen konnte, erklärte Lioren: „Die beiden spielen seit mehr als einem Jahrzehnt bei jeder sich bietenden Gelegenheit Bominyat miteinander, und zwar, wie viele behaupten, auf dem Niveau von Planetenmeisterschaften. Bei Creon-Emesh handelt es sich jedoch um einen Nidianer, deshalb haben die beiden keine körperliche Beziehung zueinander.“

„Dann möchte ich mich hiermit bei beiden Betroffenen vielmals entschuldigen“, murmelte Gurronsevas verlegen. „Aber wenn Creon Emesh Skemptons Assistent ist, würde er dann nicht dem Colonel erzählen.“

„Würde er nicht“, unterbrach ihn Braithwaite in bestimmtem Ton.

„Möglicherweise gebe ich vertrauliche Informationen aus Creon-Emeshs psychologischer Akte preis.“.

„Ich würde sagen, daran gibt es keinen Zweifel“, warf Lioren ein.

„…wenn ich Ihnen verrate, daß der Leiter der Beschaffungsabteilung ein intelligenter, tüchtiger und ehrgeiziger Mitarbeiter ist, der nichts davon hält, seinen Vorgesetzten mit Lappalien zu behelligen und auch nicht mit ernsten Problemen, wenn er sie selbst beheben kann. Kurz gesagt: Creon-Emesh ist einer dieser seltenen und hochgeschätzten Assistenten, die sich unaufhörlich bemühen, ihren Vorgesetzten überflüssig zu machen. Er achtet Skempton zwar, liebt ihn aber nicht und wird sich der momentanen Antipathie des Colonels Ihnen gegenüber bewußt sein. Wenn Sie Creon-Emesh die Bitte also vertraulich stellen und sie so formulieren, daß sie für ihn eine Herausforderung in der Tradition des Bominyat darstellt.“

„So verschlagen, wie der Lieutenant ist, sollte er unbedingt auch Bominyat spielen“, merkte Cha Thrat an.

„…dann bekommen Sie vielleicht Ihre Zutaten, ohne daß der Colonel irgend etwas davon erfährt“, fuhr Braithwaite fort, ohne den Einwurf zu beachten. „Oder wäre es Ihnen lieber, wenn ich Creon-Emesh den Vorschlag mache?“

„Nein“, antwortete Gurronsevas. „Seinerzeit habe ich auch mal Bominyat gespielt, wenn auch nur auf dem Niveau von Stadtmeisterschaften, also haben Creon-Emesh und ich schon mal eine Gemeinsamkeit. Ich bin Ihnen sehr dankbar, sowohl für den Vorschlag als auch für Ihr Hilfsangebot, würde die Sache aber lieber selbst durchführen.“

„Wenn Sie ebenfalls Bominyatti sind, brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen“, sagte Braithwaite, wobei er die Hand hob, um Gurronsevas zu signalisieren, daß er den Dank zwar zur Kenntnis genommen hatte, aber zurückwies. „Doch genug von diesen unaufrichtigen diplomatischen Spielchen und der kalkulierten Beeinflussung von Verpflichtungen, die andere untereinander haben. Welche kulinarischen Überraschungen planen Sie für uns?“

Für einen Nidianer war Creon-Emeshs Freizeitunterkunft relativ geräumig, doch für die Mehrheit der anderen Spezies stellte sie einen winzigen Raum dar, der geradezu Platzangst hervorrief. Die Decke war derart niedrig, daß Gurronsevas mit dem Kopf an ihr entlangscheuerte, obwohl er die Knie so stark wie möglich gebeugt und die Arme fest verschränkt hielt, und sein Körper drohte die Zierpflanzen hinunterzuwerfen, die an den Wänden hingen, oder die absurd zerbrechlich anmutenden Möbel zu zerdrücken. Auf der einen Seite des Zimmers war ein Bereich freigeräumt worden, und dort stieg die Decke auf eine Höhe an, die für einen größeren Besucher — vermutlich für Thornnastor — gedacht war. Erleichtert begab sich Gurronsevas dorthin.

„Sie sind bestimmt nicht bloß hier, um mit mir Bominyat zu spielen“, begann Creon-Emesh, bevor Gurronsevas etwas sagen konnte. „Das kann also warten. Wie Thorny mir immer wieder versichert, ähnelt meine Wohnung dem Bau eines tralthanischen Nagetiers. Also halten Sie sich lieber mit dem Lob bezüglich der Ausstattung meiner Unterkunft zurück, weil ich Ihnen das sowieso nicht abkaufen würde, und vergeuden Sie bitte keine kostbare Spielzeit. Was genau wollen Sie von mir?“

Gurronsevas bemühte sich, nicht beleidigt zu sein. Wie ihre zahlreichen Kritiker behaupteten, seien die Nidianer als Spezies nicht besonders stark oder intelligent und verfügten auch über keine wirksamen natürlichen Waffen, die es ihnen ermöglicht hätten, auf ihrem Heimatplaneten zur dominanten Lebensform aufzusteigen, sondern hätten sich diesen Platz ausschließlich durch ihre schlechte Laune und das bloße ungeduldige Verlangen, sich weiterzuentwickeln, erobert. Dennoch hielt es Gurronsevas für angebracht, seinem Gesprächspartner gegenüber wenigstens gutes Benehmen an den Tag zu legen.

