2. KAPITEL


»Seht Euch das nur an!« Der Frankenfürst zeigte auf ein paar gemauerte Bögen, die im rechten Winkel auf die Stadtmauer trafen. »Sie haben meilenlange Brücken gebaut, auf denen sie das Wasser aus den Bergen in die Städte leiteten. Hunderte von Männern müssen ein Leben lang daran gearbeitet haben. Für sie war nichts unmöglich...«

»Und dennoch haben unsere Ahnen sie von hier vertrieben.« Volker kannte die Bauwerke der Römer. Auch seine Heimatstadt Alzey war einst eine ihrer Garnisonen gewesen, und auch dort gab es noch viele Ruinen, die an die Pracht der vergangenen Zeiten erinnerten.

»Du hast recht, mein Freund. Sie sind schwach geworden. Deshalb konnten wir sie besiegen. Die ganze Welt hatte sich gegen sie erhoben. Und doch dauert selbst ihr Untergang schon mehr als ein Jahrhundert, und noch sind sie nicht endgültig besiegt.«

Golo schnaubte verächtlich. »Was ist von ihrer Größe schon geblieben? Heute winseln ihre Gesandten am Hof des Hunnenkönigs um Gnade, damit er Italien verschont. Was nutzt es, wenn man die Kunst beherrscht, Wasser viele Meilen über Brücken laufen zu lassen, aber nicht mehr in der Lage ist, seine Städte zu verteidigen.«

Ricchar lachte. »Du hast recht, Golo. Viele meiner Reiter denken ähnlich. Für das, was von ihnen geblieben ist, habe auch ich nur Verachtung übrig. Doch einst hat das römische Volk die ganze Welt beherrscht. Wenn nicht auch wir eines Tages vor Etzels Kriegern winselnd im Staub liegen wollen, dann müssen wir das Geheimnis von Roms verlorener Größe ergründen. Mein König hat Gesandte an den Hof der Hunnen geschickt. Sie berichten, daß Etzels Reiter so zahlreich wie die Kiesel am Ufer des Rheins sind. Wenn sie eines Tages beschließen sollten, in den Westen vorzustoßen, dann wird nichts und niemand sie aufhalten können. Es sei denn, wir könnten ihnen eine Armee entgegenstellen, wie sie einst Rom besessen hat. Doch das genügt noch nicht...« Der Krieger blickte zu den Bergen westlich der Stadt und schien plötzlich düsteren Gedanken nachzuhängen.

»Und was würde der Heermeister des Frankenkönigs tun, um Etzel zu bezwingen?« stichelte Volker.

»Den Krieg mit den Hunnen von langer Hand vorbereiten«, entgegnete Ricchar trocken. »Eines Tages werden sie hierher an den Rhein kommen, und dann müssen wir gerüstet sein. Doch dazu reicht es nicht allein, eine Armee zu haben. Hinter jedem Soldaten müssen mindestens fünf Männer stehen, die ihn unterstützen, wenn er erfolgreich im Krieg sein soll. Wir brauchen Schmiede, die nichts anderes tun, als Rüstungen und Waffen für unsere Kämpfer herzustellen. Köhler, die dafür sorgen, daß der Vorrat an Holzkohle neben den Schmiedefeuern niemals zur Neige geht. Bergarbeiter, die das Erz aus den Tiefen der Erde holen. Schuster, die die Stiefel der Soldaten schneiden. Rinderherden, damit meine Männer Fleisch auf ihren Tellern liegen haben und damit es Leder für Stiefel und Sättel gibt... So geht es endlos weiter. Eine gute Armee allein genügt nicht. Die Römer waren so mächtig, weil sie all dies hatten. Cäsar konnte einst in weniger als einem Jahr zehntausend Soldaten unter Waffen stellen. Kein König kann ihm das heute gleichtun und wäre er selbst so reich wie der legendäre Midas! Es gibt einfach keinen Ort, an dem man zehntausend Schwerter kaufen könnte...«

Volker schüttelte den Kopf. »Das ist es doch nicht allein. Rom hatte genügend Schuster und Schmiede. Trotzdem haben unsere Ahnen die Legionen vom Rhein vertrieben.«

»Weil die Römer ihren Glauben und ihren Kampfgeist verloren hatten.« Ricchars himmelblaue Augen blitzten im Sonnenlicht. »An beidem mangelt es meinen Kriegern nicht. Wenn ich ihnen auch den Rest verschaffe, dann werden sie unbesiegbar sein!«

»Und ihr erstes Ziel ist dann Treveris, nehme ich an?«

Der Frankenfürst zuckte mit den Schultern. »Vielleicht? Diese Entscheidung liegt bei meinem König.«

»Das heißt, wir würden uns vielleicht eines Tages als Feinde auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen?« Volker musterte den Grafen, doch auf Ricchars Gesicht zeigte sich nicht die geringste Regung. Es war so kalt wie die eisernen Masken seiner Reiter.

»Ich vertraue darauf, daß sich die Gerechten niemals feindselig gegenüberstehen. Die Kräfte des Guten werden sich vereinen, um sich der Finsternis entgegenzustellen.«

»Und die burgundischen Truppen, gegen die du im letzten Jahr gekämpft hast? Verkörpern sie für dich die Finsternis? Wie kannst du uns dann an deiner Tafel empfangen?«

»Ein Dichter wie du steht immer für das Licht und die Weisheit. Es wird Zeit, daß die Fürsten den Weisen und den Epikern wieder die Achtung zollen, die ihnen zusteht. Außerdem warst du im letzten Jahr nicht in die Kämpfe verwickelt. Ich denke, daß dies nicht Zufall, sondern Bestimmung war.«

Volker lächelte. Er mochte den jungen Fürsten, auch wenn er ihm in vielem seltsam erschien. Doch war es nicht immer schon so, daß die großen Denker ihren Zeitgenossen seltsam erschienen? Ein Feldherr, der sich ebensosehr für die Dichtkunst wie für den Krieg interessierte, wo gab es so etwas in diesen Zeiten noch?

»Und was willst du mit deiner Armee?« warf Golo ein. »Was für ein Unterschied besteht zwischen Etzel und seinen Horden und euch Franken, wenn ihr erobernd und plündernd durch die Lande zieht? Die Bauern werden für euren Hochmut und eure prächtigen Kriegszüge bezahlen müssen. Wo ist der Unterschied, ob man den Zehnten an einen hunnischen Heiden entrichtet oder an einen dichtenden Frankenfürst?«

»Dein Freund hat eine scharfe Zunge, Volker. Doch ich schätze es, wenn Männer den Mut haben, mir ihre Meinung ins Gesicht zu sagen.«

Der Spielmann warf Golo einen zornigen Blick zu. Volker war sich nicht im klaren darüber, was seinen Freund an Ricchar störte, doch würde es noch ein schlimmes Ende nehmen, wenn er sich weiterhin derart im Ton vergriff. Die meisten burgundischen Adeligen, die Volker kannte, hätten angesichts solcher Frechheiten schon längst die Gesetze der Gastfreundschaft vergessen.

