»Um den Orden zu verstehen«, sagte Medivh, »musst du Dämonen verstehen. Du musst außerdem Magie beherrschen.«
Er setzte sich auf einen der unbeschädigten Stühle, auf dem auch eines der wenigen noch heilen Kissen lag.
»Lord Medivh … Magus«, sagte Khadgar. »Wenn ein Dämon in Stormwind unterwegs ist, sollten wir uns darauf konzentrieren und nicht auf die Geschichtsstunden, für die später noch Zeit sein wird.«
Medivh blickte auf seine Brust, und Khadgar befürchtete, dass ihm ein weiterer Ausbruch des älteren Magiers bevorstand. Doch der schüttelte einfach nur den Kopf und lächelte. »Deine Bedenken würden Sinn ergeben, wenn der Dämon eine Bedrohung für jene in deiner Umgebung wäre. Aber vertrau mir, dass dem nicht so ist. Selbst wenn der Dämon einer der mächtigeren Offiziere innerhalb der Brennenden Legion wäre, hätte er den Großteil seiner persönlichen Macht im Kampf gegen die beiden Magier verloren, die ihn beschworen. Zumindest momentan spielt er keine Rolle.
Wichtig ist nur, dass du verstehst, was der Orden ist, was ich bin und warum andere sich so sehr für ihn interessieren.«
»Aber Magus …«, begann Khadgar.
»Und je eher ich hier fertig bin, desto eher werde ich wissen, ob ich dir diese Informationen anvertrauen kann, und desto eher kann ich mich um diesen lächerlichen Dämon kümmern. Wenn du also willst, dass ich gehe, solltest du mich zu Ende reden lassen. Richtig?«
Khadgar wollte protestieren, überlegte es sich jedoch anders. Er lehnte sich an das breite Sims des geöffneten Fensters. Die Diener hatten ihr Möglichstes getan und die Leichen aus dem Turm entfernt. Aber der Geruch ihres Todes, dieser schwere Gestank der Verwesung, hing noch immer in der Luft.
»Also, was ist Magie?«, fragte Medivh im Tonfall eines Lehrers.
»Ein Energiefeld, das die Welt durchdringt«, antwortete Khadgar, ohne nachzudenken. Es war eine einfache Antwort auf eine einfache Frage. »Es ist an einigen Orten stärker als an anderen, aber immer präsent.«
»Ja, das ist es«, antwortete der ältere Magier, »zumindest jetzt. Aber es gab eine Zeit, als dem nicht so war.«
»Aber Magie ist allgegenwärtig«, sagte Khadgar, wusste jedoch in dem Moment, da er die Worte aussprach, dass das Gegenteil bewiesen werden würde. »Sie ist so wie Luft oder Wasser.«
»Ja, wie Wasser«, sagte Medivh. »Aber es gab eine Zeit ganz zu Anfang, als sich das gesamte Wasser der Welt an einem Ort befand. All der Regen und die Flüsse und die Seen und die Ströme, all die Schauer und Bäche und Tränen waren an einem Ort, in einem Brunnen.«
Khadgar nickte langsam.
»Was für Wasser gilt, gilt auch für Magie«, sagte Medivh. »Ein Brunnen der Magie. Die Quelle war die Öffnung in eine andere Dimension, ein leuchtendes Tor in ein Land jenseits der Großen Dunkelheit, jenseits der Mauern der Welt. Die ersten Völker, die Zaubersprüche erdachten, lebten rund um diesen Brunnen und verwandelten seine rohe Macht in Magie. Man nannte sie damals die Kaldorei. Wie man sie heute nennt, kann ich nicht sagen.« Medivh sah Khadgar an, aber der jüngere Magier schwieg.
Medivh führ fort. »Die Kaldorei wurden durch den Einsatz von Magie mächtig, aber sie verstanden ihren Ursprung nicht. Sie wussten nicht, dass es andere mächtige Kräfte in der Großen Dunkelheit gab, die sich im Raum zwischen den Welten bewegten. Sie gierten nach Magie und beobachteten jeden, der sie zähmte und zum eigenen Nutzen verwendete. Diese bösen Mächte waren Scheußlichkeiten, Moloche und Alpträume aus Hunderten von Welten, doch wir nennen sie einfach Dämonen. Sie wollten alle Welten erobern, in denen Magie benutzt wurde und sich verbreitete, und sie wollten diese Welten vernichten, um die Energien für sich zu behalten. Und der Größte unter ihnen, der Herrscher der Brennenden Legion, war ein Dämon namens Sargeras.«
Khadgar dachte an die Vision mit Aegwynn und unterdrückte ein Schaudern.
