33 Neun von zehn

Die Schattenfreunde waren mit Elayne kein Risiko eingegangen. Temaile hatte sie abgeschirmt und mit anscheinend sadistischem Vergnügen zu einem engen Knoten verschnürt, mit dem Kopf zwischen den Beinen. Ihre Muskeln schmerzten bereits von der eingeengten Position. Der Knebel, ein schmutziger Fetzen Stoff mit einem ekelhaften, öligen Geschmack, war so fest gebunden, dass er in ihre Mundwinkel einschnitt; er hatte verhindern sollen, dass sie an den Toren um Hilfe rief. Nicht, dass sie das getan hatte. Damit hätte sie nur die Wachtposten zum Tode verurteilt. Sie konnte fühlen, dass die sechs Schwarzen Schwestern Saidar hielten, bis sie durch das Tor waren. Aber die Augenbinde war unnötig gewesen. Vermutlich wollten sie ihre Hilflosigkeit nur noch steigern, aber sie weigerte sich, sich hilflos zu fühlen. Schließlich konnte ihr nichts passieren, bis ihre Kinder geboren waren, und ihren Kindern auch nicht. Min hatte das gesagt.

Durch die Geräusche des Gespanns und die groben Planken wusste sie, dass sie in einem Karren oder Wagen lag. Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht, den Boden mit Decken auszulegen. Ein Wagen, dachte sie. Er schien von mehr als einem Pferd gezogen zu werden. Der Wagen roch so stark nach altem Heu, dass sie einen Niesreiz verspürte. Ihre Situation erschien hoffnungslos, aber Birgitte würde sie nicht im Stich lassen.

Sie fühlte Birgitte von irgendwo Meilen hinter ihr zu einem Standort vielleicht eine Meile vor ihr springen, und am liebsten hätte sie gelacht. Der Bund verriet, dass Birgitte auf ihr Ziel gerichtet war, und Birgitte Silberbogen verfehlte nie. Als das Machtlenken zu beiden Seiten des Wagens begann, verblich das Bedürfnis zu lachen. Die Entschlossenheit im Bund war felsenfest, aber da war jetzt auch noch etwas anderes, ein starkes Missfallen und aufsteigende .. . nicht Wut, aber etwas Ähnliches. Dort draußen würden Männer sterben. Statt zu lachen, wollte Elayne weinen. Sie verdienten es, dass jemand um sie weinte, und sie starben für sie. So wie Vandene und Sareitha gestorben waren. Wieder stieg Trauer in ihr auf. Aber keine Schuld. Sie wären nur dann verschont worden, wenn sie Falion und Marillin einfach hätten laufen lassen, und das hätte keine von ihnen gutgeheißen. Die Ankunft der anderen war unmöglich vorherzusehen gewesen, oder Asnes seltsame Waffe.

Ein gewaltiger Donnerschlag krachte in unmittelbarer Nähe, und das Gefährt wurde so heftig durchgeschüttelt, dass sie über den Boden rollte. Ihre Knie und Schienbeine würden blau sein. Sie nieste in dem aufsteigenden Staub, nieste erneut. Sie spürte, wie sich Haare aufstellten, wo sie nicht von Knebel und Augenbinde gehalten wurden. Die Luft roch seltsam. Anscheinend ein Blitzschlag. Sie hoffte, dass Birgitte es geschafft hatte, die Windsucherinnen zum Eingreifen zu bringen, so unwahrscheinlich das auch erschien. Die Zeit würde kommen, in der die Kusinen die Macht als Waffe benutzen mussten — niemand würde Tarmon Gai’don entgehen können —, aber sollten sie ihre Unschuld noch eine Zeit lang behalten. Augenblicke später lösten sich die Abschirmungen um sie herum auf.

Da sie nicht sehen konnte, konnte sie die Macht auch nicht zielgerichtet einsetzen, aber sie konnte Gewebe in der Nähe spüren, aus Geist und aus Luft. Ohne die Gewebe zu sehen, konnte sie auch nicht wissen, um was es sich handelte, aber sie konnte es sich denken. Ihre Häscher waren jetzt selbst Gefangene, abgeschirmt und gefesselt. Und sie konnte bloß ungeduldig warten. Birgitte näherte sich schnell, aber jetzt konnte sie es nicht mehr erwarten, die verdammten Fesseln loszuwerden.

Das Wagenbett ächzte, als jemand einstieg. Birgitte. Der Bund übertrug kurz aufblitzende Freude. In wenigen Augenblicken fielen die Fesseln ab, und Birgittes Hände kümmerten sich um den Knoten des Knebels. Mit etwas steifen Bewegungen nahm Elayne die Augenbinde selbst ab. Beim Licht, sie würde üble Schmerzen erleiden, bis sie um eine Heilung bitten konnte. Das erinnerte sie daran, dass sie die Windsucherinnen würde fragen müssen, und wieder stieg die Trauer wegen Vandene und Sareitha in ihr auf.

