7

Nicht lange nach Mittag hörte es in Casvelyn auf zu regnen, und dafür war Cadan Angarrack dankbar. Seit seiner Ankunft am Morgen war er damit beschäftigt gewesen, die Heizkörper in den Gästezimmern von Adventures Unlimited zu streichen, und von den Lackdämpfen hämmerte ihm der Schädel. Er konnte ohnehin nicht verstehen, warum sie ihn die Heizungen anstreichen ließen. Wer würde das schon merken? Wer bitte schön achtete denn darauf, ob die Heizkörper seines Hotelzimmers gestrichen waren? Kein Schwein, außer vielleicht ein Hoteltester, und was würde es schon bedeuten, wenn ein Hoteltester ein bisschen Rost am Radiator entdeckte? Gar nichts. Absolut überhaupt nichts. Und außerdem war es doch nicht so, als sollte das heruntergekommene King-George-Hotel in seinem alten Glanz erstrahlen, oder? Es wurde doch nur bewohnbar gemacht für die Massen von Touristen, die einen Pauschalurlaub am Meer mit Spaß, Action, Vollpension und Trainer für alle möglichen Sportarten buchen wollten. Und den Typen war es doch völlig egal, wo sie nachts schliefen, Hauptsache es war sauber, es standen Pommes frites auf der Speisekarte, und es war nicht allzu teuer.

Darum beschloss Cadan, als der Himmel aufklarte, ein bisschen frische Luft wäre genau das Richtige. Er wollte sich den Minigolfplatz ansehen, die zukünftige BMX-Bahn, wo bald BMX-Kurse stattfinden würden, die, da war Cadan guter Dinge, man ihn hier geben lassen würde, sobald er sein Können unter Beweis gestellt hatte. Doch wem gegenüber sollte er es derzeit beweisen? Das war momentan das Problem. Er war nicht mehr sicher. Er war nicht einmal sicher gewesen, ob er heute zur Arbeit kommen sollte oder überhaupt noch einen Job hatte, nach dem, was mit Santo passiert war. Zuerst hatte er sich überlegt, einfach nicht aufzukreuzen. Er hatte ein paar Tage verstreichen lassen wollen, dann anrufen und das bisschen Beileid ausdrücken, wozu er fähig war, und schließlich fragen, ob sie ihn immer noch für die Instandsetzungsarbeiten benötigten. Aber dann war ihm klar geworden, dass solch ein Anruf ihnen bloß die Chance gegeben hätte, ihn rauszuwerfen, ehe er auch nur Gelegenheit hatte zu zeigen, wie wertvoll er für sie sein konnte. Also hatte er entschieden, zur Arbeit zu gehen und so trübsinnig wie möglich dreinzuschauen, sollte er irgendeinem Kerne begegnen.

Bisher hatte Cadan allerdings weder Ben noch Dellen Kerne — Santos Eltern — zu Gesicht bekommen. Aber er war gleichzeitig mit Alan Cheston eingetroffen. Als Cadan Alan davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass er inzwischen bei Adventures Unlimited angestellt war, hatte Alan versprochen, er werde umgehend jemanden holen, der Cadan sagte, was er tun solle. Dann hatte er die Eingangstür aufgesperrt, um sie beide hineinzulassen, und war davongeeilt. Den Schlüssel hatte er im Gehen mit einer Geste zurück in die Tasche gesteckt, die besagte, dass er sich seiner Rolle bei Adventures Unlimited und seiner Unverzichtbarkeit nur allzu bewusst war.

In dem alten Hotel war es so still wie auf einem Friedhof gewesen. Außerdem war es kalt. Cadan hatte geschaudert und gefühlt, wie Pooh auf seiner Schulter das Gleiche tat. Er hatte in der Rezeption gewartet, wo auf einem Wandbord stand: "Ihre Kursleiter", darunter die Porträtfotos der sechs Trainer, die bereits eingestellt worden waren. Die Fotos waren pyramidenförmig angeordnet, und die Spitze bildete Kerra Kerne, die als Sportdirektorin ausgewiesen wurde.

