17. KAPITEL


Es war noch dunkel, als Golo unsanft aus dem Schlaf gerüttelt wurde. »Es ist soweit«, flüsterte eine Stimme dicht an seinem Ohr.

Müde streckte der junge Ritter seine Glieder und schlug die klamme Decke zur Seite. Die Feuchtigkeit war aus den Sümpfen ins Lager hinaufgezogen. Golo rieb sich mit den Händen über die Arme, bis ihm ein wenig wärmer wurde. Dann tastete er in der Finsternis nach seinen Kleidern und der Rüstung.

Er war noch nicht ganz angekleidet, als die Plane des Zelts zurückgeschlagen wurde und eine Gestalt mit einer Blendlaterne eintrat. Bischof Jehan! Der grauhaarige Normanne lächelte spöttisch. »Heute werden wir beide zu Ende bringen, was in einer Schenke begonnen hat. Wenn die Sonne untergeht, werde ich der Herrscher dieser Sumpfstadt sein. Du hast mir einen guten Dienst erwiesen, Golo, und dafür sollst du belohnt sein. Du darfst in der Schlacht heute an meiner Seite kämpfen. Ich lasse zwei meiner Getreuen bei dir. Sie werden dich zu mir bringen, sobald du fertig gerüstet bist. Wenn du dich bei der Erstürmung der Wälle bewährst und mir zeigst, daß das Zeug zu einem richtigen Ritter in dir steckt, dann werde ich dich zum Vogt dieser Stadt machen. In meinem Namen sollst du hier draußen in den Sümpfen herrschen. Ein beachtlicher Aufstieg für einen Pferdeknecht, nicht wahr?«

Golo nickte ergeben. »Ich danke Euch, Herr. Eure Großzügigkeit wird nur noch von Eurem Mut und Eurer Schwertkunst übertroffen.«

Eine steile Falte zeigte sich auf der Stirn des Bischofs. »Mach keine Späße mit mir, Knecht! Ich habe noch zu tun. Beeile dich! In einer Stunde wird der Angriff beginnen. Ich hoffe, daß der Nebel dem Heidenpack unsere Truppenbewegungen verbergen wird und wir dieses Gesindel überraschen.« Jehan wandte sich ab. Einer der Leibwächter des Bischofs schlug die Zeltplane zurück, und der Normanne verschwand in der Finsternis. Die beiden Söldner, die er zurückgelassen hatte, waren unrasierte Schläger. Offensichtlich hatten sie Gefallen daran, daß man ihnen ansah, daß sie bezahlte Mörder waren. Golo schluckte. Warum hatte der Bischof diese Kerle zu ihm abkommandiert und keinen Ritter? Ob Jehan plante, ihn während des Angriffs ermorden zu lassen? Immerhin war er, Golo, der einzige, der außer dem Bischof wußte, daß er kein Edelknappe, sondern nur ein Bauernsohn war und daß Jehan seinem König eine handfeste Lügengeschichte vorgetragen hatte, als sie beide den Tod Volkers beklagt hatten.

Golo musterte seine beiden Wächter mißtrauisch. Er sollte aufpassen, daß keiner von diesen Kerlen in seinen Rücken gelangte, wenn die Schlacht erst einmal begonnen hatte.



Verschlafen tastete Volker über den Platz an seiner Seite. Er wollte Nemans Haar zerwühlen, ihren zarten Hals küssen und... Halb benommen richtete er sich auf. Sie war nicht mehr da!

Ein leises Geräusch ließ ihn herumfahren. Schlagartig war er jetzt hellwach. Jemand stand neben dem Tisch. Die Dochte der Öllampen glommen nur noch schwach, und er konnte, die Gestalt nur undeutlich erkennen. Es war eine Frau mit langem Haar. Sie schien seine Beinlinge in Händen zu halten und machte sich an der flachen Wasserschüssel zu schaffen.

»Neman«, flüsterte Volker. »Was machst du dort? Komm in meine Arme zurück...«

Die Gestalt am Tisch drehte sich zu ihm um. »Meine Schwester hat uns verlassen.« Die Stimme der Frau klang zu dunkel! Jetzt konnte Volker ihr Gesicht besser erkennen.