»Wenn der Burgundenkönig dir zuwenig Sold zahlen sollte, wärest du mir stets unter meinen Reitern willkommen. Ich brauche Männer wie dich, die frei denken und sich vor nichts fürchten. Ich würde dich im Rang eines Decurios in meine Truppen aufnehmen und eine Turma deinem Kommando unterstellen. Glaubst du, du könntest zweiunddreißig Reiter kommandieren?«

Golo räusperte sich verlegen. »Ich habe Gunther die Treue geschworen! Ich kann seinen Dienst ohne seine Zustimmung nicht verlassen. Willst du meine Treue auf die Probe stellen? Warum machst du mir ein solches Angebot?«

»Weil ich einen Mann unter meinen Offizieren haben möchte, der die Rechte der Bauern achtet. Ich weiß, daß du mich nicht magst, Golo, aber es ist mir gleichgültig, was du denkst. Deine Dienste können mir nützlich sein, und das ist alles, was zählt. Ich will kein neuer Alexander oder Cäsar sein, so wie es mir meine Feinde am Königshof vorwerfen. Was heißt es schon, ein großer Eroberer zu sein... Es geht um mehr! Das Reich der Römer ist zerschlagen, die germanischen Stämme untereinander zerstritten. Wir haben vieles falsch gemacht, als wir die Römer vertrieben haben. Sieh dir nur diese Stadt an. Hier haben einst viele tausend Menschen gelebt. Jetzt sind es nur noch ein paar hundert. So sieht es überall im Land aus. Wir brauchen eine starke Armee, sie ist der Schlüssel dazu, uns eine bessere Zukunft zu schaffen. Doch es geht nicht darum, irgendwelche Städte zu brandschatzen und mit reicher Beute hierher in die Ruinen zurückzukehren. Wir müssen wieder aufbauen, was unsere Ahnen zerstört haben. Merowech ist ein starker König. Mit der richtigen Armee könnten wir ein Frankenreich errichten, das sich, so wie einst das Reich der Römer, über die ganze Welt erstreckt. Nur wenn wir es wagen, groß zu denken, können wir auch große Dinge erreichen!

Jeder Bauer aber, der getötet wird, ist eine Niederlage. Jede Ähre, die auf dem Feld verdorrt, eine verlorene Schlacht. Es sind die Bauern und Handwerker, die letzten Endes darüber entscheiden, ob meine Vision von einem Reich, wie es einst bestanden hat, Wirklichkeit werden kann. Deshalb brauche ich Männer wie dich, Golo. Anführer, die stets auch das Wohl der Bauern im Auge haben und dafür Sorge tragen, daß nicht ein Gehöft geplündert wird, wo meine Soldaten ihre Schlachten schlagen. Wenn dies gelingt, dann werden auch wir eines Tages wieder Wasser über hundert Meilen aus den Bergen in die Städte leiten. Wir werden Theater haben, in denen Tausende den Werken unserer Dichter lauschen, und, was das wichtigste ist, kein Bauer in diesem Reich müßte sich fürchten, daß eines Tages die Hunnen oder irgendwelche anderen Plünderer den roten Hahn auf den Giebel seines Gehöfts setzen. Was ich will, ist eine Pax Germanica, die uns allen Frieden und Wohlstand bringt.«

Volker traute seinen Ohren kaum. Jeden anderen, der ihm solche Pläne dargelegt hätte, hätte er für wahnsinnig gehalten. Doch Ricchar machte den Eindruck, als wisse er, wovon er sprach. Er war kein Irrer, der irgendwelchen Phantasien nachhing. Der Frankenfürst galt als Merowechs bester Kriegsherr, und wenn er tausend Reiter haben wollte, dann würde der König sie ihm sicherlich überlassen. Welches Risiko ging Merowech dabei auch ein! Ricchar war noch niemals besiegt worden! Er hatte die Macht, seine kühnen Ideen zu verwirklichen! Ein Reich des Friedens zu errichten... Welch eine Vision! Doch was würde mit den anderen germanischen Königreichen geschehen? Sicherlich wäre Burgund eines der ersten Opfer des fränkischen Eroberungszuges.

»Du sagtest, du willst ein Königreich wie das der Römer errichten«, meldete sich Golo zu Wort. »Und du willst so wie sie Wasser über fast hundert Meilen auf Brücken aus den Bergen hierherbringen, weil dies in deinen Augen eine große Tat war. Ich frage dich, Ricchar, was machte das für einen Sinn? Castra Bonna liegt an einem Fluß, der niemals versiegt. Wozu muß man solchen Aufwand treiben, Wasser hierher zu bringen, wenn es einem vor den Füßen fließt? Was war das für ein Volk, das so viel Kraft in so sinnlose Bauwerke steckte? Und tun wir wirklich gut daran, ihnen nachzueifern?«

Der Frankenfürst lachte. »Es ist gut, einen Mann an seiner Seite zu haben, der den Blick für das Wesentliche behält. Ein Aquädukt zu bauen ist sicherlich nicht unsere wichtigste Aufgabe. Ich denke, die Römer taten es, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren. So wie Cäsar eine breite Brücke über den Rhein bauen ließ, um sie nur ein einziges Mal zu benutzen und dann wieder einreißen zu lassen. Er wollte damit unseren Urahnen zeigen, daß er zu jeder Zeit und an jeder beliebigen Stelle den Strom überqueren konnte. Es war eine Machtdemonstration! So ist es auch mit dem Aquädukt. Doch nun laßt uns weiterreiten. Ich will euch meine Truppen zeigen und wie geschickt meine Reiter im Kampf sind. Sie werden zur Mittagsstunde eine ganz besondere Art von Turnier zu euren Ehren abhalten.«



Unter dem Vorwand, er müsse sich erleichtern, hatte Golo das abendliche Gelage im Palast des Frankenfürsten verlassen. Das Essen, das aufgetragen wurde, war köstlich. Gebratenes Fleisch vom Rind gab es und frisch gebackenes Brot. Dazu wurde Obst gereicht, das aus den Hainen nördlich der Stadt stammte. Doch obwohl Golo für gewöhnlich gutes Essen sehr zu schätzen wußte, mochte ihm an diesem Abend kein Bissen munden. Ricchar machte ihm Angst. Volker schien ganz in den Bann dieses ungewöhnlichen Mannes geschlagen zu sein. Und wenn Golo ehrlich war, mußte selbst er sich eingestehen, daß es ihm nicht leicht gefallen war, das Angebot des Franken abzulehnen. Eine Reitereinheit kommandieren... Damit würde er, der Sohn eines unfreien Bauern, in den Adelsstand aufsteigen. Golo pfiff leise durch die Zähne und streckte sich.

