»Briefeinwurfklappe«, berichtigte Dóra und lächelte höflich. »In der Verordnung heißt das Briefeinwurfklappe.« Sie zeigte auf den Ausdruck auf dem Schreibtisch und drehte ihn so, dass das Ehepaar auf der anderen Seite des Tisches den Text lesen konnte. Ihre Gesichter verdunkelten sich, und Dóra beeilte sich, fortzufahren, bevor der Mann eine weitere Schimpftirade loslassen konnte. »Als Verordnung Nummer 505/1997 über den Grundpostdienst von Verordnung Nummer 364/2003 über den allgemeinen Dienst und die Durchführung des Postdienstes abgelöst wurde, fiel Paragraph 12 zu Briefkästen und Briefeinwurfklappen weg.«
»Na also!«, rief der Mann und warf seiner Frau einen triumphierenden Blick zu. »Hab ich doch gleich gesagt! Sie können sich also nicht einfach weigern, uns die Post zuzustellen.« Er drehte sich zu Dóra, setzte sich auf und verschränkte die Arme.
Dóra räusperte sich dezent. »Leider ist das nicht ganz so einfach. Die neue Verordnung verweist in Bezug auf Briefeinwurfklappen und deren Positionierung auf die Bauverordnung. Alle Briefeinwurfklappen sollen demnach so angebracht sein, dass der Abstand vom Boden bis zur unteren Kante der Briefeinwurfklappe nicht weniger als 1000 und nicht mehr als 1200 Millimeter beträgt.« Dóra hielt kurz inne, um Luft zu holen, achtete jedoch darauf, dem Mann nicht die Gelegenheit zu geben, ihr ins Wort zu fallen. »In der Gesetzesverordnung Nummer 12/2002 zum Postdienst heißt es, den Postdienstleistern sei es gestattet, Postsendungen zurückzuschicken, wenn die Briefeinwurfklappe nicht den Bauvorschriften entspricht.«
Weiter kam sie nicht, denn dem Mann riss der Geduldsfaden. »Willst du mir damit sagen, dass ich keine Post mehr bekomme und nichts tun kann, um mich vor diesem Vorschriftenunwesen zu schützen?« Er schnaubte und gestikulierte wild mit den Händen, so als wolle er einen Angriff unsichtbarer Bürokraten abwehren.
Dóra zuckte die Achseln. »Du kannst die Briefeinwurfklappe natürlich erhöhen.«
Der Mann warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Ich dachte, du könntest uns helfen. Immerhin hast du versprochen, dich vorher in die Sache einzuarbeiten!«
Anstatt die Verordnung zu nehmen und sie dem Mann in sein feuerrotes Gesicht zu schleudern, ließ Dóra es zähneknirschend dabei bewenden. »Was ich selbstverständlich getan habe«, sagte sie ruhig und setzte ein falsches Lächeln auf. Sie hatte damit gerechnet, dass das Ehepaar beeindruckt wäre, wie perfekt sie die Nummern der Verordnungen herunterleiern konnte. Im Grunde hätte sie sich denken können, dass das einer dieser nervtötenden Fälle war, bei denen man sich völlig sinnlos wie ein Hamster im Laufrad abmühen musste. Schon als der Mann vor zwei Tagen mit erregter Stimme in der Kanzlei angerufen hatte, hätten die Alarmglocken läuten müssen. Gehetzt hatte er nach rechtlichem Beistand verlangt wegen einer Auseinandersetzung mit dem Postboten und der Post. Seine Frau und er hatten soeben ein Fertighaus bezogen, das aus Amerika importiert und mit sämtlichem Zubehör angeliefert worden war — darunter auch eine Haustür mit einem unzulässigen Briefschlitz. Eines Tages war die Frau nach Hause gekommen und hatte einen handgeschriebenen Zettel an der Haustür vorgefunden, auf dem stand, dass sie keine Post mehr zugestellt bekämen, weil der Briefschlitz zu niedrig sei.
