»Bis vor Kurzem.« Daidre wählte den Moment, da sie allein mit Thomas Lynley war. Sergeant Collins war in der Küche verschwunden, um sich die nächste Tasse Tee zu kochen. Vier hatte er bereits in sich hineingeschüttet. Daidre hoffte, er hatte nicht die Absicht, in dieser Nacht zu schlafen, denn wenn ihre Nase sie nicht trog, hatte er sich von ihrem besten Russian Caravan Tea bedient.
Thomas Lynley regte sich. Er hatte am Kamin gesessen und ins Feuer gestarrt, nicht mit ausgestreckten Beinen, wie man es bei einem Mann erwarten würde, der die Wärme genoss, sondern die Ellbogen auf den Knien, mit kraftlos herabhängenden Händen. »Wie bitte?«, fragte er.
»Als er gefragt hat, haben Sie gesagt: bis vor Kurzem. Er fragte: New Scotland Yard? Und Sie haben geantwortet: bis vor Kurzem.«
»Ja«, erwiderte Lynley. »Bis vor Kurzem.«
»Haben Sie Ihren Job gekündigt? Sind Sie deswegen in Cornwall?«
Er schaute sie an. Wieder sah sie in seinen Augen die Verletztheit, die sie zuvor schon bemerkt hatte. Er sagte: »Ich weiß es nicht so recht. Vermutlich habe ich das, ja. Gekündigt, meine ich.«
»Was haben Sie… Wenn die Frage Sie nicht stört: Was haben Sie für einen Job gemacht bei der Polizei?«
»Einen einigermaßen guten, glaube ich.«
»Tut mir leid, ich meinte… Es gibt da doch die verschiedensten Abteilungen. Spezialeinheiten, Personenschutz für die Royals, Sitte, Streife…«
»Mordkommission«, erwiderte er.
»Sie haben in Mordfällen ermittelt?«
»Ja. Genau das habe ich getan.« Er blickte wieder ins Feuer.
»Das muss… schwierig gewesen sein. Deprimierend.«
»Die Unmenschlichkeit der Menschen zu erleben? Ja, das war es.«
»Haben Sie deshalb gekündigt? Entschuldigen Sie. Ich bin zu neugierig. Aber… War es so, dass Sie zu viel mit sich herumtragen mussten?«
Er antwortete nicht.
Die Haustür öffnete sich mit einem Poltern, und Daidre fühlte den eisigen Wind hereinwehen. Collins kam mit der Teetasse in der Hand aus der Küche, als Detective Inspector Hannaford zu ihnen trat. Sie trug einen weißen Overall über dem Arm, den sie Lynley entgegenstreckte. »Hose, Stiefel und Jacke«, sagte sie in unmissverständlichem Befehlston. Und zu Daidre: »Wo sind Ihre Sachen?«
Daidre wies auf die Plastiktüte, in die sie ihre Oberbekleidung gestopft hatte, nachdem sie sich umgezogen hatte und in Jeans und einen gelben Pulli geschlüpft war. »Aber er hat keine anderen Schuhe dabei«, sagte sie.
»Ist schon in Ordnung«, versicherte Lynley.
»Das ist es nicht. Sie können doch nicht ohne…«
»Ich werde mir neue besorgen.«
»So bald wird er sie ohnehin nicht brauchen«, warf Hannaford ein. »Wo kann er sich umziehen?«
»In meinem Schlafzimmer. Oder im Bad.«
»Dann kümmern Sie sich darum.«
Lynley hatte sich bereits erhoben, als die Beamtin hereingekommen war. Es schien weniger damit zu tun zu haben, dass er wusste, weswegen sie gekommen war, sondern vielmehr mit guten Manieren. Detective Hannaford war eine Frau, und man stand auf, wenn eine Frau den Raum betrat.
»Ist das KTU-Team schon da?«, fragte Lynley nun.
»Und der Pathologe. Wir haben auch ein Foto des toten Jungen. Sein Name ist Alexander Kerne. Er wohnte in Casvelyn. Kannten Sie ihn?«
Die Frage war an Daidre gerichtet. Sergeant Collins drückte sich in der Küchentür herum, als wäre er nicht ganz sicher, ob er während der Dienstzeit Tee trinken dürfe.
»Kerne? Der Name kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Ich glaube nicht, dass ich ihn kannte«, antwortete Daidre.
»Sie haben hier unten einen großen Bekanntenkreis, ja?«
»Wie meinen Sie das?« Daidre hatte die Fingernägel in die Handflächen gebohrt und kämpfte dagegen an. Sie wusste, die Polizistin versuchte, sie aus der Reserve zu locken.
»Sie sagen, Sie glauben nicht, dass Sie ihn kannten. Das ist eine seltsame Art, es auszudrücken. Mir scheint, entweder man kennt jemanden oder nicht. Gehen Sie sich jetzt umziehen?« Die Frage galt Lynley, ein plötzlicher Richtungswechsel, der einen ebenso aus der Fassung bringen konnte wie ihr steter, forschender Blick.
Er sah kurz zu Daidre und wandte dann den Blick ab. »Ja, sicher«, sagte er und trat mit eingezogenem Kopf durch den Türbogen, der das Wohnzimmer mit einem schmalen Flur verband. Am anderen Ende lagen ein winziges Bad und ein Schlafzimmer, das gerade groß genug war für ein Bett und einen Kleiderschrank. Das Cottage war klein und sicher und behaglich. Es war genau so, wie Daidre es wollte.
Sie antwortete der Polizistin: »Ich glaube, man kann jemanden vom Sehen kennen, vielleicht sogar eine Unterhaltung mit ihm führen, ohne je seinen Namen zu erfahren. Oder seine Adresse, Lebensumckstände oder was auch immer. Ich nehme an, Ihr Sergeant hier könnte das Gleiche sagen, und er stammt aus dieser Gegend.«
Collins fand sich mit der Teetasse auf halbem Weg zum Mund erwischt. Er hob die Schultern. Es war unmöglich zu sagen, ob die Geste Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken sollte.
»Das stelle ich mir aber anstrengend vor«, bemerkte Hannaford.
»Ich habe festgestellt, dass die Anstrengung sich lohnt«, gab Daidre zurück.
»Sie kannten Alexander Kerne also vom Sehen?«
»Möglicherweise. Aber wie bereits gesagt, wie ich schon Ihrem anderen Kollegen und Sergeant Collins hier und auch Ihnen erklärt habe, konnte ich den Toten nicht gut sehen.«
In diesem Moment kam Thomas Lynley zurück und rettete Daidre vor weiteren Fragen und DI Hannafords durchdringendem Blick. Er reichte der Polizistin die erbetenen Kleidungsstücke. Das sei doch absurd, fand Daidre. Er werde sich den Tod holen, wenn er so herumlaufe. Keine Jacke, keine Schuhe und nur ein dünner weißer Overall, wie Kriminaltechniker sie am Tatort trugen, um sicherzustellen, dass sie selbst dort keine Spuren hinterließen. Es war einfach lächerlich.
