4 Ein Handel

Perrin trieb Traber ein Stück von den Bäumen am Waldrand weg und betrachtete die große Wiese, auf der rote und blaue Wildblumen durch das winterbraune Gras lugten, das der mittlerweile verschwundene Schnee zu einer verfilzten Fläche zusammengedrückt hatte. Hier gab es hauptsächlich Zwerglorbeer, der sein breites dunkles Blattwerk während des Winters beibehielt, aber die Äste der sich zwischen ihnen erhebenden Tupelobäume schmückten nur ein paar kleine, helle Blätter. Der braune Hengst scharrte mit einer Ungeduld mit seinem Huf, die Perrin teilte, auch wenn er sich nichts davon anmerken ließ. Die Sonne stand fast genau über ihm; er wartete jetzt fast eine Stunde. Ein böiger Wind wehte aus dem Westen über die Wiese auf ihn zu. Das war gut.

Gelegentlich streichelte er mit dem Panzerhandschuh über einen beinahe geraden Eichenast, dicker als sein Unterarm und mehr als doppelt so lang, der quer vor ihm über dem Sattel lag. Bis zur Mitte hatte er ihn auf zwei Seiten flach und glatt geschliffen. Die Wiese, die von wuchtigen Eichen und Zwerglorbeer, hohen Kiefern und kleineren Tupelos umringt wurde, maß weniger als sechshundert Schritte im Durchmesser, war aber länger. Der Ast müsste breit genug sein. Er hatte für jede Möglichkeit geplant, die er sich vorstellen konnte. Der Ast war für mehr als eine zu gebrauchen.

»Meine Lady, Ihr solltet ins Lager zurückkehren«, sagte Gallenne nicht zum ersten Mal und rieb sich gereizt die rote Augenklappe. Der mit einem roten Federnbusch versehene Helm hing am Sattelknauf und ließ sein schulterlanges graues Haar unbedeckt. Man hatte ihn sagen gehört, in Berelains Anwesenheit, dass er die meisten grauen Haare ihr zu verdanken hatte. Sein schwarzes Schlachtross versuchte Traber zu beißen, und er zügelte den Wallach mit der breiten Brust hart, ohne seine Aufmerksamkeit von Berelain abzuwenden. Er hatte sich von Anfang an gegen ihr Kommen ausgesprochen. »Grady kann Euch zurückbringen und zurückkommen, während der Rest von uns noch eine Weile wartet, ob die Seanchaner auftauchen oder nicht.«

»Ich bleibe, Hauptmann. Ich bleibe.« Berelains Tonfall war energisch und ruhig, doch unter ihrem gewöhnlichen Duft von Geduld lag ein Hauch von Sorge. Sie war nicht so sicher, wie sie tat. Sie hatte sich angewöhnt, ein sanftes Parfüm zu tragen, das nach Blumen duftete. Manchmal ertappte sich Perrin dabei, herausfinden zu wollen, welche Blumen es waren, aber heute war er zu konzentriert, um über solche Nebensächlichkeiten nachzudenken.

Aus Annouras Geruch stach Verdrossenheit hervor, auch wenn ihr altersloses, von Dutzenden dünner Zöpfe eingerahmtes Aes Sedai-Gesicht so reglos wie immer war. Andererseits roch die Graue Schwester mit der Hakennase seit ihrem Zerwürfnis mit Berelain immer verdrossen. Dabei war es ihre eigene Schuld gewesen, Masema hinter Berelains Rücken zu besuchen. Auch sie hatte Berelain geraten zurückzubleiben. Annoura lenkte ihre braune Stute stückchenweise näher an die Erste von Mayene heran, und Berelain wich mit ihrer weißen Stute die gleiche Distanz seitwärts, ohne auch nur einen Blick für ihre Beraterin übrig zu haben. Wieder stach Verdrossenheit hervor.

Berelains rotes Reitkleid, übertrieben mit goldenen Schnörkeln bestickt, stellte mehr Busen zur Schau, als in letzter Zeit üblich gewesen war; immerhin sorgte eine große Kette aus Feuertropfen und Opalen für einen gewissen Grad an Schicklichkeit. Um ihre Taille wand sich ein breiter, dazu passender Gürtel, der einen juwelenbesetzten Dolch hielt. Die schmale Krone von Mayene, die auf ihrem schwarzen Haar thronte und einen fliegenden goldenen Falken über ihren Brauen hielt, erschien verglichen mit Gürtel und Kette gewöhnlich. Sie war eine wunderschöne Frau, jetzt erst recht, seit sie aufgehört hatte, ihm hinterherzujagen — so kam es ihm jedenfalls vor-, auch wenn sie an Faile natürlich nicht herankam.

Annoura trug ein schlichtes graues Reitgewand, aber die meisten von ihnen trugen ihre besten Kleider. Für Perrin bedeutete das ein dunkelgrüner Seidenmantel mit silbernen Stickereien auf Ärmeln und Schultern. Er hielt nicht viel von aufwändiger Kleidung — Faile hatte ihn zu dem Kauf der wenigen Stücke drängen müssen, die er besaß; nun ja, sie hatte sanft gedrängt —, aber heute musste er Eindruck machen. Wenn der breite, schlichte Ledergürtel über dem Mantel den Eindruck etwas verdarb, dann war das eben nicht zu ändern.