In Zukunft sollten sie ihre Sendungen bei der Post abholen. »Ich kann dir nur raten, das in dieser Situation Vernünftigste zu tun. Ein Prozess gegen die Isländische Post, wie du ihn in Erwägung ziehst, würde nur zusätzliche Kosten verursachen. Von einem Prozess gegen die Baubehörde rate ich dir ebenfalls ab.«
»Es kostet auch Geld, die Haustür austauschen zu lassen. Der Schlitz lässt sich nicht nach oben versetzen. Das habe ich dir doch schon gesagt.« Siegesgewiss schauten der Mann und die Frau einander an.
»Eine Haustür kostet jedenfalls weniger als irgendein Prozess.« Dóra reichte ihnen das letzte Dokument von dem Stapel, den sie vor dem Eintreffen des Ehepaars vorbereitet hatte. »Hier ist ein Brief, den ich in deinem Namen geschrieben habe.« Beide Eheleute griffen nach dem Papier, aber der Mann war schneller. »Die Post oder der Briefträger sind falsch vorgegangen. Ihr hättet ein förmliches Einschreiben bekommen sollen, in dem euch mitgeteilt wird, dass die Briefeinwurfklappe in einer unzulässigen Höhe angebracht ist. Des Weiteren hätte euch eine Korrekturfrist gesetzt werden müssen. Die Postzustellung hätte erst nach Ablauf dieser Frist eingestellt werden sollen.«
»Ein Einschreiben!«, tönte die Frau. »Wie sollen wir das denn kriegen, wenn uns nichts zugestellt wird!« Selbstzufrieden blickte sie zu ihrem Mann. Seine Reaktion war jedoch nicht so, wie sie erwartet hatte, und ihr Gesicht nahm schnell wieder einen beleidigten Ausdruck an.
»Ach, Liebes, verdreh doch nicht die Worte«, stieß der Mann hervor. »Einschreiben wirft man nicht in den Briefschlitz — die müssen bei Annahme quittiert werden.« Er wandte sich an Dóra. »Fahr bitte fort.«
»In dem Brief fordern wir ein korrektes Vorgehen der Post: dass ein Einschreiben geschickt, die Korrektur eingefordert und euch eine akzeptable Frist gesetzt wird. Wir setzen zwei Monate an.« Sie zeigte auf den Brief, den der Mann bereits gelesen hatte und nun an seine Frau weiterreichte. »Danach können wir nicht mehr viel tun. Ich empfehle euch, die Höhe der Briefeinwurfklappe vor Ablauf der Frist zu korrigieren. Wenn das aber nicht möglich ist, und ihr die Tür so belassen wollt, könnt ihr einen Briefkasten aufstellen. Der Schlitz muss sich innerhalb derselben Höhenangaben befinden, wie sie auch für die Einwurfklappe gelten. Falls ihr euch dafür entscheidet, rate ich euch, zur Vermeidung weiteren Ärgers, den Briefkasten mit Hilfe eines Zollstocks aufzustellen.« Sie lächelte dem Ehepaar trocken zu.
Der Mann sah sie scharf an und dachte nach. Plötzlich grinste er schadenfroh. »Okay. Ich verstehe. Wir schicken den Brief, bekommen ein Einschreiben und haben dann zwei Monate, in denen der Briefträger uns die Post zustellen muss, unabhängig von der Höhe der Luke, nicht wahr?« Dóra nickte. Mit triumphierendem Gesicht stand der Mann auf. »Wer zuletzt lacht, lacht am längsten. Ich schicke den Brief jetzt ab, und sobald ich die Frist bekommen habe, werde ich den Briefschlitz runter zur Türschwelle verlegen. Nach Ablauf der Frist stelle ich dann einen Briefkasten auf. Komm, Gerða!«
Dóra brachte die beiden zur Tür, wo sie sich bedankten und verabschiedeten. Der Mann hatte es eilig, den Brief einzuwerfen, damit die zweite Halbzeit seines Kleinkriegs mit dem Postboten eingeläutet werden konnte. Auf dem Weg zurück zu ihrem Schreibtisch schüttelte Dóra den Kopf, verwundert über das Wesen der Menschen. Auf was für Ideen die Leute kamen. Sie hoffte, dass Briefträger gut bezahlt würden, bezweifelte es aber stark.