Medivh schien die Reaktion des jungen Magiers nicht zu bemerken. »Der Herrscher der Brennenden Legion war ebenso mächtig, wie geschickt, und er versuchte, die Kaldorei zu verführen. Es gelang ihm. Ein dunkler Schatten fiel über ihre Herzen, und sie versklavten andere Völker, wie die frühen Menschen, um ihr Reich aufzubauen.«
Medivh seufzte. »Nun, in dieser Zeit der Sklaverei durch die Kaldorei gab es einige, die eine größere Vision als ihre Brüder hatten und gewillt waren, nicht nur gegen die Kaldorei aufzubegehren, sondern auch den Preis für ihre Vision zu zahlen. Die mutigen Wesen, die den Kaldorei oder anderen Völkern angehörten, sahen, wie die Herzen der herrschenden Kaldorei kalt und dunkel wurden und die dämonische Macht wuchs.
Die Kaldorei wurden so sehr von Sargeras korrumpiert, dass sie die Welt beinahe bei ihrer Geburt verdammt hätten. Sie ignorierten die, die sich gegen sie stellten und ermöglichten Sargeras und den anderen mächtigen Dämonen die Invasion. Nur den heroischen Taten einiger Weniger ist es zu verdanken, dass das leuchtende Tor in der Großen Dunkelheit geschlossen wurde und Sargeras und seine Anhänger gefangen genommen wurden. Doch dieser Sieg forderte einen hohen Preis. Der Brunnen der Ewigkeit explodierte, als das Tor geschlossen wurde, und riss das Herz aus dieser Welt. Das Reich der Kaldorei – und mit ihm der gesamte Kontinent – wurde vernichtet. Die, die das Tor geschlossen hatten, wurden nie wieder gesehen.«
»Kalimdor!«, unterbrach Khadgar, obwohl er es nicht wollte.
Medivh sah ihn an, und Khadgar fuhr fort. »Das ist eine alte Legende in Lordaeron. Es gab einmal ein bösartiges Volk, das sich mit Kräften einließ, die es nicht verstand. Als Strafe für seine Sünden wurde sein Reich zerbrochen und in den Wellen versenkt. Man nannte es die Entzweiung der Welt. Das Reich hieß Kalimdor.«
»Kalimdor«, wiederholte Medivh. »Auch wenn du nur die Kinderversion dieser Geschichte kennst, sagt sie das aus, was wir den jungen Magiern erzählen, um sie vor den Gefahren der Mächte zu warnen, die sie beschwören. Die Kaldorei waren Narren und vernichteten nicht nur sich selbst, sondern beinahe die Welt. Und als der Brunnen der Ewigkeit explodierte, verteilten sich die Energien darin in einem magischen Regen über die ganze Welt. Und deshalb ist die Magie heute allgegenwärtig – es ist die Kraft aus der Zerstörung des Brunnens.«
»Aber Magus«, sagte Khadgar, »das war vor Tausenden von Jahren.«
»Vor zehntausend Jahren«, sagte Medivh, »mehr oder weniger.«
»Aber wie kommt die Legende dann zu uns? Selbst Dalarans Geschichten reichen nur zwanzig Jahrhunderte zurück, und die frühesten Überlieferungen sind in geheimnisvolle Legenden gehüllt.«
Medivh nickte und nahm den Faden wieder auf. »Viele starben, als Kalimdor versank, aber manche überlebten und nahmen ihr Wissen mit. Einige der überlebenden Kaldorei gründeten den Orden von Tirisfal. Ob es sich bei Tirisfal um eine Person, einen Ort, ein Ding oder einen Gedanken handelte, weiß selbst ich nicht. Sie nahmen das Wissen über das, was geschehen war, mit sich und schworen zu verhindern, dass so etwas jemals wieder geschah. Das ist das Fundament des Ordens.
Nun, das Volk der Menschen überlebte diese dunklen Tage ebenfalls, und da die magische Energie mit dem Stoff der Welt verwoben war, begannen auch sie bald an den Toren der Realität zu kratzen. Sie beschworen Kreaturen aus der Großen Dunkelheit und klopften an den verschlossenen Türen zu Sargeras’ Gefängnis. Doch dann traten die Kaldorei, die überlebt und sich verändert hatten, vor und gaben die Geschichte ihrer Vorfahren preis – wie sie beinahe die Welt vernichtet hatten.
Die ersten menschlichen Magier dachten über die Worte der überlebenden Kaldorei nach. Sie erkannten, dass, sollten sie ihre Zauberstäbe, Phiolen und Pergamentrollen niederlegen, andere – ob voller Unschuld oder nicht – nach Wegen suchen würden, um den Dämonen ein weiteres Mal Zugang zu unserem grünen Land zu verschaffen. Und so setzten die mächtigsten Magier den Orden als Geheimbund fort. Der Orden von Tirisfal ernannte eines seiner Mitglieder zum Wächter des Tirisfalen. Dieser Wächter erhielt die größte Macht und wurde zum Beschützer der Realität. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Tor zur anderen Seite kein einzelner Brunnen der Macht mehr, sondern ein unendlicher Regen, der bis heute fällt. Das ist die größte Verantwortung der Welt.«
Medivh wurde still, und seine Augen verloren kurz ihre Konzentration, so als sei er selbst in die Vergangenheit gerissen worden. Dann schüttelte er den Kopf und kehrte zu sich selbst zurück, ohne etwas zu sagen.