DI Hannaford sagte zu ihm: »Ich will Ihren Ausweis sehen, Mr. Lynley. Das ist eine Formalität, und es tut mir leid, aber es führt kein Weg daran vorbei. Können Sie ihn besorgen?«
Er nickte. »Ich muss telefonieren…«
»Gut. Lassen Sie ihn herschicken. In den nächsten Tagen müssen Sie ohnehin hierbleiben. Es sieht zwar aus wie ein Unfall, aber ehe wir nicht sicher sind… Na ja, ich nehme an, Sie kennen die Vorschriften. Ich will, dass Sie sich irgendwo aufhalten, wo ich Sie finden kann.«
»Ja.«
»Sie brauchen etwas zum Anziehen.«
»Ja.« Er klang, als wäre es ihm gleichgültig. Er war wie ein Blatt im Wind, nicht Fleisch und Knochen und Entschlusskraft, sondern geradezu immateriell, ausgedörrt und hilflos den Gewalten der Natur ausgesetzt.
Detective Hannaford sah sich im Wohnzimmer des Cottages um, so als suchte sie sowohl nach passenden Kleidungsstücken als auch nach einer Unterbringungsmöglichkeit für ihn. Daidre sagte hastig: »Er kann in Casvelyn einkaufen. Allerdings nicht mehr heute Abend. Die Geschäfte haben schon zu. Aber morgen. Dort kann er auch wohnen. Oder im Salthouse Inn. Da gibt es einen kleinen Hotelbetrieb. Nicht viele Zimmer. Nichts Besonderes. Aber sie sind in Ordnung. Und es ist näher als Casvelyn.«
»Gut«, befand Hannaford, und zu Lynley: »Ich will, dass Sie in das Hotel ziehen. Ich werde sicher noch Fragen an Sie haben. Sergeant Collins kann Sie hinfahren.«
»Ich fahre ihn«, entgegnete Daidre. »Ich nehme doch an, Sie brauchen hier jedes verfügbare Paar Hände. Für das, was immer Sie vor Ort tun müssen, wenn jemand stirbt. Ich weiß, wo das Salthouse Inn ist, und wenn dort keine Zimmer frei sind, bringe ich ihn nach Casvelyn.«
»Bitte machen Sie sich keine Umstände…«, begann Lynley.
»Es sind keine Umstände«, versicherte Daidre. Ihr Anliegen war vor allem, Sergeant Collins und Detective Inspector Hannaford aus ihrem Haus zu befördern, und das ließ sich nur bewerkstelligen, indem sie selbst das Haus verließ.
Nach einem kurzen Zögern stimmte Hannaford zu: »In Ordnung.« Sie reichte Lynley ihre Karte. »Rufen Sie mich an, wenn Sie Ihr Zimmer bezogen haben. Ich will wissen, wo ich Sie finden kann, und ich komme vorbei, sobald hier alles geregelt ist. Das kann allerdings ein Weilchen dauern.«
»Ich weiß«, antwortete er.
»Ja. Natürlich wissen Sie das.« Mit einem Nicken wandte sie sich ab und nahm die Tüten mit, in denen die Kleidungsstücke verstaut waren. Sergeant Collins folgte ihr. Polizeifahrzeuge versperrten den Weg zu Daidres Vauxhall. Sie mussten umgeparkt werden, ehe Daidre Thomas Lynley zum Salthouse Inn fahren konnte.
Nachdem die Polizeibeamten hinausgegangen waren, senkte sich Stille auf das Cottage herab. Daidre fühlte Thomas Lynleys Blick auf sich, aber sie hatte genug davon, sondiert zu werden. Sie ging in die kleine Diele und sagte über die Schulter hinweg: »Sie können nicht auf Socken da raus. Ich habe hier Gummistiefel.«
»Ich bezweifle, dass sie passen. Es ist aber wirklich kein Problem. Ich ziehe fürs Erste einfach die Socken aus. Und wieder an, wenn ich ins Hotel komme.«
Sie hielt inne. »Das ist eine vernünftige Idee. Das wäre mir nicht eingefallen. Wenn Sie so weit sind, können wir von mir aus fahren. Es sei denn, Sie möchten irgendetwas…? Ein Sandwich? Suppe? Brian hat auch eine Küche im Salthouse Inn, aber wenn Sie lieber nicht im Schankraum essen möchten…« Sie verspürte wenig Lust, dem Mann ein Essen zu kochen, aber es erschien ihr richtig, es zumindest anzubieten. Irgendwie steckten sie zusammen in dieser Geschichte, vielleicht weil sie beide verdächtigt wurden. So kam es ihr zumindest vor, denn sie hatte Geheimnisse und er ganz offensichtlich ebenfalls.
»Ich nehme an, ich kann mir dort etwas aufs Zimmer kommen lassen«, erwiderte Lynley. »Vorausgesetzt, dass überhaupt eines frei ist.«
»Dann lassen Sie uns fahren«, schlug Daidre vor.
Dieses Mal fuhren sie langsamer zum Salthouse Inn. Es gab keinen Anlass zur Eile. Unterwegs kamen ihnen zwei weitere Streifenwagen und ein Rettungsfahrzeug entgegen. Sie sprachen nicht, und als Daidre zu ihrem Beifahrer hinüberschaute, stellte sie fest, dass seine Augen geschlossen waren und die Hände entspannt auf den Oberschenkeln lagen. Es sah aus, als schlafe er, und vermutlich war es so. Er hatte erschöpft gewirkt. Sie fragte sich, wie lange er schon auf Wanderschaft war.
Als sie auf dem Parkplatz des Gasthofs anhielt, rührte Lynley sich nicht. Sie tippte ihm sacht an die Schulter.
Er öffnete die Augen und blinzelte benommen, als müsse er sich aus einem Traum befreien, um den Kopf klar zu bekommen. Er sagte: »Danke. Es war sehr freundlich…«
»Ich wollte Sie nicht in den Klauen der Polizei lassen«, unterbrach sie ihn. Und dann fügte sie hinzu: »Tut mir leid. Ich habe vergessen, dass Sie dazugehören.«
»In gewisser Weise.«
»Nun, wie auch immer… Ich dachte, Sie hätten vielleicht gern eine Pause von ihnen. Obwohl, nach dem, was sie gesagt hat, die Beamtin, werden Sie wohl nicht lange Ihre Ruhe haben.«
»Nein. Sie wollen heute Abend noch ausführlich mit mir reden. Die erste Person am Tatort ist immer verdächtig. Sie wollen so viele Informationen wie möglich zusammentragen, und das so schnell wie möglich. So wird es nun einmal gemacht.«
Sie schwiegen einen Moment. Eine Windbö, die stärkste bislang, traf den Wagen und rüttelte daran. Sie bewog Daidre, wieder zu sprechen: »Also, ich hole Sie morgen ab.« Sie machte diesen Vorschlag, ohne wirklich zu überdenken, welche Folgen sich daraus ergeben mochten, was es bedeuten und wie es aussehen könnte. Das sah ihr nicht ähnlich, und sie schärfte sich ein, sich zusammenzureißen. Aber nun waren die Worte einmal heraus, und sie tat nichts, um sie zurückzunehmen. »Sie müssen doch nach Casvelyn, um einzukaufen, meine ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie länger als nötig in diesem Overall herumlaufen wollen. Außerdem brauchen Sie Schuhe und so weiter. Casvelyn ist die nächste Einkaufsmöglichkeit.«
»Das ist sehr nett von Ihnen«, versicherte Lynley. »Aber ich will Ihnen keine Mühe machen.«
»Das sagten Sie bereits. Aber weder ist es besonders nett von mir, noch macht es mir Mühe. Es ist seltsam, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir zusammen in dieser Geschichte stecken, was immer diese Geschichte sein mag.«
»Ich habe Ihnen ein Problem aufgebürdet«, hielt er dagegen. »Mehr als eines. Das Fenster im Cottage. Jetzt die Polizei. Und das tut mir leid.«
»Was hätten Sie denn sonst tun sollen? Sie hätten ja schlecht einfach weitergehen können, nachdem Sie ihn gefunden hatten.«
»Nein. Ich hätte nicht weitergehen können.«
Er saß einen Moment reglos da. Es sah aus, als beobachtete er das Spiel, das der Wind mit dem Türschild trieb.