»Sie muss kommen«, murmelte Arganda. Alliandres Erster Hauptmann, ein kleiner, stämmiger Mann, hatte seinen silbernen Helm mit den drei kurzen weißen Federn nicht abgenommen, und er saß im Sattel und lockerte das Schwert in seiner Scheide, als würde er einen Sturmangriff erwarten. Sein Brustharnisch war ebenfalls mit Silber überzogen. Er würde im Sonnenlicht meilenweit zu sehen sein. »Sie muss!«

»Der Prophet sagt, sie werden es nicht tun«, warf Aram ein, und zwar keineswegs leise, trieb seinen langbeinigen Grauen an Trabers Seite. Der Messingwolfsknauf seines Schwertes ragte über der Schulter seines grün gestreiften Mantels empor. Einst hatte er scheinbar zu gut für einen Mann ausgesehen, aber jetzt wurde sein Gesicht jeden Tag grimmiger. Er machte einen abgezehrten Eindruck, seine Augen wirkten eingesunken und sein Mund verkniffen. »Der Prophet sagt, entweder das oder es ist eine Falle. Er sagt, wir sollten den Seanchanern nicht vertrauen.«

Perrin schwieg, aber er verspürte selbst Ärger in sich aufsteigen, auf sich selbst und auf den ehemaligen Kesselflicker. Balwer hatte ihn darüber informiert, dass Aram Zeit mit Masema verbrachte, aber es war unnötig erschienen, dem Mann zu sagen, Masema nicht alles wissen zu lassen, was Perrin tat. Man konnte kein Ei zurück in die Schale packen, aber in Zukunft würde er schlauer sein. Ein Handwerker sollte sein Werkzeug kennen und es nicht so benutzen, dass es zerbrach. Das Gleiche galt für Menschen. Was Masema anging, zweifellos befürchtete er, dass sie jemanden treffen würden, der wusste, dass sich der Prophet selbst mit den Seanchanern abgab.

Sie stellten eine große Gruppe dar, auch wenn die meisten hier zwischen den Bäumen bleiben würden. Fünfzig von Berelains Geflügelten Wachen in ihren roten Helmen und roten Brustharnischen, an deren mit Stahlspitzen versehenen Lanzen rote Wimpel flatterten, saßen hinter dem Goldenen Falken auf blauem Grund von Mayene zu Pferd. Neben ihnen saßen fünfzig Ghealdaner mit polierten Brustharnischen und dunkelgrünen konischen Helmen hinter Ghealdans drei silbernen Sternen auf rotem Grund. Die Wimpel an ihren Lanzen waren grün. Sie machten einen mutigen Eindruck, und doch waren sie alle zusammen nicht einmal annähernd so tödlich wie Jur Grady mit seinem von den Elementen verwittertem Bauerngesicht, selbst wenn sie ihn in seinem einfachen schwarzen Mantel mit dem angesteckten silbernen Schwert am hohen Kragen schlicht aussehen ließen. Er wusste es, egal ob sie es taten oder nicht, und er stand mit der Gelassenheit eines Mannes neben seinem braunen Wallach, der sich vor seinem Tagwerk ausruhte.

Im Gegensatz dazu hüpften Leof Torfinn und Tod al’Caar, die einzigen anderen Männer von den Zwei Flüssen, trotz der langen Wartezeit beinahe auf den Sätteln auf und ab vor Aufregung. Vielleicht hätte es ihr Vergnügen etwas gedämpft, wenn sie gewusst hätten, dass sie größtenteils deswegen ausgesucht worden waren, weil sie noch mit am besten in die geliehenen Mäntel aus dunkler, fein gewebter grüner Wolle hineinpassten. Leof hielt Perrins Rotes Wolfskopfbanner, Tod den Roten Adler von Manetheren; beide flatterten an Stäben, die etwas länger als die Lanzen waren. Sie hatten sich beinahe darum geprügelt, wer welches tragen durfte. Perrin hoffte, dass sie es getan hatten, weil keiner den Wolfskopf tragen wollte. Leof schaute durchaus glücklich aus. Tod sah ekstatisch aus. Natürlich hatte er nicht die geringste Ahnung, warum Perrin das Ding mitgenommen hatte. Aber bei jedem Handel musste man den anderen Burschen Glauben machen, dass er einen Vorteil errang und etwas bekam, wie Mats Vater oft gesagt hatte. Farben wirbelten in Perrins Kopf, und einen kurzen Augenblick lang glaubte er Mat zu sehen, der mit einer kleinen dunkelhäutigen Frau sprach. Er schüttelte das Bild ab. Hier und jetzt, heute, das war alles, was zählte. Faile war alles, was zählte.

»Sie werden kommen«, fauchte Arganda Aram als Antwort zu, obwohl er durch die drei Stangen seines Helmes blickte, als erwartete er eine Herausforderung.

»Und wenn doch nicht?«, wollte Gallenne wissen. Sein eines Auge blickte genauso wild wie Argandas beide. Sein rot lackierter Harnisch war nicht viel besser als Argandas silberner. So gut wie unmöglich, sie dazu zu überreden, sie in einem matten Farbton zu lackieren. »Was, wenn es eine Falle ist?« Arganda knurrte nur, es klang fast wie das kehlige Knurren eines Wolfes. Der Mann war am Ende seiner Geduld.

Der Wind trug den Geruch von Pferden nur Augenblicke früher heran, bevor Perrins Ohren das erste Trillern der Blaumeisen vernahmen, viel zu weit entfernt, dass es einer der anderen hören konnte. Sie kamen von den Bäumen, die die Wiese flankierten. Zahlenmäßig starke Gruppen von Männern, möglicherweise mit unfreundlichen Absichten, betraten den Wald. Weiteres Trillern ertönte, diesmal näher.

»Sie sind hier«, sagte er, was ihm Blicke von Arganda und Gallenne einbrachte. Er versuchte zu vermeiden, die Schärfe seines Gehörs oder seines Geruchsinns zu enthüllen, aber die beiden waren nahe dran gewesen, sich zu schlagen. Das weitergereichte Trillern kam näher, und jeder konnte es jetzt hören. Die Blicke der beiden Männer wurden seltsam.

