1. KAPITEL


Golo hatte die beiden Pferde trockengerieben und ging vom Stall zur Schenke. Was für ein Sauwetter! Seit drei Tagen regnete es. Wohin man sah, war Wasser. Die dürftigen Straßen bildeten eine einzige Pfütze, daneben Kanäle und bis zum Horizont Sumpf. Seine Kleider waren von oben bis unten mit Schlamm bespritzt, und er hatte keinen trockenen Faden mehr am Leib. Das war keine Jahreszeit, um zu reisen! Sie hätten jetzt auf der schönen, warmen Burg bei Worms sitzen können. Aber sein Herr mußte ja unbedingt dieser verfluchten Sächsin nachstellen. Volker sprach zwar nicht gerne darüber, doch ahnte Golo, daß sie der Grund für ihre überstürzte Reise gewesen war. So war das Leben als Knecht! Die Herren begingen eine Torheit, und wer mußte dafür zahlen? Ihre Knechte! Und jetzt auch noch das Spielchen mit dem Duell. Drei Tage lang hatte er Ruhe gehabt, doch es gab Gerüchte über Räuberbanden und Unholde aus den Mooren, die diese Gegend unsicher machten. Deshalb hatte Volker beschlossen, daß es heute wieder soweit sei. Golo blickte flüchtig auf den Platz in der Mitte des kleinen Dorfes. Hier mitten im Morast würde der Kampf stattfinden. Wütend spuckte der Diener aus und trat dann durch die niedrige Tür in die Schenke.

»Gott zum Gruß, Fremder. Habt Ihr die Tiere versorgt? Ein verfluchtes Wetter heute, nicht wahr?« Auf einem Stuhl neben dem Feuer hockte der hagere Schankwirt und blickte grinsend von dem Fisch auf, den er ausnahm.

Golo schaute ihn verdrießlich an. »Ich hab’ schon Flüsse gesehen, die weniger Wasser führten als Eure Straßen.«

Der Wirt lachte. »Ihr müßt auch die guten Seiten sehen. Hier gibt es jede Menge Fische. Ich bring’ Euch ‘nen Teller Suppe, und nach ‘nem Schluck Branntwein, wenn Ihr erst einmal wieder warm geworden seid, sieht alles schon ganz anders aus. Den Rest des Tages werdet Ihr Euch den Regen von hier im Trocknen anschauen können. In drei Stunden beginnt es zu dämmern. Ihr werdet doch gewiß nicht mehr weiterreiten wollen.«

Golo schnallte den Schwertgurt ab und legte die Waffe vor sich auf den Tisch. Dann zückte er den Löffel, den er seitlich im Stiefel stecken hatte, und blickte erwartungsvoll zu dem großen, dampfenden Topf, der über dem Feuer hing. Außer dem Wirt waren nur noch drei Bauern in der Schenke. Es war besser, jetzt schon mit dem Spiel anzufangen. Bei dem Regen würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis Volker auftauchte.

»Ist sicher besser, noch ein paar Meilen zu reiten, bis es dunkel wird. Sollte schauen, daß ich weiterkomme. Bis zu den Mauren wird er mir vielleicht nicht folgen.«

Der Wirt stellte eine Schüssel voll dampfender Fischsuppe vor ihm auf den Tisch. Golo rümpfte die Nase. Er haßte Fischsuppe! »Wer soll Euch nicht bis zu den Mauren folgen, Herr?«

Schlürfend begann der Knecht, die Suppe auszulöffeln. »Habt Ihr noch ein Stück Brot?«

»Erzählt mir Eure Geschichte und was draußen in der Welt so vor sich geht, und ich schenk’ Euch ein Brot. Wißt Ihr, nach hier verirrt sich nur selten jemand. Wir haben schon lange keine Neuigkeiten mehr gehört.«

Golo blickte von der Suppe auf. »Ihr seid doch ein gottesfürchtiger und ehrbarer Mann, nicht wahr?«

Der Wirt nickte eifrig. »Natürlich. Frag nur den Pfaffen nach mir. Es gibt kaum eine frömmere Seele als mich hier im Dorf.«

Das Gespräch der Bauern am anderen Tisch verstummte. Golo saß mit dem Rücken zu ihnen, doch er konnte förmlich spüren, wie sie jetzt die Hälse reckten und ihre Ohren spitzten.