»Kann ich Sie etwas fragen?«, erkundigte er sich schließlich.
»Sicher«, antwortete sie.
»Warum haben Sie gelogen?«
Ein unerwartetes Summen erhob sich in ihren Ohren. Sie wiederholte das letzte Wort, als hätte sie ihn nicht verstanden; dabei hatte sie ihn nur allzu gut gehört.
»Als wir vorhin hier waren, haben Sie dem Wirt gesagt, der Junge in der Bucht sei Santo Kerne. Sie kannten seinen Namen: Santo Kerne. Aber als die Polizistin Sie gefragt hat…« Er vollführte eine Geste, die zu sagen schien: Den Rest kennen Sie ja.
Die Frage rief Daidre die Tatsache in Erinnerung, dass dieser Mann so ungepflegt und schmutzig er auch war selbst zur Polizei gehörte, obendrein ein Detective war. Von jetzt an musste sie extrem vorsichtig sein.
»Habe ich das gesagt?«, fragte sie.
»Allerdings. Leise, aber nicht leise genug. Und dann haben Sie Detective Inspector Hannaford mindestens zweimal versichert, Sie hätten den Jungen nicht erkannt. Als sie seinen Namen sagte, haben Sie behauptet, ihn ebenfalls nicht zu kennen. Ich frage mich, wieso.«
Er schaute sie an, und auf einmal bereute sie ihr Angebot, ihn am nächsten Morgen zum Einkaufen nach Casvelyn zu fahren. Er war mehr als die Summe seiner Teile, und das hatte sie nicht rechtzeitig gemerkt. Sie sagte: »Ich bin hergekommen, um ein paar Tage Urlaub zu machen. In dem Moment, als ich der Polizistin geantwortet habe, schien es mir der beste Weg, um zu gewährleisten, dass ich auch wirklich Urlaub habe. Eine Auszeit.«
Er erwiderte nichts.
Sie fügte hinzu: »Danke, dass Sie mich nicht verraten haben. Natürlich kann ich Sie nicht daran hindern, das nachzuholen, wenn Sie später noch einmal mit der Polizei reden. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie berücksichtigen… Es gibt Dinge, die die Polizei nicht über mich wissen muss. Das ist alles, Mr. Lynley.«
Er sagte immer noch nichts. Aber er wandte den Blick nicht von ihr ab, und sie spürte die Hitze über den Hals bis in die Wangen aufsteigen.
Die Tür der Gaststätte öffnete sich mit einem Poltern. Ein Mann und eine Frau torkelten in den Wind hinaus. Die Frau knickte um, und der Mann legte ihr einen Arm um die Taille und küsste sie. Sie stieß ihn weg. Es war eine spielerische Geste. Er fing sie wieder ein, und zusammen kämpften sie sich auf eine Reihe geparkter Autos zu.
Daidre beobachtete das Paar, während Lynley die Augen auf sie gerichtet hielt. Schließlich sagte sie: »Ich hole Sie um zehn ab. Passt Ihnen das, Mr. Lynley?«
Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Daidre kam in den Sinn, dass er ein guter Polizist sein musste.
»Thomas«, sagte er schließlich. »Bitte nennen Sie mich Thomas.«
Es war wie in einem alten Western, dachte Lynley. Als er die Gaststube des kleinen Hotels betrat, wo die Stammgäste beieinandersaßen, wurde es mucksmäuschenstill. Dies hier war ein Teil der Welt, in dem man so lange als Fremder galt, bis man sich hier dauerhaft niederließ, und als Zugezogener, bis die Familie über mindestens zwei Generationen hier gelebt hatte. Also ordneten sie ihn als Fremden ein. Doch er war mehr als nur das: Er war ein Fremder in einem weißen Overall mit nichts als Socken an den Füßen. Kein Mantel schützte ihn vor Kälte, Wind und Regen, und wenn das immer noch nicht ausreichte, um ihn als sonderbar zu etikettieren, so hatte überdies seit Menschengedenken niemand außer einer Braut dieses Etablissement von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet betreten.
Die Decke hing keine dreißig Zentimeter über Lynleys Kopf und war vom Ruß des Feuers und von Zigarettenqualm verschmutzt. Die schwarzen Eichenbalken waren mit Messingplaketten verziert. Die Wände zeigten eine Auswahl alter Landwirtschaftsgeräte, vornehmlich Sensen und Heugabeln, und Steinfliesen bedeckten den Boden. Letztere waren uneben, pockennarbig, geriffelt und verschrammt. Die Schwellen bestanden aus dem gleichen Material und wiesen Vertiefungen auf, wo die Laufspuren der Jahrhunderte sich eingegraben hatten. Die Gaststube selbst war klein und in zwei Bereiche unterteilt, von denen jeder mit einem Kamin ausgestattet war, einer groß, einer klein, und beide Feuerstellen schienen eher dazu zu dienen, die Luft zu verpesten, als den Raum zu heizen. Dafür sorgte die Körperwärme der zahlreichen Gäste.
Als er früher am Tag zum ersten Mal im Salthouse Inn gewesen war, hatten nur einige wenige Nachmittagstrinker die Bar bevölkert. Inzwischen waren die Abendgäste in Scharen erschienen, und Lynley musste sich durch die Reihen und ihr Schweigen zum Tresen vorkämpfen. Er wusste, es war mehr als nur seine äußere Erscheinung, die ihn interessant machte. Zum Beispiel sein Geruch: seit sieben Wochen von Kopf bis Fuß ungewaschen. Unrasiert und ungeschoren überdies.
Der Wirt den Daidre Trahair Brian genannt hatte, wie er sich entsann, erinnerte sich offenbar an seinen früheren Besuch, denn er fragte in die Stille hinein: »War's Santo Kerne da draußen auf den Klippen?«
»Ich fürchte, ich weiß nicht, um wen es sich handelt. Aber es war ein junger Mann. Ein Teenager. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.«
Ein Raunen erhob sich und verebbte wieder. Lynley hörte mehrfach den Namen Santo. Er warf einen Blick über die Schulter. Dutzende Augenpaare jung, alt und irgendwo dazwischen waren auf ihn gerichtet.
Er fragte Brian: »Dieser Junge, Santo, ist er bekannt in der Gegend?«
»Er lebt hier«, lautete die wenig hilfreiche Antwort. Das war offenbar alles, was Brian einem Fremden zu eröffnen bereit war. »Wollen Sie etwas trinken?«, erkundigte er sich.