»Falls die Möglichkeit einer Falle besteht, darf ich die Erste keinem Risiko aussetzen«, sagte Gallenne, setzte den Helm auf und schnallte ihn fest. Sie alle wussten, was das Signal zu bedeuten hatte.

»Diese Entscheidung treffe ich, Hauptmann«, erwiderte Berelain, bevor Perrin den Mund aufmachen konnte.

»Und Eure Sicherheit ist meine Verantwortung, meine Lady.«

Berelain holte tief Luft, ihre Miene verfinsterte sich, aber Perrin kam ihr zuvor. »Ich habe euch gesagt, wie wir herausbekommen, ob es eine Falle ist oder nicht. Ihr wisst, wie misstrauisch die Seanchaner sind. Vermutlich machen sie sich Sorgen, dass wir sie überfallen.« Gallenne räusperte sich laut. Die Geduld in Berelains Geruch flackerte, dann war sie wieder felsenfest.

»Ihr solltet ihm zuhören, Hauptmann«, sagte sie mit einem an Perrin gerichteten Lächeln. »Er weiß, was er tut.«

Am anderen Ende der Wiese erschien eine Gruppe Reiter und zügelte die Pferde. Tallanvor war leicht auszumachen. In einem dunklen Mantel und auf einem gescheckten Grauen war er der einzige Mann, der keine Rüstung mit kräftigen roten und gelben und blauen Streifen trug. Die einzigen anderen beiden ohne Rüstung waren Frauen, eine in Blau mit Rot auf Röcken und Brust, die andere in Grau. Die Sonne spiegelte sich auf etwas, das die beiden miteinander verband. Aha. Eine Sul’dam und eine Damane. Davon war bei den Verhandlungen, die über Tallanvor erfolgt waren, keine Rede gewesen, aber Perrin hatte damit gerechnet.

»Es ist Zeit«, sagte er und nahm Trabers Zügel in eine Hand. »Bevor sie entscheidet, dass wir nicht kommen.«

Annoura schaffte es, nahe genug heranzukommen, um Berelain eine Hand auf den Arm zu legen, bevor sie ihre Stute forttreiben konnte. »Ihr solltet mich mitkommen lassen, Berelain. Ihr könntet meinen Rat brauchen, stimmt’s? Diese Art von Verhandlung ist meine Spezialität.«

»Ich vermute, dass die Seanchaner mittlerweile das Gesicht einer Aes Sedai erkennen können, glaubt Ihr nicht, Annoura? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie mit Euch verhandeln würden. Außerdem«, fügte Berelain in zuckersüßem Tonfall hinzu, »müsst Ihr hier bleiben, um Meister Grady zu helfen.«

Einen Augenblick lang traten rote Flecken auf den Wangen der Aes Sedai zum Vorschein, und ihr breiter Mund wurde ganz schmal. Die Weisen Frauen waren nötig gewesen, um sie dazu zu bewegen, heute von Grady Befehle entgegenzunehmen; allerdings war Perrin froh, dass er nicht wusste, wie sie das geschafft hatten, und sie hatte seit ihrem Aufbruch im Lager versucht, sich da wieder herauszuwinden.

»Ihr bleibt auch hier«, sagte Perrin, als Aram losreiten wollte. »Ihr seid in letzter Zeit zu hitzköpfig, und ich werde nicht riskieren, dass Ihr dort draußen einen Fehler macht. Ich werde Faile nicht diesem Risiko aussetzen.« Das stimmte. Und er konnte sich die Bemerkung sparen, dass er es nicht riskieren wollte, dass der Mann alles, was dort draußen gesagt wurde, an Masema weitergab. »Habt Ihr verstanden?«

Enttäuschung füllte Arams Geruch, aber er nickte, wenn auch zögernd, und legte die Hände auf den Sattelknauf. Er mochte nahe dran sein, Masema anzubeten, aber er würde eher hundert Mal sein Leben geben, als Failes zu riskieren. Jedenfalls absichtlich. Was er tat, ohne nachzudenken, war eine andere Sache.

Perrin ritt aus den Bäumen heraus, auf der einen Seite flankiert von Arganda und auf der anderen von Berelain und Gallenne. Die Bannerträger folgten dahinter, dann zehn Mayener und zehn Ghealdaner in einer Zweierreihe. Als sie ihre Pferde im Schritttempo vorwärts führten, setzten sich die Seanchaner ebenfalls in einer Reihe in Bewegung. Tallanvor ritt an der Seite der Anführer; einer saß auf einem Rotschimmel, der andere auf einem Braunen. Die Hufe machten auf der dicken Schicht aus totem Gras keine Geräusche. In den Wald war Stille eingekehrt, selbst für Perrins Ohren.

Während die Mayener und Ghealdaner zu einer Reihe ausschwärmten und die meisten der Seanchaner in ihren hell bemalten Rüstungen das Gleiche taten, hielten Perrin und Berelain auf Tallanvor und zwei der gepanzerten Seanchaner zu, von denen der eine drei schmale blaue Federn auf dem lackierten Helm trug, der so sehr an einen Insektenkopf erinnerte, und der andere zwei. Die Sul’dam und ihre Damane kamen auch. Sie trafen sich auf der Mitte der Lichtung, umgeben von Wildblumen und Stille, mit sechs Schritten Abstand zwischen sich.