Sobald sie den Knebel ausspucken konnte, wollte sie um Wasser bitten, um den öligen Geschmack herunterzuspülen, aber stattdessen sagte sie: »Was hat dich aufgehalten?« Ihr Gelächter über die Verblüffung ihrer Freundin wurde von einem weiteren Niesen unterbrochen. »Lass uns hier verschwinden, Birgitte. Die Kusinen?«

»Windsucherinnen«, antwortete Birgitte und schlug die Plane am hinteren Teil des Wagens zur Seite. »Chanelle entschied, Zaida lieber nicht zu beichten, dass sie für das Scheitern des Handels verantwortlich ist.«

Elayne schnaubte verächtlich, was ein Fehler war. Sie nieste mehrmals und stieg so schnell aus dem Wagen, wie sie konnte. Ihre Beine waren so steif wie ihre Arme. Sollte man sie doch zu Asche verbrennen, aber sie sehnte sich nach einem heißen Bad. Und einer Haarbürste. Birgittes roter Mantel mit dem weißen Kragen sah irgendwie zerknittert aus, aber Elayne vermutete, dass ihre Behüterin im Gegensatz zu ihr wie frisch aus dem Ankleidezimmer erschien.

Als ihre Füße den Boden berührten, jubelten die beritten en Gardisten laut auf, die den Wagen in einem breiten Ring umgaben, und schwenkten die Lanzen. Auch die Gardistinnen schrien, und anscheinend war jede Einzelne von ihnen anwesend. Zwei der Männer trugen Andors Weißen Löwen und ihre Goldene Lilie. Das ließ sie lächeln. Die Königliche Garde leistete den Schwur, Andor zu verteidigen, genau wie die Königin und die Tochter-Erbin, aber es musste Charlz Guybons Entscheidung gewesen sein, ihr persönliches Banner zu tragen. Er saß auf einem großen Braunen und hatte den Helm über den Sattelknauf gestülpt, und er verneigte sich vor ihr, ein breites Lächeln auf den Lippen. Der Mann war erfreulich anzusehen. Vielleicht würde er einen guten dritten Behüter abgeben. Jenseits der Gardisten erhoben sich Hausbanner und die Banner der Söldnerkompanien, eines nach dem anderen. Beim Licht, wie viele Männer hatte Birgitte mitgebracht? Aber die Frage konnte später beantwortet werden. Zuerst wollte Elayne ihre Gefangenen sehen.

Asne lag mit ausgebreiteten Gliedmaßen auf der Straße und starrte mit leerem Blick in den Himmel; die Abschirmung bei ihr war unnötig. Die anderen lagen genauso still da, mit Strömen aus Luft gefesselt, die ihre Arme an die Seiten banden und die abgenähten Reitröcke gegen die Beine pressten. Eine viel bequemere Position, als ihre es gewesen war. Die meisten erschienen erstaunlich beherrscht, wenn man ihre Situation bedachte, obwohl Temaile sie böse anstarrte und Falion kurz davor stand, sich zu übergeben. Shiaines schlammverschmiertes Gesicht hätte jede Aes Sedai stolz gemacht. Die drei mit Luft gefesselten Männer waren alles andere als beherrscht. Sie wanden sich und kämpften, starrten die sie umgebenden Reiter an, als hätten sie sie am liebsten alle angegriffen. Das reichte, um sie als Asnes Behüter zu identifizieren, wenn auch nicht unbedingt als Schattenfreunde. Ob sie das nun waren oder nicht, man würde sie trotzdem einsperren müssen, um andere vor der Todesraserei zu beschützen, in die Asnes Tod sie gestürzt hatte. Sie würden alles tun, um die ihrer Ansicht nach Verantwortlichen töten zu können.

»Wie haben sie uns gefunden?«, verlangte Chesmal zu wissen. Hätte sie nicht mit dreckigem Gesicht auf der Straße gelegen, hätte sie niemand für eine Gefangene gehalten.

»Meine Behüterin«, sagte Elayne und lächelte Birgitte an.

»Sie ist eine von ihnen.«

»Eine Frau als Behüter?«, sagte Chesmal verächtlich. Marillin erbebte kurz vor lautlosem Gelächter in ihren Fess ein. »Ich hatte es gehört«, sagte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte, »aber es erschien zu unglaublich, um wahr zu sein.«

»Ihr habt es gehört und nie erwähnt?«, sagte Temaile und verrenkte sich, um jetzt Marillin böse anzustarren. »Blöde Närrin!«

»Ihr vergesst Euch«, sagte Marillin scharf, und im nächsten Augenblick stritten sie sich darum, ob Temaile sich ihr zu unterwerfen hatte oder nicht! Eigentlich hätte Temaile es tun müssen — Elayne konnte jeweils ihre Stärke in der Macht spüren —, aber es schien kaum das Thema zu sein, über das sie jetzt diskutieren mussten!