Dóra hatte sich gerade wieder hingesetzt, als Bragi, der Miteigentümer ihrer kleinen Anwaltskanzlei, seinen Kopf durch die Tür steckte. Er war ein älterer Herr, der sich auf Scheidungen spezialisiert hatte. Dóra konnte sich nicht vorstellen, solche Fälle zu bearbeiten. Ihre eigene Scheidung reichte ihr für den Rest ihres Lebens. Bragi war auf diesem Gebiet jedoch ganz in seinem Element und es gelang ihm hervorragend, die kompliziertesten Fälle zu lösen und die Leute dazu zu bringen, ohne große Reibereien miteinander zu reden. »Na, wie ist es mit dem Briefschlitz gelaufen? Wird das ein Präzedenzfall vor dem Obersten Gerichtshof?«
Dóra lächelte ihm zu. »Nein, sie überlegen es sich nochmal. Wir müssen dran denken, die Rechnung mit einem Kurier zu schicken. Es ist völlig unklar, ob sie noch Post zugestellt bekommen.«
»Ich hoffe sehr, dass sie das kapieren«, sagte Bragi und rieb seine Handflächen gegeneinander. »Sonst hätten wir ein Verfahren, das sich gewaschen hat.« Er zog einen gelben Zettel hervor und reichte ihn Dóra. »Der hat angerufen, als die Postschlitz-Leute bei dir waren. Du sollst ihn zurückrufen, wenn du Zeit hast.«
Dóra schaute auf den Zettel und seufzte, als sie den Namen sah. Jónas Júlíusson. »Na super«, sagte sie und warf Bragi einen Blick zu. »Was wollte er denn?« Vor einem guten Jahr hatte Dóra diesen wohlhabenden Herrn mittleren Alters beim Abschluss eines Kaufvertrags unterstützt. Er hatte in ein Grundstück und einen Bauernhof in Snæfellsnes investiert. Jónas war im Ausland durch den Kauf insolventer Radiosender, die er wieder aufbaute und mit gewaltigem Gewinn verkaufte, schnell zu Geld gekommen. Dóra wusste nicht, ob er schon immer seltsam gewesen war oder ob es mit dem Geld zusammenhing. Zum damaligen Zeitpunkt war er fasziniert von Esoterik und wollte ein großes Zentrum mit Wellnesshotel errichten, zwecks ganzheitlicher Beseitigung aller möglichen körperlichen und seelischen Leiden durch alternative Behandlungsmethoden. Dóra schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an Jónas’ Pläne.
»Ein verdeckter Mangel, wenn ich ihn recht verstanden habe«, antwortete Bragi. »Er ist wohl irgendwie unzufrieden mit dem Anwesen.« Er lächelte ihr zu. »Ruf ihn an; mit mir wollte er nicht reden. Du bist für ihn aufsteigende Venus im Krebs und deshalb eine gute Rechtsanwältin.« Bragi zuckte mit den Schultern. »Ein aussagekräftiges Horoskop ist vielleicht auch keine schlechtere Empfehlung als gute Jura-Noten. Was weiß denn ich?«
»So ein Quatsch«, sagte Dóra und griff nach dem Telefon. Jónas hatte zu Beginn ihrer Zusammenarbeit ein Horoskop für sie anfertigen lassen, bei dem sie gut abgeschnitten hatte, und deshalb hatte er sie beauftragt. Dóra vermutete, dass die großen Kanzleien sich geweigert hatten, Informationen über die Geburtszeit ihrer Anwälte herauszugeben, und Jónas daraufhin nach kleineren Büros Ausschau gehalten hatte. Sonst ließe sich kaum erklären, warum sich ein Mann mit einem so großen Betrieb an eine Kanzlei mit nur vier Mitarbeitern wenden sollte. Sie wählte die Nummer, die Bragi auf den Zettel gekritzelt hatte, und schnitt eine Grimasse, während sie darauf wartete, dass abgenommen wurde.