Als Tallanvor sich zwischen den beiden Gruppen positionierte, nahmen die Seanchaner mit den auf den Handrücken mit Stahl verstärkten Panzerhandschuhen, die wie der Rest ihrer Rüstung gestreift waren, die Helme ab. Der Helm mit den beiden Federn enthüllte einen blonden Mann mit einem halben Dutzend Narben in dem kantigen Gesicht. Er war ein hartgesottener Mann, der seltsamerweise nach Heiterkeit roch, aber es war die andere Person, die Perrin interessierte. Die Reiterin auf dem Braunen, einem ausgebildeten Schlachtross, wenn er je eines gesehen hatte, war groß und breitschultrig für eine Frau, und sie war nicht jung. Die Schläfen ihres kurz geschnittenen, schwarz gelockten Haares waren grau. Mit einer Hautfarbe so schwarz wie guter Mutterboden wies sie nur zwei Narben auf, von denen eine quer über ihre linke Wange führte. Die andere auf der Stirn hatte einen Teil ihrer rechten Augenbraue zerstört. Einige Leute hielten Narben für ein Zeichen von Härte. Perrin war der Meinung, dass weniger Narben bedeuteten, dass man wusste, was man tat. Sie roch nach Selbstvertrauen.

Ihr Blick glitt über die flatternden Banner. Perrin glaubte, dass er kurz auf dem Roten Adler von Manetheren verharrte, und dann wieder auf dem Goldenen Falken von Mayene, aber dann konzentrierte er sich auf ihn. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts, aber als sie seine gelben Augen bemerkte, trat etwas Unidentifizierbares in ihren Geruch, etwas Scharfes und Hartes. Als sie den schweren Schmiedehammer in seiner Gürtelschlaufe sah, nahm der seltsame Geruch noch zu.

»Ich stelle euch Perrin t’Bashere Aybara vor, Lord der Zwei Flüsse, Lehnsherr von Königin Alliandre von Ghealdan«, verkündete Tallanvor und deutete mit der Hand auf Perrin. Er hatte behauptet, dass die Seanchaner es mit Förmlichkeiten sehr genau nahmen, aber Perrin hatte keine Ahnung, ob das seanchanisches Zeremoniell war oder etwas aus Andor. Soweit es ihn betraf, hätte Tallanvor auch alles einfach erfinden können. »Ich stelle euch Berelain sur Paendrag Paeron vor, Erste von Mayene, Gesegnete des Lichts, Verteidigerin der Wellen, Hohe Herrin von Haus Paeron.« Mit einer Verbeugung in ihre Richtung wechselte er die Zügel in die andere Hand und deutete auf die Seanchaner. »Ich stelle euch Bannergeneralin Tylee Khirgan des Immer Siegreichen Heeres vor, in Diensten der Kaiserin von Seanchan. Ich stelle euch Hauptmann Bakayar Mishima des Immer Siegreichen Heeres vor, in Diensten der Kaiserin von Seanchan.« Noch eine Verbeugung, dann drehte Tallanvor seinen Grauen, um zu den Bannern zu reiten. Sein Gesicht war so grimmig wie das von Aram, aber er roch nach Hoffnung.

»Ich bin froh, dass er Euch nicht Wolfskönig genannt hat, mein Lord«, sagte die Bannergeneralin mit einem schweren Akzent. So wie sie die Worte zerdehnte, musste Perrin genau zuhören, um ihre Worte verstehen zu können. »Sonst würde ich glauben, dass Tarmon Gai’don über uns gekommen ist. Ihr kennt die Prophezeiungen des Drachen? ›Wenn der Wolfskönig den Hammer trägt, sind die letzten Tage gekommen. Wenn der Fuchs den Raben heiratet und die Schlachtfanfaren ertönen.‹ Ich persönlich habe die zweite Zeile noch nie verstanden. Und Ihr, meine Lady. Sur Paendrag. Das bedeutet doch von Paendrag?«

»Meine Familie stammt von Artur Paendrag Tanreall ab«, erwiderte Berelain mit hoch erhobenem Kopf. Eine Böe trug einen Hauch von Stolz inmitten der Geduld und des Parfüms heran. Sie hatten sich darauf verständigt, dass Perrin allein das Sprechen übernahm — sie war da, um die Seanchaner als schöne junge Herrscherin zu blenden, oder zumindest Perrin damit mehr Gewicht zu verleihen —, aber auf eine direkte Frage musste sie wohl antworten, da konnte man nichts machen.

Tylee nickte, als wäre das genau die Antwort, die sie erwartet hatte. »Das macht Euch zu einer entfernten Kusine der Kaiserlichen Familie, meine Lady. Zweifellos wird Euch die Kaiserin, möge sie ewig leben, ehren. Jedenfalls solange Ihr keinen Anspruch auf Falkenflügels Kaiserreich anmeldet.«

»Ich beanspruche allein Mayene«, sagte Berelain stolz.

»Und das werde ich mit meinem letzten Atemzug verteidigen.«

»Ich bin nicht hergekommen, um über die Prophezeiungen oder Falkenflügel oder eure Kaiserin zu sprechen«, sagte Perrin gereizt. Zum zweiten Mal in wenigen Augenblicken versuchten diese Farben in seinem Kopf zu verschmelzen, nur um auseinander getrieben zu werden. Er hatte keine Zeit dafür. Der Wolfskönig? Springer hätte das zum Lachen gereizt, soweit ein Wolf darüber hätte lachen können. Jeder Wolf hätte das. Trotzdem verspürte er ein Frösteln. Ihm war nicht klar gewesen, dass er in den Prophezeiungen erwähnt wurde. Und sein Hammer war ein Vorbote der Letzten Schlacht? Aber nichts davon spielte eine Rolle. Nur Faile. Und was auch immer nötig war, um sie zu befreien. »Die Vereinbarung für dieses Treffen besagte nicht mehr als dreißig Mann in jeder Gruppe, aber ihr habt zu beiden Seiten Männer im Wald. Viele Männer.«

»Genau wie Ihr«, sagte Mishima mit einem Grinsen, das von der weißen Narbe verzerrt wurde, die bis zu seinem Mundwinkel reichte. »Sonst wüsstet Ihr nichts von unseren.« Sein Akzent war noch schlimmer.