Als Lynley stattdessen um ein Zimmer bat, stellte er fest, dass Brian ausgesprochen zögerlich war, dem Wunsch nachzukommen. Lynley deutete dies vermutlich zu Recht als Unwillen, eine heruntergekommene Gestalt wie ihn in Kontakt mit den Laken und Kissen des Hotels kommen zu lassen. Gott allein mochte wissen, welches Ungeziefer er da anschleppte. Doch der Unterhaltungswert, den er als fremdes Gesicht im Salthouse Inn hatte, sprach für ihn. Seine Erscheinung stand in völligem Widerspruch zu seinem Akzent und seiner Wortwahl, und das verlieh ihm eine unwiderstehliche Faszination, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass er den Toten gefunden hatte, der vermutlich vor seinem Eintreten das Gesprächsthema der Gäste gewesen war.
»Nur ein kleines Zimmer«, antwortete der Wirt. »Aber das sind sie alle. Klein. Als das Haus gebaut wurde, waren die Menschen noch nicht so anspruchsvoll.«
Lynley versicherte, dass die Größe belanglos und er für alles dankbar sei, ganz gleich was das Hotel ihm zu bieten habe. Er wisse nicht, wie lange er das Zimmer benötigen werde, fügte er hinzu. Anscheinend bestehe die Polizei darauf, dass er hierbleibe, bis die Angelegenheit mit dem jungen Mann in der Bucht entschieden sei.
Wieder erhob sich Gemurmel. Es war das Wort "entschieden" und alles, was es implizierte.
Brian schob mit der Schuhspitze eine Tür am hinteren Ende des Tresens auf und sprach ein paar Worte in den angrenzenden Raum. Daraufhin kam eine Frau mittleren Alters heraus — die Köchin, nach der fleckigen weißen Schürze zu urteilen, die sie hastig abnahm. Darunter trug sie einen schwarzen Rock und eine weiße Bluse. Und bequeme Schuhe.
Sie werde ihn nach oben zu seinem Zimmer bringen, sagte sie. Sie verhielt sich geschäftsmäßig, so als fände sie nichts Merkwürdiges an ihm. Das Zimmer liege über dem Restaurant, nicht über der Bar, fuhr sie fort; er werde also seine Ruhe haben. Man könne dort gut schlafen.
Sie wartete keine Antwort ab. Seine Meinung interessierte sie nicht. Seine Anwesenheit bedeutete Kundschaft, und die war vor dem späten Frühling und Sommer schwer zu finden. Man musste nehmen, was man kriegen konnte, ohne Fragen zu stellen.
Sie ging auf eine weitere Tür am anderen Ende der Gaststube zu. Diese führte auf einen eisigen Flur. Das Restaurant menschenleer lag auf der anderen Seite dieses Korridors. Eine Treppe am Ende, die etwa so breit war wie ein Koffer, führte ins Obergeschoss. Kaum vorstellbar, wie jemals Möbel nach oben geschafft worden waren.
Es gab nur drei Zimmer im ersten Stock, und Lynley hatte die freie Auswahl, auch wenn seine Begleiterin, die sich als Siobhan Rourke und Brians langjährige und anscheinend leidgeprüfte Partnerin vorstellte, das kleinste empfahl, denn es sei dasjenige über dem Restaurant, von dem sie gesprochen habe. Für sämtliche Zimmer gebe es nur ein Gemeinschaftsbad, teilte sie ihm mit, aber das sei nicht weiter relevant, da derzeit keine anderen Gäste hier seien.
Lynley war es gleichgültig, welches Zimmer er bekam, also wies er auf das erste, und Siobhan öffnete die Tür. Es sei vollkommen ausreichend, versicherte er ihr. Das Zimmer passte zu ihm: Es war nicht wesentlich größer als eine Gefängniszelle, möbliert mit einem Einzelbett, einem Schrank und einer Frisierkommode unter einem winzigen Flügelfenster mit Bleiverglasung. Die einzigen Zugeständnisse an moderne Zeiten waren ein Waschbecken in der Ecke und ein Telefon auf der Kommode. Letzteres wirkte beinah schon wie ein störender Anachronismus in diesem Kämmerchen, das vor zweihundert Jahren eine Dienstmagd beherbergt haben mochte.
Nur in der Zimmermitte konnte Lynley wirklich aufrecht stehen. Als Siobhan das auffiel, bemerkte sie: »Damals waren die Leute kleiner. Vielleicht ist das hier doch nicht so ganz das Richtige, Mr.…«
»Lynley«, antwortete er. »Das Zimmer ist vollkommen in Ordnung. Funktioniert das Telefon?«
»Aber selbstverständlich. Kann ich Ihnen irgendetwas bringen? Handtücher sind im Schrank, Seife und Shampoo im Bad.« Der letzte Satz klang, als wolle sie ihn ermutigen, davon Gebrauch zu machen. »Und wenn Sie etwas essen möchten, lässt sich das auch einrichten. Hier oben. Oder natürlich auch unten im Restaurant, wenn Sie das wünschen«, fügte sie noch hastig hinzu, doch es war offensichtlich, was sie meinte: Je seltener er sich unten blicken ließe, umso glücklicher wären der Wirt und die Wirtin.
Er wiegelte ab, er sei nicht hungrig, was auch mehr oder minder der Wahrheit entsprach. Daraufhin verabschiedete sie sich.
Als die Tür sich geschlossen hatte, schaute er auf das Bett hinab. Es war fast zwei Monate her, seit er zuletzt in einem gelegen hatte, auch wenn er darin nicht gerade viel Schlaf gefunden hatte. Wenn er schlief, träumte er, und ihm graute vor seinen Träumen. Nicht weil sie so erschütternd waren, sondern weil sie irgendwann ein Ende nahmen. Er hatte festgestellt, dass es erträglicher war, überhaupt nicht zu schlafen.
Weil es keinen Sinn hatte, es vor sich herzuschieben, griff er zum Telefon und tippte die Nummer ein. Er hoffte, dass niemand zu Hause sein und der Anrufbeantworter sich einschalten würde, sodass er eine kurze Nachricht hinterlassen konnte. Doch nach dem fünften Läuten hörte er ihre Stimme. Ihm blieb nichts anderes übrig als zu sprechen.
»Mutter. Hallo.«
Zuerst herrschte Stille am anderen Ende, und er wusste genau, was sie tat: Sie stand am Telefon im Salon oder vielleicht in ihrem Morgenzimmer oder wo auch immer in dem riesigen herrschaftlichen Haus, welches sein Geburtsrecht und mehr noch sein Fluch war, hob eine Hand an die Lippen und sah denjenigen an, der sich mit ihr im Raum befand: wahrscheinlich sein jüngerer Bruder oder vielleicht der Gutsverwalter oder womöglich gar seine Schwester, falls sie entgegen aller Wahrscheinlichkeit noch nicht nach Yorkshire zurückgekehrt war. Und ihre Augen die Augen seiner Mutter verkündeten die Nachricht, noch ehe sie seinen Namen aussprach. Es ist Tommy! Er hat angerufen! Gott sei Dank, er lebt.