Er war zur Säulenhalle an der Vorderfront des Praetoriums geschlendert und blickte über den weiten Platz, auf dem Ricchar sie gestern empfangen hatte. Die Reiterspiele, denen sie am Mittag beigewohnt hatten, waren sehr eindrucksvoll gewesen. Mehr als hundert Krieger hatten daran teilgenommen. Sie alle trugen Prunkrüstungen mit eisernen Masken. Der Graf hatte sie in zwei gleich große Reiterhaufen eingeteilt, die in Formationen gegeneinander anritten, um ihre Fähigkeiten im Kampf mit Schwert und Lanze zu zeigen. Es war nicht das Waffengeschick der einzelnen Reiter, das den jungen Ritter beeindruckt hatte, sondern die Art und Weise, wie die fränkischen Reiter zusammen kämpften. Sie rückten in geschlossenen Formationen an oder bildeten mit ihren großen Rundschilden dichte Wälle, hinter denen sie vor den Wurfspeeren der anderen Reitergruppe Deckung fanden. Auf Hornsignale und die knappen Befehle ihrer Anführer waren sie binnen weniger Augenblicke in der Lage, die Formation zu ändern und von der Verteidigung zum Angriff überzugehen. Ja, sie schafften es sogar, die Pferde bei der Attacke in einer geschlossenen Front zu halten. So etwas hatte Golo noch niemals bei einem Reiterangriff gesehen. Wenn die burgundischen Ritter attackierten, dann löste sich ihre Formation während des wilden Galopps stets auf. Ob Ricchar tatsächlich Hunderte solcher Reiter aufzubieten vermochte?

Golo blickte zum rotglühenden Abendhimmel. Ein Königreich, so groß wie das Reich der Römer zu errichten... Was für ein Plan! Dazu würden ein paar Reiter nicht ausreichen. Obendrein hatte noch niemand Ricchars Maskenritter in der Schlacht erlebt. An den Gefechten im letzten Sommer hatten sie nicht teilgenommen. Man hätte in Worms über sie erzählt, wäre auch nur einer dieser ungewöhnlichen Krieger gesehen worden.

Der junge Ritter zuckte mit den Schultern und wollte zum Festgelage zurückkehren, als er hinter sich einen Schatten zwischen den Säulen verschwinden sah. Die Hand am Dolch lief Golo den Gang hinauf. »Wer dort?«

Die schattenhafte Gestalt hielt sich dicht bei der Mauer und flüchtete in Richtung der Pferdeställe, die unweit des Palastes am Ende des großen Platzes lagen. Wer auch immer ihm gefolgt war, schien ungewöhnlich kleinwüchsig. Vielleicht sogar ein Zwerg.

Golo hatte die Gestalt fast eingeholt, als ein weiterer Schatten zwischen den Säulen erschien und sich ihm in den Weg stellte. Es war der Diener, der ihn und Volker in der letzten Nacht zu ihren Kammern geleitet hatte. Der junge Ritter rannte den Mann fast über den Haufen.

»Laß sie! Ich habe ihr befohlen, dir zu folgen!«

»Was treibt ihr hier für ein Spiel?« keuchte Golo wütend. Noch immer ruhte seine Hand auf dem Griff des Messers in seinem Gürtel.

»Ich habe ihr befohlen, Euch und den Spielmann zu beobachten. Ich mußte Gewißheit über euch haben.«

Golo packte den Kerl bei seinem Wams und drückte ihn gegen die Mauer. »Gewißheit vorüber? Was soll das?«

Mit eisernem Griff schlossen sich die Hände des Dieners um die Arme des jungen Ritters. »Nicht hier! Laßt mich los, Herr. Wir werden vielleicht beobachtet. Ich kann jetzt nicht reden. Kommt eine Stunde nach Sonnenuntergang in das verfallene Römerbad. Ihr müßt der Straße am Ende des Platzes folgen. Haltet Euch dann nach zweihundert Schritt links. Ihr werdet die Ruinen des großen Bauwerks selbst im Dunklen erkennen. Dort werde ich auf Euch warten. Geht dort auf den Innenhof. Im Schatten des dritten Torgewölbes könnt Ihr mich finden. Und kommt ohne den Spielmann, sonst werde ich vor Euch flüchten. Dem Herrn Volker trauen wir nicht.«

»Wer ist wir? Und was soll das ganze Versteckspiel überhaupt?«

Der Diener löste sich aus dem Griff des jungen Ritters. »Nur soviel, gnädiger Herr. Hütet Euch vor Ricchar! Er ist der Versucher!« Bevor er ihn zurückhalten konnte, lief der kleine Mann davon. Ein kühler Wind wehte über den Platz vor dem Palast.

»Der Versucher!« Golo schüttelte den Kopf. Wußte der Diener etwa von dem Angebot, das ihm der Graf gemacht hatte?

Nachdenklich ging der junge Ritter zur Festhalle zurück.



»Laß uns das Mahl verlassen, mein Freund! Ich denke, es ist an der Zeit dir, etwas zu zeigen.« Ricchar hatte sich zu Volker hinübergebeugt und seinen Weinpokal zur Seite gestellt. Dem Spielmann war aufgefallen, daß der Fürst an diesem Abend fast nichts getrunken hatte. Überhaupt ging es auf den Festen der Franken wesentlich gesitteter zu, als er es von Kriegern erwartet hätte. Nicht einer der Männer schien betrunken. Es wurde nicht gegrölt oder lauthals mit nie begangenen Taten geprahlt. Selbst wenn sie feierten, wirkten die Vertrauten Ricchars noch diszipliniert.

»Willst du mich begleiten?« Der junge Fürst sah Volker fragend an.

»Wollen wir noch auf Golo warten?«

»Ich glaube, dein Gefährte hat in Wirklichkeit nur nach einem Vorwand gesucht, das Fest verlassen zu können. Heute werden wir ihn gewiß nicht mehr wiedersehen.«

Der Spielmann nickte. Auch ihm war aufgefallen, daß Golo sich nicht wohl fühlte, doch war ihm unbegreiflich, woran das liegen mochte. Der Bauernsohn konnte Ricchar nicht leiden. Aber das hieß nicht viel. Golo mochte kaum einen Adeligen. Er fand es nicht gerecht, wenn man Macht und Reichtum in die Wiege gelegt bekam, statt sie sich zu verdienen. Volker lächelte. So war der Lauf der Welt. Eines Tages würde auch Golo begreifen, daß sich daran niemals etwas ändern würde. Und war es nicht Gott selbst, der entschied, wer zum Regieren und wer zum Dienen geboren ward?

Ricchar erhob sich von seiner Kline. »In den Ställen warten zwei Pferde auf uns. Wir werden ein Stück aus der Stadt hinausreiten.«

»Und wohin willst du mich bringen? In spätestens einer Stunde ist es stockfinster.«

Der Graf lächelte. »Vielleicht will ich dir den Weg zum Licht weisen.«

Keiner der anderen Gäste erhob sich. Sie wirkten auch nicht verwundert. Volker hatte fast den Eindruck, daß sie alle eingeweiht waren in das, was nun geschehen sollte. Der Spielmann schluckte. Zum ersten Mal, seit er an Ricchars Hof weilte, fühlte er sich nicht mehr wohl in seiner Haut.



Daß Volker und Ricchar nicht mehr beim Gastmahl weilten, als er zurückkehrte, hatte Golo nicht wirklich überrascht. Auch der junge Ritter zog sich bald auf seine Kammer zurück. Er lag auf seiner Bettstatt und beobachtete durch das schmale Fenster, wie die Finsternis langsam das Abendrot besiegte. Als es so dunkel geworden war, daß er die Möbel in seinem Gemach fast nicht mehr erkennen konnte, erhob er sich von seinem Lager und nahm den braunen Umhang, den er über die Lehne des Stuhls gelegt hatte. Er war eigentlich zu warm für diese Jahreszeit, aber die dunkle Farbe würde Golo in den Straßen der Stadt vor neugierigen Blicken schützen.