Kein übles Bild von Kerra, fand Cadan. Sie war keine große Schönheit: unauffälliges braunes Haar, unauffällige blaue Augen und stämmiger, als Cadan es bei einer Frau gefiel. Aber sie war ohne Zweifel die fitteste Frau in ganz Casvelyn. Es war einfach Pech, dass Kerra bei der Auslosung der Gene das Aussehen ihres Vaters erwischt hatte und nicht das ihrer Mutter. Das wiederum hatte Santo geerbt, ein Umstand, den manch einer als Glücksfall bezeichnet hätte. Cadan hingegen war der Überzeugung, dass die meisten Kerle gar nicht wild darauf waren, so hübsch zu sein wie Santo. Es sei denn, man wusste, wie man sein Äußeres zu seinem Nutzen einsetzen konnte.

»Cadan?«

Er war herumgefahren. Pooh hatte gekrächzt und war seitwärts über Cadans Schulter getippelt.

Wie aus dem Boden gestampft, hatte Kerra vor ihm gestanden. Alan war bei ihr gewesen. Cadan wusste, sie waren ein Paar, aber in seinen Augen passten die beiden mitnichten zusammen. Kerra war eine kerngesunde Sportskanone, leider mit Fesseln wie Baumstämmen. Alan hingegen sah aus wie jemand, der nur unter Androhung der Todesstrafe Sport treiben würde.

Mit ein paar Worten hatten sie alles geklärt. Auf den ersten Blick mochte Alan wie ein Weichei wirken, aber es stellte sich heraus, dass er derjenige war, der hier fast alle Entscheidungen traf. Ehe Cadan also auch nur auf die Idee kommen konnte, empfindliche Bronchien und eine Allergie gegen Farbdünste vorzuschützen, hatte er sich mit Abdeckplane und Pinsel in der einen und einem riesigen Eimer leuchtend weißen Heizkörperlacks in der anderen Hand wiedergefunden. Alan hatte Cadan ein paar knappe Anweisungen gegeben und sich dann verzogen.

Vier Stunden später befand Cadan, dass er sich eine Pause an der frischen Luft verdient hätte. Pooh war geradezu unheimlich still geworden, war ihm aufgefallen. Vielleicht hatte der Papagei ebenfalls Kopfschmerzen.

Die Erde auf dem Minigolfplatz war immer noch klatschnass, aber davon ließ Cadan sich nicht abschrecken. Er schob sein Rad zum ersten Loch und musste erkennen, dass es ein Hirngespinst gewesen war, hier jetzt ein paar Tabletops vollführen zu wollen. Er stellte das Rad ab, setzte Pooh auf die Lenkstange und unterzog den Minigolfplatz einer Inspektion.

Es würde kein einfaches Projekt werden. Die Anlage sah aus, als wäre sie mindestens sechzig Jahre alt und als wäre in den letzten dreißig Jahren kein Strich daran getan worden. Das war irgendwie schade, denn selbst Minigolf hätte eine bescheidene Geldquelle für Adventures Unlimited sein können. Andererseits war es aber auch ein Pluspunkt, denn eine heruntergekommene Anlage verbesserte die Chancen, dass wer immer hier die Entscheidungen über die Zukunft traf, sich von Cadans Vorschlag würde überzeugen lassen. Aber um Vorschläge unterbreiten zu können, musste man erst einmal Pläne haben, und Cadan gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die Pläne machte. Also spazierte er zwischen den ersten fünf Löchern umher und überlegte, was getan werden müsste, abgesehen vom Herausreißen der kleinen Windmühlen, Scheunen und Schulhäuser und dem Auffüllen der Löcher.

Er war immer noch in Gedanken an die BMX-Bahn, als er einen Streifenwagen vom St. Mevan Crescent auf den Parkplatz des alten Hotels einbiegen sah. Der Fahrer ein uniformierter Constable stieg aus und ging hinein. Wenige Minuten später fuhr er wieder davon.