Es war Babd, die Wäscherin! Mit Schrecken dachte der Spielmann an all die Geschichten, die er über die Unglücksbotin gehört hatte. Sah ein Krieger sie am Morgen einer Schlacht, so hieß dies, daß er sterben würde.

»Deine Beinlinge sind jetzt sauber, Sänger.« Babd legte die beiden Kleidungsstücke auf den Tisch neben die Schüssel und strich sie glatt. »Es wird ein heißer Tag werden. Die Normannen wappnen sich bereits zur Schlacht.«

»Neman, bitte komm zurück...« Volker starrte die Frau verzweifelt an. Er hoffte, der Geist der Todesbotin, oder was auch immer in den Leib der Morrigan gefahren war, würde vielleicht von ihr ablassen. Es war grausam, in das so vertraute Gesicht zu sehen und eine gefühllose, kalte Stimme von den Lippen klingen zu hören, die er vor wenigen Stunden erst geküßt hatte.

»Ich muß nun gehen. Wir sehen uns wieder, Sänger.« Volker fröstelte es in dem kühlen, fensterlosen Raum. Die Todesbotin hatte recht. Jeder Krieger des Nachtvolks würde ihr am Ende seines Weges begegnen. Wen sie wohl noch alles besuchen würde?

Der Spielmann erhob sich von seinem Lager und begann sich anzukleiden. Er war ein Christ. Für ihn hatten die düsteren Legenden des Nachtvolks keine Bedeutung, und die Götter des Feenvolkes hatten keine Macht über ihn. Trotzdem unterließ er es, die Beinlinge anzulegen, die die Todesbotin berührt hatte.



Die Krieger hatten Befehl erhalten, keine Fackeln oder Laternen zu entzünden und sich im Schutz des dichten Nebels schweigend den Mauern zu nähern. Bischof Jehan hatte sein Heer in zehn Gruppen unterteilt. Die Verletzten und ein Teil der Knechte blieben im Lager zurück. Sie sollten dort die Feuer schüren und soviel Lärm machen wie eine ganze Armee, die ihr Frühstück einnahm und sich auf einen neuen Belagerungstag vorbereitete.

Die hunnischen Bogenschützen und die Schleuderer von den Balearen waren als Späher vorausgeschickt worden. Sobald der Angriff auf die Mauern begann, würden sie den Rittern und Lanzenträgern Deckung geben, indem sie jeden beschossen, der sich auf den Mauern zeigte. Acht Einheiten von Fußkämpfern würden die Mauern zur gleichen Zeit von acht verschiedenen Seiten angreifen. Jehan und seine Berater gingen davon aus, daß die Feen nicht mehr genügend Krieger hatten, um die ganze Mauer zu bemannen, so daß es ein leichtes sein würde, in die Stadt einzudringen, wenn man an vielen Orten zugleich angriff.

Sobald eine Gruppe innerhalb der Wälle Fuß gefaßt hatte, sollte sie versuchen, sich bis zum Stadttor durchzuschlagen, um es für die Reiter zu öffnen, die als Reserve in der Nähe des Lagers warteten.

Golo war von seinen Wächtern zur Einheit des Bischofs eskortiert worden. Der Trupp bestand fast ausschließlich aus Rittern. Sie sollten nahe dem Stadttor angreifen, und Jehan erwartete nicht weniger, als daß seine Männer die ersten wären, die auf der Mauer der feindlichen Stadt stehen würden.

Die aufgehende Sonne tauchte den Nebel in ein unheimliches, rotes Licht. Irgendwo in den Sümpfen erhob sich laut schnatternd eine Ente zum Himmel. Golo hatte gemeinsam mit drei anderen Rittern eine Leiter geschultert. Allein ihre Gruppe führte zehn Sturmleitern mit sich, und auch die anderen Abteilungen waren mit Wurfankern und Leitern ausgerüstet. Dem jungen Ritter war übel. Außer ein paar Bissen alten Brots hatte er nichts herunterbekommen. Mißtrauisch blickte er zu seinen beiden Aufpassern, die ein wenig seitlich von ihm gingen. Vielleicht bildete er sich ja alles nur ein, und die zwei Männer waren wirklich zu seinem Schutz abgestellt? Er wünschte sich, Berengar würde noch leben. Mit dem Ritter aus Armorika an seiner Seite würde er sich jetzt sicherer fühlen.