Einen Moment lang überlegte der Krieger, ob er sein Kettenhemd anlegen sollte, doch dann entschied er sich gegen die schwere Last. Er ritt schließlich nicht in eine Schlacht, sondern traf sich nur mit einem versponnenen Diener. Der lange Dolch, den er am Gürtel trug, war Schutz genug! So warf er sich den Umhang über die Schultern und verließ die Kammer.

Die Wachen im Palast ließen ihn passieren, ohne Fragen zu stellen. Niemand schien es ungewöhnlich zu finden, daß er im Finstern noch in die Stadt ging. Vielleicht glaubten sie, daß er sich nach irgendeiner billigen Dirne umsehen wollte. Nun, sollten sie ihn ruhig für einen Hurenbock halten...

Ohne Eile überquerte er den weiten Platz vor dem Herrschersitz. Der Wind hatte nachgelassen, und es war drückend schwül. Die Sterne lagen hinter mächtigen Wolkengebirgen verborgen. Vielleicht würde es in der Nacht noch ein Gewitter geben. Er spürte, wie ihm heißer Schweiß den Nacken und die Arme hinabrann. Dieser verfluchte Wollmantel! Er hätte ihn in seiner Kammer lassen sollen. Wahrscheinlich hielten die Palastwachen ihn für verrückt, daß er sich bei dieser Hitze derart vermummt hatte.

Als er das andere Ende des Platzes erreichte, warf Golo einen Blick über die Schulter. Niemand folgte ihm. Dennoch wählte er vorsichtshalber eine andere Straße als jene, die der Diener ihm benannt hatte. Der junge Ritter wollte ganz sichergehen, daß niemand ihm folgte! Schließlich schien sich der Diener vor irgend etwas zu fürchten. Etwas im Palast schien nicht ganz geheuer zu sein. Der Diener hatte von seinem Fürsten gesprochen, als sei Ricchar der Leibhaftige selbst. Der Versucher hatte er ihn genannt... Wenn Golo an das Angebot vom Nachmittag dachte, dann war dieser Titel für Ricchar zugegebenermaßen nicht ganz unangemessen.

Der junge Ritter folgte der Straße eine Weile und kauerte sich dann in einen dunklen Hauseingang, um zu warten. Aus keinem der Fenster ringsherum fiel Licht. Mit klopfendem Herzen lauschte Golo, ob ihm jemand folgte. Doch außer dem Fauchen zweier streitender Katzen war nichts zu hören. Als Golo ganz sicher war, daß niemand mehr kommen würde, verließ er sein Versteck. Es war so finster, daß man kaum zwei Schritt weit sehen konnte. Um nicht zu stolpern, tastete er sich an den Wänden der Häuser entlang.

Einmal kreuzte ein Trupp Soldaten eine Seitenstraße. Golo hörte ihren Marschtritt schon von weitem und versteckte sich in den Ruinen eines ausgebrannten Hauses. Die Krieger zogen vorüber, ohne ihn zu bemerken. Es waren acht Mann. Drei von ihnen trugen Fackeln. Eine ungewöhnlich starke Streife für eine Stadt, die nicht belagert wurde. Wovor fürchtete Ricchar sich, wenn er so viele Männer zum Wachdienst befahl? Ob der Diener ihm diese Frage beantworten würde?

Golo wartete, bis die Soldaten außer Sicht waren, und eilte dann, so schnell es in der Dunkelheit ging, den Thermen entgegen. Das verfallene Bad mußte einst so groß wie ein Palast gewesen sein. Vorsichtig tastete sich der junge Krieger die bröckelnden Marmorstufen hinauf. Ein gewölbter Gang führte auf den Innenhof des Gemäuers. Plötzlich bemerkte er in einer Nische einen Mann, der zu ihm herüberstarrte. Golo drückte sich mit dem Rücken zur Wand und zog seinen Dolch.

»Wer da?«

Es kam keine Antwort. War er in eine Falle getappt? Golo duckte sich leicht, bereit, den anderen anzuspringen, sobald er sich bewegte. Der Kerl schien allein zu sein. Etliche Herzschläge lang musterten die beiden schweigend einander.

»Bist du ein Gefolgsmann des Grafen?«

Nichts. Was wollte der Kerl? Warum redete er nicht? Worauf wartete er nur? Golo war es leid. Er hob den Dolch und machte einen Schritt nach vorne. In dem Moment trat der Mond hinter den Wolken hervor. Ein breiter Streifen silbernen Lichts fiel in den Gewölbegang, und Golo erkannte, wen er belauert hatte. Mit einem erleichterten Lachen schob er den Dolch in seinen Gürtel zurück. Es war eine Statue! Das Bildnis eines Kriegers in einer seltsamen Rüstung. Der Soldat trug einen Brustpanzer, der wie die Muskeln eines kräftigen Mannes geformt war, und ein breiter Umhang fiel von seinen Schultern.

Das Gerede des Dieners hat mich schon völlig durcheinandergebracht, dachte Golo ein wenig ärgerlich und setzte seinen Weg fort. Nach zehn Schritten mündete der Durchgang auf einen großen gepflasterten Hof. Nur undeutlich konnte er im schwindenden Mondlicht die Ruinen der angrenzenden Gebäudeflügel erkennen. Das Badehaus mußte einst riesig gewesen sein. Jetzt war der Prachtbau fast vollständig verfallen.

Mit zusammengekniffenen Augen spähte Golo in die Finsternis. Auf der rechten Seite des Hofes schien es drei nebeneinanderliegende niedrige Gewölbebögen zu geben. Vorsichtig schlich er über den mit Trümmern übersäten Platz. Endlich erreichte er den mittleren Bogen, doch der Diener aus dem Palast war nicht dort. Golo überlegte, ob er vielleicht zu früh war. Vielleicht war sein rätselhafter Freund auch aufgehalten worden. Mit einem resignierenden Seufzer ließ sich der junge Ritter, an die Gewölbewand gelehnt zu Boden sinken. Doch kaum, daß er saß, war er mit einem leisen Fluch auch wieder auf den Beinen. Der Boden war feucht. Vom letzten Regen hatte sich wohl eine kleine Pfütze gesammelt, die durch die Hitze des Tages fast völlig ausgetrocknet sein mußte.

Ärgerlich ging Golo unter dem Torbogen auf und ab. Hin und wieder verharrte er eine Weile und sah den treibenden Wolken am Himmel zu. Wo Volker jetzt wohl war? Womöglich war die ganze Geschichte mit dem Diener auch nur eine Intrige, die Ricchar ersonnen hatte, um herauszufinden, ob er mit Verrätern paktieren würde. Golo ballte die Fäuste! Und er war natürlich dumm genug, darauf hereinzufallen! Es reichte! Nach seiner Schätzung hatte er jetzt mindestens eine halbe Stunde gewartet. Der Kerl würde bestimmt nicht mehr kommen. Es war an der Zeit in den Palast zurückzukehren.