Kurz darauf kam Kerra aus dem Gebäude. Sie blieb auf dem Parkplatz stehen, stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um. Cadan hockte gerade neben einem kleinen Bootswrack, das als Hindernis am sechsten Loch diente, und ihm ging auf, dass Kerra nach jemandem Ausschau hielt, möglicherweise nach ihm. Unter anderen Umständen hätte er sich wie üblich versteckt gehalten, denn wenn jemand nach ihm suchte, dann in aller Regel, weil er etwas vermasselt hatte und von seinen Missetaten in Kenntnis gesetzt werden sollte. Doch eine schnelle Revision seiner heutigen Lackiererleistung brachte ihn zu der Erkenntnis, dass er hervorragende Arbeit abgeliefert hatte, also richtete er sich auf und zeigte sich.

Kerra kam umgehend in seine Richtung. Sie hatte sich umgezogen, war von Kopf bis Fuß in Lycra gehüllt, und Cadan erkannte das Outfit: Sie trug ihre Langstrecken-Fahrradmontur. Seltsame Tageszeit für eine Fahrradtour, fand er, aber wenn man die Tochter des Chefs war, konnte man sich seine Regeln selber setzen.

Als Kerra die Ruine des Minigolfplatzes erreichte, sagte sie ohne Vorrede: »Ich habe auf der Farm angerufen, aber man hat mir gesagt, sie arbeitet dort nicht mehr.« Sie klang geschäftsmäßig. »Dann habe ich es bei euch zu Hause probiert, aber da ist sie auch nicht. Weißt du, wo sie steckt? Ich muss sie sprechen.«

Cadan nahm sich einen Moment Zeit, um ihre Ausführungen und die Frage zu überdenken und was das alles implizierte. Er versuchte, Zeit zu schinden, indem er zu seinem Fahrrad trat, Pooh von der Lenkstange nahm und auf seine Schulter setzte. »Spreng Löcher im Speicher«, bemerkte Pooh.

»Cadan.« Kerras Stimme war beherrscht, enthielt aber eine gewisse Schärfe. »Würdest du mir bitte antworten? Und zwar jetzt gleich und nicht irgendwann einmal?«

»Es ist nur… Es ist komisch, dass du fragst«, erwiderte Cadan. »Ich meine, es ist ja nicht so, als wärt du und Madlyn noch befreundet, darum frag ich mich…« Er neigte den Kopf, sodass seine Wange Poohs Federn berührte. Er fand das Gefühl angenehm.

Kerra verengte die Augen. »Was fragst du dich?«

»Santo. Die Polizei war hier. Und jetzt kommst du hier raus, um mit mir zu reden. Fragst mich nach Madlyn. Hängt das alles irgendwie zusammen?«

Kerra trug die Haare in einem Pferdeschwanz, aber jetzt zog sie das Gummi heraus, und das Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie schüttelte es, dann fasste sie es wieder zum Zopf zusammen. Es schien ebenso eine Methode, Zeit zu gewinnen, wie Cadan es eben getan hatte, indem er Pooh von seinem Fahrrad holte. Dann sah sie ihn wieder an und schenkte ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Was ist mit deinem Gesicht?«

»Einfach Glück gehabt. Es ist das, mit dem ich zur Welt gekommen bin.«

»Mir ist nicht nach Scherzen zumute, Cadan. Du weißt genau, was ich meine. Die Blutergüsse und Abschürfungen.«

»Ich bin ausgerutscht. Berufsrisiko. Ich hab einen No-Foot Can-Can ausprobiert und bin auf den Beckenrand geknallt. Drüben im Freizeitzentrum.«

»Beim Schwimmen?«, fragte sie ungläubig.

»Der Pool ist leer. Ich hab dort trainiert. Mit dem Bike.« Er fühlte, wie er rot anlief, und das ärgerte ihn. Er hatte sich geschworen, sich seiner Leidenschaft niemals zu schämen, und er wollte lieber nicht darüber nachdenken, wieso er jetzt verlegen war. »Was ist denn eigentlich los?«, fragte er und nickte zum Hotel hinüber.

