7. KAPITEL


Hinter ein Gebüsch geduckt, beobachtete Golo, wie eine Gruppe dunkler Schatten durch die Regenschleier glitt. Es goß wie aus Eimern, und er mußte die Lippen aufeinanderpressen, um sich nicht durch Zähneklappern zu verraten. Seit Stunden regnete es schon. Er trug keinen trockenen Faden mehr am Leib. Ihre Reise stand unter einem schlechten Stern. Hoffentlich hatte Belliesa keinen Fehler gemacht!

Allein dem Regen, der auf dem schlammigen Boden ihre Spuren gelöscht hatte, war es zu verdanken, daß sie gestern den Jägern des Grafen entgangen waren. Ein Trupp von zehn Bewaffneten war keine zweihundert Schritt unterhalb ihres Nachtlagers vorbeigeritten. Danach waren sie sich alle einig gewesen, daß sie weiter von den Wegen und Pfaden fortmußten, die für Pferde gangbar waren. Belliesa hatte ihnen angeboten, sie zu einer kleinen Stadt zu führen, wo sie Freunde hatte. Dort wollte sie die Reittiere verkaufen und frischen Proviant besorgen. Castra Corona nannte sich die befestige Stadt, die sich über den langgezogenen Hügelrücken am anderen Ende des Tals erstreckte. Sie war durch hohe steinerne Mauern geschützt, die von fast einem Dutzend massiger Wehrtürme überragt wurden.

Volker hatte sich geweigert, sich der Stadt auf mehr als fünfhundert Schritt zu nähern. So war Belliesa in der Nacht alleine davongeschlichen, um ihre Gewährsleute zu finden. Golo betrachtete die Gestalten, die nun auf ihn zukamen, mit gemischten Gefühlen. Er wußte nicht, ob man ihnen trauen durfte. Und dann dieser Regen! Wenn es nun Soldaten wären, die ihre Waffen und Rüstungen unter weiten Mänteln verbargen... Der junge Ritter kniff die Augen zusammen. Die Fremden waren dem Waldrand, wo Belliesa auf sie wartete, jetzt bis auf zehn Schritt nahe gekommen. Die Bardin trat aus ihrem Versteck hinter einem mächtigen Eichenstamm und grüßte die Männer. Der Anführer des Trupps schloß sie herzlich in die Arme. Golo atmete erleichtert auf. Soldaten konnten das nicht sein! Sobald Belliesa das verabredete Zeichen gab, würde er die Pferde die Bergflanke hinabbringen.

Die Männer standen jetzt im Halbkreis um die Bardin, die heftig gestikulierte und auf die Fremden einredete. Ob sie über den Preis für die Pferde feilschten? Belliesa deutete zum Hang hinauf. Sie sollte das lieber lassen. Auch wenn Volker sie höflich behandelte und mit Komplimenten um ihre Gunst buhlte, wußte Golo, daß der Spielmann ihrer Gefährtin im Grunde noch immer mißtrauisch gegenüberstand. Dabei hatte sie sich in den letzten Tagen als gute Führerin erwiesen. Ohne ihre Hilfe wären sie den Soldaten Ricchars mit Sicherheit nicht entkommen! Von Ferne hatten die Gefährten immer wieder Suchtrupps sehen können, und an jeder größeren Wegkreuzung gab es Wachposten. Doch Belliesa hatte sie bei Nacht und Nebel sicher über die bewaldete Hochebene geführt. Die Bardin war nicht zum ersten Mal auf der Flucht, und sie kannte die Berge so gut, als sei sie hier geboren worden.

Warum das Gespräch mit dem Pferdehändler und seinen Knechten nur so lange dauerte? Golo trat unruhig von einem Bein auf das andere. Er wünschte, der Handel wäre schon abgeschlossen. Belliesa redete noch immer auf die Kerle ein. Was da wohl vor sich gehen mochte?