„Nichtsdestoweniger bin ich Ihnen dankbar, daß Sie diesem Treffen zugestimmt haben, zumal es zu einer Zeit stattfindet, in der Sie eigentlich Ihre Freizeit verbringen sollten.“

„Freizeit, Dienst, ha!“ rief der Nidianer voller Ungeduld mit einer Kopfbewegung zum Bildschirm, auf dem nicht etwa die Bilder von einem der Unterhaltungskanäle zu sehen waren, sondern Zahlenkolonnen. „Diesen Unterschied nicht zu kennen ist der Fluch, unter dem all diejenigen stehen, die mit Leib und Seele bei der Sache sind. Doch wenn das stimmt, was ich über Sie gehört habe, dann leiden Sie unter demselben Problem. Was genau wollen Sie denn nun von mir?“

„Auskünfte über die Vorgehensweise bei Bestellungen, Ihre Hilfe und Ihre Diskretion“, antwortete Gurronsevas frei heraus; die unverblümte Sprechweise des Nidianers war offenbar ansteckend.

„Erklären Sie mir das“, forderte ihn Creon-Emesh auf.

Wenngleich nicht allzu ansteckend, dachte Gurronsevas. Dies waren Umstände, unter denen mehr als nur ein paar erklärende Worte erforderlich waren. „Als ich ans Orbit Hospital gekommen bin, hatte ich nur wenige persönliche Habseligkeiten dabei, weil Tralthaner, wie Sie sehr gut wissen, keine Kleidung tragen und das Anlegen von Körperschmuck verachten“, erläuterte er. „Statt dessen habe ich eine Reihe von Krautern, Gewürzen und anderen würzigen Zutaten mitgebracht, die auf Traltha, auf der Erde, auf Nidia und auf anderen Planeten wachsen, auf denen Nahrungsmittel mit Phantasie und Einfallsreichtum zubereitet oder gekocht werden und nicht nur, um irgendwelche schädlichen Bakterien abzutöten, die sie enthalten könnten. Aus diesem persönlichen Vorrat habe ich verschiedene Zutaten verwandt, um die Standardgerichte einiger Testpersonen abzuwandeln, und diese abgewandelten Gerichte möchte ich nun zusammen mit einer Anzahl weiterer Verbesserungen, die ich plane, in die Speisekarte der Hauptkantine aufnehmen. Wenn ich gezwungen bin, das Hospital zu verlassen, würde ich mich gern an etwas anderes als an den Unfall auf dem Ladeplatz zwölf erinnern oder an die Zerstörung der Station der Chalder oder an.“

„Jaja, dafür habe ich vollstes Verständnis“, unterbrach ihn Creon-Emesh ungeduldig. „Aber was genau soll ich für Sie tun?“

„Solange es sich um einzelne Gerichte handelt, verbrauche ich von den Zutaten nur ganz geringe Mengen“, fuhr Gurronsevas fort, „doch wenn diese Gerichte in die allgemeine Speisekarte aufgenommen werden sollen — was ich von Anfang an beabsichtigt hatte—, wird der kleine Vorrat, den ich von Nidia mitgebracht habe, innerhalb einer Woche aufgebraucht sein.“

„Dann bestellen Sie doch einfach, was Sie brauchen“, schlug ihm Creon-Emesh vor. „Schließlich haben Sie ein Budget.“

„Ja, sogar ein üppiges, aber das reicht bedauerlicherweise nicht aus“, antwortete Gurronsevas mit betrübter Stimme. „Deshalb wollte ich ja mit Colonel Skempton sprechen, um mein Budget aufstocken zu lassen. Die Zutaten, die ich brauche, stammen von vielen verschiedenen Planeten, und allein die Transportkosten würden mein Budget um ein Vielfaches übersteigen.“

Creon-Emesh stieß plötzlich ein scharfes Bellen aus. „Sie sind ja naiver als das Monitorkorps erlaubt, Gurronsevas, und zweifellos sind Sie zu beschäftigt gewesen, um dieses Problem mit jemandem von der Beschaffungsabteilung zu besprechen. Doch Sie interessieren sich ausschließlich dafür, wie man die Nahrungsmittel zubereitet, und nicht dafür, wie sie zu uns gelangen. Wären Sie Skempton nicht ein Dorn im Auge geworden, hätte er Sie über unsere Vorgehensweisen unterrichtet, und zwar so, wie ich es jetzt tun werde. Hören Sie mir also genau zu.

