EPILOG

SAMSTAG, 24. JUNI 2006

Dóra trat an das offene Grab. »Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst du zurück«, sagte sie leise und ließ die Erde aus ihrer Hand auf den kleinen Sarg rieseln. Sie bekreuzigte sich und trat zurück. Es nieselte auf die überschaubare Gruppe herab, die sich in der kleinen Kirche versammelt hatte und schweigend hinter dem Sarg über den Friedhof gegangen war. Dóra hatte auf dem kurzen Weg Láras Hand gehalten. Sie und ein älterer Mann schienen die Einzigen in der Gruppe zu sein, denen das Ganze naheging. Er sah furchtbar aus. Es war Magnús Baldvinsson. Er war zu Beginn der Messe erschienen und hatte sich leise ganz hinten in die Kirche gesetzt. Beim Leichenzug hatte er darauf geachtet, ein paar Schritte hinter den anderen zu gehen. Er krallte sich mit beiden Händen an seinem Hut fest und starrte auf den Boden, wann immer Dóra zu ihm hinübersah. Er tat ihr leid.

Dóra verfolgte, wie der Pastor mit geschlossenen Augen eine Strophe aus einem alten Psalm aufsagte. Sie tat es ihm nach und hatte das Gefühl, dass Kristín der Vers gefallen hätte:

Nun schließe ich die Augen,

oh, Gott, lass deine Gnade

mich schützen diese Nacht.

Ach, wenn du mich zu dir rufst,

lass deinen Engel wachen

über meinen Schlaf.

Anschließend sang die Gruppe leise Gleichwie die eine Blume, und einer nach dem anderen nahm zum Abschluss den Segen des Pfarrers entgegen.

Am Ende blieben nur noch drei übrig: Lára, Dóra und Magnús. Mit hängendem Kopf stand Magnús etwas abseits.

»Komm«, flüsterte Lára. »Ich koche uns einen Kaffee.« Sie krallte ihre Hand in Dóras Arm. »Ich möchte dir den Brief zeigen. Hast du es eilig?«

»Nein.« Sie verließen den Friedhof und Magnús Baldvinsson, der allein vor dem Grab seiner längst verstorbenen kleinen Tochter verharrte.

Dóra lächelte im Stillen, als sie ein leises Kinderweinen aus der Lava neben dem Friedhof hörte. Der ungezogene Kater, dachte sie, aber dann fiel ihr ein, dass sie den besagten Kater gesehen hatte, als sie an Tunga vorbei zum Friedhof gefahren war. Er hätte in so kurzer Zeit niemals bis hierher laufen können. Das Weinen wurde immer klagender, und Dóra verstärkte ihren Griff um das schmale, zerbrechliche Handgelenk der alten Frau. »Sollen wir ein bisschen schneller gehen?«, fragte sie. »Mir ist irgendwie unheimlich.«

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