Der junge Recke hätte nur zu gerne gewußt, was ihre Gefährtin hierher in die Berge verschlagen hatte. Sie schien kaum länger als ein Jahr hier zu sein. Woher sie kam, hatte sie ihnen bislang nicht verraten. Vielleicht stimmte die Anklage gegen sie sogar, und sie war tatsächlich eine Zauberin. Gestern abend war die Bardin allein bei den Pferden im Lager geblieben, während die anderen losgezogen waren, um Pilze zu sammeln und trockenes Holz für ein Feuer zu sammeln. Golo war als erster zurückgekommen, und da hatte er gesehen, wie sie ihre Hände beschirmend über die neue Feuerstelle gehalten hatte und plötzlich Flammen aus dem nassen Holz schlugen. Golo hatte das bislang für sich behalten. Er wollte die anderen nicht beunruhigen, doch war er sich sicher, das dies nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Überhaupt war es unerhört, daß eine Frau ganz allein reiste. Wo hatte man je so etwas gehört! Und doch schien sie keinerlei Schwierigkeiten zu haben.

Belliesa hob die Rechte und winkte. Das war das verabredete Zeichen. Der junge Ritter nahm die Pferde beim Zügel und führte sie den Hang hinunter. Es fiel ihm schwer, sich von seiner Stute zu trennen. Seit mehr als einem halben Jahr war er das Tier geritten. Sie hatten sich gerade aneinander gewöhnt.

Als er aus dem Wald trat, starrten ihn die Männer rund um Belliesa eigenartig an. Golo hatte das Gefühl, daß sie ihn in einer Mischung aus Scheu und Ehrfurcht musterten. Der Anführer der Fremden, ein großer schwarzbärtiger Kerl, flüsterte etwas zur Bardin, woraufhin Belliesa leise lachte.

»Nein, das ist er nicht. Es ist sein Gefährte, Golo.« Sie zeigte mit theatralischer Geste auf den Bärtigen. »Darf ich euch bekanntmachen! Vor dir steht Claudius Marcellinus. Wenn man ihm glaubt, waren seine Ahnen einst bedeutende Senatoren in Rom. Mit Sicherheit jedoch ist er der gerissenste Pferdehändler des nördlichen Galliens. Wann immer du einen Gaul brauchst, ist Marcellinus dein Mann, Golo. Er versteht sich darauf, wie aus dem Nichts Pferde herbeizuzaubern.« Belliesa bedachte den hünenhaften Kerl mit einem schelmischen Blick. »Freilich ist es manchmal nicht allzu klug, Fragen über die Herkunft der Tiere zu stellen oder allzu lange an dem Ort zu verweilen, wo man sie von Claudius gekauft hat, aber diese Sorge haben wir heute ja nicht. Mein Freund versteht sich übrigens genausogut darauf, Pferde verschwinden zu lassen. Wenn wir sie ihm anvertrauen, brauchen wir uns keine Gedanken mehr darüber zu machen, daß die Franken uns auf die Spur kommen werden. Im Umgang mit Reittieren verfügt Claudius geradezu über magische Fähigkeiten. So konnte ich selbst schon miterleben, wie ein Hengst, dessen er sich angenommen hatte, über Nacht von einem Fuchs zu einem Rappen wurde.«

Golo musterte den Kerl mißtrauisch. Der Römer hatte Hände, groß wie Heugabeln, und ein Kreuz wie ein Stier. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, und zwischen den buschigen Locken, die ihm bis in den Nacken fielen, schimmerte ein goldener Ohrring. Bei ihm hätte er wohl kaum ein Pferd gekauft, dachte Golo bei sich. »Wieviel hat er geboten?«

»Nun, den Umständen entsprechend, war sein Preis angemessen. Ich habe ein gutes Stück Silber bekommen.« Die Bardin strich mit flüchtiger Geste über zwei pralle Geldkatzen, die an ihrem Gürtel hingen. »Außerdem hat er uns reichlich Proviant mitgebracht. Geräucherte Aale und Schinken, frische Dauerwürste, Salz, Hirse und auch etwas Wein. Alles ist gut verpackt und wird dem Regen widerstehen. Wir können uns nicht beklagen.«

Claudius war zu den Pferden getreten, und Golo beobachtete mißbilligend, wie der Kerl seiner Stute über die Nüstern strich. Sie schnaubte leise. Fast sah es aus, als habe sie schon begriffen, daß dieser zwielichtige Roßtäuscher ihr neuer Herr sein würde. Der junge Ritter fragte sich, woher Belliesa solche Halunken wie Claudius und seine Gefolgsleute kannte. Keiner der Männer, die mit dem hünenhaften Römer gekommen waren, sah vertrauenerweckender als ihr Anführer aus.