»Er ist nicht einfach nur abgestürzt. Er wurde ermordet. Deswegen war die Polizei da. Sie schicken uns ihren… wie immer man das nennt. Opferbetreuer. Ich glaube, seine Aufgabe soll sein, bei uns zu bleiben und Tee zu kochen, um uns daran zu hindern… keine Ahnung… Was machen Menschen in der Regel, wenn ein Familienmitglied ermordet wird? Rasten sie aus und nehmen Rache? Laufen sie Amok in der Stadt? Knirschen sie mit den Zähnen? Und was zum Geier soll das eigentlich sein, Zähneknirschen? Wo ist sie, Cadan?«

»Sie weiß schon, dass er tot ist.«

»Dass er tot ist oder dass er ermordet wurde? Wo ist sie? Er war mein Bruder, und da sie seine… Freundin war…«

»Und deine Freundin auch«, erinnerte Cadan sie. »Jedenfalls früher mal.«

»Hör auf«, sagte sie. »Hör einfach auf damit, okay?«

Cadan hob die Schultern. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Minigolfplatz und bemerkte: »Diese Anlage hier… Das alles muss verschwinden. Vermutlich könnte man einen Teil davon sogar noch reparieren, aber ich schätze, die Kosten wären höher als der Profit. Kurzfristig gesehen. Langfristig… wer weiß?«

»Alan kennt sich damit aus. Gewinn und Verlust, langfristige Investitionen. Er weiß über all das Bescheid. Aber darüber brauchen wir uns jetzt wohl keine Gedanken mehr zu machen.«

»Worüber?«

»Über Adventures Unlimited. Ich bezweifle, dass mein Vater die nötige Energie aufbringt, um das Hotel zu eröffnen, nach dem, was mit Santo passiert ist.«

»Was soll denn werden, wenn ihr nicht eröffnet?«

»Alan würde vorschlagen, dass wir einen Käufer suchen, um unsere Investition zurückzubekommen. Aber so ist Alan. Ein Kopf für Zahlen, wenn auch für nichts anderes.«

»Klingt, als wärst du sauer auf ihn.«

Sie ging nicht darauf ein. »Ist sie zu Hause und geht einfach nur nicht ans Telefon? Ich könnte vorbeifahren, aber wenn sie nicht da ist, würde ich mir die Mühe lieber sparen. Also, wärst du vielleicht gewillt, mir wenigstens das zu verraten?«

»Ich schätze, sie ist noch bei Jago«, antwortete Cadan.

»Wer ist Jago?«

»Jago Reeth. So 'n Typ, der für meinen Vater arbeitet. Sie war die ganze Nacht bei ihm. Soweit ich weiß, ist sie immer noch da.«

Kerra lachte kurz auf. Es war ein humorloser Laut. »Na, da hat sie sich ja schnell getröstet. Die Wunderheilung eines gebrochenen Herzens. Wie entzückend.«

Cadan wollte sie fragen, was es sie eigentlich anging, ob seine Schwester einen neuen Freund hatte oder nicht. Doch stattdessen entgegnete er: »Jago Reeth ist ungefähr siebzig Jahre alt. Er ist so was wie ein Großvater für sie, okay?«

»Was macht er dann für deinen Vater, wenn er schon so alt ist?«

Sie ging ihm wirklich auf den Wecker. Sie führte sich auf wie die verzogene Tochter des Chefs, frei nach dem Motto: Sei ja höflich zu mir — und das ging Cadan gegen den Strich. »Spielt das irgendeine Rolle, Kerra?«, erkundigte er sich. »Warum zum Henker willst du das wissen?«

Von einer Sekunde zur nächsten schlug ihre Stimmung um. Sie räusperte sich ganz komisch, und er sah Tränen in ihren Augen glitzern. Dieses Glitzern rief ihm ins Gedächtnis, dass ihr Bruder gestorben war, und zwar erst gestern, und gerade eben erst hatte sie erfahren, dass er ermordet worden war.