»Jemand soll diese Frauen knebeln«, befahl Elayne. Caseille stieg vom Pferd, überreichte ihre Zügel einer anderen Gardistin, kam heran und fing an, mit dem Dolch Stoffstreifen aus Temailes Röcken zu schneiden. »Schafft sie in den Wagen, und schneidet das tote Pferd ab. Ich will wieder hinter den Stadtmauern sein, bevor Arymillas Leute jenseits des Hügels in Versuchung geraten.« Eine Schlacht war jetzt das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Wie auch immer sie ausgehen würde, Arymilla konnte es sich leisten, mehr Männer als sie zu verlieren. »Wo sind die Windsucherinnen?«

»Noch immer auf dem Hügel. Meiner Meinung nach glauben sie, abstreiten zu können, an der Sache teilgenommen zu haben, wenn sie sich von dem Gemetzel fernhalten. Aber du musst dir keine Sorgen machen, hier angegriffen zu werden. Die Lager hinter dem Hügel sind verlassen.« Caseille warf sich Temaile über die Schulter und stolperte zum Wagen, um sie dort wie einen Hafersack hineinzuwerfen. Gardistinnen kümmerten sich um die anderen Frauen. Die sich windenden Behüter überließen sie klugerweise den Gardisten. Man benötigte zwei, um einen zu bändigen. Zwei Männer schirrten den Pferdekadaver ab.

»Ich habe nur Pferdeknechte und dergleichen gesehen«, warf Charlz ein.

»Ich glaube, alle ihre Lager sind leer«, fuhr Birgitte fort.

»Sie hat heute Morgen die Nordmauer massiv angegriffen, um so viele unserer Männer wie möglich zu beschäftigen, und sie hat zwanzigtausend weitere oder mehr in Niedercaemlyn unterhalb vom Far-Madding-Tor versammelt. Ein paar der Söldner haben den Herrn gewechselt und es von innen angegriffen, aber ich habe Dyelin mit allem losgeschickt, was ich entbehren konnte. Sobald du wieder sicher hinter den Mauern bist, werde ich ihr mit dem Rest zu Hilfe kommen. Und um die guten Nachrichten zu vervollständigen, Luan und der Rest dieses Haufens reiten nach Norden. Sie könnten heute Nachmittag hier sein.«

Elayne stockte der Atem. Um Luan und die anderen würde man sich kümmern müssen, wenn sie auftauchten, aber das andere… ! »Erinnerst du dich an Frau Harfors Bericht, Birgitte? Arymilla und die anderen wollten bei der ersten Gruppe sein, die in Caemlyn einreitet. Sie müssen auch vor dem Far-Madding-Tor sein. Wie viele Männer hast du hier?«

»Wie sieht die Verlustrechnung aus, Guybon?«, fragte Birgitte und musterte Elayne misstrauisch. Auch der Bund vermittelte Misstrauen. Großes Misstrauen.

»Ich habe die genaue Zählung noch nicht, meine Lady. Einige der Leichen . ..« Charlz zog eine Grimasse. »Ich würde sagen, es sind fünf oder sechshundert Tote, vielleicht auch mehr. Doppelt so viele Verwundete. Die übelsten paar Minuten, die ich je gesehen habe.«

»Sagen wir zehntausend, Elayne«, sagte Birgitte, und der dicke Zopf schwankte, als sie den Kopf schüttelte. Sie schob die Daumen hinter den Gürtel, und Entschlossenheit füllte den Bund. »Arymilla muss mindestens doppelt so viele vor dem Far-Madding-Tor haben, vielleicht dreimal so viele, wenn sie wirklich die Lager geräumt hat. Wenn du glaubst, was ich glaube, dass du glaubst… Ich habe Dyelin befohlen, das Tor zurückzuerobern, falls es gefallen sein sollte, aber es ist viel wahrscheinlicher, dass sie in der Stadt gegen Arymilla kämpft. Falls das Tor durch ein Wunder halten sollte, rechnest du besser damit, dass es zwei zu eins gegen uns steht.«

»Wenn sie durch das Tor sind«, sagte Elayne stur, »ist es unwahrscheinlich, dass sie es wieder hinter sich geschlossen haben. Wir fallen ihnen in den Rücken.« Es war keine reine Sturheit. Nicht ganz. Sie war nicht an Waffen ausgebildet worden, aber sie hatte all die anderen Lektionen empfangen, die Gawyn von Gareth Bryne bekommen hatte. Eine Königin musste die Schlachtpläne verstehen können, die ihre Generäle ihr vorlegten, statt sie blindlings zu akzeptieren.

»Wenn das Tor hält, dann haben wir sie zwischen uns und der Mauer gefangen. In Niedercaemlyn haben Zahlen nicht viel zu bedeuten. Arymilla wird nicht mehr Männer in einer Straße aufstellen können als wir. Wir werden es tun, Birgitte. Und jetzt soll mir jemand ein Pferd besorgen.«

Einen Augenblick lang glaubte sie, ihre Behüterin würde sich weigern, was ihre Sturheit noch verstärkte, aber Birgitte stieß einen tiefen Seufzer aus. »Tzigan, fangt die große graue Stute da für Lady Elayne ein.«

Es hatte den Anschein, als würde jeder in ihrer Umgebung, mit Ausnahme der Schattenfreunde, seufzen. Sie mussten geglaubt haben, einen von Elayne Trakands berühmten Gefühlsausbrüchen erleben zu dürfen. Diese Erkenntnis hätte beinahe einen ausgelöst. Sollten ihre verfluchten Stimmungsschwankungen doch zu Asche verbrennen!