»Wißt Ihr, Freund, ich bin auf der Flucht. Ohne mein eigenes Verschulden hat der Himmel mich mit einem großen Unheil gestraft. Kurz nach dem Christfest war ich in Worms am Königshof der Burgunden. Ich hatte dort ein Geschäft zu tätigen. Hab’ ein bißchen Vieh verkauft... König Gunther bewirtete ein paar sächsische Gesandte, und ich sag’ Euch, die Kerle haben ihm förmlich die Haare vom Kopf gefressen. Jeden Tag gab es einen Ochsen am Spieß und noch viel mehr. Nun, wie ich so auf dem Hof der Burg stehe, kommt ein hübsches Fräulein vorbei und verliert ein Tüchlein, das sie im Ärmel ihres Gewandes getragen hatte. Sie hat’s offensichtlich nicht bemerkt, und so beuge ich mich hinab, hebe das Tüchlein auf und reiche es ihr. Sie bedankte sich recht artig und ging ihrer Wege. Als ich dann zum Schlachtmeister gehen wollte, um mit ihm zu besprechen, ob er noch mehr fette Ochsen gebrauchen kann, kommt plötzlich so ein junger Ritter auf mich zu. Ich sag’ Euch, seine Augen funkelten wie geschliffene Dolche. Er packt mich am Wams und zerrt mich in einen Stall, wo wir allein sind, und dort fängt er an zu schreien wie ein Eber auf dem Sauspieß. Behauptet, ich hätte ihn und seine Dame beleidigt, und ich hätte meine ungewaschenen Finger von dem Tüchlein lassen sollen. Daß sie es habe fallen lassen, sei ein Zeichen nur für ihn gewesen, und dadurch, daß ich es aufgehoben hätte, sei nun alles verdorben. Am Ende forderte der Kerl mich zum Duell heraus. Er meinte, die Ehre seiner Dame könne nur mit meinem Blut wieder reingewaschen werden. Zum nächsten Morgengrauen sollte ich bei einer Kapelle im Wald auf ihn warten.« Golo brach ein Stück von dem Brotlaib, den die Frau des Wirtes inzwischen gebracht hatte, und wischte damit die Suppenschüssel aus.

»Und dann? Habt Ihr etwa den Ritter im Zweikampf besiegt? Wie geht die Geschichte weiter?«

Der Knecht maß den Wirt mit einem abfälligen Blick. »Sehe ich vielleicht aus, als sei ich verrückt? Ich bin doch kein Krieger! Ich habe die Zeit, die mir noch blieb, genutzt, meine Sachen gepackt und bin auf und davon. Wißt Ihr, ich habe mich erkundigt, wer dieser Ritter war. Volker von Alzey heißt er, und man sagte mir, er sei der beste Schwertkämpfer im Burgundenreich. Selbst den mächtigen Hagen könne er besiegen. Was soll ich mich mit so jemandem schlagen? Der schlitzt mir den Bauch auf, noch bevor ich blank gezogen habe. Nein, nein! Ich bin zwar nur ein einfacher Mann, aber dumm bin ich nicht!«

Golo rülpste und blickte nachdenklich auf den kleinen Zinnbecher, den er während des Mahls geleert hatte. Der Wirt füllte ihm nach.

»Nun, ich war noch keine drei Tage unterwegs, als ein Händler, den ich des Weges traf, mich warnte. Er war am Vorabend einem furchterregenden Ritter mit langem, blondem Haar begegnet, der nach mir suchte. Dieser verfluchte Herr von Alzey hatte sich auf meine Spur gesetzt. Erst vorgestern habe ich wieder Reisende getroffen, die ihn gesehen haben. Er muß wie von Sinnen sein. Sie berichteten mir, daß er bei Martinopolis eine Bande von fünf Räubern erschlagen hat, die sie bedrohte. Er soll wie ein Wilder und ohne Gnade gefochten haben. Deshalb, Freunde, bin ich in großer Sorge. Was mag diesen Mann nur dazu treiben, mich wegen des Tüchleins einer Dame so unbarmherzig zu verfolgen? Einmal soll er sogar ein Haus angezündet haben, in dem ich nächtigte. Sagt selbst, Herr Wirt, muß man da nicht verrückt sein?«

»Nun ja, wer versteht sie schon, die adligen Herren und...« Draußen auf dem Marktplatz ertönte lautes Geschrei.