»Liebling. Wo bist du? Wie geht es dir?«
Er erwiderte: »Ich bin da in etwas hineingeraten… oben in Casvelyn.«
»Mein Gott, Tommy! Bist du so weit gelaufen? Weißt du eigentlich, wie…« Dann unterbrach sie sich. Was sie hatte fragen wollen, war, ob er wüsste, wie besorgt sie gewesen seien. Aber sie liebte ihn, und darum wollte sie ihm keine weitere Bürde auferlegen.
Weil er sie ebenso liebte, antwortete er trotzdem. »Ich weiß. Wirklich. Bitte versteh das. Es ist einfach so, dass ich unfähig scheine, meinen Weg zu finden.«
Sie wusste natürlich, dass er nicht von mangelndem Orientierungssinn sprach. »Mein Junge, wenn ich irgendetwas tun könnte, um dir das abzunehmen…«
Er konnte die Wärme in ihrer Stimme, ihr unerschöpfliches Mitgefühl kaum ertragen, vor allem da sie selbst im Laufe der Jahre so viele Tragödien hatte erdulden müssen. »Tja…« Er räusperte sich.
»Alle möglichen Leute haben angerufen«, erzählte sie. »Ich habe eine Liste erstellt. Und sie hören nicht auf anzurufen, wie man es doch erwarten würde. Du weißt, was ich meine: Ein Anruf, und damit ist die Pflicht getan. So war es nicht. So viele Menschen sind in Sorge um dich. Du wirst so geliebt, mein Junge.«
Er wollte das nicht hören, und das musste er ihr begreiflich machen. Es war nicht so, dass er die Anteilnahme seiner Freunde und Bekannten nicht zu schätzen wüsste. Nur rührte diese Anteilnahme und schlimmer noch: der Ausdruck dieser Anteilnahme an eine Stelle in seinem Innern, die bereits so wund war, dass jede weitere Bekundung an Folter grenzte. Deswegen hatte er sein Zuhause verlassen, denn im März war der Küstenpfad menschenleer, und auch im April waren dort nur wenige unterwegs, und selbst wenn er jemandem begegnete, so wusste dieser Mensch doch nichts von ihm oder davon, was er tat, warum er Tag für Tag weiterlief oder was ihn zu dieser Entscheidung getrieben hatte.
»Mutter…«
Wie immer hörte sie aus seiner Stimme alles heraus. »Mein Liebling, es tut mir leid. Reden wir nicht mehr davon.« Ihr Tonfall veränderte sich, wurde geschäftsmäßiger, und dafür war er dankbar. »Was ist passiert?«, fragte sie. »Du bist doch unversehrt, oder? Nicht verletzt?«
Nein, er sei nicht verletzt, versicherte er, aber er habe jemanden gefunden, der einen Unfall erlitten hatte. Er sei anscheinend der Erste am Unfallort gewesen. Das Opfer sei ein Junge. Er sei von einer Klippe zu Tode gestürzt. Jetzt ermittele die Polizei. Und er habe alles zu Hause gelassen, womit er sich ausweisen könne. »Würdest du mir bitte meine Brieftasche schicken? Es ist eine reine Formsache, nehme ich an. Sie untersuchen die näheren Umstände. Es sieht aus wie ein Unfall, aber ehe das nicht sicher ist, will die Polizei natürlich nicht, dass ich weiterziehe. Und ich muss beweisen, dass ich derjenige bin, für den ich mich ausgebe.«
»Wissen sie, dass du Polizist bist, Tommy?«
»Einer weiß offenbar davon. Ich habe ihnen lediglich meinen Namen gesagt.«
»Nichts sonst?«
»Nein.« Es hätte die ganze Geschichte in ein viktorianisches Melodrama verwandelt: Mein guter Mann oder in diesem Fall Frau, wissen Sie eigentlich, wen Sie hier vor sich haben? Er hätte seinen Rang genannt, und wenn das nicht ausgereicht hätte, um Eindruck zu schinden, seinen Titel. Und der hätte gewiss alle strammstehen lassen, wenn auch sonst nichts dabei herausgekommen wäre. Allerdings schien Detective Inspector Hannaford nicht unbedingt der Typ zum Strammstehen zu sein.
»Sie sind nicht gewillt, mir einfach zu glauben, was ich sage, und das kann man ihnen wohl kaum verübeln. Ich würde mir auch nicht glauben. Schickst du mir bitte meine Brieftasche?«
»Natürlich. Sofort. Soll Peter morgen früh damit zu dir fahren?«
Er glaubte nicht, dass er die ängstliche Besorgnis seines Bruders würde ertragen können. »Aber nein, es ist nicht nötig, dass er sich die Mühe macht«, versicherte er. »Schick sie einfach mit der Post.«
Er nannte ihr die Adresse, und sie fragte, wie es typisch für sie war, ob das Hotel wenigstens ansprechend sei, das Zimmer behaglich und das Bett lang genug. Er sagte, es sei alles in Ordnung. Und er freue sich auf ein Bad.
Das beruhigte seine Mutter ein wenig, auch wenn es sie nicht gänzlich zufriedenstellte, bewies der Wunsch nach einem Bad vielleicht auch nicht unbedingt den Entschluss weiterzuleben, so doch zumindest seine Bereitschaft, sich noch ein Weilchen länger mit dem Leben herumzuplagen. Das genügte ihr fürs Erste. Sie verabschiedete sich, nachdem sie ihm aufgetragen hatte, sich ein langes, gemütliches Bad zu gönnen, und seine Versicherung gehört hatte, dass genau dies seine Absicht sei.
Er stellte das Telefon zurück auf die Kommode. Dann wandte er sich um, und weil ihm nichts anderes übrig blieb, nahm er das Zimmer in Augenschein: das Bett, das winzige Waschbecken in der Ecke. Er musste feststellen, dass seine Schutzwälle eingerissen waren. Das Telefonat mit seiner Mutter hatte dazu geführt und plötzlich hörte er ihre Stimme. Nicht die seiner Mutter, sondern Helens. Nun, es ist ein wenig… monastisch, Tommy, findest du nicht? Ich fühle mich schon wie eine Nonne: entschlossen, keusch zu bleiben, aber der unwiderstehlichen Versuchung ausgesetzt, sehr, sehr unartig zu sein…
Er hörte sie so deutlich. Diese unverwechselbare Helen-Eigenart. Den Unfug, der ihn von sich selbst ablenkte, wenn es am nötigsten war. Sie hatte immer intuitiv gewusst, wann dieser Zeitpunkt gekommen war. Ein Blick in sein Gesicht, wenn er abends heimkam, und sie wusste, was er brauchte. Das war ihr Talent gewesen: Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Manchmal waren es die Berührung ihrer Hand auf seiner Wange und die vier Worte: »Erzähl es mir, Liebling.« Dann wieder war es die gespielte Frivolität, die seine Anspannung vertrieb und ihn zum Lachen brachte.
In die Stille hinein flüsterte er: »Helen.« Aber das war auch schon alles, was er sagen konnte. Weiter war er mit der Anstrengung, seinen Verlust zu begreifen, noch nicht gekommen.