Birgitte trat näher heran und senkte die Stimme. »Aber du wirst von deiner Leibwache umgeben reiten. Das hier ist keine alberne Geschichte mit einer Königin, die an der Spitze ihrer Truppen mit ihrem Banner in die Schlacht reitet. Ich weiß, dass eine deiner Ahnfrauen das getan hat, aber du bist nicht sie, und du hast kein verstreutes Heer, das sich um dich sammelt.«

»Aber genau das war mein Plan«, sagte Elayne zuckersüß.

»Wie bist du nur darauf gekommen?«

Birgitte schnaubte vor Lachen und murmelte »Verdammte Frau« nicht leise genug, damit es nicht gehört werden konnte. Aber in dem Bund lag Zuneigung.

Natürlich funktionierte das nicht so einfach. Männer mussten abkommandiert werden, den Verwundeten zu helfen. Einige von ihnen konnten gehen, aber viele konnten es auch nicht. Zu viele hatten Aderpressen um blutige Arm oder Beinstümpfe geschlungen. Charlz und die Adligen scharten sich um Elayne und Birgitte, um den Angriffsplan zu erfahren, der notwendigerweise ganz einfach war, aber dann weigerte sich Chanelle, das Tor in eine andere Richtung zu lenken, bis Elayne versprach, dass sie dieses Mal nur Transport brauchten, und den Handel mit ihnen besiegelte, indem sich beide die Fingerspitzen küssten und einander auf die Lippen drückten. Erst dann schrumpfte das Wegetor zu einem vertikalen silbrigen Schlitz und verbreiterte sich wieder zu einem hundert Schritte breiten Ausblick auf Caemlyn aus südlicher Richtung.

In den aus Ziegeln erbauten Märkten zu beiden Seiten der großen Straße, die nördlich vom Wegetor bis zum Far-Madding-Tor verlief, waren keine Leute zu sehen, dafür drängte sich dort gerade außerhalb der Bogenschussweite der Stadtmauern eine riesige Masse von Männern zu Fuß und zu Pferd. Die ersten von ihnen befanden sich nur wenige hundert Schritte von dem Wegetor entfernt. Anscheinend hatten sie sich auch auf die Seitenstraßen ausgebreitet. Die Reiter mit ihren unzähligen Bannern standen ganz vorn, aber egal ob Kavallerie oder Infanterie, sie alle schauten zu den Toren von Caemlyn. Den verschlossenen Toren. Elayne hätte vor Freude jubeln können.

Sie ritt als Erste durch das Wegetor, aber Birgitte ging kein Risiko ein. Ihre Leibwache sammelte sich um sie und drängte sie zur Seite ab. Birgitte war direkt neben ihr, aber irgendwie schienen sie sie nicht zu leiten. Glücklicherweise schien niemand etwas dagegen zu haben, dass sie die graue Stute weiter antrieb, bis sich nur noch eine Reihe Gardistinnen zwischen ihr und der Straße befand. Diese Reihe hätte allerdings genauso gut ein Steinwall sein können. Die Stute war aber tatsächlich sehr groß, und so konnte sie sehen, ohne in den Steigbügeln stehen zu müssen. Sie hätte sie länger machen sollen.

Sie waren etwas zu kurz für sie. Also war das Chesmals Pferd, da sie die Einzige war, die etwa an ihre Größe herankam. Ein Pferd konnte nicht von seinem Reiter verdorben werden — nur weil Chesmal eine Schwarze Ajah war, machte das das Pferd nicht zu einer bösen Kreatur —, aber ihr war nicht nur wegen der zu kurzen Steigbügel auf dem Tier unbehaglich zumute. Die graue Stute würde verkauft werden, sie und all die anderen Tiere, die die Schattenfreunde geritten hatten, und das Geld würde man unter den Armen verteilen.

Kavallerie und Infanterie kamen hinter Charlz aus dem Wegetor, genug Leute, um es auf seiner ganzen Breite zu füllen. Gefolgt von dem Weißen Löwen und der Goldenen Lilie, trabte er mit fünfhundert Gardisten die Straße hoch, die davor ausfächerten, um sie ganz einzunehmen. Weitere Gruppen von ähnlicher Größe trennten sich und verschwanden in den Straßen von Niedercaemlyn. Als die letzten Männer das Tor verlassen hatten, schrumpfte es zusammen und verschwand. Jetzt gab es keine schnelle Flucht mehr, falls etwas schieflief. Jetzt mussten sie siegen, oder Arymilla würde den Thron bekommen, ob sie Caemlyn nun eroberte oder auch nicht.

»Heute brauchen wir Mat Cauthons verdammtes Glück«, murmelte Birgitte.

»Das hast du schon einmal gesagt«, entgegnete Elayne.