»Ihr seid der Wächter«, sagte stattdessen Khadgar ruhig.
»Ja«, erwiderte Medivh endlich. »Ich bin der Sohn der größten Wächterin aller Zeiten und erhielt ihre Macht kurz nach meiner Geburt. Es war … zu viel für mich, und ich bezahlte dafür mit einem Großteil meiner Jugend.«
»Aber Ihr sagtet, die Magier würden einen der ihren erwählen«, sagte Khadgar. »Hätte Magna Aegwynn keinen älteren Kandidaten bestimmen können? Wieso hat sie ein Kind, vor allem ihr Kind, dazu erkoren?«
Medivh holte tief Luft. »Die ersten Wächter wurden während der ersten tausend Jahre aus der erwählten Gruppe bestimmt. Die Existenz des Ordens blieb ein Geheimnis, so wie es die Gründer gewollt hatten. Nach einiger Zeit jedoch begannen Politik und persönliche Interessen eine Rolle zu spielen, sodass die Wächter bald nicht mehr als Diener waren, magische Wachhunde. Einige der mächtigen Magier glaubten, es sei Aufgabe des Wächters, allen anderen die Macht vorzuenthalten, die sie selbst genossen. Wie schon zu Zeiten der Kaldorei fiel der Schatten der dunklen Macht über die Mitglieder des Ordens. Dämonen gelangten häufiger in unsere Welt, und selbst Sargeras gelang es, kleine Teile seiner selbst zu manifestieren. Es war nur ein Bruchteil seiner Macht, aber es reichte aus, um Armeen zu zerschlagen und Nationen zu vernichten.«
Khadgar dachte an das Bild von Sargeras, das Aegwynn in der Vision bekämpft hatte. War das wirklich nur ein Bruchteil der wahren Macht dieses mächtigen Dämons gewesen?
»Magna Aegwynn …«, begann Medivh und unterbrach sich. Es war, als sei er nicht daran gewöhnt diese Worte auszusprechen. »Die, die mich gebar, war selbst fast tausend Jahre zuvor geboren worden. Sie war sehr talentiert und wurde von den anderen Mitgliedern des Ordens zur Wächterin bestimmt. Ich glaube, die Grauesten der Graubärte dachten damals, sie könnten sie kontrollieren und die Wächterin weiterhin als Schachfigur in ihren eigenen politischen Spielzügen einsetzen.
Sie überraschte sie.« Medivh lächelte. »Sie ließ sich nicht manipulieren und kämpfte sogar gegen einige der größten Magier ihrer Zeit, als diese unter dämonischen Einfluss gerieten. Manche dachten, ihre Unabhängigkeit würde mit der Zeit vergehen und dass sie, wenn ihre Zeit gekommen war, die Aufgabe an einen einfacheren Kandidaten weiterreichen würde. Erneut überraschte sie die anderen, indem sie ihre eigene Magie benutzte, um tausend Jahre unverändert zu leben. Sie benutzte ihre Macht mit Weisheit und Würde. Und so spaltete sich die Wächterin vom Orden ab. Der Orden kann dem Wächter Vorschläge machen, doch Letzterer hat das Recht Ersteren jederzeit herauszufordern, damit sich das Schicksal der Kaldorei nicht wiederholt.
Tausend Jahre kämpfte sie gegen die Große Dunkelheit und forderte selbst den körperlichen Aspekt von Sargeras heraus, der auf diese Existenzebene gelangt war. Er wollte die mythischen Drachen vernichten, um deren Macht zu vereinnahmen. Magna Aegwynn traf ihn und siegte. Sie sperrte seinen Körper an einen Ort, den niemand kennt, und trennte ihn auf ewig von der Großen Dunkelheit, aus der er seine Macht zieht. Das alles steht in dem epischen Gedicht ›Das Lied von Aegwynn‹, nach dem Guzbah sucht. Sie konnte das nicht auf ewig, aber es muss immer einen Wächter geben.
Und dann …« Wieder unterbrach sich Medivh. »Sie hatte jedoch noch einen Trumpf im Ärmel. Sie war zwar mächtig, aber nicht unsterblich. Man erwartete, dass sie ihre Macht weitergeben würde. Stattdessen benutzte sie einen Zauberer vom Hof von Azeroth, um einen Erben zu zeugen. Dieses Kind ernannte sie zu ihrem Nachfolger. Sie bedrohte den Orden und sagte, sie würde ihre Macht mit in den Tod nehmen und verhindern, dass es einen weiteren Wächter gebe, sollte man ihre Wahl nicht akzeptieren. Der Orden glaubte, es wäre vielleicht einfacher, ein Kind zu manipulieren … mich zu manipulieren … und so stimmte er zu.