»Golo von Worms! Wo steckst du Bastard! Ich werde dir das Herz herausreißen!«

Der Knecht zuckte zusammen und griff nach seinem Schwert. Jetzt kam es darauf an, den Schlußakt überzeugend zu spielen. »Bitte, Herr Wirt, versteckt mich! Dieser Wahnsinnige wird mich ermorden!«

Die Bauern waren aufgestanden und spähten durch die Tür, die sie einen Spaltbreit geöffnet hatten. »Ich...« Der Wirt erhob abwehrend die Hände. »Ich habe kein Kloster. Sucht woanders Unterschlupf. Ich will nicht, daß er auch mir den roten Hahn aufs Dach setzt. Mach, daß du hier wegkommst, Kerl.«

»Nun, Ihr habt also meinen Tod beschlossen. So sei es! Meine Flucht wird heute ein Ende haben!« Golo stand auf und trat zur Tür. Die Bauern wichen zur Seite. Der Knecht konnte seinen Herren jetzt sehen. Volkers Auftritt war eindrucksvoll wie immer. Auf seinem weißen Hengst mit dem weiten scharlachroten Umhang und dem weißen Waffenrock sah er aus wie ein Recke aus den Liedern der Spielleute. Das blanke Schwert in der Hand, ließ er sein Pferd steigen und trieb es dann in Richtung der Schenke. Überall vor den armseligen Häusern des Dorfes hatten sich Schaulustige versammelt.

Golo stieß die Tür des Wirtshauses auf. »Wohlan denn, Herr von Alzey. Laßt uns unseren Zwist zu Ende bringen!« Wenigstens hatte es inzwischen aufgehört zu regnen.

»Endlich ist die Stunde der Rache gekommen, du Wicht! Fünfhundert Meilen bin ich dir gefolgt!« Der Spielmann schwang sich aus dem Sattel und trat mit gesenktem Schwert auf ihn zu. »Nimm das!« Mit kraftvollem Stoß versuchte er, dem Knecht die Waffe in den Leib zu rammen. Wohl hundertmal hatten sie dieses Spiel auf ihrer Reise geprobt, doch Golo hatte stets Angst davor. Er machte einen Schritt zur Seite und ließ die Klinge des Ritters an seiner Waffe abgleiten. Volker setzte nach und stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. Wie üblich war der Treffer auch diesmal heftiger als vereinbart, und Golo ging stöhnend in die Knie.

»Komm hoch, du elender Wurm, und wehr dich.«

Der Knappe blieb in der Tür am Boden hocken und rieb sich über die Rippen. Er haßte diese Auftritte!

»Es ist eine Schande, wenn ich meine Klinge mit deinem Blut besudle, Bastard. Du führst dein Schwert wie einen Besenstiel.«

Golo konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie einige der Bauern grinsten. Für sie war das Schauspiel eine unterhaltsame Abwechslung im täglichen Einerlei.

»Du weißt, daß man mich den besten Schwertkämpfer von Burgund nennt, obwohl meine Bescheidenheit es mir verbietet, diesen Titel anzuerkennen. Wenn ich also unter diesen Umständen gegen dich kämpfen würde, so könnte man mich zu Recht einen Mörder nennen. Damit auch dir die Hoffnung bleibt zu obsiegen, werde ich nun meine Augen verbinden und blind gegen dich weiterkämpfen. Das Duell endet, wenn einer von uns beiden in seinem Blute am Boden liegt.«

Golo kämpfte sich mit einem Seufzer auf die Beine. »Ihr seid von Sinnen, Herr. Wer vermag es schon, sich mit verbundenen Augen zu wehren.« Der Knecht konnte hören, wie die Bauern hinter ihm wetteten, wer den Zweikampf gewinnen würde. Ärgerlicherweise setzte kaum jemand auf ihn.

»Schweig, du Rattengesicht!« tönte Volker, dem seine Rolle stets großes Vergnügen bereitete. »Was weißt du schon von Ritterlichkeit und Schwertkunst? Glaube nicht, daß dein Sieg schon gewiß ist.«

»Wohlan, bringen wir unseren Streit zu Ende! Möge der Herr Eurer Seele gnädig sein.«

»Du!« Der Spielmann zeigte auf das hübscheste unter den jungen Bauernmädchen, die dem Spektakel zusahen. »Komm zu mir und verbinde mir mit dem Tuch, das du um den Hals trägst, die Augen. Und schenk mir ein Gebet, auf daß du nicht zur Nacht mein Blut aus dem Stoff waschen mußt.« Es wurde schlagartig still auf dem Platz. Unruhig blickte sich Golo um. Für gewöhnlich konnte man an dieser Stelle den einen oder anderen der Zuschauer hämisch grinsen sehen. Das Mädchen mit dem Tuch war leichenblaß geworden. Sie schlug ein Kreuz und bewegte die Lippen, als spreche sie tatsächlich ein leises Gebet.