»Was meinst du damit?«

Birgitte sah sie schief an. Der Bund übertrug… Heiterk eit! »Hast du ihm je beim Würfelspielen zugesehen?«

»Ich verbringe kaum Zeit an Orten, wo gewürfelt wird, Birgitte.«

»Sagen wir einfach, er hat mehr Glück als jeder Mann, den ich je kennengelernt habe.«

Elayne schüttelte den Kopf und verdrängte Mat Cauthon aus ihren Gedanken. Charlz’ Männer versperrten ihr die Sicht, als sie nach vorn ritten. Noch nicht im Galopp, noch versuchten sie nicht mehr Lärm als unbedingt nötig zu machen. Mit etwas Glück würden ihre Männer Arymillas Leute umzingelt haben, bevor diese mitbekamen, was da eigentlich geschah. Und dann würden sie Arymilla von allen Seiten treffen. Von allen Männern, die Birgitte je kennengelernt hatte, war Mat der mit dem meisten Glück. In diesem Fall musste er wirklich außerordentlich viel Glück haben.

Plötzlich bewegten sich Charlz’ Gardisten schneller, die Lanzen mit den Stahlspitzen schwangen nach vorn. Jemand musste nach hinten geschaut haben. Schreie ertönten, Alarmschreie und ein donnernder Ruf, der aus vielen Richtungen aufgenommen wurde. »Für Elayne und Andor!«

Da waren auch andere Rufe. »Die Monde!« und »Der Fuchs!«, »Die Drei Schlüssel!« und »Der Hammer!« und »Das Schwarze Banner!« Und noch weitere, für geringere Häuser. Aber von ihrer Seite kam nur der eine, der unablässig wiederholt wurde. »Für Elayne und Andor!«

Plötzlich zitterte sie am ganzen Leib, lachte und weinte zugleich. Mochte das Licht dafür sorgen, dass sie die Männer nicht vergebens in den Tod schickte.

Die Rufe verstummten, wurden größtenteils vom Klirren von Stahl auf Stahl ersetzt, von Rufen und Schreien, als Männer töteten oder starben. Plötzlich wurde sich Elayne bewusst, dass sich die Stadttore öffneten. Und sie konnte nichts sehen! Sie strampelte die Füße aus den Steigbügeln und kletterte auf den hochzwieseligen Sattel. Die graue Stute bewegte sich nervös, nicht daran gewöhnt, als Trittleiter zu dienen, aber nicht genug, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Birgitte murmelte einen besonders hässlichen Fluch, aber im nächsten Augenblick stand auch sie auf dem Sattel. Hunderte Armbrustmänner und Bogenschützen strömten aus dem Far-Madding-Tor, aber waren es ihre Männer oder die abtrünnigen Söldner?

Die Schützen gaben die Antwort; sie eröffneten das Feuer auf Arymillas dicht zusammengedrängt stehende Kavallerie, so schnell sie die Sehne spannen und loslassen konnten. Die ersten Armbrüste schnellten nach oben und feuerten eine Salve. Augenblicklich begannen diese Männer zu kurbeln, um ihre Armbrüste wieder zu spannen, aber andere eilten an ihnen vorbei, um eine zweite Bolzensalve abzuschießen, die Männer und Pferde wie eine Sense bei der Gerstenernte niedermähte. Noch mehr Schützen strömten aus dem Tor, schössen so schnell sie konnten. Eine dritte Reihe Armbrustmänner stürmte nach vorn, um zu schießen, eine vierte, eine fünfte, und dann drängten sich Männer mit Hellebarden an den Armbrustmännern vorbei, die noch immer aus dem Tor kamen. Eine Hellebarde war eine furchteinflößende Waffe, die Speerspitze und Axtklinge mit einem Haken kombinierte, um Männer aus dem Sattel zu zerren. Reiter, die keinen Platz hatten, um ihre Lanzen zum Einsatz zu bringen, und deren Schwerter wegen der langen Hellebardenschäfte keine Reichweite hatten, fingen an zu fallen. Jetzt kamen Männer in roten Mänteln und funkelnden Brustharnischen aus dem Tor galoppiert, Gardisten, die nach links und rechts schwenkten, um einen anderen Weg zu finden, an Arymillas Ränge heranzukommen. Der Strom hörte gar nicht mehr auf. Wie, beim Licht, konnte Dyelin so viele Gardisten haben? Es sei denn .. . Sollte man die Frau doch zu Asche verbrennen, sie musste die noch nicht fertig ausgebildeten Männer mobilisiert haben! Nun, ob sie nun ausgebildet waren oder nicht, heute würden sie mit Blut gesalbt werden.

Da ritten drei Gestalten mit vergoldeten Helmen und Harn ischen durch das Tor, die Schwerter gezückt. Zwei von ihnen waren ziemlich klein. Die Rufe, die bei ihrem Erscheinen ertönten, klangen wegen der Entfernung sehr leise, aber sie waren trotzdem über dem Schlachtenlärm zu hören. »Die Schwarzen Adler!« und »Der Amboss!« und »Die Roten Leoparden!«. Zwei Frauen zu Pferd erschienen im Tor und rangelten, bis die größere es schaffte, das Pferd der anderen außer Sicht zu zerren.