Daidre kehrte nicht zu ihrem Cottage zurück, nachdem sie Thomas Lynley am Salthouse Inn abgesetzt hatte. Stattdessen fuhr sie nach Osten. Die Straße, die sie wählte, schlängelte sich wie ein verworrenes Stück Garn durch die diesige Landschaft. Sie führte durch mehrеre Weiler, wo Lichter durch die Fenster der Höfe schienen, durch zwei Waldstücke und schließlich zwischen einem Farmhaus und seinen Nebengebäuden hindurch und mündete am Ende in die A388. Dieser folgte sie in südlicher Richtung, bog dann auf eine Nebenstraße nach Osten ab, die durch Weideland führte, wo Schafe und Milchkühe grasten. Sie nahm die Abfahrt, an der ein Schild in Richtung Cornish Gold wies. Unter dem Namen stand: "Besucher willkommen".
Cornish Gold war eine Farm, die eine halbe Meile den engen Feldweg hinunter lag und hauptsächlich aus Wiesen voller Apfelbäumen bestand, welche von Pflaumenbäumen umgeben waren, die man vor vielen Jahren als Windschutz angepflanzt hatte. Die Obstwiesen begannen auf der Kuppe eines Hügels und erstreckten sich in einem Fächer von beeindruckender Größe hügelabwärts. Davor erhoben sich zwei alte Scheunen aus Bruchstein, denen eine Ciderkelterei und ein kopfsteingepflasterter Hof gegenüberlagen. Mitten auf diesem Hof befand sich ein exakt quadratischer Pferch, aus dem ein Schnaufen und Schnüffeln zu vernehmen waren. Der Quell dieser Laute war der vorgebliche Grund für Daidres Besuch, sollte irgendwer außer der Farmbesitzerin sich danach erkundigen. Es handelte sich um ein großes und ganz entschieden unfreundliches Schwein der Rasse Gloucester Old Spot, das der ursprüngliche Anlass für Daidres Bekanntschaft mit der Eigentümerin der Ciderfarm gewesen war, kurz nachdem die Frau sich in diesem Teil der Welt niedergelassen hatte am Ende einer dreißigjährigen Odyssee, die sie von Griechenland über London und St. Ives auf diese Farm geführt hatte.
Das Schwein wartete bereits am Rand des Pferchs auf Daidre. Sein Name war Stamos, benannt nach dem Exmann seiner Besitzerin. Stamos, das Schwein, war ein unverbesserlicher Optimist und alles andere als töricht. Sowie Daidre auf den Hof fuhr, tapste es erwartungsvoll zum Zaun hinüber. Doch heute hatte sie nichts für das Schwein dabei. In ihrem Cottage eine geschälte Orange einzupacken, war ihr nicht ratsam erschienen, solange die Polizei noch dort gewesen war und mit Argusaugen jede ihrer Bewegungen verfolgt hatte.
»Tut mir leid, Stamos«, entschuldigte sie sich. »Aber lass mich trotzdem einen Blick auf dein Ohr werfen. Ja, ja, das ist doch nur Getue! Du bist völlig wiederhergestellt, und das weißt du genau. Du bist cleverer, als gut für dich ist, stimmt's?«
Das Schwein biss gern in die Hand, die sich ihm entgegenstreckte; also ließ Daidre Vorsicht walten. Und sie schaute sich im Hof um, um zu sehen, ob jemand sie beobachtete. Es konnte nicht schaden, wachsam zu sein. Aber es war weit und breit niemand in Sicht was auch nicht weiter verwunderlich war, denn der Tag neigte sich unübersehbar dem Ende zu, und die Farmarbeiter waren längst nach Hause gegangen.
»Das sieht perfekt aus«, versicherte sie dem Schwein, und dann durchquerte sie den Hof und gelangte durch einen Torbogen in einen kleinen, regendurchtränkten Gemüsegarten. Hier folgte sie einem Ziegelpfad uneben, überwuchert und voller Pfützen zu einem gepflegten weißen Cottage. Klassische Gitarrenklänge empfingen sie. Aldara übte also. Das war gut, denn es bedeutete, dass sie höchstwahrscheinlich allein war.
Das Spiel verstummte augenblicklich, als Daidre an der Tür klopfte. Eilige Schritte näherten sich auf dem Dielenboden im Innern.
»Daidre! Was in aller Welt…?« Aldara Pappas wurde durch das Licht aus dem Cottage von hinten angestrahlt, sodass Daidre ihr Gesicht kaum erkennen konnte. Aber sie wusste: Trotz des Tonfalls drückten die großen, dunklen Augen vermutlich eher Neugier als Erstaunen aus.
Aldara trat von der Tür zurück. »Komm rein! Schön, dass du da bist. Was für eine wunderbare Überraschung, dass du kommst, um mir den langweiligen Abend zu versüßen. Warum hast du mich nicht von Bristol aus angerufen? Bleibst du länger hier?«
»Es war eine spontane Entscheidung.«
Im Cottage war es warm, so wie Aldara es gernhatte. Die Wände waren weiß gestrichen und mit farbenfrohen Gemälden behängt, die schroffe, karge Landschaften zeigten, durchbrochen von Ansammlungen kleiner, ziegelrot gedeckter weißer Häuschen mit Blumenkästen vor den Fenstern, in denen die Blütenpracht geradezu zu explodieren schien. Esel standen duldsam im Schatten der Häuser, und braunäugige Kinder spielten vor den Türen.
Aldaras Mobiliar hingegen war schlicht und spärlich. Doch die wenigen Sitzgelegenheiten waren in leuchtendem Blau und Gold bezogen, und ein roter Teppich bedeckte einen Teil des Holzbodens. Nur die Geckos fehlten, deren winzige Körper sich an jedwede Oberfläche schmiegten, wo ihre Saugnapffüße Halt finden konnten.
Auf dem Sofatisch standen eine Obstschale und ein Teller mit gebratenen Paprikaschoten, Oliven und Käse zweifellos Feta. Eine Flasche Rotwein wartete darauf, geöffnet zu werden. Zwei Weingläser, zwei Servietten, zwei Teller und zwei Gabeln waren mit Sorgfalt arrangiert. Sie straften Aldara Lügen. Daidre sah zu ihr hinüber und zog eine Braue in die Höhe.
»Nur eine kleine Höflichkeitslüge.« Aldara zeigte wie üblich nicht das geringste Anzeichen von Scham, dass sie überführt worden war. »Wärst du hereingekommen und hättest das hier gesehen, hättest du dich unwillkommen gefühlt, oder? Aber du bist in meinem Haus immer willkommen.«
»So wie heute Abend offenbar auch noch jemand anderes.«
»Du bist viel wichtiger als jemand anderes.« Als wolle sie ihrer Behauptung Nachdruck verleihen, ging Aldara zum Kamin, wo Holz aufgeschichtet war und Streichhölzer bereitlagen. Sie riss eines an der Unterseite des Kaminsimses an und hielt die Flamme in das zusammengedrückte Papier unter dem Holz. Es war Apfelholz, das nach dem Rückschnitt der Bäume für diesen Zweck aufgehoben und getrocknet worden war.