Wenn er daran dachte, was mit ihm geschehen würde, wenn er tatsächlich auf eine Intrige des Grafen hereingefallen war, wurde Golo ganz übel. Die Franken waren berüchtigt für ihre grausamen Hinrichtungen. Sie begnügten sich fast nie damit, einem Verurteilten einfach nur den Kopf abzuschlagen oder ihn zu erhängen. Vierteilen, aufs Rad flechten oder einem mit glühenden Zangen das Fleisch vom Leib reißen, das waren nur einige der widerlichen Todesarten, die sie für ihre Feinde parat hatten. Golo schauderte. Warum nur hatte er sich darauf eingelassen, in diese verfluchten Bäder zu kommen. Er kannte den Mann ja nicht einmal richtig, der ihn hierherbestellt hatte. Er gehörte geohrfeigt für seine Dummheit!

Einen Moment lang überlegte der junge Ritter, ob er nicht am besten gleich zu den Ställen schleichen sollte, um sich sein Pferd zu holen und zu türmen. Doch dann dachte er an Volker. Was sie dem Sänger wohl antun würden, wenn er sich einfach aus dem Staub machte? Dem Grafen war zuzutrauen, daß er seine Wut womöglich am Spielmann ausließ. Das konnte er nicht zulassen!

Mit gemischten Gefühlen überquerte Golo den großen Platz vor dem Palast. Schon von weitem konnte er die Torwachen erkennen. Es waren vier Mann, die unter dem Säulengang standen. Neben ihnen steckten in eisernen Halterungen einige Fackeln an der Wand. Sie tauchten den Eingang zum Palast in flackerndes gelbes Licht.

Golo straffte sich. Er sollte sich nichts anmerken lassen! Mit langen Schritten hielt er auf den Eingang zu und passierte. Die Männer musterten ihn knapp. Keiner machte Anstalten, ihn aufzuhalten. Er hatte Glück gehabt! Die Intrige und all seine dunklen Gedanken waren nichts als Hirngespinste! Vielleicht tat er dem Grafen Ricchar unrecht, wenn er so schlecht von ihm dachte.

Auch auf dem kleinen Innenhof, der ein Stück hinter dem Eingang lag, standen Wachen. Golo grüßte im Vorbeigehen und hielt dann auf sein Zimmer zu. Fast hatte er die Tür schon erreicht, als er hinter sich eilige Schritte hörte. Jetzt nur nicht umdrehen! Seine Hand legte sich auf den bronzenen Türring zu seiner Kammer.

»Herr Ritter!«

Golo fluchte innerlich. Was hatte er falsch gemacht? Langsam drehte er sich um. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Wenn jemand fragte, wo er gewesen war, würde er behaupten, er habe nach einer Straßendirne gesucht.

»Was gibt’s?« Der junge Ritter bemühte sich, möglichst gelassen zu klingen.

»Euer Beinkleid, Herr... Es ist voller Blut! Seid Ihr verletzt? Soll ich nach einem Heilkundigen rufen lassen?«

Verwirrt blickte Golo an sich herab. Tatsächlich! Seine Beinlinge waren von hinten mit dunklem Blut verschmiert. Auch seine rechte Hand war rot von geronnenem Blut! »Was bei allen Heiligen...« Der junge Ritter stützte sich gegen die Wand.

»Hat man Euch angegriffen, Herr? Ihr seid blaß wie der Tod!«

»Es ist schon gut. Ich bin gestürzt... Es ist nichts Schlimmes. Ich werde die Wunde waschen und verbinden.«

»Seid Ihr sicher, daß ich nicht doch nach dem Heilkundigen des Grafen schicken soll? Er kommt aus Byzanz... Er ist ein sehr guter Mann und...«

»Ich komme alleine zurecht! Hab Dank für deine Anteilnahme, doch gestatte, daß ich mich nun auf meine Kammer zurückziehe. Ich bin erschöpft...«

»Jawohl, Herr!« Der junge Krieger verneigte sich ehrerbietig.

Golo fühlte sich elend. Er stieß die Tür zu seiner Kammer auf und ließ sich auf den hochlehnigen Eichenstuhl sinken. Auf dem Tisch vor ihm brannte eine Öllampe. Zitternd hob er seine rechte Hand und starrte auf das Blut. Die feuchte Stelle unter dem Torbogen! Der Diener hatte ihn nicht versetzt. Er selbst war es, der zu spät gekommen war!



Vor den Stadtmauern ließ Ricchar seinen Hengst in leichten Trab fallen. Er wies auf einen steilen Hügel im Westen. »Dieser Berg war früher einmal der Venus geweiht. Heute birgt er ein anderes Geheimnis. In dieser Nacht, mein Freund, sollst du erfahren, was mich im Innersten bewegt, und wenn du willst, wirst auch du die erste Weihe auf dem Weg zum Licht empfangen.«

Volker schüttelte verwirrt den Kopf. »Wie meinst du das? Ich fürchte, ich habe den Sinn deiner Worte nicht ganz verstanden.«

»Nun, es ist ein wenig kompliziert. Ich möchte dir nicht zu nahe treten, doch denke ich, es ist an der Zeit, daß wir über gewisse Dinge reden. Dir ist vielleicht schon aufgefallen, daß es an meinem Hof keine Geistlichen gibt. Ich habe sie alle davongejagt, denn ich halte die Christen für Diebe und Lügner. Diese Worte mögen dich verletzen, ja vielleicht sogar abschrecken, aber ich bitte dich, gib mir Gelegenheit, dir zu erklären, warum ich so denke.«

»Ich gehöre nicht zu jenen, die glauben, das Christentum mit dem Schwert verbreiten zu müssen. Ich war sogar in eine heidnische Priesterin verliebt. Solange du nicht versuchst, mich dazu zu zwingen, meinen Glauben zu verleugnen, gibt es keinen Grund für mich, dir zu grollen.«

Ricchar nickte ernst. »Ich habe gewußt, in dir einem weisen Mann begegnet zu sein. Auch ich war einmal Christ, bis ich eines Tages erleuchtet wurde. Es ist erst drei Jahre her. Ich hatte mich mit Mönchen über die Geschichte der Römer unterhalten, und plötzlich begriff ich, daß von dem Moment an, in dem die Römer das Christentum zur Religion des Kaiserhauses gemacht haben, ihr Reich schwach geworden ist.«

»Soweit ich weiß, hat Konstantin im Zeichen des Kreuzes einen großen Sieg errungen«, entgegnete Volker kühl. Er war ein wenig enttäuscht. Bei ihrem Aufbruch hatte er darauf gehofft, daß Ricchar ihm etwas Ungewöhnliches zeigen wollte, doch nun schien es so, als wolle der Fürst lediglich mit ihm allein sein, um in Ruhe ein Gespräch über den Wert des Christentums zu führen.