»Blut und verfluchte Asche!«, fauchte Elayne. »Conail ist vermutlich alt genug, aber Branlet und Perival sind doch noch Kinder! Jemand hätte sie von dort fernhalten sollen!«

»Dyelin hat sie lange genug ferngehalten«, sagte Birgitte ruhig. Der Bund vermittelte eiskalte Ruhe. »Conail jedenfalls länger, als ich geglaubt hätte. Und sie hat es geschafft, Catalyn aus dem Kampf zu halten. Wie dem auch sei, die Jungs haben ein paar hundert Mann zwischen sich und der Frontlinie, und ich kann nicht erkennen, dass ihnen jemand Platz macht.« Es stimmte. Die drei schwangen nutzlos ihre Schwerter, mindestens fünfzig Schritte von dem Ort entfernt, an dem Männer starben. Andererseits waren fünfzig Schritte nur eine kurze Distanz für einen Bogen oder eine Armbrust.

Männer erschienen auf den Dächern, zuerst Dutzende, dann Hunderte, Bogenschützen und Armbrustmänner, die über die Dachgiebel hinwegkletterten und sich dann spinnengleich über die Ziegel hinunterarbeiteten, bis sie in die dicht gedrängt stehende Masse unter ihnen schießen konnten. Einer rutschte aus und stürzte, sein Körper landete mitten auf den Männern in der Straße und zuckte, als man ihn mehrmals aufspießte. Ein anderer bäumte sich plötzlich auf, ein Pfeil ragte aus seiner Seite, und er kippte aus seiner hohen Stellung. Er landete ebenfalls auf den Männern und zuckte, während man immer wieder auf ihn einstach.

»Sie stehen zu eng beieinander«, sagte Birgitte aufgeregt.

»Sie können keinen Bogen heben, geschweige denn ihn spannen. Ich wette, die Toten haben nicht einmal genug Platz, um fallen zu können. Das wird nicht mehr lange dauern.«

Aber das Gemetzel ging noch eine gute halbe Stunde, bevor die ersten Rufe »Gnade!« ertönten. Männer stülpten ihre Helme auf Schwertgriffe und stemmten sie empor, riskierten den Tod in der Hoffnung, leben zu können. Infanteristen nahmen die Helme ab und hielten die leeren Hände hoch. Reiter warfen Lanzen, Helme und Schwerter zu Boden und hoben die Hände. Es verbreitete sich so schnell wie ein Fieber, ein Ruf aus Tausenden von Kehlen. »Gnade!«

Elayne setzte sich wieder in den Sattel. Es war geschafft. Nun musste sie erfahren, wie gut es geschafft worden war.

Natürlich hörten die Kämpfe nicht sofort auf. Ein paar versuchten weiterzukämpfen, aber sie kämpften allein und starben oder wurden von den Männern um sie herum aus dem Sattel gezerrt, die nicht länger zu sterben bereit waren. Aber schließlich fingen selbst die stursten an, Waffen und Rüstung abzulegen, und wenn auch nicht jede Stimme nach Gnade verlangte, war es noch immer ein Ruf wie Donnerhall. Waffenlose Männer ohne Helme oder Harnische oder sonstige Rüstung taumelten mit erhobenen Händen durch die Linie der Gardisten. Hellebardiere trieben sie wie Schafe zusammen. Sie hatten auch etwas von dem benommenen Ausdruck von Schafen auf dem Schlachthof. Das Gleiche musste sich in Dutzenden von Niedercaemlyns schmalen Straßen und vor dem Tor wiederholt haben, denn die einzigen Rufe, die sie hörte, waren die nach Gnade, und die wurden auch immer weniger, als die Männer begriffen, dass sie gewährt wurde.

Der Sonne fehlte noch eine Stunde bis zu ihrem Mittagss tand, als man die Adligen aussortiert hatte. Die unbedeutenderen unter ihnen wurden in die Stadt eskortiert, wo man sie für ein Lösegeld festhalten würde. Das gezahlt werden musste, sobald der Thron sicher war. Die ersten der mächtigeren Adligen, die man zu Elayne brachte, eskortiert von einem Dutzend Gardisten und Charlz, waren Arymilla, Naean und Elenia. Charlz hatte eine blutige Schramme am linken Ärmel und eine Beule in seinem glänzenden Harnisch, die von einem Hammertreffer herrühren musste, aber die Züge hinter den Visierstangen seines Helms zeigten Gelassenheit. Sie stieß einen großer Seufzer der Erleichterung aus, als sie die drei Frauen sah. Die anderen würde man unter den Toten oder den Gefangenen finden. Sie hatte die Opposition enthauptet. Zumindest so lange, bis Luan und die anderen eintrafen. Die Gardistinnen vor ihr traten endlich zur Seite, auf dass sie den Gefangenen gegenübertreten konnte.