Perrin hielt den Blick auf die Bannergeneralin gerichtet.

»Solange beide bleiben, kann es zu Zwischenfällen kommen. Ich will keine Zwischenfälle. Ich will meine Frau von den Shaido zurück.«

»Und was schlagt Ihr vor, wie sollen wir Zwischenfälle vermeiden?«, sagte Mishima und zupfte gemächlich an seinen Zügeln herum. Er klang, als sei diese Frage nicht dringend. Anscheinend war Tylee damit zufrieden, ihm das Reden zu überlassen, während sie Perrins Reaktionen beobachtete. »Sollen wir Euch trauen und unsere Männer als Erste rauskommen lassen, oder vertraut Ihr uns, wenn wir Euch bitten, dass Ihr Euch zuerst zurückzieht? ›Ganz oben sind die Wege mit Dolchen gepflasterte Da bleibt nicht viel Platz für Vertrauen. Sicher, wir könnten unseren Männern beide gleichzeitig den Befehl zum Rückzug geben, aber eine Seite könnte betrügen.«

Perrin schüttelte den Kopf. »Ihr werdet mir vertrauen müssen, Bannergeneralin. Ich habe keinen Grund, Euch anzugreifen oder gefangen nehmen zu wollen, aber jeden Grund, es nicht zu tun. Bei Euch kann ich mir da nicht so sicher sein. Ihr könntet glauben, dass die Gefangennahme der Ersten von Mayene schon einen kleinen Verrat wert ist.«

Berelain lachte leise. Es war Zeit für den Ast. Nicht um die Seanchaner als Erste aus dem Wald zu zwingen, sondern um sie davon zu überzeugen, dass sie brauchten, was er anzubieten hatte. Er stellte den Ast auf dem Sattel aufrecht vor sich hin.

»Ich gehe davon aus, dass Eure Männer vermutlich gute Soldaten sind. Meine Männer sind keine Soldaten, auch wenn sie gegen Trollocs und Shaido gekämpft und sich gegen beide gut bewährt haben.« Er fasste den Ast unten an der Basis und hielt ihn hoch über den Kopf, die geschälten Seiten oben und in beide Seiten gerichtet. »Aber sie sind es gewohnt, Löwen und Leoparden und Bergkatzen zu jagen, die aus den Bergen kommen, um unsere Herden zu jagen, genau wie Wildeber und Bären, Tiere die sich wehren, in Wäldern, die sich nicht sehr von denen hier unterscheiden.«

Der Ast wollte aus dem Griff seines Panzerhandschuhs ausbrechen, als zwei von der Spanne eines Herzschlages getrennte Einschläge seinen Arm erzittern ließen. Er senkte den Ast, um zwei Pfeile zu präsentieren; ihre dreieckigen Spitzen hatten das harte Holz auf beiden Seiten durchschlagen. Dreihundert Schritte waren eine lange Distanz für so ein Ziel, aber er hatte Jondyn Barran und Jori Congar als Schützen ausgesucht. Sie waren die besten, die er hatte.

»Sollte es soweit kommen, werden Eure Männer nicht einmal sehen, was sie tötet, und diese Rüstungen werden gegen einen Langbogen von den zwei Flüssen nicht viel ausrichten. Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen.« Er schleuderte den Ast mit seiner ganzen Kraft in die Luft.

»Bei meinen Augen!«, knurrte Mishima, seine Hand griff nach dem Schwert, während er zugleich versuchte, den Braunen zurückzutreiben und Perrin und den Ast im Auge zu behalten. Sein Helm fiel vom Sattel ins Gras.

Die Bannergeneralin machte keine Anstalten, nach dem Schwert zu greifen, allerdings versuchte auch sie, Perrin und den Ast zu beobachten. Jedenfalls im ersten Augenblick. Dann folgte ihr Blick allein dem Ast, der immer höher stieg, bis er genau zwischen ihnen hundert Fuß in der Luft hing. Plötzlich hüllte ihn ein Feuerball ein, der so intensiv war, dass Perrin die Hitze wie aus einem offenen Schmiedeofen fühlen konnte. Berelain hob eine Hand, um ihr Gesicht zu beschatten. Tylee sah nur nachdenklich zu.

Das Feuer brannte nur wenige Augenblicke lang, aber das reichte aus, um nur Asche übrig zu lassen, die der Wind mit sich nahm, als es verlosch. Asche und zwei herabstürzende Körnchen, die ins trockene Gras fielen. Sofort schössen kleine Flammen in die Höhe und breiteten sich aus. Selbst die Schlachtrösser schnaubten vor Angst. Berelains Stute tänzelte bei dem Versuch, gegen ihre Zügel zu kämpfen und zu fliehen.

Perrin murmelte einen Fluch — er hätte an die Pfeilspitzen denken müssen —, und machte Anstalten abzusteigen, um das Feuer auszutreten, aber bevor er das Bein über den Sattel schwingen konnte, verschwanden die Flammen und hinterließen nur dünne Rauchwölkchen, die aus einem Fleck geschwärzten Grases aufstiegen.

»Brave Norie«, murmelte die Sul’dam und tätschelte die Damane. »Norie ist eine wunderbare Damane.« Das Lob ließ die grau gekleidete Frau schüchtern lächeln. Die Sul’dam sah trotz ihrer Worte besorgt aus.

