9. KAPITEL

Dóra hatte die Gegenstände, die der Karton in seinem früheren Leben beherbergt hatte, noch nie ausprobiert. Sie war sich jedoch ziemlich sicher, dass derartige Geräte es genauso wenig mit den Originalen aufnehmen konnten wie andere Nachahmungen in dieser Welt. Sie lächelte und setzte sich halb auf. Der Bademantel lag zerknautscht neben dem Bett, und Dóra reckte sich träge danach. Schon seltsam, dass ich so etwas nicht öfter tue, dachte sie, als sie in den Bademantel schlüpfte und ihre Klamotten zusammensuchte. Matthias war nach draußen zu seinem Mietwagen gegangen, um das Gepäck zu holen und es in sein Zimmer zu bringen. Dóra vermutete, dass er sich dort wohl kaum viel aufhalten würde, schätzte jedoch die ihr entgegengebrachte Höflichkeit. Sie lächelte im Stillen, denn sie merkte, dass sie sehr glücklich war, ihn zu sehen, und sich freute, dass er trotz ihrer Einwände gekommen war. Eigentlich schade, dass ihre Beziehung überhaupt keine Zukunft hatte. Er war Ausländer, und es war unwahrscheinlich, dass er in Island Fuß fassen würde. Als er aufgetaucht war, hatte sie verlegen versucht, Smalltalk zu halten und ihn gefragt, wie ihm das Eurovision-Siegerlied gefallen habe. Er hatte sie verständnislos angeschaut und gefragt, ob sie ihn auf den Arm nehmen wolle. Wer sich nicht für den Eurovision Song Contest interessierte, würde in Island keine sieben Tage glücklich werden. Rasch kleidete sie sich an.

Matthias kam zurück, als sie gerade den zweiten Socken anzog. »Oh«, sagte er enttäuscht, »ich hatte ganz vergessen, dass du Weltrekordhalterin im Schnellankleiden bist.« Er lächelte ihr zu. »Was allerdings den Vorteil hat, dass du dich auch ziemlich schnell wieder ausziehst.«

»Sehr witzig«, sagte Dóra. »Und wie gefällt dir das Hotel?«

Matthias ließ seinen Blick schweifen und zuckte mit den Schultern. »Gut. Ein bisschen abgelegen. Was zum Teufel machst du hier eigentlich?« Er beeilte sich hinzuzufügen: »Ich will mich nicht beschweren. Überhaupt nicht.«

»Ich arbeite für den Eigentümer. Er denkt darüber nach, ein Verfahren gegen die Verkäufer des Grundstücks anzustrengen.«

»Aha. Betrug?«, fragte Matthias, ging zum Fenster und zog die Gardine zur Seite, um die Aussicht zu begutachten. »Schön«, sagte er und drehte sich wieder zu Dóra.

»Ach, das ist alles ziemlich albern. Er behauptet, hier würde es spuken und der ehemalige Besitzer hätte davon wissen müssen.«

»Es spukt, hm.« Matthias’ Gesichtsausdruck war genauso, wie Dóra ihn sich bei dem Richter vorstellte, falls der Fall jemals so weit kommen würde. »So ist das also.«

»Der Hotelbetrieb reagiert sehr sensibel auf solche Dinge. Es ist also nicht ganz so bescheuert, wie es klingt.« Dóra grinste ihn an. »Das ist ein Esoterikhotel. Hier werden ganzheitliche Heilverfahren, Wahrsagen, organische Kost, Kristalltherapie, Magnetfeldtherapie, Aura-Lesen und so weiter angeboten. Die meisten Mitarbeiter haben übersinnliche Fähigkeiten und kommen nicht besonders gut mit Gespenstern aus.«

»Klar«, sagte Matthias und schnitt eine Grimasse. »Alles völlig normal natürlich.«

»Du meine Güte, nein«, antwortete Dóra schnell. »Obwohl das an diesem Ort gar nicht so abwegig ist. Hier befindet sich nämlich schon seit langem eine Hochburg des Glaubens an das Übernatürliche, wenn man das so sagen kann. Zum Beispiel gibt es eine Volkssage über einen Mann namens Bárður, der aus Verzweiflung darüber, dass seine Tochter auf einer Eisscholle nach Grönland gedriftet ist, in den Gletscher hineinging. Der Gletscher soll übernatürliche Kräfte haben. Ich weiß allerdings nicht, ob das mit diesem Bárður zusammenhängt oder vom Gletscher selbst ausgeht.«