Nachdem er alle Pferde kurz gemustert hatte, wandte sich Claudius wieder zu ihnen um. »Gute Ware, meine kleine Nachtigall. Sie sind ein wenig erschöpft, aber sonst in guter Verfassung.« Er hob seine riesenhafte Pranke und streckte sie Belliesa entgegen. »Was mich angeht, ist der Handel perfekt.«

Die Bardin schlug ein. »Es ist immer wieder ein Freude, mit dir Geschäfte zu machen. Leider bleibt keine Zeit, länger zu verweilen. Du weißt ja, daß wir uns von den Pferden trennen, weil wir gewisse Schwierigkeiten haben.«

Golo schluckte. Hatte Belliesa diesem Schurken etwa erzählt, daß ihnen die Franken im Nacken saßen? Wie konnte sie Claudius so sehr vertrauen? Wahrscheinlich würde er sie schon in der nächsten Stunde an die Garnison in der Stadt verraten.

Die Gefährten des Pferdehändlers überreichten ihnen die schweren Tuchsäcke mit den Lebensmitteln, und sie trennten sich ohne ein weiteres Wort. Mit langen Schritten eilte die Bardin zwischen den dunklen Bäumen den Berghang hinauf, so daß der junge Ritter Mühe hatte, mit ihr Schritt zu halten.

»Warum hast du ihm gesagt, daß wir vor den Franken flüchten?« fragte Golo, als die anderen außer Hörweite waren.

»Weil Claudius nicht dumm ist! Wer trennt sich schon von seinen Pferden und reist weitab von allen Wegen, wenn er nicht einen guten Grund dazu hat? Es wäre töricht gewesen, ihm etwas vorzumachen. Außerdem weiß er auch, daß Ricchar ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt hat.«

»Und was macht dich so sicher, daß er uns nicht verraten wird?«

Die Bardin drehte sich halb zu Golo um und blickte ihn ernst an. »Vertrau mir! Er kann nicht! Mehr kann ich dir dazu jetzt noch nicht sagen.«



Nach zwei weiteren Regentagen war das Wetter endlich besser geworden. Seit sie sich von den Pferden getrennt hatten, waren ihnen keine fränkischen Verfolger mehr aufgefallen. Sie bewegten sich weitab aller Siedlungen durch die Berge. Hier schien der Winter näher als in der Ebene des großen Flusses. Das Laub vieler Bäume schimmerte schon in Rot und Gold, ganz wie ihre Kettenhemden, die nach dem Regen der letzten Tage von Rost überzogen waren. Sie hatten am Ende eines langen Windbruchs ihr Lager unter ein paar umgestürzten Bäumen aufgeschlagen, die eine natürliche Höhle bildeten. Die Gefährten wollten den Morgen noch hier bleiben, um sich von den Strapazen der letzten Tage zu erholen. Der Marsch durch die Berge hatte sehr an ihren Kräften gezehrt. Kettenhemd, Helm, Schild und Schwert allein waren schon schwer genug, dazu kamen noch die schweren Packtaschen der Pferde und der Proviant. Abends, wenn Volker diese Last ablegte und sie in ein feuchtes Versteck gekrochen waren, hatte er sich leicht wie ein Vogel gefühlt. Wenn sie von ein paar Waldläufern aufgespürt würden, wäre jeder Fluchtversuch sinnlos. Ein Greis könnte schneller laufen als sie unter der Last von Rüstung und Gepäck.

Aber warum solch trüben Gedanken nachhängen? So, wie die Dinge standen, hatten sie es geschafft. Ihre Spur war verwischt, und für Ricchar waren sie irgendwo in den Bergen verschwunden.

Der Spielmann blickte zu Golo herüber. Der junge Ritter hockte vor einer länglichen Feuergrube und drehte, leise vor sich hinsummend, vier prächtige fette Waldhühner, die er auf einen hölzernen Spieß geschoben hatte. Neben ihm in der Glut standen zwei kleine eiserne Töpfchen, in denen eine Sauce aus wilden Brombeeren und eine Suppe aus Wurzeln und Wildzwiebeln köchelten. Hinter dem Feuer kauerte Mechthild und zerschnitt auf einem flachen Stein einige Kräuter, die sie gesammelt hatte. Volker leckte sich die Lippen. Das Mahl zum Weihnachtsfest an der Tafel König Gunthers war nicht verlockender gewesen als die Köstlichkeiten, die Golo dort zubereitete. Es war gut, mit ihm zu reisen, dachte Volker schmunzelnd. Er selbst hätte bestenfalls ein paar halbverbrannte Vögel zustande gebracht. Kochen war nie seine Sache gewesen.