Doch die Macht war zu groß. Als ich ein junger Mann war, jünger als du, erwachte sie in mir, und ich schlief mehr als zwanzig Jahre lang. Magna Aegwynn hatte so viel von ihrem Leben, und ich scheine das Meiste von meinem verloren zu haben.« Seine Stimme zitterte. »Magna Aegwynn … meine Mutter …«, setzte er erneut an, bemerkte jedoch, dass er nichts mehr zu sagen hatte.
Khadgar saß für einen Moment ruhig da. Dann streckte sich Medivh, fuhr sich durch die langen Haare und sagte: »Und während ich schlief, schlich sich das Böse zurück in die Welt. Es gibt jetzt mehr Dämonen, mehr Orks. Und Mitglieder meines eigenen Ordens schreiten wieder den dunklen Weg hinab. Ja, Huglar und Hugarin waren Mitglieder des Ordens, so wie schon andere vor ihnen – so wie auch der uralte Arrexis von den Kirin Tor. Ja, etwas Ähnliches geschah mit ihm, und obwohl sie es damals vertuscht haben, hast du wahrscheinlich etwas davon gehört. Sie fürchteten sich vor der Macht meiner Mutter und vor mir, und ich habe dafür gesorgt, dass ihre Furcht sie nicht vernichtet. Dies ist die Aufgabe des Wächters von Tirisfal.«
Der ältere Mann sprang auf. »Ich muss gehen!«
»Gehen?«, sagte Khadgar. Er war überrascht über den plötzlichen Energieausbruch dieses hageren Körpers.
»Wie du schon so richtig bemerkt hast, treibt sich ein Dämon herum«, sagte Medivh, nun wieder lächelnd. »Stoße ins Horn des Jägers. Ich muss ihn finden, bevor er seine Stärke zurückgewinnt und andere umbringt.«
Khadgar richtete sich auf. »Wo fangen wir an?«
Medivh drehte sich um und sah den jüngeren Mann etwas verlegen an. »Nun, wir fangen nirgendwo an. Ich werde allein gehen. Du bist talentiert, aber noch längst nicht bereit für den Kampf gegen einen Dämon. Dies ist meine Schlacht, Schüler.«
»Magus, ich bin sicher, dass ich …«
Medivh hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ich brauche dich hier, damit du deine Ohren offen hältst«, sagte Medivh leise. »Ich zweifle nicht daran, dass der alte Lothar die letzten zehn Minuten mit dem Ohr an der Tür verbracht hat. Es würde mich nicht wundern, wenn sich ein Abdruck des Schlüssellochs auf seiner Wange befände.« Medivh grinste. »Er weiß einiges, aber nicht alles. Deswegen musste ich dir davon erzählen. Ich brauche einen Wächter für den Wächter, wenn du so willst.«
Khadgar sah Medivh an, und der ältere Magier zwinkerte ihm zu. Dann ging er zur Tür und riss sie mit einer schnellen Bewegung auf.
Lothar stolperte zwar nicht in den Raum, befand sich aber unmittelbar jenseits der Schwelle. Vielleicht hatte er gelauscht, vielleicht auch nur Wache gestanden.
»Med«, sagte Lothar mit einem Lächeln. »Seine Majestät …«
»Seine Majestät versteht das sehr gut«, sagte Medivh und schob sich an dem größeren Mann vorbei. »Eher würde ich mich mit einem wildgewordenen Dämon treffen, als mit dem Herrscher einer Nation. Prioritäten und so. In der Zwischenzeit könntest du auf meinen Schüler aufpassen.«
Er sagte all das in einem Atemzug und hatte bereits den Gang bis zur Treppe durchquert, als Lothar gerade die Hälfte seines Satzes hervorgebracht hatte.
Der alte Krieger strich sich mit einer großen Hand über seine Halbglatze und seufzte theatralisch. Dann sah er Khadgar an und seufzte noch einmal.
»So war er schon immer«, sagte Lothar. »Du bist bestimmt hungrig. Komm, wir treiben ein Mittagessen für dich auf.«
Das Mahl bestand aus kaltem Geflügel, das sie aus der Vorratskammer stahlen, und zwei vollen Bierkrügen, die Lothar in seinen mächtigen Pranken transportierte. Trotz der Situation war der Champion des Königs erstaunlich entspannt und führte Khadgar auf einen Balkon, von dem aus sie die Stadt überblicken konnten.
»Herr«, sagte Khadgar. »Trotz der Bitte des Magus, ist mir klar, dass Ihr wichtigere Aufgaben habt.«
»Ja«, sagte Lothar, »und die meisten habe ich erledigt, während du mit Medivh sprachst. Seine Majestät König Llane ist in seinem Quartier, ebenso wie die meisten Höflinge – unter Bewachung natürlich –, für den Fall, dass der Dämon beschließt, sich in der Burg zu verstecken. Außerdem habe ich Agenten in alle Teile der Stadt befohlen. Sie haben die Weisung, alles Verdächtige zu melden, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine Dämonenpanik. Ich habe alle Leinen ausgeworfen, und jetzt kann ich nur noch warten.« Er sah den jüngeren Mann an. »Und meine Lieutenants wissen, dass ich auf diesem Balkon bin, weil ich hier immer mein Mittagessen einnehme.«
Khadgar dachte über Lothars Worte nach und erkannte, dass der Champion des Königs viele Gemeinsamkeiten mit Medivh aufwies. Auch er plante nicht nur etliche Schritte voraus, sondern liebte es, anderen von seinen Plänen zu erzählen.