»So«, sagte Tylee, »Ihr habt also eine Marath…« Sie hielt inne, schürzte die Lippen. »Ihr habt eine Aes Sedai bei euch. Mehr als eine? Egal. Ich kann nicht behaupten, dass mich die Aes Sedai, die ich gesehen habe, sehr beeindruckt hätten.«

»Keine Marath’damane, meine Generalin«, sagte die Sul’dam leise.

Tylee saß ganz still da, musterte Perrin intensiv. »Asha’man«, sagte sie schließlich, und es war keine Frage. »Ihr fangt an, mich zu interessieren, mein Lord.«

»Dann wird Euch vielleicht eine letzte Sache überzeugen«, sagte Perrin. »Tod, rollt das Banner auf und bringt es mir.« Er hörte nichts hinter sich und schaute über die Schulter. Tod starrte ihn gequält an. »Tod.«

Tod schüttelte sich und fing an, den Roten Adler um den Stab zu wickeln. Er sah aber noch immer unglücklich aus, als er nach vorn ritt und ihn Perrin übergab. Er blieb dort mit ausgestreckter Hand stehen, wie in der Hoffnung, dass ihm der Stab zurückgegeben wurde.

Perrin lenkte Traber mit den Fersen zu den Seanchanern und hielt das Banner parallel zum Boden vor sich in der Faust. »Die Zwei Flüsse waren das Herz von Manetheren, Bannergeneralin. Der letzte König von Manetheren starb in einer Schlacht, die genau dort stattfand, wo Emondsfelde, das Dorf, in dem ich zur Welt kam, gegründet wurde. Manetheren liegt uns im Blut. Aber die Shaido haben meine Frau gefangen. Um sie zu befreien, gebe ich jeden Anspruch auf, Manetheren wieder aufleben zu lassen, darauf gebe ich jeden Schwur, den Ihr wollt. Dieser Anspruch wäre für Euch Seanchaner ein Dornenfeld. Ihr könntet diejenige sein, die dieses Feld räumt, ohne dafür einen Tropfen Blut vergießen zu müssen.« Hinter ihm stöhnte jemand elend. Vermutlich war das Tod.

Plötzlich kam ein Wind, der genau in die andere Richtung heulte und Sand auf sie prasseln ließ; er blies so hart, dass sich Perrin am Sattel festklammern musste, um nicht vom Pferd gerissen zu werden. Sein Mantel schien kurz davor zu stehen, ihm vom Leib gefetzt zu werden. Wo war der Sand hergekommen? Der Wald war zentimetertief mit toten Blättern bedeckt. Der Sturmwind stank auch nach verbranntem Schwefel, scharf genug, um in Perrins Nase zu brennen. Die Pferde warfen die Köpfe nach hinten, die Mäuler aufgerissen, aber das Brausen des Windes begrub ihr verängstigtes Wiehern unter sich.

Der entfesselte Wind hielt nur Augenblicke an, dann hörte er so plötzlich auf, wie er gekommen war. Übrig blieb nur die Brise, die in die andere Richtung blies. Die Pferde standen zitternd da, schnaubten und warfen die Köpfe zurück, rollten mit den Augen. Perrin tätschelte Trabers Hals und gab beruhigende Laute von sich, aber das nutzte nicht viel.

Die Bannergeneralin schlug ein seltsames Zeichen und murmelte: »Wehrt den Schatten ab. Wo beim Licht kam das denn her? Ich habe Geschichten über seltsame Dinge gehört. Oder war das weitere ›Überzeugungsarbeit‹ von Eurer Seite, mein Lord?«

»Nein«, sagte Perrin wahrheitsgemäß. Wie sich herausgestellt hatte, verfügte Neald über Fertigkeiten mit dem Wetter, aber Grady nicht. »Ist das wichtig, wo es herkam?«

Tylee sah ihn nachdenklich an, dann nickte sie. »Ob das eine Rolle spielt?«, sagte sie und klang nicht unbedingt so, als würde sie mit ihm einer Meinung sein. »Wir kennen Geschichten über Manetheren. Es wären Dornen auf dem Boden und keine Stiefel zu haben. Halb Amadicia schwirrt von Gerüchten über Euch und dieses Banner, Manetheren zu neuem Leben zu erwecken und Amadicia vor uns zu ›retten‹. Mishima, lasst zum Rückzug blasen.« Ohne zu zögern hob der blonde Mann ein kleines, gerades Horn, das an einer roten Schnur von seinem Hals hing. Er blies vier schrille Töne und wiederholte die Sequenz zweimal, bevor er das Horn losließ und es gegen seine Brust baumelte.

»Mein Teil ist getan«, sagte Tylee.

Perrin wandte den Kopf und rief so laut und deutlich, wie er konnte. »Dannil! Teil! Wenn die letzten Seanchaner das Ende der Wiese passiert haben, sammelt euch alle und begebt euch zu Grady!«

Die Bannergeneralin steckte den kleinen Finger ins Ohr und bohrte damit trotz des Panzerhandschuhs herum. »Ihr habt eine starke Stimme«, sagte sie trocken. Erst dann griff sie nach dem Bannerstab und legte ihn sorgfältig vor sich auf den Sattel. Sie sah ihn nicht mehr an, strich aber mit einer Hand über das Banner, vielleicht unbewusst. »Nun, was könnt Ihr tun, um meinem Plan zu fördern, mein Lord?« Mishima hakte einen Fuß hinter den hohen Knauf seines Sattels und beugte sich nach unten, um seinen Helm aufzuheben. Der Wind hatte ihn über das niedergedrückte Gras den halben Weg bis zur Reihe der seanchanischen Soldaten rollen lassen. Aus Richtung der Bäume ertönte kurzer Lerchengesang, dann noch mehrmals. Die Seanchaner zogen sich zurück. Hatten sie den Wind auch zu spüren bekommen? Egal, es spielte keine Rolle.