Wie Sie ja bereits wissen, ist das Monitorkorps für die Versorgung und Wartung des Orbit Hospitals verantwortlich“, fuhr der Nidianer rasch fort. „Für diese Zwecke verwendet das Korps einen sehr geringen Teil des Gesamtetats der Föderation, und aus diesem Topf müssen neben den Versorgungsgütern auch sämtliche Dienstleistungen finanziert werden. Zur Versorgung gehört nicht nur, daß man uns auf jede Spezies abgestimmte chirurgische Instrumente und Geräte, Medikamente, fremde Atmosphären und natürlich die Nährstoffsubstanzen zum Auffüllen der Synthesizertanks liefert, sondern auch die Nahrungsbehälter für die Hudlarer und Illensaner, bei denen die Einfuhr als Fertigprodukt praktischer ist als die eigene Herstellung. Zudem bringen uns die Mitarbeiter des Monitorkorps Patienten, deren Behandlung die medizinischen Möglichkeiten der Krankenhäuser auf den Föderationsplaneten übersteigt und die uns von dort zur Heilung überwiesen werden, oder die Opfer von Raumunfällen oder neu entdeckte Lebensformen, die verletzt oder krank sind oder eine sonstige medizinische Versorgung benötigen. Weil die Schiffe des Korps nicht speziell für umfangreiche Frachttransporte gebaut sind, werden Schiffe wie die Trivennleth gechartert, um diese Aufgabe zu erledigen. Von daher ist es Ihnen innerhalb des Ihnen gewährten Budgets mit ein bißchen phantasievoller Buchführung durchaus möglich, in jedem Teil der erforschten Galaxis Zutaten zu kaufen und die Transportkosten aus dem Gesamtetat des Monitorkorps für Versorgung und Wartung des Hospitals zu bezahlen, der viel zu groß ist, als daß man sich um die von Ihnen verursachten, relativ geringen Kosten Gedanken machen würde. Verstehen Sie, was ich Ihnen damit sagen will?“

Es war, als hätten die künstlichen Schwerkraftgitter im Boden versagt und Gurronsevas würde gleich nach oben schweben, so groß war der Stein, der ihm gerade vom Herzen gefallen war. Doch bevor er die richtigen Worte finden konnte, um seine Dankbarkeit auszudrücken und zu sagen, daß er den Hinweis sehr wohl verstanden habe, fuhr Creon-Emesh schon mit seiner leicht bellenden Stimme fort.

„Natürlich betrifft Sie der Teil, der mit der Wartung des Hospitals zusammenhängt, nicht — obwohl Sie erst kürzlich Anlaß zu einer ganzen Menge Reparaturarbeiten, die noch immer am Gebäude durchgeführt werden müssen, Anlaß gegeben haben. Haben Sie zufällig eine Liste der Sachen dabei, die Sie brauchen?“

„Jaja, danke auch“, stammelte Gurronsevas. „Die wichtigsten Sachen habe ich mir allerdings eingeprägt. Aber wird das, was Sie für mich tun, nicht dazu führen, daß Sie Skempton genauso ein Dorn im Auge sein werden wie ich? Oder könnten Ihre Aufstiegschancen dadurch nicht auf andere Weise beeinträchtigt werden? Und sind Sie sicher, daß sich all das vor dem Colonel verheimlichen läßt?“

„Um Ihre drei Fragen der Reihenfolge nach zu beantworten, nein, nein und nein“, entgegnete Creon-Emesh ungeduldig. „Dem Colonel läßt sich nichts verheimlichen, das verhindert schon das Verfahren, nach dem wir vorgehen. Skempton wird alles, was wir tun, verfolgen können, doch er hat selbst oft genug gesagt, das Leben sei zu kurz, um kostbare Zeit mit der Überprüfung jeder einzelnen Bestellung zu vergeuden, von denen durchschnittlich mehrere tausend pro Tag eingehen. Das überläßt er lieber Untergebenen wie mir, denen er vertraut, die aber ganz offensichtlich nicht vertrauenswürdig sind. Solange die Erkennungscodes, die Flugstreckenanweisungen und die Bestellmengen nicht ungewöhnlich sind, werden Ihre Bestellungen ohne Frage angenommen werden. Falls bei einem der Artikel die Wahrscheinlichkeit bestehen sollte, daß er das Mißtrauen der Versorgungsabteilung erregt, werde ich Sie auffordern, noch einmal darüber nachzudenken.