»Was hat dieser Sieg genutzt?« fragte Ricchar zynisch. »Es war nur eine Schlacht! Entscheidend ist, wie die letzte Schlacht endet. Und du weißt, daß die Römer ihr Reich Stück um Stück verloren haben. In den Zeiten, als ihre Legionen noch von Sieg zu Sieg gezogen sind, beteten die Soldaten zu einem Gott, der Mithras geheißen wurde. Er kam aus einem Land weit im Osten, noch jenseits der Ufer von Euphrat und Tigris. Mithras wurde meist als Soldat dargestellt. Er hat den Urstier getötet, aus dem die Welt erwachsen ist. Die Babylonier und viele andere Völker haben schon zu ihm gebetet, lange bevor Christus überhaupt geboren wurde. Mithras steht für das Licht, das die Finsternis besiegt, genauso wie der Christengott, der über Satan triumphiert. So wie dein Gott gilt er als Weltenschöpfer, und wie bei der Geburt Christi waren auch bei seiner Geburt Hirten als Zeugen zugegen. Und weißt du, an welchem Tag des Jahres er geboren wurde? Am vierundzwanzigsten Dezember, so wie dein Heiland. Die Priester des Christengottes haben all dies schamlos vom Mithrasglauben gestohlen. Es gibt Dutzende solcher Geschichten. Die mithrischen Symbole Löwe, Stier und Adler kehren bei den Christen als die Symbole der Evangelisten Markus, Lukas und Johannes wieder. Wie Moses mit seinem Stab Wasser aus dem Felsen schlägt, so zaubert Mithras durch einen Pfeilschuß in eine Felswand Wasser herbei. Und sieh dir die Rituale deines Christengottes an! Die Taufe mit Vollbad, so wie sie Johannes vollzieht, kennt auch die Mithraspriesterschaft. Weihwasser und das ewige Feuer spielen ebenso eine Rolle wie heilige Mahle und Gesang oder das Verdecken und Enthüllen des Altarbildes bei Schellengeklingel...«

»Wenn dein Glaube dem Christentum aber so ähnlich ist, wie du behauptest, waren sollten dann die Christen dem römischen Reich den Untergang gebracht haben? So wie es scheint, hat sich doch kaum etwas geändert!«

»Ein kluger Einwand! Doch vermag ein Schwert aus Bronze gegen eines aus Eisen zu bestehen, auch wenn es eine noch so gute Kopie ist und vielleicht strahlender aussieht als das Original? Ich bin für mich zu dem Schluß gekommen, daß es den Christengott gar nicht gibt! Ich habe niemals erlebt, wie einer seiner Priester ein Wunder gewirkt hat! Mithras aber macht seine Anhänger unbesiegbar auf dem Schlachtfeld! Sein Beiname ist invictus, und jene Kaiser der Römer, die ihn verehrt haben, gehörten zu den strahlendsten Feldherren.«

»Und wie kommt es dann, daß der Mithraskult dem Christentum weichen mußte? Mir scheint, in dieser Schlacht haben seine Anhänger eine vernichtende Niederlage erlitten«, entgegnete Volker lakonisch.

Ricchar drehte sich im Sattel um. In der Finsternis konnte der Spielmann das Gesicht des Frankenfürsten nicht erkennen, doch klang die Stimme des Grafen düster und zornig. »Es gab keinen regelrechten Krieg zwischen den Mithrasanhängern und den Christen. Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich die Christen für keine wirklich guten Kämpfer halte. Doch was man ihnen nicht absprechen kann, ist, daß sie geschickte Intriganten sind. Wer einen Bischof kennt und weiß, wie solche Männer in Amt und Würden kommen, der wird mir recht geben. Sie haben Mithras und seine Gläubigen verleumdet und zugleich aus ihrem Kult gestohlen, was ihnen brauchbar erschien. So ist der Gott des Lichtes in Vergessenheit geraten, obwohl noch keine fünf Generationen vergangen sind seit jenen Tagen, in denen in fast jeder Stadt hier am Rhein ein Heiligtum für Mithras gestanden hat. Anders als ihr Christen unterschieden die Mithrasjünger nicht nach Stand und Geburt. Selbst der niederste unter ihnen durfte seinen Kaiser, der ebenfalls zu Mithras betete, als Bruder ansprechen. Es war wie...« Er hielt inne.

Ein leichter Wind ließ die schwüle Hitze einen Augenblick lang vergessen und zerriß die dichten Wolken am Himmel. Nördlich von ihnen flackerte ein großes Feuer zwischen Bäumen. Undeutlich konnte Volker den Schatten eines Hauses erkennen. Das Dach stand in Flammen...

Ricchar riß sein Pferd herum und gab ihm die Sporen. Der Fürst preßte die Lippen zusammen, so daß sein Mund im fahlen Mondlicht wie eine breite Narbe aussah, die sein Gesicht in zwei Hälften teilte.

Auch Volker trieb seinen Hengst nun zur Eile an. Immer schneller trommelten die Hufe auf den ausgedörrten Boden. In der Ferne waren jetzt schattenhafte Gestalten vor dem brennenden Gebäude zu erkennen. Es war eine hohe Scheune, neben der sich ein niedriger Stall und ein heruntergekommenes Gesindehaus in die Schatten der Nacht kauerten.

Dicht über dem Sattel des Grafen sah der Spielmann ein silbriges Funkeln. Ricchar hatte seinen Dolch gezogen. Volker tat es ihm gleich. Der Gutshof war jetzt kaum mehr als zehn Schritt entfernt. Deutlich konnte man einen zusammengesunkenen kahlköpfigen Mann im unsteten Licht der Flammen erkennen. Zwei schwarze Pfeilschäfte ragten aus seiner Brust. Noch im Tod hielt er die Hände zu Fäusten geballt. Dicht daneben lag ein Kerl über einem Mädchen im Heu. Ihre Röcke waren heruntergerissen.

Ricchar sprang im Galopp aus dem Sattel. Leicht taumelnd, rannte er zu dem Kerl im Heu, riß ihm den Kopf nach hinten und zog ihm den Dolch über die Kehle. Das Mädchen im Heu war tot. Man hatte ihr mit einer Axt den Schädel eingeschlagen. Alles erschien Volker seltsam unwirklich, so als sei er in einem Traum gefangen, aus dem er nicht mehr erwachen konnte. Er wendete sein Pferd und ritt einen jungen Mann nieder, der den Grafen von hinten mit einem Speer angreifen wollte. Dann sprang auch der Burgunde aus dem Sattel. Er stolperte halb über einen kleinen Jungen, der mit dem Gesicht nach unten im Staub lag. Das goldene Haar des Kindes war von dunklem Blut verklebt.

Ein Kerl mit einer Nagelkeule kam auf Volker zugelaufen. Der Ritter duckte sich unter dem Schlag hinweg und rammte dem Angreifer seinen Dolch in den Bauch. Die Wucht des Aufpralls riß dem Spielmann die Waffe aus der Hand. Der andere rannte noch ein paar Schritt, bis er sich gefangen hatte. Es war ein großer, schlacksiger Kerl mit weit abstehenden Ohren. Jetzt fiel ihm die Keule aus der Hand. Er drehte sich halb um und starrte erst auf das Messer in seinem Bauch und dann zu Volker.

Ein gedrungener Mann mit gespanntem Bogen erschien im Tor der Scheune. Seine Hände waren mit Blut besudelt. »Genug, Fürst Ricchar!« Rings um ihn rieselten glühende Funken vom Dach. Aus der Scheune erklangen gellende Schreie.

Der Graf stand breitbeinig über einem zweiten Räuber, den er niedergemacht hatte. »Du wagst dich weit aus deinem Wald, Eber!«

Der Kerl unter dem Scheunentor lachte. Sein Gesicht war von roten Pockennarben entstellt. »Wer sollte mich auch daran hindern? Ein Götzenanbeter, der sich mir mit nichts als einem Messer in der Hand entgegenstellt?« Er hob den Bogen und zielte auf Ricchars Brust.