»Wir haben nicht einmal annährend so viele Männer, wie Euch bereits zur Verfügung stehen«, gab Perrin zu, »jedenfalls keine ausgebildeten Soldaten, aber ich habe Asha’man und Aes Sedai und Weise Frauen, die die Macht lenken können, und Ihr werdet jede Einzelne davon brauchen.« Sie öffnete den Mund, und er hob eine Hand. »Ich will Euer Wort, dass Ihr nicht versucht, ihnen den Kragen umzulegen.« Er warf einen bezeichnenden Blick in Richtung der Sul’dam und Damane. Die Sul’dam betrachtete Tylee und wartete auf Befehle, gleichzeitig streichelte sie ruhig das Haar der anderen Frau, so wie man eine Katze streichelte, um sie zu beruhigen. Und Norie schien kurz davor zu stehen zu schnurren! Beim Licht! »Euer Wort, dass sie vor Euch sicher sind, sie und jeder im Lager, der ein weißes Gewand trägt. Die meisten von ihnen sind ohnehin keine Shaido, und die einzigen Aiel darunter, die ich kenne, sind Freunde von mir.«

Tylee schüttelte den Kopf. »Ihr habt seltsame Freunde, mein Lord. Wie dem auch sei, wir haben Menschen aus Cairhien und Amadicia bei Banden aus Shaido gefunden und sie gehen lassen, auch wenn die meisten Cairhiener den Eindruck erweckten, zu verwirrt zu sein, um zu wissen, was sie mit sich anstellen sollten. Die Einzigen in Weiß, die wir behalten, sind Aiel. Diese Gai’schain geben wunderbare Da’covale ab, im Gegensatz zu dem Rest. Aber ich bin einverstanden, Eure Freunde gehen zu lassen. Und Eure Aes Sedai und Asha’man. Es ist sehr wichtig, diesem Zulauf ein Ende zu bereiten. Sagt mir, wo sie sind, und ich weihe Euch in meine Pläne ein.«

Perrin rieb sich mit dem Finger den Nasenflügel. Es erschien unwahrscheinlich, dass viele dieser Gai’schain Shaido waren, aber das würde er ihr nicht sagen. Sollten sie ihre Chance auf die Freiheit haben, wenn ihr Jahr und ein Tag vorbei waren. »Ich fürchte, es wird mein Plan sein müssen. Sevanna wird eine harte Nuss zu knacken sein, aber ich weiß, wie man es machen muss. Zum einen hat sie vielleicht hunderttausend Shaido bei sich, und sie nimmt noch immer mehr auf. Nicht jeder ist ein Algai’d’siszvai, aber jeder Erwachsene wird den Speer ergreifen, wenn er muss.«

»Sevanna.« Tylee lächelte erfreut. »Wir haben diesen Namen gehört. Ich würde Sevanna von den Jumai Shaido nur zu gern dem Generalhauptmann übergeben.« Das Lächeln verblasste. »Hunderttausend sind mehr, als ich erwartet habe, aber nicht mehr, als ich schaffen kann. Wir haben schon gegen die Aiel gekämpft, in Amadicia. Nicht wahr, Mishima?«

Mishima ritt zu ihnen zurück und lachte, aber es war ein raues Lachen, ohne jeden Funken von Heiterkeit. »Das haben wir, Bannergeneralin. Es sind wilde Kämpfer, diszipliniert und einfallsreich, aber sie sind in den Griff zu bekommen. Man kreiste eine ihre Banden, ihre Septimen, mit drei oder vier Damane ein und schlägt drauf, bis sie aufgeben. Eine hässliche Arbeit. Sie haben ihre Familien dabei. Aber darum geben sie schneller auf.«

»Ihr habt etwa ein Dutzend Damane, glaube ich«, sagte Perrin, »aber reicht das, um sich drei- oder vierhundert Weisen Frauen zu stellen?«

Die Bannergeneralin runzelte die Stirn. »Ihr habt das schon einmal erwähnt — Weise Frauen, die die Macht lenken. Jede Bande, die wir gefangen haben, hatte ihre Weisen Frauen, aber nicht eine von ihnen war eine Machtlenkerin.«

»Das liegt daran, dass alle, über die die Shaido verfügen, bei Sevanna sind«, erwiderte Perrin. »Mindestens dreihundert von ihnen, vielleicht auch vierhundert. Die Weisen Frauen in meiner Gruppe sind davon überzeugt.«

Tylee und Mishima wechselten einen Blick, und die Bannergeneralin seufzte. Mishima schaute finster drein. »Nun«, sagte sie, »Befehl oder nicht, damit kann man vergessen, das hier ohne Aufsehen zu Ende zu bringen. Die Tochter der Neun Monde wird aufgebracht sein, wenn ich mich deswegen bei der Kaiserin entschuldigen muss, möge sie ewig leben. Vermutlich werde ich das tun müssen.« Die Tochter der Neun Monde? Anscheinend eine hochrangige Seanchanerin. Aber warum sollte sie wegen dieser Sache hier aufgebracht sein?

Mishima verzog das Gesicht, bei all den Narben, die sein Gesicht durchzogen, war das ein furchterregender Anblick.