Der Schüler griff nach einem Stück Brustfleisch, während Lothar in einen Schenkel biss. Sie aßen beide schweigend. Das Geflügel war in eine Marinade aus Rosmarin, Speck und Schafsbutter eingelegt worden, bevor es gebraten wurde, und es mundete vortrefflich. Selbst kalt war es so zart, dass es im Munde zerging. Das Bier war schwer, gehaltvoll und schmeckte nach Hopfen.
Unter ihnen breitete sich die Stadt aus. Die Zitadelle selbst stand auf einem felsigen Hügel, der den König bereits von seinen Untertanen trennte und die Höhe des Turms sorgte noch zusätzlich dafür, dass die Bewohner Stormwinds wie kleine Puppen aussahen, die sich geschäftig durch enge Straßen bewegten. Es war Markttag, und hinter den bunt dekorierten Ständen priesen Händler leise, wie es Khadgar aus dieser Höhe erschien, ihre Waren an.
Für einen Moment vergaß Khadgar, wo er war, was er gesehen hatte – und weshalb er sich an diesem Ort aufhielt. Es war eine schöne Stadt. Erst Lothars tiefes Schnauben holte ihn zurück in diese Welt.
»Na?«, sagte der Champion des Königs. »Wie steht es um ihn?«
Khadgar dachte einen Moment nach und antwortete. »Er ist bei guter Gesundheit, wie Ihr ja selbst sehen konntet, Herr.«
»Bah!« Lothar spuckte aus, und für einen Moment befürchtete Khadgar, der Krieger habe sich an einem Stück Fleisch verschluckt. »Ich habe Augen im Kopf, und ich weiß, dass Med fast jeden täuschen kann, wenn er das will. Was ich damit sagen will: Wie steht es um ihn?«
Khadgar blickte wieder hinaus auf die Stadt und fragte sich, ob er auch über Medivhs Talent verfügte und in der Lage sein würde, dem älteren Mann ausweichend zu antworten.
Nein, entschied er. Medivh spielte mit Loyalitäten und Freundschaften, die älter waren als er. Für sich selbst musste eine andere Lösung finden. Er seufzte und sagte: »Er ist anstrengend. Sehr anstrengend. Und intelligent. Und überraschend. Manchmal fühle ich mich, als sei ich Schüler eines Wirbelsturms.« Er sah Lothar an, der den Blick mit hochgezogenen Augenbrauen erwiderte, und hoffte, dass ihm diese Antwort reichen würde.
Lothar nickte. »Ein Wirbelsturm, das stimmt. Und vermutlich auch ein Gewitter.«
Khadgar hob die Schultern. »Er hat Launen, wie jeder.«
»Hm«, sagte der Champion des Königs. »Wenn ein Stallknecht schlechte Laune hat, tritt er einen Hund. Wenn ein Magier schlechte Laune hat, verschwindet eine Stadt. Das meine ich nicht beleidigend.«
»Ich empfinde es nicht als Beleidigung, Herr«, sagte Khadgar und dachte an die toten Magier im Turmzimmer. »Ihr fragtet, was mit ihm sei. Nun, all das ist mit ihm.«
»Hm«, machte Lothar erneut. »Er ist ein sehr mächtiger Mann.«
Und du machst dir ebensolche Sorgen wegen ihm wie die anderen Zauberer, dachte Khadgar. Laut sagte er jedoch nur: »Er sagt Gutes über Euch.«
»Was denn?«, fragte Lothar schneller, als er es vermutlich wollte.
Khadgar wählte seine Worte mit Bedacht. »Nur dass Ihr ihm treu gedient habt, als er krank war.«
»Das stimmt«, grunzte der Champion und riss den zweiten Schlegel ab.
»Und dass Ihr sehr aufmerksam seid«, fügte Khadgar hinzu. Er war der Ansicht, dass er damit Medivhs Meinung über den Krieger ausreichend dargelegt hatte.
»Schön, dass ihm das auffällt«, sagte Lothar mit vollem Mund. Sie schwiegen, während Lothar kaute und hinunterschluckte. »Hat er den Wächter erwähnt?«
»Wir haben darüber gesprochen«, sagte Khadgar, der den Eindruck hatte, sich auf sehr dünnem Eis zu bewegen. Medivh hatte ihm nicht gesagt, wie viel Lothar wusste. Er entschied sich, nicht mehr dazu zu sagen.