»Wenn du mich tötest, werden meine Brüder dich hinter jedem Busch von hier bis Treveris suchen, Bastard!« Der Graf ging langsam auf den Bogenschützen zu. Das Messer zum Stoß bereit.

»Ich weiß.« Der Pfeil schnellte von der Sehne und durchschlug Ricchars Oberschenkel. Der junge Fürst wurde von der Wucht des Aufschlags halb herumgerissen und strauchelte.

»Bleib, wo du bist!« Der Pockennarbige zog einen zweiten Pfeil aus dem Köcher an der Hüfte. Die Schreie in der Scheune waren verstummt. »Es lohnt nicht, für diesen räudigen Hund dort hinten zu sterben. Er hat zugesehen, wie sich meine Männer seine Frau und seine Tochter genommen haben, ohne zu verraten, wo er sein Silber vergraben hat. Erst als ich ihm einen Fuß abgeschnitten habe, ist er gesprächiger geworden.« Der Bogenschütze spuckte aus und beobachtete ruhig, wie Ricchar versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

»Ich werde dich für das bestrafen, was du getan hast. Mein Henker wird dich aufs Rad flechten, Mörder.«

Der Eber hatte seinen Bogen jetzt auf Volker gerichtet. »Bleib, wo du bist, Ritter, sonst wirst du für deinen Herrn in die Hölle fahren.«

»Laß von den Weibern in der Scheune ab, und ich schenke dir dein Leben, Räuber!« Volker hob die Hand mit dem Messer leicht. Sobald der Halsabschneider einen Augenblick unaufmerksam war, würde er mit dem Dolch nach ihm werfen.

Der Bogenschütze pfiff leise durch die Zähne. »Für jemanden, der jeden Augenblick mit einem Pfeil im Bauch vor mir im Staub liegen könnte, nimmst du dir viel heraus, Krieger. Was sollte mich davon abhalten, euch beiden jetzt gleich das Lebenslicht auszublasen?«

»Ich weiß, daß du ein kluger Mann bist«, stöhnte Ricchar. »Wenn du mich jetzt tötest, werden dich spätestens bei Morgengrauen meine Brüder verfolgen. Sie werden nicht ruhen, bis sie dich haben. Du weißt, wie viele es sind. Jeden Unterschlupf von hier bis zur Mosel würden sie durchstöbern, um dich zu finden. Läßt du mich leben, werde ich mich persönlich auf die Suche nach dir machen. Das heißt, du hast zwei oder drei Tage Vorsprung, bis ich wieder auf einem Pferd sitzen kann.«

»Wenn ich dich töte, beginnt der Streit um deine Nachfolge. Niemand würde mir folgen und...«

»Wir haben es, Eber.« Ein junger Mann erschien unter dem Scheunentor und hielt einen schmutzverkrusteten Lederbeutel hoch. »Es war dort, wo er gesagt hatte. Er wird es nicht mehr brauchen!«

»Gut.«

Volker fluchte. Der Bogenschütze drehte sich nicht um. Dieser Eber schien genau zu wissen, was er vorhatte.

»Sag den Männern, sie sollen alles zusammenpacken und sich in den Wald davonmachen. Ich komme gleich nach.«

»Brauchst du Hilfe, Eber?« Der junge Kerl griff nach dem langen Dolch an seinem Gürtel.

»Ich habe meinen ersten Mann getötet, als du dir noch in die Hosen geschissen hast. Mit den beiden würde ich auch dann noch allein fertig, wenn sie mir in voller Rüstung gegenüberstünden und ich nichts als einen Eichenknüppel hätte, um mich zu wehren. Mach jetzt, daß du fortkommst, Mann!«

Volker schätzte die Entfernung zum Eber. Er war kein guter Messerwerfer. Wenn sich die Waffe in der Luft drehte und den Räuber mit dem Knauf statt mit der Spitze traf, dann würde ihn das sein Leben kosten. Der Barde leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Seine rechte Hand war schweißnaß.

»Du willst also eine Fehde mit mir, Fürst.« Der Eber lachte leise. »Ich glaube nicht, daß du genügend Männer aufbieten kannst, um mich aus den Bergen zu holen. Dort herrsche ich! Dich und deine Krieger habe ich dort nur geduldet. Ich bin gespannt, wann ich das nächste Mal Gelegenheit haben werde, dir einen Pfeil in den Balg zu jagen. Für heute habe ich genug Zeit mit dir vertan.« Der bullige Kerl drehte sich auf dem Absatz um und lief in die Scheune. Im selben Moment schleuderte Volker seinen Dolch. Mit dumpfen Schlag bohrte sich die Klinge in die hölzerne Scheunenwand. Der Dolch hatte den Schurken um mehr als eine Elle verfehlt.

»Wir werden ihn kriegen«, stöhnte Ricchar. Der Graf hatte seinen Gürtel gelöst und um dem Oberschenkel geschlungen, um die Blutung zu stillen. »Sieh nach, ob drinnen noch jemand lebt!«

Der Spielmann nickte knapp und eilte geduckt zur brennenden Scheune. Vorsichtig spähte er um die Ecke des hohen Eingangstors. Von der Decke des Holzbaus regneten Funken. Ein Stück vor ihm lag ein alter Mann, der mit einer Heugabel niedergestochen worden war. Irgendwo zwischen den tanzenden Schatten, die die Flammen auf die Wände warfen, erklang ein leises Schluchzen. Ein bedrohliches Knacken ertönte im Gebälk der Decke. Eine Klappe zum Heuboden schlug auf, und eine Kaskade brennenden Strohs ergoß sich über den Mittelgang.

Volker biß sich auf die Lippen. Einen Atemzug lang zögerte er. Dann zog er seinen Umhang schützend über sein langes Haar und lief in die Scheune hinein.

»Wo bist du?« brüllte er aus Leibeskräften. Keine Antwort. Die Hitze brannte ihm auf Gesicht und Händen. Mit einem Gebet auf den Lippen drang der Spielmann weiter in die Scheune ein. Halb stolperte er über eine Frau, die am Boden lag. Ihr Kleid war zerrissen. Sie hatte sich ein Messer in den Leib gestoßen. Noch immer umklammerten ihre Finger den groben Holzgriff der Waffe. Volker kniete sich nieder und fühlte nach ihrem Herzen. Sie war tot. Er drückte ihr die Augen zu und zog ihren Rock über ihre Scham hinab. War sie es gewesen, die er wimmern gehört hatte? Suchend blickte er sich um. Von der Decke ertönte erneut ein bedrohliches Knacken. Es war an der Zeit zu verschwinden! Doch als der Barde aufsprang, hörte er erneut das klagende Schluchzen. Es kam aus der hinteren Ecke der Scheune. Undeutlich konnte er unter einem der Deckenbalken einen Schatten hin- und herpendeln sehen.