Die drei waren gekleidet, als hätten sie noch an diesem Tag Arymillas Krönung beiwohnen wollen. Die Brust von Arymillas rotem Seidengewand war mit Zuchtperlen bestickt, aufrecht gehende weiße Löwen marschierten die Ärmel hinauf. Sie schwankte im Sattel und hatte den gleichen benommenen Ausdruck in den Augen wie ihre Soldaten.

Naean trug Blau mit den silbernen Drei Schlüsseln von Arawn auf den Ärmeln und silbernen Schnörkeln auf der Brust, ihr glänzendes schwarzes Haar steckte in einem mit Saphiren besetzten Silbernetz; sie erschien eher gezähmt als benommen. Sie brachte sogar ein verächtliches Lächeln zustande, auch wenn es schwach ausfiel. Die honigblonde Elenia, in aufwändig mit Gold bestickter grüner Seide, ließ ihre finsteren Blicke zwischen Arymilla und Elayne hin und herschweifen. Der Bund übermittelte zu gleichen Teilen Triumph und Abscheu. Birgittes Abneigung gegenüber diesen Frauen war so persönlich wie Elaynes.

»Ihr werdet für die nächste Zeit meine Gäste im Palast sein«, sagte Elayne zu ihnen. »Ich hoffe, eure Taschen sind tief. Euer Lösegeld wird diesen Krieg bezahlen, den ihr angefangen habt.« Das war eine bösartige Bemerkung, aber plötzlich war ihr so zumute. Ihre Taschen waren alles andere als tief. Sie hatten sich viel mehr geliehen, als sie zurückzahlen konnten, um Söldner anzuheuern. Und Söldner zu bestechen. Auch ohne Lösegeld sahen sie dem Ruin entgegen. Mit ihm waren sie am Ende.

»Ihr könnt nicht der Meinung sein, dass es auf diese Weise endet«, sagte Arymilla heiser. Sie klang, als wollte sie sich selbst von den Worten überzeugen. »Jarid ist noch immer mit einer beträchtlichen Streitmacht auf dem Feld. Jarid und andere. Sagt es ihr, Elenia.«

»Jarid wird versuchen, so viel wie möglich von Sarand aus dieser Katastrophe zu retten, in die Ihr uns hineingezwungen habt«, fauchte Elenia. Sie fingen an, sich anzuschreien, aber Elayne ignorierte sie. Sie frage sich, wie es ihnen gefallen würde, sich das Bett mit Naean teilen zu müssen.

Als Nächstes eskortierte man Lir Baryn und Augenblicke später Karind Anshar heran. Schlank wie eine Klinge und genauso stark, zeigte Lir eher einen nachdenklichen Ausdruck statt eines mürrischen oder trotzigen. Sein grüner Mantel mit dem aufgestickten silbernen Geflügelten Hammer von Haus Baryn zeigte die Einkerbungen des Brustharnischs, den er nicht länger trug, und sein dunkles Haar war schweißverklebt. Noch mehr schimmerte auf seinem Gesicht. Er war nicht so ins Schwitzen geraten, weil er anderen Männern beim Kampf zugesehen hatte. Karind war so pompös wie die anderen Frauen gekleidet, in leuchtende blaue Seide mit silbernen Stickereien und Perlen in dem grau durchzogenen Haar. Ihr kantiges Gesicht sah resigniert aus, vor allem, nachdem Elayne sie über das Lösegeld informiert hatte. Soweit sie wusste, hatten sich die beiden nicht so schwer verschuldet wie die anderen drei, aber das Lösegeld würde ihnen trotzdem wehtun.

Dann erschienen zwei Gardisten mit einer Frau in schlicht em Blau, die kaum älter als Elayne sein konnte, eine Frau, die sie zu erkennen glaubte. Allem Anschein nach bestand ihr einziger Schmuck aus einer Emaillebrosche, auf der ein roter Stern und ein silbernes Schwert auf schwarzem Grund funkelten. Aber warum brachte man Sylvase Caeren zu ihr? Die hübsche Frau mit den lebhaften blauen Augen, deren Blick fest auf Elaynes Gesicht haftete, war Lord Nasins Erbin und nicht die Hohe Herrin von Caeren.

»Caeren steht für Trakand«, sagte Sylvase schockierenderw eise, sobald sie ihr Pferd zügelte. Der Bund spiegelte Elaynes Überraschung wider. Arymilla starrte Sylvase an, als hätte sie den Verstand verloren. »Mein Großvater hatte einen Schlaganfall, Arymilla«, sagte die junge Frau ruhig, »und meine Cousins haben sich überschlagen, mich als Hohe Herrin zu bestätigen. Ich werde es vor aller Augen schriftlich niederlegen, Elayne, falls Ihr es wünscht.«

»Das wäre vermutlich das Beste«, sagte Elayne langsam. Die öffentliche Unterschrift würde ihre Unterstützung unwiderruflich machen. Es würde nicht das erste Mal sein, dass ein Haus die Seiten gewechselt hatte, selbst ohne den Tod des Hohen Herrn, aber es war besser, in diesem Fall sicherzugehen. »Trakand heißt Caeren erfreut willkommen, Sylvase.« Es war auch besser, nicht zu distanziert zu sein. Sie wusste nicht viel über Sylvase Caeren.