Mechthild stand kurz auf und wendete mit einem langen Stock zwei Brotfladen, die in der Glut der Feuergrube lagen. Sie warf Golo einen kurzen Blick zu und machte sich dann wieder daran, ihre Kräuter zu zerkleinern. Ob sie in Golo so etwas wie einen großen Bruder sah? Ihr Verhältnis zu dem jungen Ritter hatte sich in den letzten Tagen drastisch geändert. Golo war so verrückt, ihr das Schwertkämpfen beizubringen... Einem kleinen Mädchen, das kaum die Kraft hatte, ein Schwert zu halten! Täglich übten sie mit zwei Holzstöcken, die sie mit Kaninchenfell gepolstert hatten. Was für ein Unsinn! Volker wurde nicht schlau aus Mechthild. Ihm gegenüber verhielt sie sich kühler und zurückhaltender als früher. Selbst mit Golo, dem sie offenbar vertraute, sprach sie kaum. Wenn sie an einem Tag zehn Worte über die Lippen brachte, dann war das viel. Auch lächelte oder lachte sie nie. Und doch schien es etwas zu geben, das sie mit Golo in einer Art und Weise verband, daß Volker sich als Störenfried fühlte, wenn er mit den beiden allein war.

Es würde noch mindestens eine halbe Stunde dauern, bis die Waldhühner gar waren. Zeit genug, um noch etwas den Berg hinaufzuwandern und die beiden allein zu lassen. Auch Belliesa war irgendwo weiter oben am Berg. Sie war schon vor über einer Stunde gegangen, angeblich um noch Beeren für ihr Mahl zu suchen.

Volker stieg über die umgestürzten Bäume hinweg und erklomm den steilen Abhang hinter ihrem Lager. Er erreichte einen Hain aus hohen, dunklen Tannen und schlenderte ziellos zwischen den Bäumen umher. Düster brütete er darüber, ob er wohl jemals den Feuervogel finden würde. Er war sich sicher, daß Belliesa etwas über den verwunschenen Vogel wußte. Volker dachte an ihr Amulett mit den beiden flammend roten Federn. Sie hatte es geschafft, dem Feuervogel zu begegnen! Warum die Bardin wohl nach ihm gesucht hatte? In all den Tagen, die sie nun schon gemeinsam reisten, war es ihm nicht geglückt, ihr dieses Geheimnis zu entlocken. Obwohl er sich alle Mühe gab, widerstand sie seinem Charme, auch wenn ihr seine Komplimente offenbar nicht unangenehm waren. Selten hatte er eine Frau getroffen, die so unnahbar schien wie Belliesa, doch gerade das reizte ihn! Gestern abend hatte er in Gedanken ein Gedicht über ihre Schönheit begonnen...

Ärgerlich trat Volker gegen einen morschen Ast, der halb aus dem Boden ragte. Er sollte sie einfach ignorieren! Sie könnte ihn von seinem Weg abbringen! Ob auch sie eine Prüfung war, genauso wie die Begegnung mit Ricchar? Was würde geschehen, wenn er sich von ihrem Zauber gefangennehmen ließ? Würde ihm noch einmal der Feuervogel erscheinen, um ihn auf seinen Weg zurückzuführen und...

Er hielt inne. Irgendwo hinter den Bäumen erklang eine kristallklare Stimme, die ein Lied in einer ihm unbekannten Sprache sang. Mit solcher Eindringlichkeit ertönte die fremde Stimme, daß es ihm schien, daß alle Laute des Waldes verstummten. Halb erschrocken blickte er sich suchend um. Ein Stück vor ihm wurde der Boden felsiger, und dünner Nebel sickerte zwischen den schwarzen Tannenstämmen hindurch. Dort irgendwo mußte sich die Sängerin verbergen. Mit aller Vorsicht darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, das die Stimme vielleicht verstummen lassen mochte, schlich er näher. Seine Haut kribbelte vor Erregung über das, was er hörte, und sein Herz begann schneller zu schlagen. Er ahnte, wem die Unbekannte ihr Lied sang. Sie schenkte es dem Bergland, der wilden Natur, die sich mit diesem goldenen Herbsttag vom Sommer verabschiedete. Der Gesang kam aus ihrem Herzen, die Musik aus dem Innersten ihrer Seele, und sie entließ ihn in die Luft wie einen Schwarm schillernder Vögel. Auch wenn diese Stimme ihm fremd und unirdisch erschien, wußte er, wer dort sang...