»Hallo«, erklang eine sanfte Männerstimme, »Jónas.«
»Hallo Jónas, hier ist Dóra Guðmundsdóttir, Anwaltskanzlei Innenstadt. Ich sollte dich zurückrufen.«
»Ja, genau. Ich bin sehr froh, deine Stimme zu hören.« Der Mann seufzte.
»Bragi hat etwas von einem verdeckten Mangel erzählt. Worum geht es denn?«, fragte Dóra und schaute dabei den nickenden Bragi an.
»Ich kann dir sagen, es ist wirklich fürchterlich. Ein erheblicher verdeckter Mangel ist ans Licht gekommen, von dem der Käufer mit Sicherheit gewusst und den er mir verschwiegen hat. Ich glaube, das wird meine gesamte Planung hier in Gefahr bringen.«
»Worin besteht denn dieser verdeckte Mangel?«, fragte Dóra überrascht. Das Anwesen war vor dem Kauf von anerkannten Gutachtern sorgfältig geprüft worden, und sie hatte die Gutachten persönlich gegengelesen. Darin stand nichts, womit man nicht gerechnet hatte. Das Gelände war genauso groß, wie der Verkäufer angegeben hatte, und die beiden alten Höfe auf dem Grundstück waren so baufällig, dass man sie vollständig sanieren musste.
»Erinnerst du dich an das alte Gebäude, das ich in das Hotel integriert habe, den Kirkjustétt-Hof?«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Dóra und fügte hinzu: »Aber du weißt schon, dass sich der Mangel bei Immobilienkäufen auf mindestens zehn Prozent des Kaufpreises belaufen muss, um Schadenersatzforderungen geltend machen zu können? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein verdeckter Mangel bei einem so alten Haus diese Prozentzahl erreicht, selbst wenn er unbestreitbar erheblich ist. Außerdem muss ein solcher verdeckter Mangel ebendies sein — verdeckt. Aus den Gutachten geht deutlich hervor, dass die Gebäude von Grund auf sanierungsbedürftig sind.«
»Dieser Mangel macht den Hof für meine beruflichen Pläne so gut wie unbrauchbar«, sagte Jónas nachdrücklich. »Und es steht außer Frage, dass er verdeckt ist. Die Gutachter hätten ihn gar nicht erkennen können.«
»Und was hast du denn nun eigentlich überhaupt entdeckt?«
»Ich weiß, dass du für übernatürliche Phänomene nicht besonders empfänglich bist«, sagte Jónas ruhig. »Du wirst also wahrscheinlich verblüfft sein, wenn ich dir erzähle, was hier los ist, aber du musst mir bitte glauben.« Er schwieg einen Moment und ließ dann die Katze aus dem Sack. »Hier spukt es.«
Dóra schloss die Augen. Es spukte. Klar. »Ach so«, sagte sie in den Hörer, während sie sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn tippte, um Bragi zu signalisieren, dass Jónas’ Anliegen höchst sonderbar war. Bragi rückte näher heran, in der Hoffnung, Jónas’ Worte verstehen zu können.
»Ich wusste, dass du skeptisch sein würdest«, brummelte Jónas. »Aber es ist wahr und hier in der Gegend allgemein bekannt. Der Verkäufer hat es gewusst und beim Verkauf nichts darüber gesagt. Für mich ist das Betrug, vor allem, wenn man bedenkt, dass ihm meine Pläne für Hof und Grundstück bekannt waren. Ich habe hier sehr sensible Leute, und damit meine ich sowohl die Gäste als auch die Mitarbeiter. Sie fühlen sich unwohl.«
Dóra fiel ihm ins Wort. »Wie … gestaltet sich dieser Spuk denn?«
»Es sind einfach schlechte Schwingungen im Haus. Zum Beispiel verschwinden Dinge, in der Nacht hört man unerklärliche Laute, und Leute haben plötzlich ein Kind auftauchen sehen.«
»Und?«, fragte Dóra. Das war ja nun wirklich nichts Besonderes. Bei ihr zu Hause verschwanden unentwegt Dinge, vor allem Autoschlüssel, tagsüber wie nachts waren Geräusche zu hören, und Kinder tauchten ziemlich oft plötzlich auf.