Und vergessen Sie nicht: von vornherein viel anzufordern ist besser, als regelmäßig kleine Mengen nachzubestellen, denn dadurch würde sich nur das Risiko vergrößern, daß man herausfindet, was Sie tun. Was brauchen Sie denn hauptsächlich?“

Der Tralthaner versuchte, dem kleinen Nidianer erneut zu danken, doch dieser schien ausschließlich daran interessiert zu sein, was Gurronsevas benötigte. Und da von Creon-Emesh die ganze Zeit über keinerlei Einwände kamen, wurden seine Forderungen immer anspruchsvoller und unverschämter. Doch erhielt seine wachsende Begeisterung schließlich einen Dämpfer, als der Nidianer plötzlich ein lautes Bellen ausstieß und die beiden kleinen Hände hob.

„Nein, nein!“ wehrte er in entschiedenem Ton ab. „Morgens gepflückte orligianische Crelgiblätter können Sie nicht bekommen. Gurronsevas, seien Sie doch vernünftig!“

„Ich bin vernünftig“, widersprach Gurronsevas. „Die Blätter intensivieren auf unaufdringliche Weise den Geschmack von Speisen über alle Grenzen zwischen den Spezies hinweg und werden mittlerweile allgemein von den Köchen vieler warmblütiger sauerstoffatmender Lebensformen verwandt. Aber ich bin nicht nur vernünftig, sondern auch sehr enttäuscht.“

„Und vergeßlich sind Sie obendrein“, warf ihm der Nidianer vor. „Die Blätter würden hier frühestens drei Tage nach dem Pflücken eintreffen, weil sie gar nicht schneller durch den Hyperraum hergeschafft werden können. Unsere orligianische Beschaffiingsstelle hätte zwar keinerlei Probleme, die Blätter zu besorgen, doch ein Sprung durch den Hyperraum wird nur für dringend benötigte Medikamente oder für den Transport eines schwerkranken Patienten angeordnet. Bloß wegen einer Kiste Krauter einen sonst nur im Notfall durchgeführten Hyperraumflug von Orligia zum Orbit Hospital zu unternehmen würde ganz sicher die Aufmerksamkeit des Colonels erregen, und deshalb muß ich Ihnen diese Bitte abschlagen. Finden Sie sich mit gefriergetrockneten Blättern ab, die ganz normal als Frachtgut geliefert werden, und ich bin einverstanden.“

Gurronsevas dachte kurz nach und sagte dann: „Auf der Erde gibt es einen Ersatz, ein Gewürz namens Muskatnuß. Der Geschmacksunterschied ist so gering, daß ihn nur der allerfeinste Gaumen erkennt, und die Nüsse vertragen den Transport sehr gut. Mit Muskatnuß habe ich bereits die genießbare Schmutzkruste der mit hoher Temperatur gebackenen corellianischen Struul-Gerichte gewürzt, um dem ansonsten faden Fisch mehr Geschmack zu geben. Und auf Nidia hat die Soße, die ich zu Ihrem geschmorten Criggleyut bereitet habe, einen Hauch geriebenen Muskat enthalten, und zwar zur Betonung des.“

„Sie beabsichtigen, Criggleyut auf die Speisekarte zu setzen?“ unterbrach ihn Creon-Emesh aufgeregt. „Das ist eins meiner Lieblingsgerichte, seit mir das erste Haar meines Erwachsenenpelzes gesprossen ist!“

„Bei der erstbesten Gelegenheit“, bestätigte Gurronsevas und fügte dann hinzu: „Für die Zubereitung der nidianischen Gerichte und die anderer Spezies würden etwa fünfundzwanzig Kilo Muskatnuß genügen.“

Creon-Emesh schüttelte den Kopf. „Sie haben mir nicht zugehört, Gurronsevas. Ohne es Ihnen gegenüber zu erwähnen, habe ich die Mengen, die Sie bereits bestellt haben, verdrei- und vervierfacht, weil Sie einfach nicht genügend verlangen. Kleine Mengen erregen Aufmerksamkeit. Die Arbeiter auf dem Entladeplatz könnten alle kleinen Frachtstücke statt für Kisten mit Lebensmitteln für falsch gekennzeichnete Behälter mit dringend benötigten Medikamenten halten und diese zur Überprüfung öffnen, und das würde Skempton auf Sie aufmerksam machen. Bei einem Gewürz, das sich bei derart vielen Spezies großer Beliebtheit erfreut und lange lagerfähig ist, schlage ich eine Mindestbestellmenge von fünf Tonnen vor.“

„Aber ich verwende es doch nur in winzigen Mengen“, protestierte Gurronsevas. „Mit fünf Tonnen Muskatnuß würden wir ja hundert Jahre auskommen!“

„Ich schätze, in hundert Jahren wird das Orbit Hospital immer noch existieren und die Patienten werden sich nach wie vor Nahrung in die Eßöffnungen schieben“, meinte Creon-Emesh. „Gibt es sonst noch was? Ich würde nämlich gern noch eine Partie Bominyat mit Ihnen spielen, bevor Sie gehen.“

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