»Und es steht dem Schüler nicht zu, über die Taten seines Meisters zu diskutieren, richtig?«, fragte Lothar mit einem Lächeln, das eine Idee zu gezwungen wirkte. »Komm schon, du bist aus Dalaran. In diesem magischen Schlangennest gibt es mehr Geheimnisse als an jedem anderen Ort des Kontinents. Das meine ich auch nicht beleidigend.«
Khadgar antwortete diplomatisch: »Mir ist aufgefallen, dass es hier weniger offensichtliche Rivalitäten zwischen den Magiern gibt als in Lordaeron.«
»Willst du wirklich behaupten, dass dir deine Lehrer keine Liste von Dingen mitgegeben haben, die du beim hohen Magus in Erfahrung bringen sollst?« Lothars Grinsen war jetzt ehrlicher, wirkte beinahe schon mitfühlend.
Khadgar spürte, wie er errötete. Die tastenden Bemerkungen des älteren Kriegers kamen der Wahrheit immer näher. »Alle Bittstellungen der Violetten Zitadelle liegen Medivh vor. Er hat sich bisher sehr wohlwollend gezeigt.«
»Hm«, knurrte Lothar. »Dann fragen sie wohl nicht nach wichtigen Dingen. Ich weiß, dass die Magier hier – auch Huglar und Hugarin, mögen die Heiligen ihren Seelen gnädig sein – ihm ständig Löcher in den Bauch fragten und sich dann beim König oder mir beschwerten, wenn sie keine Antwort erhielten. Als ob wir ihn kontrollieren könnten!«
»Ich glaube, das kann keiner«, sagte Khadgar und spülte jeden weiteren Kommentar mit seinem Bier herunter.
»Noch nicht einmal seine Mutter, so weit ich weiß«, sagte Lothar. Es war nur ein kurzer Satz, aber er hatte die Wirkung eines Dolchstoßes. Khadgar wollte Lothar nach ihr fragen, hielt sich aber zurück.
»Ich bin wohl zu jung, um etwas zu wissen«, sagte er. »Ich habe einiges über sie gelesen. Sie muss eine mächtige Magierin gewesen sein.«
»Und diese Macht ruht jetzt in ihm«, sagte Lothar. »Sie ließ ihn an diesem Hof von einem Zauberer zeugen, säugte ihn mit reiner Magie und erfüllte ihn mit ihrer Kraft. Ja, ich weiß alles darüber, setzte die Puzzleteile zusammen, nachdem er ins Koma fiel. Er war jung, viel zu jung. Selbst heute mache ich mir Sorgen.«
»Ihr fürchtet, er wäre zu mächtig«, sagte Khadgar. Lothar starrte ihn plötzlich durchdringend an. Der junge Magier kniff die Lippen zusammen. Mit seiner unbedachten Äußerung hatte er seinen Gastgeber praktisch beschuldigt.
Doch Lothar lächelte und schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil, Junge, ich fürchte, dass er nicht mächtig genug ist. Furchtbare Dinge geschehen in den Königreichen. Diese Orks, die du vor einem Monat sahst, vermehren sich wie Kaninchen. Und die Trolle, die beinahe ausgestorben waren, tauchen jetzt immer häufiger auf. Und Medivh jagt gerade einen Dämon … Uns stehen üble Zeiten bevor, und ich hoffe, nein ich bete, dass er dem gewachsen ist. Über zwanzig Jahre lebten wir ohne Wächter, während er im Koma lag. In einer Zeit wie dieser will ich so keine weiteren zwanzig Jahre verbringen.«
Khadgar war das Gespräch plötzlich unangenehm. »Als Ihr gefragt habt, wie es um ihn steht, meintet Ihr …«
»… was ich sagte«, fiel ihm Lothar ins Wort. »Ich will nicht, dass er jetzt schwächer wird. Orks, Trolle, Dämonen … und dann gibt es da noch …« Lothar ließ den Satz im Nichts enden, sah Khadgar an und sagte: »Ich kann davon ausgehen, dass du mittlerweile vom Wächter weißt?«
»Davon könnt Ihr ausgehen«, antwortete Khadgar.
»Und auch vom Orden?«, fragte Lothar lächelnd. »Du musst nicht antworten, junger Mann, deine Augen haben dich verraten. Du solltest nie mit mir Karten spielen.«
Khadgar fühlte sich in die Enge getrieben. Medivh hatte ihm befohlen, dem Champion nicht zu viel zu verraten, aber Lothar schien bereits ebenso viel zu wissen, wie Khadgar selbst. Wenn nicht sogar mehr.