Aldaras Bewegungen waren sinnlich, aber nicht einstudiert. Daidre hatte schon lange erkannt, dass Aldara sinnlich war, weil sie eben einfach Aldara war. »Es liegt mir im Blut«, hatte sie einmal lachend erklärt, als bedeutete Griechin zu sein automatisch, verführerisch zu sein. Aber es lag nicht allein in ihrem Blut. Ihre Ausstrahlung kam von ihrer Selbstsicherheit, Intelligenz und der völligen Furchtlosigkeit. Diese letzte Eigenschaft bewunderte Daidre am meisten an dieser Frau abgesehen von ihrer Schönheit. Denn Aldara war fünfundvierzig, sah jedoch zehn Jahre jünger aus. Daidre war einunddreißig, aber nicht der südländische Typ wie ihre Freundin, und sie wusste, dass ihr in vierzehn Jahren solch ein Glück ganz sicher nicht beschieden sein würde.
Sobald das Feuer brannte, öffnete Aldara die Weinflasche, als wollte sie damit unterstreichen, dass Daidre ebenso geschätzt und wichtig war wie der Gast, den sie tatsächlich erwartete. Sie schenkte ihnen beiden ein und bemerkte: »Er wird ein bisschen beißen. Nicht wie dieses weiche französische Gesöff. Du weißt, ich schätze Weine, die den Gaumen herausfordern. Iss ein bisschen Käse dazu, sonst wird der Wein dir vermutlich den Zahnschmelz wegätzen.«
Sie streckte ihr ein Glas entgegen und griff mit der anderen Hand nach einem Stück Käse, das sie sich in den Mund warf. Dann leckte sie sich langsam über die Finger und zwinkerte Daidre zu, als wollte sie sich über sich selbst lustig machen. »Köstlich«, erklärte sie. »Mama hat ihn aus London geschickt.«
»Wie geht es ihr?«
»Sie ist immer noch auf der Suche nach jemanden, den sie mit Stackmos' Ermordung beauftragen kann. Niemand kann eine solche Wut entwickeln wie meine Mama, und dabei ist sie schon siebenundsechzig! Neulich sagt sie zu mir: "Feigen. Ich schicke diesem Teufel Feigen. Denkst du, er wird sie essen, Aldara? Ich fülle sie mit Arsen. Was hältst du davon?" Ich sage ihr immer, sie soll ihn einfach vergessen, so wie ich es getan habe. Verschwende deine Energie nicht auf diesen Mann", sage ich ihr. "Es sind jetzt neun Jahre, Mama, und das ist lange genug, um jemandem die Pest an den Hals zu wünschen." Und dann sagt sie, als hätte sie mich überhaupt nicht gehört: "Ich schicke deine Brüder hin, um ihn umzubringen." Und dann verflucht sie ihn ausgiebig auf Griechisch, und ich muss das natürlich alles bezahlen, denn ich bin ja diejenige, die sie anruft. Viermal pro Woche, wie man es von der pflichtschuldigen Tochter, die ich seit jeher bin, erwarten kann. Und wenn sie fertig ist, sage ich ihr, sie möge wenigstens Nikko schicken, wenn sie wirklich die Absicht hat, Stamos umbringen zu lassen, denn Nikko ist der Einzige meiner Brüder, der einigermaßen mit einem Messer und einer Schusswaffe umgehen kann. Und dann lacht sie. Sie fängt mit einer Geschichte über eines von Nikkos Kindern an, und damit ist die Sache erledigt.«
Daidre lächelte. Aldara ließ sich aufs Sofa fallen, streifte die Schuhe ab und schlug die Beine unter. Sie trug ein mahagonifarbenes Kleid mit spitzenbesetztem Saum und einem großzügigen V-Ausschnitt. Es war ärmellos, und der Stoff schien eher für den kretischen Sommer geeignet als für den Frühling in Cornwall. Kein Wunder, dass der Raum so überheizt war.
Wie angewiesen, kostete Daidre Wein und Käse. Aldara hatte recht: Der Wein war sauer.
»Sie ist von jetzt auf gleich alt geworden«, fuhr Aldara fort. »Du kennst ja die Griechen.«
»Um ehrlich zu sein, bist du die einzige Griechin, die ich kenne«, bekannte Daidre.
»Das ist schade. Aber griechische Frauen sind wesentlich interessanter als griechische Männer, also hast du mit mir ohnehin das richtige Los gezogen. Aber du bist nicht wegen Stamos gekommen, oder? Ich meine Stamos, das tierische Schwein, nicht Stamos, das menschliche Schwein.«
»Ich habe bei ihm vorbeigeschaut. Seine Ohren sind wieder frei.«
»Natürlich. Ich hab schließlich getan, was du gesagt hast. Er ist fit wie ein Turnschuh. Er will eine Freundin, aber das Letzte, was ich derzeit brauchen kann, sind Dutzende kleiner Ferkel zwischen den Füßen. Du hast mir übrigens nicht geantwortet.«
»Nein?«
»Nein. Ich freue mich wie immer, dich zu sehen, aber irgendetwas in deinem Gesichtsausdruck verrät mir, dass du aus einem bestimmten Grund gekommen bist.« Sie griff nach einem weiteren Stück Käse.
»Wen erwartest du?«, fragte Daidre.
Aldaras Hand mit dem Käse verharrte in der Bewegung. Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte Daidre. »So eine Frage sieht dir überhaupt nicht ähnlich«, sagte sie schließlich.
»Tut mir leid. Aber…«
»Was?«
Daidre war verwirrt, und sie verabscheute dieses Gefühl. Ihre Lebenserfahrung konnte sich mit Aldaras nicht messen ganz zu schweigen von den sexuellen und emotionalen Erfahrungen, und das verunsicherte sie. Sie nahm einen erneuten Anlauf und verkündete unverblümt, denn Direktheit war ihre einzige Waffe: »Aldara, Santo Kerne ist tot.«
»Was sagst du da?«, fragte Aldara.
»Hast du mich nicht verstanden, oder willst du es nicht verstehen?«
»Was ist passiert?«
Daidre verspürte Befriedigung, als sie sah, wie Aldara das Stück Käse zurück auf den Teller legte. »Anscheinend war er an den Klippen klettern«, berichtete sie.