Dunkel erhob sich vor ihnen die Stadtmauer aus dem Nebel. Der Bischof zog sein Schwert und hob den Arm. Die Kolonne der Krieger kam zum Stehen. Offenbar hatten die Verteidiger sie immer noch nicht bemerkt. Der Nebel, der die Stadt für Jahrhunderte vor neugierigen Blicken bewahrt hatte, würde ihr heute morgen zum Verhängnis werden.

Jehan schien sich noch ein letztes Mal mit seinen Beratern zu besprechen. Quälend langsam ging die Zeit dahin. Würde nur endlich der Angriff beginnen! Golo hatte das Gefühl, er müsse sich jeden Moment erbrechen. Verstohlen blickte er zu den anderen Kriegern hinüber. Einige hatten sich auf den Acker gesetzt und dösten vor sich hin. Andere wirkten unruhig und prüften immer wieder ihre Waffen. Ein verrutschendes Kettenhemd oder ein offener Kinnriemen an einem Helm konnten im Gefecht den Tod bedeuten.

Endlich winkte der Bischof nach seinem Hornisten. Das Angriffssignal erklang. Fast augenblicklich ertönten auch rechts und links von ihnen Kriegshörner im Nebel. Dann war das Signal auf allen Seiten der Stadt zu hören.

Jehan hob sein Schwert zum Himmel. »Tod den Heiden«, rief er mit tönender Stimme. Die Ritter und Söldner nahmen seinen Schlachtruf auf. Dann begannen mehr als tausend Krieger den Angriff auf die Stadt.



»Sag das noch einmal«, fauchte Volker wütend.

Der junge Krieger wagte es nicht mehr, ihm in die Augen zu sehen. »Die zwanzig Kämpfer, die Ihr als Reserve abgestellt habt, sind nicht mehr da, mein König. Macha ist diese Nacht gekommen und hat den Männern den Befehl gegeben, die Stadt zu verlassen. Ich weiß auch nicht, wo sie jetzt sind und was sie tun.«

Der Spielmann faßte sich an den Kopf. Das gab es nicht! Wenn er es nicht besser gewußt hätte, würde er sagen, daß Macha es den Angreifern leichter machen wollte, über die Mauern zu kommen. Was zum Teufel sollte dieser sinnlose Befehl? Ohne die Verstärkung würde er den ersten Mauerring nicht einmal eine halbe Stunde halten können.

»Komm mit mir! Wir sind jetzt die Reserve!« Volker hatte sich eines der wenigen Pferde besorgt, die es in der Stadt gab. Auf einer Insel inmitten der Sümpfe brauchte man keine Reittiere. So gab es nur wenige Arbeitspferde, die im Ackerbau benutzt wurden oder schwere Karren ziehen mußten. Auch für den jungen Krieger war ein Hengst vorhanden. Sie würden in der Nähe des Tores bleiben. Dort war bereits ein wilder Kampf entbrannt, und vermutlich hatten die Normannen hier ihre besten Truppen zusammengezogen.

In regelmäßigen Abständen hinter der Mauer hatte er Frauen plaziert, die als Botenläuferinnen dienen sollten und die Aufgabe hatten, Verwundete aus dem Kampfbereich fortzubringen. Viele der schmalen Gassen des Stadtviertels waren mit Barrikaden unpassierbar gemacht. So würden die Eroberer, selbst wenn die erste Verteidigungslinie gefallen war, nicht schnell bis zur zweiten Mauer vorrücken können. Die Verteidiger hingegen kannten genau die wenigen Fluchtwege, die noch offen waren. An einigen Stellen lehnten lange Leitern an der zweiten Mauer, so daß die Flüchtlinge nicht zum einzigen Tor laufen mußten, um in den höher gelegenen Stadtteil zu gelangen. Die Leitern wurden jedoch von zuverlässigen Männern und Frauen bewacht, und sie würden sofort hochgezogen, sobald sich die Normannen dem zweiten Wallring näherten. Ruhig blickte der Spielmann zum Mauerkranz am Tor. In den letzten drei Tagen hatte er alles, was menschenmöglich war, getan, um die Stadt zur Verteidigung vorzubereiten.