»Ein Gletscher mit übernatürlichen Kräften?« Matthias schien solchen Phänomenen keinen großen Glauben zu schenken. »Du meinst doch so einen Berg mit ewigem Schnee, oder?«

»Ha, ha«, entgegnete Dóra. »Der Glaube an die Macht des Gletschers reicht weit über Island hinaus. Kurz vor der letzten Jahrhundertwende sind alle möglichen Leute hierhergekommen, um Außerirdische in Empfang zu nehmen.«

»Und sie wurden bestimmt nicht enttäuscht, was?«

Dóra zuckte die Achseln. »Darüber sind sie sich nicht einig. Der Sprecher der Gruppe hat gesagt, sie seien da gewesen. Allerdings nur im Geiste. Kein UFO oder so. Eine Art Erscheinung.«

»Oder vielleicht Einbildung?« Matthias grinste.

Dóra grinste zurück. »Ja, oder das. Der Berg ist natürlich sehr mächtig.«

»Und was hat das mit einer Leiche zu tun?«

»Ach ja. Die Leiche hat nichts mit diesem Esoterikkram zu tun. Glaube ich zumindest. Der Eigentümer ist allerdings nicht ganz meiner Meinung.« Sie lächelte verlegen. »Er ist ziemlich speziell.«

»Was du nicht sagst.« Matthias hob die Augenbrauen. »Wurde die Leiche hier im Hotel gefunden?«

Dóra erzählte Matthias, wo die Leiche gefunden worden war, dass es sich um eine Frau handelte, die für Jónas gearbeitet hatte, und dass sie vermutlich ermordet worden war.

»Und steht jemand unter Verdacht?«

»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Dóra. »Ich bezweifle, dass die Polizei überhaupt schon eine Theorie hat. Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang.«

»Deinetwegen hoffe ich, dass es nicht dieser Jónas war.«

»Nein, bestimmt nicht«, sagte Dóra nachdenklich. Vorsichtig fügte sie hinzu: »Ich habe hier was, das möglicherweise Licht auf die Sache werfen könnte.« Sie lächelte beschämt.

»Du hast da was? Was denn?« Er schaute sie forschend an.

»Tja, also, ich hab den Kalender der Frau, die höchstwahrscheinlich das Opfer ist. Mehr so eine Art Notizbuch«, antwortete Dóra, feuerrot im Gesicht, versuchte jedoch, so beiläufig wie möglich zu klingen.

»Was?«, fragte Matthias. »Hast du sie gekannt?«

»Hab sie nie gesehen.«

»Aber du hast ihr Notizbuch? Woher denn?«

»Bin zufällig darauf gestoßen«, sagte Dóra, fügte dann aber ehrlich hinzu: »Eigentlich hab ich’s geklaut. Aus Versehen.«

Matthias schüttelte den Kopf. »Aus Versehen, hm.« Er faltete die Hände und blickte zum Himmel. »Lieber Gott, lass sie die Architektin nicht wegen des Kalenders umgebracht haben. Selbst wenn es nur aus Versehen gewesen sein sollte.«


Jónas stand im Foyer und beobachtete drei Polizeibeamte in Zivil, die sich bereit machten, Birnas Auto zu untersuchen. Sie waren mit einem speziell ausgerüsteten Lieferwagen gekommen, der etwas abseits parkte. Dort waren sie ausgestiegen und hatten, ohne sich im Hotel zu melden, begonnen, den kleinen Sportwagen und dessen direkte Umgebung zu fotografieren. Vigdís hatte Jónas telefonisch darüber informiert, und er war in die Halle geeilt.

»Was tun die da eigentlich?«, fragte Vigdís.