»Wo?«
»In Polcare Cove. Er ist abgestürzt. Ein Wanderer auf dem Küstenpfad hat die Leiche gefunden. Er ist zum Cottage gekommen.«
»Warst du da, als es passiert ist?«
»Nein. Ich bin erst heute Nachmittag aus Bristol gekommen. Aber als ich am Cottage ankam, war dieser Mann dort, auf der Suche nach einem Telefon. Ich hab ihn überrascht.«
»Du bist in dein Cottage gekommen und hast einen Fremden vorgefunden? Mein Gott. Du musst einen furchtbaren Schreck bekommen haben! Wie ist er…? Hat er den Ersatzschlüssel gefunden?«
»Er hat ein Fenster eingeschlagen, um hineinzukommen. Er hat mir gesagt, da liege ein Junge auf den Felsen, und ich bin mit ihm nachsehen gegangen. Ich habe behauptet, ich wäre Ärztin…«
»Aber das bist du ja auch! Du hättest ihm vielleicht…«
»Nein. Das ist es nicht. Oder vielleicht doch, denn ich hätte etwas tun können, nehme ich an.«
»Wieso nimmst du das nur an, Daidre? Du hast eine gute Ausbildung, bist qualifiziert, du hast einen Job mit enorm großer Verantwortung, und du kannst doch nicht sagen…«
»Aldara. Ja, in Ordnung, ich weiß. Aber es ging nicht nur darum, dass ich helfen wollte. Ich musste ihn sehen. Ich hatte so eine Ahnung.«
Aldara schwieg. Harz knisterte in einem der Scheite, und das Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie starrte einen Moment lang ins Feuer, ganz so als wollte sie sichergehen, dass das Holz dort blieb, wo sie es aufgeschichtet hatte. Schließlich fragte sie: »Du hattest eine Ahnung, es könnte Santo Kerne sein? Warum?«
»Das ist doch wohl offensichtlich, oder?«
»Wieso ist es offensichtlich?«
»Aldara. Das weißt du genau.«
»Das weiß ich nicht. Du musst es mir sagen.«
»Wirklich?«
»Bitte.«
»Du bist…«
»Ich bin gar nichts. Sag mir, was immer du mir darüber erzählen willst, warum die Dinge in deinen Augen so offensichtlich sind.«
»Selbst wenn man denkt, dass man alles bedacht, jede Eventualität ausgeschlossen und wirklich gründlich seine Hausaufgaben gemacht hat…«
»Du wirst ein bisschen weitschweifig«, warf Aldara ein.
Daidre zog scharf die Luft ein. »Jemand ist gestorben. Wie kannst du da bloß so reden?«
»Na schön. "Weitschweifig" war eine unglückliche Wortwahl. "Hysterisch" trifft es wohl besser.«
»Wir reden hier über ein menschliches Wesen! Einen Teenager! Nicht einmal neunzehn Jahre alt. Tot auf den Felsen.«
»Jetzt bist du wirklich hysterisch.«
»Wie kannst du nur so sein? Santo ist tot!«
»Und das tut mir leid. Ich will gar nicht daran denken, dass ein so junger Mensch von einer Klippe stürzt und…«
»Falls er gestürzt ist, Aldara.«
Aldara griff nach ihrem Weinglas. Daidre bemerkte nicht zum ersten Mal, dass die Hände das einzig Unschöne an ihrer griechischen Freundin waren. Aldara selbst nannte sie Bauernhände, wie geschaffen dafür, Kleidungsstücke in einem Bach gegen Felsen zu schlagen, Brotteig zu kneten und auf dem Feld zu arbeiten. Kräftige, dicke Finger und breite Handflächen. Sie schienen nicht für diffizile Betätigungen geschaffen. »Was soll das heißen: falls er gestürzt ist"?«
»Du weißt die Antwort selbst.«
»Aber du hast doch gesagt, er ist zum Klettern rausgefahren. Du kannst doch nicht glauben, irgendwer…«
»Nicht irgendwer, Aldara. Santo Kerne? Polcare Cove? Es ist nicht schwer zu erraten, wer da seine Hand im Spiel gehabt haben könnte.«
»Du redest Unsinn! Du gehst zu oft ins Kino! Menschen benehmen sich nicht so, als wären ihre Rollen in Hollywood erdacht worden! Die Tatsache, dass Santo beim Klettern abgestürzt ist…«
»Und ist nicht gerade das ein bisschen seltsam? Warum würde er bei so einem Wetter klettern gehen wollen?«
»Du stellst die Frage, als würdest du erwarten, dass ich die Antwort kenne.«
»Oh, um Himmels willen, Aldara…«
»Genug.« Aldara stellte entschlossen ihr Weinglas ab. »Ich bin nicht du, Daidre. Ich hatte nie diese… diese… oh, wie soll ich es nennen? Diese Ehrfurcht vor Männern wie du, dieses Gefühl, als wären sie tatsächlich bedeutender, als sie es wirklich sind, dass sie lebensnotwendig sind, unerlässlich für die Vollständigkeit einer Frau. Es tut mir schrecklich leid, dass der Junge tot ist, aber das hat nichts mit mir zu tun.«
»Nein? Und das hier?« Daidre zeigte auf die zwei Weingläser, die zwei Teller und Gabeln, die Manifestation dessen, was die Zahl zwei implizieren mochte, was hier aber nicht der Fall war. Und dann Aldaras Aufmachung: das duftige Kleid, das bei jeder Bewegung ihre Hüften umspielte, die Schuhe, die vorne zu offen und deren Absätze zu hoch waren, um sich damit auf einer Farm umherzubewegen, die Ohrringe, die ihren langen Hals betonten. Daidre hatte keinen Zweifel daran, dass Aldaras Bett frisch bezogen war, die Laken nach Lavendel dufteten und Kerzen im Schlafzimmer parat standen und nur darauf warteten, angezündet zu werden.
Ein Mann war auf dem Weg zu ihr. Vielleicht malte er sich gerade in diesem Moment aus, wie er ihr die Kleider auszog. Überlegte, wie bald nach seiner Ankunft er zur Sache kommen würde. Und womöglich, wie er sie zu nehmen gedachte hart oder zärtlich, im Stehen, auf dem Fußboden oder im Bett und in welcher Position, ob er es mehr als zweimal schaffen würde, denn er wusste, nur zweimal wäre nicht genug, nicht für eine Frau wie Aldara Pappas: triebhaft, sinnlich, bereit. Er musste ihr verdammt noch mal geben, was sie wollte, denn wenn er das nicht schaffte, würde er achtlos weggeworfen, und das durfte er nicht riskieren.
Mit fester Stimme fuhr Daidre fort: »Ich glaube, du wirst feststellen, dass das nicht stimmt, Aldara. Du wirst herausfinden, dass diese… was Santo passiert ist… was immer es ist…«
»Blödsinn«, fiel Aldara ihr ins Wort.
»Wirklich?« Daidre legte die Hand auf den Tisch zwischen ihnen und wiederholte ihre Frage: »Wen erwartest du?«
»Das geht dich nichts an.«
»Bist du vollkommen verrückt geworden? Die Polizei war in meinem Cottage.«
»Und das macht dir Sorgen? Warum?«
»Weil ich mich verantwortlich fühle. Du etwa nicht?«
Aldara schien über die Frage nachzudenken, denn es dauerte einen Moment, ehe sie antwortete: »Kein bisschen.«
»Also ist die Sache damit für dich erledigt?«
»Ich schätze, ja.«
»Deswegen? Der Wein, der Käse, das anheimelnde Feuerchen? Ihr beide? Wer immer er sein mag?«
Aldara erhob sich. »Du musst jetzt gehen«, sagte sie. »Ich habe wieder und wieder versucht, dir zu erklären, wie ich bin. Aber du siehst meinen Lebenswandel als ein moralisches Problem und nicht als das, was er ist: nämlich die einzige Art und Weise, wie ich funktionieren kann. Also. Ja, es ist jemand unterwegs hierher, und nein, ich werde dir nicht sagen, um wen es sich handelt, und mir wäre ganz recht, wenn du bei seiner Ankunft nicht mehr hier wärst.«
»Du lässt dich wohl von gar nichts berühren, was?«, fragte Daidre.
»Das musst du gerade sagen, meine Liebe.«