Ganze Karrenladungen von Steinen waren auf den Mauern plaziert worden, um sie auf die Angreifer herabzuschleudern. Es gab Stangen und Gabeln, mit denen die Leitern zurückgestoßen werden konnten, und Beile, mit denen man die Seile von Wurfankern durchtrennen würde. Sicher würden sie den Normannen hohe Verluste beibringen, doch daß sie die Angreifer aufhalten könnten, glaubte der Spielmann nicht.



»Los, hinauf mit dir! Tu etwas für Land und Titel! Ich werde hinter dir die Leiter hinaufkommen.« Jehan wies mit dem Schwert zur Mauerkrone. Zweimal schon hatten ein paar Ritter auf der Mauer Fuß gefaßt und waren wieder zurückgedrängt worden. Der Nebel hatte sich nun ein wenig gelichtet und verhüllte kaum noch den grausamen Anblick des Schlachtfelds. Am Fuß der Mauer lagen Männer mit zerschmetterten Gliedern. Zwischen ihnen ragten wie Gerippe die Reste zerbrochener Leitern auf.

Ein wahrer Hagel von Steinen schlug den Angreifern entgegen. Golo hielt schützend seinen Helm über den Kopf. Der schwere Topfhelm behinderte seine Sicht, doch im Augenblick war er sogar dankbar, nicht zu wissen, wer ihn rechts und links auf der Mauer erwarten würde. Hinter den angreifenden Rittern waren zwei Dutzend Bogenschützen in Stellung gegangen, um die Verteidiger oben auf der Mauer in Deckung zu zwingen.

Zögernd umklammerte Gold die Sprossen der Leiter. Nur ein kleines Stück neben ihm lag der Ritter, der den letzten Angriff angeführt hatte. Sein Kopf war in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Der Krieger war schon fast auf der Mauer angekommen gewesen, als man seine Leiter mit einer Forke zurückgestoßen hatte.

»Für Burgund!« brüllte Golo aus vollem Halse. Es tat gut zu schreien. So konnte er seine Angst verdrängen. Ein letztes Mal prüfte er den Sitz der Lederschlinge am Griff seines Schwertes. Sie würde dafür sorgen, daß die Waffe von seinem Handgelenk hinabhing. Mit einer kleinen Drehung hätte er das Schwert wieder in der Hand. Das war besser, als die Waffe erst noch ziehen zu müssen, wenn er oben auf der Mauer ankam. So behielt er die Rechte frei, um sich an den Sprossen der Leiter festzuhalten, während er nach oben stürmte. Mit der Linken hielt er sich schützend den Wappenschild über den Kopf. So schnell er konnte, kletterte er die Leiter hinauf.

Neben ihm ertönten gellende Schreie und dann das Bersten von Holz. Eine der Leitern mußte gestürzt sein. Er würde jetzt nicht nach links sehen! Starr hielt er den Blick auf die Mauer vor ihm geheftet und zog sich von Sprosse zu Sprosse weiter die Leiter hinauf. Ein Stein prallte auf seinen Schild und glitt zur Seite ab. Dann erschien ein Stück blauer Himmel über ihm. Er hatte es fast geschafft!

Mit der Rechten griff er nach dem Mauerkamm und zog sich hoch. Plötzlich stand wie aus dem Nichts ein Krieger vor ihm. Genaugenommen war es noch ein Knabe. Vielleicht war er fünfzehn Sommer alt, vielleicht auch noch jünger. Er holte mit einer Axt aus, um ihm den Schädel zu zerschmettern. Golo stieß sich von der Mauer ab und duckte sich zugleich hinter seinen Schild. Er prallte gegen den Jungen, und sie beide stürzten zu Boden.

Golo rollte sich zur Seite, und dicht neben ihn stieß klirrend ein Speer auf die steinernen Bodenplatten des Wehrgangs.

»Fahrt zur Hölle, ihr Teufel!« ertönte der tiefe Baß des Bischofs. Golo sah den Jungen, der ihn angegriffen hatte, mit zerschmettertem Gesicht zu Boden stürzen.

Mit Mühe kam der ehemalige Knecht wieder auf die Beine. Das verdammte Kettenhemd machte ihn langsam. Jetzt wünschte Golo sich, er hätte härter mit Jehans Waffenmeister geübt. Noch zwei weitere Ritter waren auf die Mauer gekommen. Schild an Schild schirmten sie das Ende der Leiter ab. Links von ihnen versuchten zwei Männer die Leiter mit einer langen Stange von der Mauer wegzustoßen.