»Ich habe gelesen, dass es bei Semalaren auf jeder Seite vierhundert Damane gab, und das war ein Gemetzel. Die Hälfte der kaiserlichen Armee auf dem Schlachtfeld tot und bei den Rebellen drei von vieren.«

»Trotzdem, Mishima, wir müssen es tun. Das heißt, jemand anders. Ihr könnt einer Entschuldigung vielleicht entgehen, aber ich nicht.« Was beim Licht war an einer Entschuldigung so schlimm? Die Frau roch… resigniert. »Unglücklicherweise wird es Wochen wenn nicht Monate in Anspruch nehmen, genügend Soldaten und Damane zusammenzuziehen, um diese Beule aufzustechen. Ich danke Euch für Euer Hilfsangebot, mein Lord. Man wird sich daran erinnern.« Tylee streckte das Banner aus. »Ihr werdet das hier zurückhaben wollen, da ich meinen Teil der Vereinbarung nicht einhalten kann, aber hier ist ein Rat für Euch. Das Immer Siegreiche Heer mag noch andere Aufgaben zu erledigen haben, aber wir werden nicht zulassen, dass sich jemand die Situation zunutze macht und zum König ausruft. Wir wollen dieses Land wieder in unseren Besitz nehmen, nicht es in kleine Stücke aufteilen.«

»Und wir wollen unser Land behalten«, sagte Berelain wild und ließ ihre Stute die paar Schritte toten Grases zwischen ihr und den Seanchanern mit einem Satz überwinden. Die Stute wollte springen, wollte laufen, nur fort von dem Wind, und sie hatte Mühe, das Tier zu zügeln. Sogar ihr Geruch war wild. Jetzt war da keine Geduld. Sie roch wie eine Wölfin, die ihren verwundeten Gefährten verteidigte. »Ich habe gehört, dass Euer Immer Siegreiches Heer den falschen Namen trägt. Ich habe gehört, dass Euch der Wiedergeborene Drache im Süden ordentlich besiegt hat. Glaubt ja nicht, dass Perrin Aybara nicht das Gleiche tun könnte.« Beim Licht, und er hatte sich Sorgen wegen Arams Hitzköpfigkeit gemacht!

»Ich will niemanden außer den Shaido besiegen«, sagte Perrin fest und wehrte das Bild ab, das sich in seinem Kopf formen wollte. Er legte die gefalteten Hände auf den Sattelknauf. Traber schien sich endlich zu beruhigen. Der Hengst zitterte immer noch dann und wann, aber er hatte aufgehört, mit den Augen zu rollen. »Es gibt eine Möglichkeit, das zu tun und kein Aufsehen zu erregen, sodass Ihr Euch nicht zu entschuldigen braucht.« Wenn das für sie wichtig war, war er bereit, es zu benutzen. »Die Tochter der Neun Monde kann beruhigt sein. Ich habe Euch gesagt, dass ich alles geplant habe. Tallanvor hat mir erzählt, dass Ihr irgendeinen Tee habt, der einer Machtlenkerin weiche Knie macht.«

Nach einem Moment legte Tylee das Banner wieder auf ihren Sattel und musterte ihn. »Einen Mann oder eine Frau«, sagte sie schließlich. »Ich habe von mehreren Männern gehört, die auf diese Weise gefangen wurden. Aber wie wollt Ihr ihn vierhundert Frauen verabreichen, wenn sie von hunderttausend Aiel umgeben sind?«

»Indem man ihn ihnen gibt, ohne sie wissen zu lassen, dass sie ihn trinken. Ich werde allerdings so viel brauchen, wie ich kriegen kann. Vermutlich Wagenladungen. Es gibt keine Möglichkeit, das Wasser zu erhitzen, müsst Ihr wissen, also muss es dünner Tee sein.«

Tylee lachte leise. »Ein verwegener Plan, mein Lord. Ich vermute, sie haben Wagenladungen in der Manufaktur, wo der Tee hergestellt wird, aber das ist weit weg von hier, fast an der Grenze zu Tarabon, und ich könnte mehr als ein paar Pfund nur dann bekommen, wenn ich jemandem von höherem Rang erkläre, warum ich ihn haben will. Und dann hätte es sich wieder damit erledigt, kein Aufsehen zu erregen.«

»Die Asha'man können eine Sache, die man Reisen nennt«, sagte Perrin, »eine Methode, Hunderte von Meilen mit einem Schritt zu überbrücken. Und was das angeht, den Tee zu bekommen, vielleicht hilft das hier.« Er zog ein fleckiges Stück Papier aus dem linken Panzerhandschuh.

Tylee hob die Brauen, als sie es las. Perrin kannte den kurzen Text auswendig. DER BESITZER DIESES SCHREIBENS STEHT UNTER MEINEM PERSÖNLICHEN SCHUTZ. GEBT IHM IM NAMEN DER KAISERIN — MÖGE SIE EWIG LEBEN — ALLES, WAS ER BRAUCHT, UM DEM REICH ZU DIENEN, UND SPRECHT ZU NIEMANDEM AUSSER MIR DARÜBER. Er hatte keine Ahnung, wer Suroth Sabelle Meldarath war, aber wenn sie ihren Namen unter so ein Schriftstück setzte, musste sie wichtig sein. Vielleicht war sie die Tochter der Neun Monde.

Die Bannergeneralin reicht Mishima das Blatt und starrte Perrin an. Der scharfe, harte Geruch war wieder da, stärker als je zuvor. »Aes Sedai, Asha'man, Aiel, Eure Augen, der Hammer, jetzt das! Wer seid Ihr?«

Mishima stieß einen Pfiff aus. »Suroth höchstpersönlich«, murmelte er.

»Ich bin ein Mann, der seine Frau zurückhaben will«, sagte Perrin, »und ich würde einen Pakt mit dem Dunklen König abschließen, um das zu erreichen.« Er mied den Blick auf die Sul'dam und ihre Damane. Er war nicht weit davon entfernt, einen Pakt mit dem Dunklen König einzugehen.

»Sind wir uns einig?«

Tylee schaute auf seine ausgestreckte Hand, dann ergriff sie sie. Sie hatte einen festen Griff. Ein Pakt mit dem Dunklen König. Er würde tun, was immer auch nötig war, um Faile zu befreien.

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