Der Nebel wurde dichter, und Volker erreichte ein kleines Felssims, das sich steil über die Bergflanke hinausreckte. Eine warme Quelle brach zwischen den Felsen hervor, und die Steinmetze eines längst vergessenen Volkes hatten ein Becken in den weichen Sandstein geschlagen, in dem sich das Wasser sammelte. Es war nicht sehr groß. Vielleicht zwei Schritt lang und anderthalb breit. Es war aber tief genug, um darin im Sitzen ein Bad zu nehmen. Der Wind, der vom Tal heraufkam, drückte den Dunst, der von dem heißen Wasser aufstieg, gegen die Steilwand und trieb ihn in den Tannenwald, der die verborgene Quelle vor neugierigen Blicken schützte. Aus der Felswand neben dem Becken war ein kleiner Schrein herausgeschlagen, der drei sitzende Frauenfiguren zeigte.

Volker verharrte wie gebannt am Ende des Tannenhains, bis ein Windstoß den Dunst über dem Becken zerriß. Jetzt erst sah er die ordentlich gefalteten Kleider neben dem Schrein. Eine weiße Tunika, Beinlinge, ein rotes Ledermieder...

Ganz am Ende der Klippe stand Belliesa in ihren langen schwarzen Umhang gehüllt. Sie blickte auf das Tal hinab und sang. Volker mußte an die Geschichten denken, die antike Dichter von den Sirenen erzählten. Von wunderschönen Frauen, deren Gesang kein Mann zu widerstehen vermochte und die doch jeden, der sich mit ihnen einließ, ins Unglück stürzten. Der Wind spielte mit dem langen roten Haar der Bardin. Der Spielmann stand wie versteinert. Ob sie wußte, daß er ihr lauschte? Wenn ja, dann verriet sie es nicht durch die kleinste Geste.

Gerne wäre er näher zu ihr getreten, doch so, als stünde er unter einem Zauberbann, vermochte er sich nicht von der Stelle zu bewegen, ja er wagte kaum zu atmen. Die Melodie änderte sich jetzt. Die Stimme der Sängerin wurde melancholisch, und auch wenn er kein Wort von diesem fremden Lied verstand, verspürte der Spielmann einen süßen Schmerz in seiner Brust.

Plötzlich beendete Belliesa ihren Gesang und drehte sich zu ihm um. Einen Moment lang schien sie überrascht. Dann wies sie ins Tal hinab. »Sie haben uns doch noch aufgespürt! Ich hätte nicht gedacht, daß sie sich hierher wagen... Dort unten kommen Krieger ins Tal.«

Der Bann war gebrochen. Volker trat auf die Klippe und blickte über die bewaldeten Berghänge. Dann sah auch er, was Belliesa alarmiert hatte. Zwischen den Bäumen, noch etwas mehr als eine halbe Meile vom Windbruch entfernt, funkelte Sonnenlicht auf poliertem Metall. Wer auch immer dort anrückte, bewegte sich geradewegs auf ihr Lager zu.

»Kennst du ein sicheres Versteck?«

Die Bardin schüttelte langsam den Kopf. »Das hängt davon ab, wer dort kommt. Wenn sie Hunde dabei haben, werden sie uns auf jeden Fall finden.«

»Ich laufe zu den anderen. Komme nach und hole Mechthild. Ich werde mit Golo versuchen, die Bewaffneten aufzuhalten... Dann werdet wenigstens ihr beide entkommen.«

»Aber du...«

Volker wandte sich um und lief in den Tannenhain. Er konnte sich jetzt nicht mit langen Reden aufhalten. Die Zeit würde schon jetzt kaum noch reichen, um seine Rüstung anzulegen, bevor die Bewaffneten den Lagerplatz erreichten.


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