»Deine Sorge um mich ehrt dich, Kleine. Doch sei gewiß, daß mir kein Unglück widerfahren wird. Ich habe noch niemals ein Duell verloren. Herr Golo, macht Euren Frieden mit Gott.«

Volker kniete nieder, damit das Mädchen ihm die Augen verbinden konnte. Natürlich dachte er nicht daran, seinen Waffenrock zur Seite zu schlagen oder einfach nur sein Haupt zu beugen. Er mußte den Dreck ja nicht auswaschen! Mindestens hundertmal hatte Golo schon versucht, ihm auszureden, während der Reise das weiße Gewand zu tragen. Jeden Schlammspritzer sah man darauf! Der Knecht packte sein Schwert fester und ging auf den Dorfplatz hinaus.

Das Mädchen hatte dem Spielmann inzwischen die Augen verbunden. Die Klinge leicht angehoben, wartete er auf Golo. »Gut, Herr, Ihr habt es so gewollt!« Golo berührte mit seiner Waffe die Spitze von Volkers Schwert. »Bringen wir es hinter uns!« Mit drei schnellen Schlägen eröffnete der Knecht das Gefecht. Volker parierte die Angriffe mühelos.

Golo machte einen Satz zurück und rutschte dabei fast im Schlamm aus. Torkelnd gewann er sein Gleichgewicht. Irgendwo hinter ihm lachte jemand. Wütend biß der Knecht die Zähne zusammen. Er war bei diesem Schauspiel stets der Dumme.

»Nun, versuchst du etwa, mir davonzulaufen?« Das war das Stichwort für den nächsten Angriff. Golo wußte, daß der Spielmann jetzt stumm bis sechs zählen würde, um dann herumzuschnellen. Mit ein paar schnellen Schritten umrundete er den blinden Ritter und gelangte so in dessen Rücken. Auch er zählte leise mit. Bei sechs sprang er vor und holte zu einem mörderischen Schlag aus, der auf den Kopf des Spielmanns zielte.

»Hinter Euch, Herr Ritter«, schrie das Mädchen, das Volker sein Tuch gegeben hatte. Der Spielmann fuhr herum und riß sein Schwert hoch. Mit lautem Klirren schlugen die beiden Klingen aufeinander. Nun ging der Ritter zum Angriff über. Mit ein paar wütenden Schlägen trieb er Golo zurück und prellte dem Knecht zum Schluß mit einer gewandten Drehung die Waffe aus der Hand. Dann zielte er mit der Schwertspitze auf die Brust des Dieners und löste mit der Linken die Augenbinde.

»Nicht einmal so seid Ihr ein würdiger Gegner! Wollt Ihr mich um Gnade bitten?«

»Ja, Herr!« Mit flehend erhobenen Armen kniete Golo nieder und achtete darauf, sich nicht allzu schmutzig zu machen. »O mächtigster aller Schwertkämpfer, jeder weiß, daß Ihr der edelste Ritter unter Gottes Sonne seid und Eure Gnade nur von Eurer...«

»Übertreib nicht so!« zischte der Spielmann leise. »Du verdirbst noch den ganzen Auftritt.« Dann fuhr er lauter fort: »Ich werde dir dein Leben schenken, Golo, doch um die Kränkung meiner Ehre zu sühnen, sollst du mir ein Jahr und einen Tag lang als Diener folgen.«

»Ich werde alles tun, was Ihr wollt, Schwertmeister!«



Volker war in allerbester Stimmung, als er mit seinem Waffenrock über dem Arm in den Stall trat. Golo war gerade damit beschäftigt, Lanzenbrecher zu striegeln. Er zog ein Gesicht, als hätte man ihn gezwungen, faule Eier zu frühstücken.

»Nun, mein Freund! Was ist los mit dir? Man hat uns doch freundlich aufgenommen. Der Wirt hat eine gute Küche, und sein Gastzimmer müssen wir offenbar nicht mit Flöhen teilen... Was will man mehr?«

»Ich finde, daß es nicht nötig war, schon wieder dieses Spektakel aufzuführen, Herr Volker. Ihr seid ein Ritter, ein Mann von Stand! So ein Schauspiel ist unter Eurer Würde!«