Sylvase nickte und akzeptierte es. Also hatte sie wenigst ens einen Funken Intelligenz. Ihr war klar, dass man ihr nicht völlig vertrauen würde, bis sie ihre Loyalität demonstriert hatte, indem sie ihre Unterstützung öffentlich verkündete. »Wenn Ihr mir ein wenig Vertrauen entgegenbringt, darf ich die Obhut über Arymilla, Naean und Elenia übernehmen? Natürlich im Königlichen Palast oder wo auch immer Ihr mich sonst unterbringen werdet. Ich glaube, mein neuer Sekretär Meister Lounalt könnte sie davon überzeugen, Euch zu unterstützen.«

Aus irgendeinem Grund stieß Naean einen lauten Schrei aus und wäre aus dem Sattel gefallen, hätte ein Gardist sie nicht am Arm gepackt und sie gestützt. Arymilla und Elenia sahen beide aus, als müssten sie sich gleich übergeben.

»Ich glaube nicht«, sagte Elayne. Keine vorgeschlagene Unterhaltung mit einem Sekretär rief eine solche Reaktion hervor. Anscheinend hatte Sylvase einen stahlharten Kern.

»Naean und Elenia haben ihre Unterstützung für Arymilla bekundet. Sie werden sich wohl kaum selbst vernichten, indem sie sie wiederrufen.« Das würde sie wirklich vernichten. Die ihnen verschworenen kleineren Häuser würden abfallen, bis ihre eigenen Häuser in Vergessenheit geraten waren. Außerdem, wenn sie verkündeten, dass sie jetzt für Trakand standen, würden sie möglicherweise nicht in ihren Positionen als Hohe Herrinnen überleben. Und was Arymilla anging… Elayne würde nicht zulassen, dass Arymilla jetzt ihr Lied änderte. Sie würde die Unterstützung dieser Frau selbst dann ablehnen, wenn sie ihr angeboten würde!

Etwas Grimmiges trat in Sylvases Blick, als sie die drei Frauen betrachtete. »Möglicherweise schon, mit der richtigen Überredung.« O ja, ein sehr harter Kern. »Aber wie Ihr wünscht, Elayne. Doch nehmt Euch vor ihnen in Acht. Verrat liegt ihnen im Blut und in den Knochen.«

»Baryn steht für Trakand«, verkündete Lir plötzlich.

»Auch ich werde es öffentlich niederlegen.«

»Anshar steht für Trakand«, sagte Karind entschlossen.

»Ich werde die Proklamation noch heute aufsetzen lassen.«

»Verräter!«, schrie Arymilla. »Ihr seid tot!« Sie fummelte an ihrem Gürtel herum, wo die juwelenbesetzte leere Dolchscheide baumelte, als wollte sie die Sache selbst erledigen. Elenia fing an zu lachen, aber sie klang nicht amüsiert. Eigentlich klang es wie ein Schluchzen.

Elayne holte tief Luft. Jetzt hatte sie neun der zehn Häus er, die sie brauchte. Sie gab sich keinen Illusionen hin. Welche Gründe auch immer Sylvase bewegten, Lir und Karind versuchten zu retten, was zu retten war, indem sie sich von einer verlorenen Sache lossagten und sich dem Haus anschlossen, das plötzlich aufzusteigen schien. Sie würden von ihr erwarten, eine Vorzugsbehandlung zu bekommen, weil sie sie vor ihrer Thronbesteigung unterstützt hatten, während sie gleichzeitig vergaß, dass sie je Arymilla unterstützt hatten. Sie würde keines von beiden tun. Aber sie konnte sie auch nicht so einfach ablehnen. »Trakand heißt Baryn willkommen.« Aber nicht erfreut. Das niemals. »Trakand heißt Anshar willkommen. Hauptmann Guybon, bringt die Gefangenen so schnell in die Stadt, wie Ihr könnt. Waffenmänner von Caeren, Baryn und Anshar erhalten ihre Waffen und die Ausrüstung zurück, sobald die Proklamationen verschickt wurden, aber sie können ihre Banner jetzt sofort zurückhaben.« Er salutierte und zog den Braunen herum, rief bereits Befehle.

Als Elayne die graue Stute in Richtung Dyelin in Beweg ung setzte, die gefolgt von Catalyn und den drei jungen Narren in ihren vergoldeten Rüstungen aus einer Seitenstraße kam, schlossen sich Sylvase, Lir und Karind ihr hinter Birgitte an. Sie verspürte kein Unbehagen, sie im Rücken zu haben, nicht mit hundert Gardistinnen um sie herum. Bis zu diesen Proklamationen würde man sie genau im Auge behalten. Sylvase eingeschlossen. Elayne dachte bereits an die Zukunft.

»Du bist schrecklich still«, sagte Birgitte leise. »Du hast gerade einen großen Sieg davongetragen.«

»Und in ein paar Stunden«, erwiderte sie, »werde ich erfahren, ob ich noch einen erringen muss.«

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