Jónas zuckte zusammen. Er hatte die Aktivitäten der Polizisten so konzentriert verfolgt, dass er Vigdís gar nicht bemerkt hatte. Er griff sich ans Herz und schaute sie an. Dann wandte er sich wieder den Geschehnissen vor der Tür zu. »Anscheinend untersuchen sie Birnas Auto. Gott weiß, warum.«

Vigdís kniff die Augen zusammen. »Vielleicht glauben sie, dass Birna im Auto umgebracht wurde.«

Jónas schüttelte den Kopf. »Der Wagen ist seit Tagen nicht bewegt worden. Ich glaube, das habe ich ihnen auch gesagt.«

»Welche Rolle spielt das denn?«, fragte Vigdís. »Ich meine, sie kann ja auch im Auto hier vor der Tür ermordet worden sein.«

Jónas drehte sich schnell zu ihr. »Was soll der Unsinn? Wir wissen überhaupt nicht, ob es sich um ein Verbrechen handelt, wie können wir dann darüber spekulieren, wo es verübt worden ist!«

Vigdís zuckte die Achseln. »Wer ertrinkt denn schon hier am Strand? Das Wasser ist nur so tief.« Der Zwischenraum zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger betrug einen Zentimeter. »Sie kann nur ermordet worden sein.«

Jónas wollte Vigdís gerade entgegnen, sie solle nicht so übertreiben, als er sah, wie einer der Beamten sein Handy aus der Tasche holte. Schwaches Telefonklingeln drang zu ihnen. Der Polizist ging ran, und sie beobachteten, wie er mit jemandem sprach. Plötzlich schaute er auf und blickte zur Eingangshalle. Er fixierte Jónas, der mit einem mulmigen Gefühl im Magen hinter der Glasscheibe stand. Der Beamte beendete das Telefonat, ohne seinen Blick von Jónas abzuwenden, und kam auf den Hoteleingang zu.

»Wow!«, raunte Vigdís. »Hast du das gesehen? Der will bestimmt mit dir reden.«


Dóra eilte in Jónas Büro. Er hatte sie angerufen und ohne weitere Erklärungen um ihre Anwesenheit gebeten, denn die Polizei würde ihm etwas unterstellen, wovon er keine Ahnung hätte. Kein Wunder, dass sie das Gefühl hatte, Matthias’ Aussage über Jónas sei ein schlechtes Omen gewesen. Ihr schoss durch den Kopf, dass der Gletscher am Ende vielleicht doch über wundersame Kräfte verfügte.

»Entschuldigung«, sagte sie, nachdem sie an Jónas’ Bürotür geklopft und diese geöffnet hatte. Jónas saß mit rot angelaufenem Gesicht am Schreibtisch, ihm gegenüber ein Mann, der Dóra den Rücken zugewandt hatte, sich aber umdrehte, als sie aufmunternd sagte: »Ist hier irgendwas nicht in Ordnung?«

»Nein, hier ist alles in Ordnung«, polterte der Hotelbesitzer und stand auf, um einen dritten Stuhl zum Schreibtisch zu ziehen.

Der Polizeibeamte war mittleren Alters und wirkte unfreundlich. Er erhob sich fünf Zentimeter von seinem Stuhl und reichte Dóra die Hand. Dies genügte, um zu erkennen, dass er ungewöhnlich groß und breit war. »Guten Tag, ich heiße þórólfur Kjartansson. Kriminalpolizei.«

»Hallo. Dóra Guðmundsdóttir, Rechtsanwältin.« Sie schüttelten sich die Hände. »Was ist das Problem?«, fragte sie Jónas.

»Anscheinend denken sie, ich hätte irgendwas mit dem Tod dieser Frau zu tun«, platzte Jónas heraus. Er zeigte auf den Mann und fügte hinzu: »Erst darf er meinen Computer benutzen und den Drucker und dann behauptet er auf einmal, er sei befugt, mein Handy mitzunehmen.« Jónas war so brüskiert, dass ihm plötzlich die Worte fehlten und er þórólfur nur noch hasserfüllt anstarrte.

»Verstehe«, sagte Dóra ruhig. »Darf ich die Befugnis sehen? Ich bin Jónas’ Rechtsanwältin, und er hat um meinen rechtlichen Beistand gebeten.« þórólfur reichte ihr wortlos ein Papier. Dóra überflog den Text. Es handelte sich um eine Verfügung des Bezirksgerichts Westland zur Beschlagnahmung von Jónas Júlíussons Handy. Als Begründung waren Interessen im Zuge der Ermittlungen im Mordfall an Birna Halldórsdóttir angegeben. Dóras Herz machte einen Sprung. Hier stand es schwarz auf weiß. »Darf ich fragen, wozu das Handy benötigt wird?«, fragte sie gefasst.