»Es ist jetzt drei oder vier Tage her, daß wir unser kleines Spektakel zum letzten Mal gezeigt haben. Unser Ruf hat sich bestimmt noch nicht bis hierher herumgesprochen. Es war an der Zeit, etwas zu tun. Der Winter ist vorbei, und die Vorräte sind überall fast aufgebraucht. Es ist eine Zeit, in der Bauern auf dumme Gedanken kommen können. Mit dem Gold, das man für unsere Waffen und Pferde bekommen kann, könnte man ein Dorf wie dieses hier ein ganzes Jahr lang durchfüttern. Die Versuchung wäre groß, uns einen Hinterhalt zu legen. Wir sind zwei Fremde, die niemand vermissen wird. Nach dem Auftritt vorhin wird sich die Geschichte um meine Schwertkunst wie ein Lauffeuer verbreiten, und mit jedem Bauern, der sie weitererzählt, wird sie noch ein wenig eindrucksvoller werden. Das heißt, wir können in den nächsten Tagen wieder sicher reisen. Jeder Strauchdieb wird einen weiten Bogen um uns machen.«

»Aber Ihr seid doch ein Ritter, Herr! Was könnten Euch ein paar schlechtbewaffnete Bauern schon antun?«

Volker lachte bitter. »Auch mich vermag ein Pfeil im Hals oder ein Speer, der mich hinterrücks trifft, zu töten. Außerdem macht es mir keine Freude, ein paar Hungerleider abzuschlachten, die dumm genug sind, um mich mit Knüppeln und Dolchen zu überfallen. Ich habe meine Waffenkunst nicht erlernt, um mich mit solchem Pack zu messen.« Der Spielmann legte den Waffenrock über ein leeres Faß. »Sieh zu, daß du den Rock säuberst. Irgendwie habe ich mich während des Kampfes mit Schlamm besudelt.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich diesmal wirklich in acht genommen.«

»Gewiß«, knurrte Golo leise.

Volker seufzte. Es war wirklich nicht leicht, die ständige schlechte Laune seines Reisegefährten zu ertragen. Golo sollte froh und dankbar sein! Er war der Sohn eines Leibeigenen. Hätte er ihn nicht als seinen Knecht auserwählt, wäre er ein Leben lang hinter einem Pflug hergelaufen. Er hätte niemals fremde Länder zu sehen bekommen und Abenteuer an der Seite eines Ritters erlebt. Es gab genug junge Burschen, die ihre rechte Hand opfern würden, um derart vom Schicksal begünstigt zu werden.

»Der Wirt sagt, daß der Waschplatz eine halbe Meile nördlich vom Dorf liegt. Dort verläuft ein kleiner Fluß, in den ein flacher Felsen hineinragt. Angeblich gibt es dort Feenwesen, die gar nicht gut auf Menschen zu sprechen sind. Baron Rollo hat vorgestern eigenhändig eine Eiche in einem heiligen Hain gefällt, um gegen den Aberglauben der Bauern und Fischer vorzugehen. Jetzt flüstern sie, daß eine Fee namens Morrigan kommen wird, um ihn zu holen. Nach Dunkelheit wird sich keiner mehr vor die Tür wagen. Sieh also zu, daß du beizeiten zurück bist. Ich werde heute abend in der Schenke zur Laute singen. Dafür sind das Zimmer und das Essen frei. Schlag dir den Bauch voll! Man hat ein Zicklein für uns geschlachtet.«

»Jawohl, Herr Ritter!« Golo verbeugte sich übertrieben unterwürfig.

»Übrigens, unser Quartier wirst du in der Nacht wohl für dich alleine haben. Es sieht so aus, als habe die Kleine, die mir die Augen verbunden hat, ein Herz für arme Spielleute, die sich mit griesgrämigen Dienern herumschlagen müssen. Solltest du also jemanden finden, der mit dir das Lager teilen will... Nur zu! Und jetzt zieh los. Um Lanzenbrecher kümmere ich mich.«

Golo verließ den Stall, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Volker blickte ihm eine Weile nach. Dummer Bauerntrampel! Wenn der Junge erst einmal einen Feind mit herausquellenden Därmen vor seinen Füßen verrecken gesehen hätte, würde er vielleicht anders über ihr kleines Duell denken. Wem schadete dieser Betrug? Die Bauern hatten ein Schauspiel, und sie beide konnten sicher sein, ihre Reise ein Stück weit unbehelligt fortzusetzen. Offenbar hatte Golo die schönen Lieder über Helden zu ernst genommen. Das Leben sah anders aus! Volker lachte leise. Er jedenfalls würde einen Abend mit einem Bauernmädchen im Arm jederzeit einer Schlacht vorziehen.


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