»Komm raus! Uns bleiben nur noch einige Augenblicke, bis die Scheune einstürzt! Schnell!«

Nichts rührte sich. Polternd stürzten einige glühende Bretter von der Decke herab. »Verdammt, komm endlich heraus!« Der Barde sprang auf und rannte dem Geräusch entgegen. Endlich fand er hinter einen Karren kauernd ein Mädchen. Die Kleine mochte vielleicht vierzehn Sommer gesehen haben. Sie hatte langes, braunes Haar, das ihr in wirren Strähnen ins Gesicht hing. Auch ihr Kleid war zerrissen. Sie hielte beide Hände fest vor die Brust gepreßt. Ihre Finger umklammerten etwas Helles. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu der schattenhaften Gestalt, die vom Deckenbalken hing. Es war ein Mann, dem das Brustbein gespalten war und dem man den Bauch aufgeschnitten hatte. Ganz so, wie es ein Fleischhauer tat, um ein Schwein auszuweiden. Am Boden lag ein blutiger Haufen Innereien.

Volker packte das Mädchen und zog ihm seinen Umhang über den Kopf. Mit dem Kind auf den Armen eilte er zum Mittelgang der Scheune zurück. Fast hatte er das Tor erreicht, als mit ohrenbetäubenden Bersten ein Teil der Decke hinabstürzte. Eine Wand aus Feuer versperrte den Ausgang.

»Bei allen Heiligen... Ich werde nie mehr eine Messe im Wormser Münster versäumen, wenn du mir jetzt hilfst, heilige Maria.« Verzweifelt blickte sich der Spielmann nach einem Fluchtweg um. Das Mädchen klammerte sich fest an seine Arme.

Der Karren! Volker blickte zurück. Der Einspänner, hinter dem das Mädchen gekauert hatte. Vielleicht könnte er damit eine Bresche durch die Flammen schlagen.

Keuchend stürzte er zurück und rammte mit der Schulter gegen den hoch mit Holz beladenen Wagen. Doch statt loszurollen, kippte er zur Seite weg. Ein Teil der Ladung fiel auf den gestampften Lehmboden. Fluchend rannte Volker auf die andere Seite des Karrens um zu sehen, was geschehen war. Eines der Räder war auf einen hölzernen Block aufgebockt gewesen. Es war zerbrochen! Offenbar hatte der Wagen repariert werden sollen.

Fluchend blickte Volker zu der Flammenwand, die den Weg zum Scheunentor versperrte. Sollte er es wagen? Die Luft war so heiß, daß er bei jedem Atemzug das Gefühl hatte, flüssiges Feuer rinne seine Kehle hinab. Ihm war schwindlig. Es schien, als würde die Hitze die Kraft aus seinen Beinen schmelzen. Mit jedem Herzschlag fühlte er sich schwächer...

»Dorthin. Du mußt dorthin... laufen!« Hustend zeigte das Mädchen in eine Ecke, in der sich Kisten und Weidenkörbe türmten. »Dort ist eine Tür... Der dicke Mann hat die Körbe umgestoßen...«

Dicht wie die Regentropfen eines Sommergewitters fielen die Funken von der Decke. Wie ein Gewicht aus Blei lag das zarte Mädchen in Volkers Armen. Müde stieß sich der Barde vom Karren ab und stolperte auf den Haufen aus Körben zu. Sie waren offenbar einmal zu ordentlichen Stapeln geschichtet gewesen. Ein Teil der Körbe war noch immer ineinandergeschoben.

Volker trat die Weidenkörbe zur Seite. Hinter ihnen lag eine niedrige Tür. Erschöpft stieß er mit der Schulter gegen das altersdunkle Holz, doch die Tür stand fest wie ein Fels. Sie war versperrt. Der beißende Rauch trieb dem Spielmann Tränen in die Augen. Vorsichtig setzte er das Mädchen auf den Boden. Die Kleine blickte ihn mit ihren großen, grünen Augen erwartungsvoll an...

Wieder rammte der Barde seine Schulter gegen die Tür. Sie erbebte leicht, rührte sich aber nicht vom Fleck. Hinter ihm stürzten krachend weitere Balken ins Innere der Scheune. Die Luft schien in Flammen zu stehen. Seine Hände waren rot von der Hitze. Das Mädchen hatte wieder angefangen zu schluchzen.

Das also war das Ende, dachte der Barde. Er kniete neben der Kleinen nieder, schlang seinen Umhang um ihre Schultern und drückte sie fest in die Arme. Er spürte, wie ihr kleiner zerbrechlicher Leib bei jedem Seufzer erzitterte. Der Spielmann hätte seine Wut und Verzweiflung am liebsten laut herausgeschrien, doch er fürchtete, das Mädchen noch mehr zu verängstigen. So hielt er sie einfach nur fest umklammert.

Schwach hörte er zwischen dem Fauchen der Flammen und dem Krachen der nachgebenden Deckenbalken ein Geräusch wie von einem dumpfen Schlag. Ein Schauer glühender Funken prasselte auf sie nieder. Wie von Geisterhand bewegt schwang die verschlossene Tür auf. Aus den Augenwinkeln sah Volker, wie eine Flammenzunge aus der Mitte der Scheune auf die Tür zuschoß. Der Spielmann stieß das Mädchen zu Boden und warf sich schützend über sie. Wie glühende Krallen griff die Hitze nach seinem Fleisch. Er schrie auf vor Schmerz.

Nur einen Herzschlag lang waren die Flammen über ihnen, dann wichen sie wieder zurück. Eine Hand griff nach ihm. »Komm raus! Schnell! Die ganze Scheune kann jeden Augenblick zusammenbrechen.« Volker hob den Kopf und blickte in das schmerzverzerrte Gesicht Ricchars. Der Frankengraf stützte sich auf den abgebrochenen Schaft einer Mistforke. Aus der Wunde an seinem Bein sickerte ein dünner Faden Blut.

Stöhnend richtete der Barde sich auf. Das Mädchen hatte das Bewußtsein verloren. Vorsichtig nahm er die Kleine in die Arme. Über ihm knackte es drohend im Gebälk.

Humpelnd taumelten die beiden Krieger durch die niedrige Tür. Ricchar wies auf einen Balken, der dicht neben der Wand lag. »Der Eber hatte damit von außen die Tür verrammelt. Er wollte uns in den Flammen verrecken sehen. Wenn ich den Bastard bekomme, werde ich ihm mit meinen eigenen Händen das Herz herausreißen!«

Volker beachtete Ricchar kaum. Noch immer war ihm schwindelig und übel. Mit letzter Kraft schleppte er sich zu einer Eiche, die einen Steinwurf vom Bauernhaus entfernt stand. Hier war die Hitze der brennenden Scheune kaum noch zu spüren. Vorsichtig legte er das Mädchen ins hohe Gras und ließ sich dann erschöpft neben dem mächtigen Baumstamm nieder. Besorgt musterte er das Kind. Gesicht und Hände des Mädchens waren noch immer gerötet. Sie hielt die Arme vor die Brust verschränkt und hielt etwas ganz eng an sich gedrückt. Dunkles Blut besudelte ihr zerrissenes Wollkleid. Ob sie verletzt war? Der Spielmann beugte sich weiter vor, um sie näher zu untersuchen, und da erkannte er, was die Kleine mit ihren zierlichen Fingern so fest umklammert hielt. Es war ein blasser, blutverkrusteter Menschenfuß!


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