»Hier gibt es gar kein Kind, Dóra. Auch nicht irgendwo in der Nachbarschaft.« Er schwieg einen Moment. »Das Kind ist nicht von dieser Welt. Ich habe es hinter mir auftauchen sehen, als ich in den Spiegel geschaut hab. Man kann gar nicht beschreiben, wie unlebendig es ist.«
Dóra spürte, wie ihr ein leichter Schauer über den Rücken lief. Etwas in Jónas’ Stimme sagte ihr, dass er wirklich daran glaubte, etwas Übersinnliches gesehen zu haben, wie unglaublich ihr das auch vorkommen mochte.
»Was soll ich tun? Willst du, dass ich mit den Verkäufern darüber spreche und versuche, den Kaufpreis zu drücken? Geht es darum? Eins ist jedenfalls klar — ich kann dich nicht von Geistern befreien oder die Schwingungen in dem Haus verbessern.«
»Komm übers Wochenende her«, schlug Jónas unvermittelt vor, »ich möchte dir ein paar Dinge zeigen, die wir hier gefunden haben, und mit dir besprechen, ob die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Die Suite ist frei, du kannst es dir richtig gut gehen lassen. Eine Hot-Stone-Massage nehmen und so. Du wirst rundum gestärkt wieder nach Hause fahren. Natürlich bezahle ich dich auch anständig.«
Dóra konnte eine Auszeit gut gebrauchen, auch wenn sie die von Jónas versprochene Erholung in Anbetracht des angeblichen Spuks etwas widersprüchlich fand. Momentan drehte sich ihr Leben vor allem um den angekündigten Enkel, den ihr Sohn mit noch nicht einmal 16 Jahren gezeugt hatte, und um das angespannte Verhältnis zu ihrem Ex-Mann, der sich in den Kopf gesetzt hatte, das Kind sei nur zustande gekommen, weil Dóra selbst als Mutter unfähig sei. Seiner Meinung nach hatten die Hormone ihres Sohnes am wenigsten Anteil an dem ganzen Dilemma; es war alles Dóras Schuld. Und diese Meinung teilte er mit den Eltern der zukünftigen 15-jährigen Mutter. Dóra seufzte. Um diese ganzen Sorgen aus ihrer ramponierten Seele zu massieren, bräuchte man ziemlich machtvolle heiße Steine.
»Was soll ich mir denn überhaupt anschauen, Jónas? Kannst du mir das nicht einfach in die Stadt schicken?«
Jónas lachte reserviert. »Nein, eigentlich nicht. Es ist eine Unmenge von Kisten mit alten Büchern, Zeichnungen, Bildern und allem möglichen Kram.«
»Warum glaubst du, dass das alte Zeug wichtig ist?«, fragte Dóra zweifelnd. »Und warum schaust du es nicht einfach selbst durch?«
»Ich schaffe es nicht. Ich hab’s versucht, aber es ist mir unheimlich. Ich kann das Zeug nicht anfassen. Du bist viel erdverbundener als ich, du kannst das alles bestimmt durchsehen, ohne etwas zu spüren.«
Dóra konnte ihm nur beipflichten. Auren, Elfen, Geister und Derartiges hatten ihr bisher noch nicht allzu viele Probleme bereitet. Das Greifbare hatte ihr das Leben schon schwer genug gemacht, dafür musste sie die Grenzen der Realität gar nicht erst verlassen. »Gib mir ein kleines bisschen Bedenkzeit, Jónas. Ich kann dir nichts versprechen, aber ich schaue mal, ob ich Zeit habe zu kommen. Ich rufe dich morgen Nachmittag an, reicht das?«
»Ja, ja. Ruf auf jeden Fall an, ich bin den ganzen Tag zu erreichen.« Jónas zögerte kurz, bevor er weiterredete. »Du willst wissen, warum ich den alten Krempel für wichtig halte?«
Dóra bejahte.
»In der Kiste, die ich als erste durchgesehen habe, war ein altes Foto.«
»Und?«
»Auf dem Foto ist das Mädchen, das ich im Spiegel gesehen habe.«