»Wir vermuten, dass darin Daten gespeichert sind, die uns wieterhelfen können«, antwortete þórólfur ausdruckslos.

»In einem Handy sind alle möglichen Daten gespeichert«, entgegnete Dóra ruhig und versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was für ein Handy Jónas hatte. Einige Informationen erhielt man auch über den Netzbetreiber, also ging es anscheinend nicht darum, wen Jónas angerufen hatte. Entweder waren sie hinter dem Terminkalender oder hinter Fotos her, falls das Handy eine solche Funktion hatte. Ungewöhnlich an der Verfügung war, dass die Polizei sich ausschließlich für das Handy interessierte. Von einer normalen Hausdurchsuchung war nicht die Rede. »Hier steht zwar, dass ihr das Handy beschlagnahmen dürft, aber die SIM-Karte wird nicht erwähnt. Kann er die behalten?«, fragte Dóra in der vagen Hoffnung, das Objekt der Begierde möge auf der Karte und nicht im Handy gespeichert sein. þórólfur riss Dóra die Verfügung aus der Hand. »Hier steht: Das Handy mit der Nummer …« Er überflog das Schreiben, und als er die Nummer gefunden hatte, hielt er es Dóra triumphierend vor die Nase und tippte mit dem Finger darauf: »667-6767. Siehst du? Das ist Jónas’ Nummer. Hier steht sogar, dass er der registrierte Benutzer ist. Wenn du mir das Handy ohne die Karte gibst, kommst du dem Bescheid nicht nach.« Zufrieden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und sagte zu Jónas: »Du musst mir das Handy übergeben.«

Dóra schaute Jónas an. »Hast du etwas dagegen, das Handy zu übergeben?«

Jónas prustete wie ein Wal. »Allerdings. Was soll ich ohne Handy machen? Das Netz ist hier zwar nicht besonders gut, aber das ist mir egal. Das ist mein Handy.«

»Ich empfehle dir, deinem Mandanten zu raten, das Gerät entsprechend der Verfügung auszuhändigen. Alles andere wäre sehr unklug.« þórólfur konnte nicht verhehlen, dass ihm dieses Gezänk auf die Nerven ging.

»Ich habe Birna nicht umgebracht.« Jónas schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie kommt ihr darauf?«

»Niemand hat das behauptet. Am allerwenigsten ich«, antwortete þórólfur wesentlich ruhiger als zuvor. »Allerdings wirft dein Verhalten einige Fragen auf.«

»Was sollen eigentlich diese Andeutungen?«, brüllte Jónas und schlug wieder mit der Faust auf den Tisch, diesmal so heftig, dass der Stiftehalter und andere lose Gegenstände auf der Tischplatte herumhüpften. »Ich habe nichts mit diesem Mord zu tun und … bestehe darauf, zum Beweis an einen Lügendetektor angeschlossen zu werden. Ihr bekommt das Handy nicht.«

Dóra beugte sich kopfschüttelnd zu Jónas und umfasste sanft seine Hand. »Jónas, in Island werden keine Lügendetektoren benutzt. So etwas hat hierzulande keine Beweiskraft. Ich rate dir, das Handy zu übergeben. Vor allem, wenn du nichts verbrochen hast.«

»Kommt nicht in Frage!« Jónas verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich im Stuhl zurück, um zu unterstreichen, wie ernst es ihm war. Dann beugte er sich zu Dóra und flüsterte ihr ins Ohr: »Sie dürfen auf keinen Fall das Handy mitnehmen. Glaub mir, das wäre wirklich katastrophal.« Er wandte sich wieder von ihr ab und lächelte dem Polizisten zu.

»Okay. Ich verstehe. Gib mir dein Handy.« Dóra blickte ihm fest in die Augen. »Vertrau mir.«

Jónas schaute sie misstrauisch an. »Nein. Du wirst es der Polizei nicht geben.«

»Jónas. Ich hab gesagt, vertrau mir.« Dóra streckte die Hand aus.