Lothar sprach mit ruhiger Stimme weiter. »Wir hätten Med nicht wegen eines einfachen magischen Fehlers gerufen. Selbst dann nicht, als zwei Magier in ihren eigenen Zaubern gefangen wurden. Huglar und Hugarin gehörten zu unseren Besten, zu unseren Mächtigsten. Es gab eine Magierin, die noch mächtiger war, doch sie starb bei einem Unfall vor zwei Monaten. So weit ich weiß, gehörten alle drei deinem Orden an.«
Khadgar spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Mühsam antwortete er: »Ich glaube nicht, dass ich darüber reden möchte.«
»Dann lass es«, sagte Lothar. Seine Augenbrauen waren so eng zusammengezogen, dass sie wie Hügel in einer uralten Landschaft wirkten. »Drei mächtige Magier, die Mächtigsten in Azeroth. Kein Vergleich zu Med oder seiner Mutter natürlich, aber trotzdem große und mächtige Zauberer. Alle tot. Dass ein Magier Pech hat oder sich überrumpeln lässt, kann ich nachvollziehen, aber gleich drei? Ein Krieger glaubt nicht an eine solche Häufung von Zufällen.
Und es gibt noch mehr Ungereimtheiten«, fuhr der Champion des Königs fort. »Ich habe meine eigenen Quellen, von denen ich Dinge erfahre. Karawanenhändler, Söldner und Abenteurer, die in die Stadt kommen, erzählen dem alten Lothar viel. Ich erfahre Dinge aus Ironforge und Alterac, sogar aus Lordaeron. Missgeschicke wie die erwähnten, grassieren wie eine Seuche. Ich glaube, dass jemand – oder schlimmer noch: etwas – die großen Magier dieses Geheimordens jagt, und zwar hier und in Dalaran selbst. Daran gibt es keinen Zweifel.«
Khadgar fiel auf, dass der ältere Mann ihn eindringlich musterte, während er sprach. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass diese Theorie zu den Gerüchten passte, die er vor seiner Abreise in der Violetten Zitadelle gehört hatte. Uralte Magier starben plötzlich, und die Spitze der Hierarchie vertuschte das. Das große Geheimnis der Kirin Tor … Teil eines größeren Problems.
Trotz dieser Erkenntnis wandte sich Khadgar ab und blickte über die Stadt hinaus.
»Ja, wohl auch in Dalaran«, sagte Lothar. »Ich erfahre nur wenig von dort, aber ich würde wetten, dass die Neuigkeiten die gleichen sind, oder?«
»Glaubt Ihr, dass der Lord Magus in Gefahr schwebt?«, fragte Khadgar. Sein Wunsch, Lothar nichts zu erzählen, schwand im Angesicht der offensichtlichen und ehrlich erscheinenden Sorge des alten Kriegers.
»Ich glaube, dass Medivh grundsätzlich eine Gefahr ist«, sagte Lothar. »Und ich bewundere jeden, der es wagt, sich unter dem gleichen Dach wie er aufzuhalten.« Es klang wie ein Witz, aber der Champion des Königs lächelte nicht. »Ja, etwas ist da draußen, und es steht vielleicht in Zusammenhang mit den Dämonen, den Orks oder etwas Schlimmerem. Und ich möchte zu einem solchen Zeitpunkt nicht unsere stärkste Waffe verlieren.«
Khadgar sah Lothar an und versuchte in den Gesichtsfalten des Mannes zu lesen. Machte sich der alte Krieger Sorgen um seinen Freund oder um den Verlust des magischen Schutzes? Konzentrierte sich seine Sorge auf Medivh dort draußen in der Wildnis oder auf sie alle und auf die Angst, dass etwas sie beobachtete? Das Gesicht des älteren Mannes war wie eine Maske, und in seinen meerblauen Augen fand sich kein Hinweis auf Lothars wahre Gedanken.
Khadgar hatte einen einfachen Schwertkämpfer erwartet, einen Ritter, der in seiner Pflicht aufging – aber der Champion des Königs war weit mehr. Er drängte Khadgar in die Ecke, suchte nach Schwächen, nach Informationen … aber zu welchem Zweck?
Ich brauche jemanden, der den Wächter bewacht, hatte Medivh gesagt.
»Es geht ihm gut«, sagte Khadgar. »Ihr macht Euch Sorgen um ihn, und ich teile Eure Bedenken. Aber es geht ihm gut, und ich bezweifle, dass etwas ihn ernsthaft verletzen könnte.«
Lothars undeutbarer Blick flackerte für einen winzigen Moment. Er setzte an, um etwas zu sagen, um das freundlich geführte Verhör – nichts anderes war es – fortzusetzen, aber plötzlicher Lärm im Inneren des Turms lenkte sie ab. Ihre Unterhaltung, die leeren Bierkrüge und das Essen wurden nebensächlich.
Medivh schritt auf sie zu, gefolgt von einer Gruppe von Dienern und Wachen. Alle äußerten Missfallen über sein Erscheinen, doch keiner wagte es, ihn zu berühren, weshalb sie ihm lediglich wie der lebende Schweif eines Kometen folgten. Der ältere Magier betrat den Balkon.
»Ich wusste doch, dass du deinen Gewohnheiten treu bleiben würdest, Lothar«, sagte Medivh. »Natürlich nimmst du hier deinen Tee ein.« Der Magus lächelte warm, aber Khadgar bemerkte, dass er taumelte, fast so, als wäre er betrunken. Medivh hielt eine Hand hinter seinem Rücken versteckt.