»Mir nach!« Jehan hatte seinen Streitkolben hoch über den Kopf erhoben und griff die Krieger zu ihrer Linken an. Ein Pfeil schlug krachend in Golos Schild. Der junge Ritter fluchte leise. Er kam von der anderen Seite der Mauer. Einer ihrer eigenen Männer mußte ihn abgeschossen haben.

Die beiden bunt bemalten Krieger ließen jetzt die Stange fallen und zogen ihre Schwerter. Golo wartete den Angriff seines Feindes ab. In dem Moment, als die Klinge seines Gegners auf seinen Schild niederfuhr, trieb er dem Mann sein Schwert in den ungedeckten Bauch.

»Gut gemacht, Junge! Ich sehe, aus dir wird noch ein Mann und...« Der Bischof brach mitten im Satz ab und wandte sich zur Brüstung. »Bei allen Heiligen! Diese Hundesöhne! Sie müssen die Dämme durchstochen haben!«

Golo folgte dem Blick des Kirchenfürsten. Es war windstill, und der Nebel war vom erstarkenden Sonnenlicht fast aufgelöst. Zum ersten Mal an diesem Morgen konnte man hundert Schritt weit sehen, und was der junge Ritter sah, ließ ihm fast das Herz erstarren. Breite Ströme von braunschwarzem Wasser ergossen sich über die Felder unterhalb der Mauer. Schon kippten die ersten Zelte des Heerlagers. Die Reiterreserve kam auf die Stadt zugaloppiert. Einige Pferde scheuten und warfen ihre Reiter ab. Den Männern, die im Lager zurückgeblieben waren, reichte das Wasser schon bis zu den Hüften.

Der Bischof verpaßte Golo einen Stoß mit dem Ellenbogen. »Wir müssen runter zum Tor. Nur wer es bis in die Stadt schafft, ist vor den Fluten sicher!« Jehan wies auf eine breite Rampe, die auf der Rückseite der Mauer verlief.

Hinter ihnen wurden die Verteidiger langsam von der Mauer zurückgedrängt. Auch unter den Kriegern des Nachtvolks schien Verwirrung zu herrschen.

Jehan schlug eine junge Frau nieder, die sich ihnen auf der Rampe mit einem Speer in der Hand entgegenstellte. Offenbar waren die Sumpfleute entschlossen, ihre Stadt bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Ohne auf weiteren Widerstand zu treffen, erreichten sie die schmale Straße, die auf der Rückseite der Mauer verlief. Das Tor war nur noch zwanzig Schritt entfernt.

Keuchend rannten die beiden am Wall entlang. Golo hatte das Gefühl, sich jeden Schritt abzwingen zu müssen. Fast hatten sie das Tor erreicht, als hinter ihnen Hufschlag ertönte. Der junge Ritter biß sich auf die Lippen und versuchte, noch schneller zu laufen. Es waren nur noch sieben oder acht Schritt bis zum Tor. Zwei breite Querbalken verriegelten die hohe, eichene Pforte.

»Mach du das Tor auf«, rief hinter ihm Jehan. »Ich übernehme den Reiter!«

Ohne sich umzusehen, warf sich Golo gegen die Torflügel. Mit der Schulter stemmte er den ersten Querbalken hoch. Von draußen konnte er Rufe hören. Braunes Wasser sickerte unter dem Tor hindurch. Ein Pfeil streifte klirrend sein Kettenhemd. Dicht neben seinem Hals schlug ein zweites Geschoß ein. Mit ausgestreckten Armen griff der junge Ritter nach dem zweiten Querbalken. Einen Augenblick lang schien es, als wolle sich das schwere Kantholz nicht von der Stelle bewegen. Immer lauter tönte das Geschrei vor dem Tor. Jetzt war auch das Wiehern von Pferden zu hören.

Endlich gab der Querbalken nach, rutschte aus seiner Verankerung und schlug krachend zu Boden. Hastig sprang Golo zur Seite. Quietschend schwangen die Torflügel auf, und ein Strom von Flüchtlingen ergoß sich in die Stadt.


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