Jónas sah verunsichert aus. Nach kurzem Überlegen holte er das Handy aus der Tasche seiner Jacke, die über der Stuhllehne hing. Er hielt es Dóra hin, ließ es aber nicht los. »Ich wiederhole, du darfst es nicht der Polizei geben.«

Dóra nickte. »Ich weiß. Du kannst ruhig loslassen.« Als Jónas endlich losließ, atmete sie auf. Erleichtert sah sie, dass das Handy keine Fotofunktion hatte.

»Würdest du mir bitte das Handy übergeben«, sagte þórólfur und hielt ihr das Schreiben unter die Nase.

»Augenblick«, sagte Dóra und legte ihr eigenes Handy auf den Tisch. Sie öffnete es und holte die SIM-Karte heraus. Dann tat sie dasselbe mit Jónas’ Handy und tauschte die Karten aus. »Bitte sehr. Das Handy mit der Nummer 667-6767, rechtmäßiger Eigentümer Jónas Júlíusson.« Sie übergab dem Polizisten ihr Handy. »So wie es in der Verfügung verlangt wird, wenn ich den Text richtig verstanden habe.« Sie lächelte þórólfur an.


»Großartig, super«, sagte Jónas, als sie in Dóras Zimmer stürmten. Sie waren mit dem Handy dorthin gerannt, nachdem þórólfur telefoniert und die Bestätigung erhalten hatte, dass die richterliche/polizeiliche Verfügung erfüllt sei. Eine neue mit einer eindeutigeren Wortwahl war jedoch zu erwarten. Daher hatte Dóra es eilig, zu erfahren, was Jónas partout vor der Polizei geheim halten wollte.

»Matthias — Jónas. Jónas — Matthias.« Dóra beließ es dabei, die beiden mit diesen knappen Worten vorzustellen, denn Jónas und sie hatten nicht viel Zeit. Matthias nickte nur, offenbar verwundert über das ganze Durcheinander, fragte jedoch nicht weiter nach. Dóra wandte sich an Jónas. »Warum verdammt nochmal wolltest du dem Mann das Handy nicht geben?«

»Da sind Nummern gespeichert, die er auf keinen Fall sehen darf. Und auch SMS-Nachrichten.« Jónas beugte sich zu Dóra und flüsterte: »Ich rauche manchmal was. Es gibt zwei Typen, bei denen ich einkaufe, und ihre Nummern sind in dem Handy. Und bestimmt auch ein paar SMS, die ich ihnen geschrieben habe, wenn sie nicht rangegangen sind. Eindeutige SMS.«

Dóra nickte, vollkommen entgeistert über Jónas’ Naivität. Andererseits schien ihr das ein deutliches Zeichen seiner Unschuld zu sein. Wenn man seine Vorgehensweise beim Haschkaufen in Betracht zog, hätte er einen Zettel mit seinem Namen auf der Leiche hinterlassen müssen. Sie gab ihm das Handy. »Ich kann dich nicht dazu auffordern, etwas Ungesetzliches zu tun, aber hier ist dein Handy. Denk dran, dass die Zeit knapp ist. Meine PIN-Nummer ist 4036.«

Jónas schaltete das Handy ein und tippte die PIN-Nummer. Er öffnete sofort sein Adressbuch und löschte zwei Namen, die Dóra gar nicht sehen wollte. Dann ging er in den SMS-Ordner und löschte ein paar eingegangene Nachrichten. Als er die gesendeten Objekte durchsah, stutzte er und hielt das Handy von seinem Gesicht weg, um einen besseren Blickwinkel zu haben. »Was zum Teufel ist das denn?«

Dóra griff nach dem Handy. »Was? Was ist denn da?«

Jónas ließ das Handy los. »Das kann nicht sein.« Er war fassungslos.

Dóra las die Anfangsworte der obersten SMS, vermutlich die letzte: treffpunkt Strand … Mehr passte nicht auf das Display. Dóra öffnete die SMS. Als sie sie ganz gelesen hatte, stöhnte sie. triff mich um 9 an der schlucht heute abend muessen ueber deine idee reden — jonas. Die Nachricht war letzten Donnerstag um 19:25 Uhr geschickt worden, an dem Abend, bevor Birnas Leiche gefunden wurde. »Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass das Birnas Nummer ist«, sagte Dóra zaghaft und reichte Jónas das Handy.

Er schaute auf das Display, anschließend zu Dóra und nickte dann langsam.

Загрузка...