Lothar erhob sich. Seine Stimme klang besorgt. »Medivh, bist du in Ordnung? Der Dämon …«
»Ach ja, der Dämon«, sagte Medivh fröhlich und zog seine blutige Beute hinter dem Rücken hervor. Locker schwang er sie Lothar und Khadgar entgegen.
Die rote Kugel drehte sich im Flug und verspritzte ein paar letzte Blutstropfen, bevor sie vor Lothars Füßen landete. Es war der Kopf eines Dämons, der in der Mitte, genau zwischen seinen beiden Hörnern, gespalten war, so als habe sich eine große Axt in ihn hinein gegraben. Khadgar glaubte, in der gefrorenen Grimasse des Dämons eine Mischung aus Bewunderung und Zorn zu erkennen.
»Den kannst du dir ausstopfen lassen«, sagte Medivh und richtete sich zu voller Größe auf. »Den Rest musste ich natürlich verbrennen. Man weiß nie, was Unerfahrene mit soviel Dämonenblut anstellen.«
Khadgar bemerkte, dass Medivhs Gesicht spitzer als zuvor wirkte, und dass die Falten rund um seine Augen deutlicher zu sehen waren. Lothar schien es ebenfalls aufgefallen zu sein.
»Du hast ihn schnell geschnappt«, sagte er.
»Ein Kinderspiel«, sagte Medivh. »Nachdem mein Vertrauen von der Flucht des Dämons aus der Burg berichtet hatte, fiel es mir leicht, ihm bis zu seinem Unterschlupf zu folgen. Der Kampf war vorbei, noch bevor er richtig begann – und bevor er es überhaupt realisierte.« Der Magus taumelte leicht.
»Dann komm«, sagte Lothar mit warmem Lächeln. »Das sollten wir dem König berichten. Man wird dir zu Ehren ein Fest geben, Med!«
Medivh hob eine Hand. »Ihr müsst leider ohne mich feiern. Wir sollten zurückkehren. Es liegt ein langer Weg vor uns, nicht wahr, Schüler?«
Lothar sah Khadgar erneut forschend an. Medivh wirkte gefasst, aber erschöpft. Er schien sich dieses Mal Khadgars Unterstützung versichern zu wollen.
Der junge Magier hüstelte. »Natürlich. Wir müssen noch ein Experiment abschließen.«
»Genau!« Medivh fing den Ball auf. »Wir waren so in Eile, hierher zu kommen, dass ich das ganz vergessen hatte. Wir sollten uns beeilen.« Der Magus drehte sich um und wandte sich an die versammelte Dienerschaft. »Sattelt unsere Tiere! Wir reisen sofort ab.« Die Diener liefen wie aufgeschreckte Hühner durcheinander. Medivh wandte sich wieder an Lothar. »Du wirst uns natürlich bei Seiner Majestät entschuldigen?«
Lothar sah Medivh an, dann Khadgar, dann wieder Medivh. Schließlich seufzte er und sagte: »Natürlich. Lass mich euch aber wenigstens aus dem Turm geleiten.«
»Begleite uns«, sagte Medivh. »Und vergiss den Kopf nicht. Ich würde ihn selbst behalten, aber so einen habe ich schon.«
Lothar griff nach dem gehörnten Schädel und ging an Medivh vorbei. Als er an den Magus passiert hatte, schien aus dessen Körper die Luft zu entweichen. Er wirkte müder als zuvor, grauer als noch vor wenigen Momenten. Er stieß einen schweren Seufzer aus und wandte sich ebenfalls zur Tür.
Khadgar eilte ihm nach und fasste ihn am Ellenbogen. Es war nur eine leichte Berührung, aber der ältere Magus zuckte zusammen, als habe man ihn geschlagen. Er drehte sich zu Khadgar um. Seine Augen wurden für einen Moment glasig, dann sah er den jüngeren Mann an.
»Magus«, sagte Khadgar.
»Was ist jetzt?«, fragte Medivh in zischendem Flüsterton.
Khadgar dachte nach, was er darauf erwidern konnte, ohne den Zorn des Magus zu erregen. »Es geht Euch nicht gut«, sagte er schließlich.
Es war die richtige Reaktion. Medivh nickte schwerfällig und sagte: »Mir ging es schon besser. Lothar weiß das vermutlich auch, aber er spricht mich nicht darauf an. Ich wäre lieber zuhause als hier.« Er machte eine kurze Pause, und seine Lippen bildeten einen dünnen Strich unter seinem Bart. »Ich war hier sehr lange krank. Dieses Experiment will ich nicht wiederholen.«
Khadgar sagte nichts, nickte nur. Lothar stand jetzt wartend neben der Tür.
»Du musst mich auf dem Weg nach Karazhan stützen«, sagte Medivh an Khadgar gewandt, sodass es die Umstehenden hören konnten. »Das Stadtleben verlangt einem Mann viel ab. Ich könnte jetzt ein Nickerchen vertragen.«