Er sagte: »Kunstharzgießer.« Und als sie ihn verwirrt anschaute: »Jago Reeth. Er beschichtet die Boards. Er ist ein alter Surfer, den mein Vater vor etwa sechs Monaten aufgegabelt hat. Jago ist genauso detailversessen wie er. Und das ist das Wichtigste — nicht so wie ich.«

»Sie hat die Nacht bei einem Siebzigjährigen verbracht?«

»Jago hat angerufen und Bescheid gesagt, dass sie bei ihm ist.«

»Wann war das?«

»Kerra…«

»Es ist wichtig, Cadan.«

»Wieso? Glaubst du, sie hätte deinen Bruder umgebracht? Wie sollte sie das denn angestellt haben? Indem sie ihn über den Rand der Klippe schubst?«

»Seine Ausrüstung wurde manipuliert. Das hat der Polizist gesagt.«

Cadan riss die Augen auf. »Augenblick mal, Kerra. Nie im Leben… Ich meine, nie und nimmer… Sie war vielleicht von der Rolle wegen all dem, was zwischen ihnen gelaufen ist, aber meine Schwester ist doch keine…« Er unterbrach sich. Nicht weil er an Madlyns Unschuld zweifelte, sondern weil sein Blick zum Strand hinuntergewandert war, wo ein Surfer vorüberlief. Er hatte sich das Brett unter den Arm geklemmt, und die Leine schleifte hinter ihm durch den Sand. Er steckte in einem Neoprenanzug, wie es um diese Jahreszeit bitter nötig war und bei den derzeitigen Wassertemperaturen. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt. Auf diese Entfernung konnte man nicht einmal ausmachen, ob der Surfer männlich oder weiblich war.

»Was?«, hakte Kerra nach.

Cadan schauderte. Er sagte leise: »Madlyns Reaktion auf die Sache mit ihr und Santo war vielleicht ein bisschen extrem. Das geb ich ja zu.«

»Das kannst du wohl laut sagen.«

»Aber den Exfreund einfach kaltmachen gehört nicht zu ihrem Repertoire, klar? Mein Gott, Kerra, sie hat geglaubt, er durchliefe nur eine Phase!«

»Zu Anfang«, schränkte Kerra ein.

»Okay. Vielleicht hat sie das nur zu Anfang geglaubt. Aber das heißt nicht, dass sie irgendwann erkannt hat, wie die Dinge wirklich lagen, und zu dem Schluss gekommen ist, die einzig vernünftige Lösung wäre, ihn umzubringen, verstehst du?«

»Liebe kann man nicht verstehen«, erwiderte sie. »Die Menschen tun die verrücktesten Dinge, wenn sie jemanden lieben.«

»Ach ja?«, fragte Cadan. »Ist das so? Und was ist mit dir?«

Sie antwortete nicht.

»Keine weiteren Fragen«, erklärte er und fügte dann hinzu: »Sea Dreams, wenn du's genau wissen willst.«

»Was ist das?«

»Da steckt sie. Jago hat einen Wohnwagen in dem Caravanpark, wo früher mal die Molkerei war. Drüben hinter Sawsneck Down. Wenn du sie verhören willst, tu's da. Aber du verschwendest nur deine Zeit.«

»Wie kommst du auf die Idee, dass ich sie verhören will?«

»Na ja, irgendwas willst du auf jeden Fall«, entgegnete Cadan.


Sobald Bea Hannaford Lynley einen Leihwagen beschafft hatte, wies sie ihn an, ihr zu folgen. »Ich nehme an, das ist nicht Ihre gewohnte Wagenklasse«, bemerkte sie in Bezug auf den Ford. »Aber wenigstens passen Sie hinein.«

Unter anderen Umständen hätte Lynley ihr vielleicht versichert, sie sei überaus großzügig. Tatsächlich war diese Art von Bemerkung dank seiner Erziehung geradezu ein Automatismus. Doch unter den derzeitigen Umständen erklärte er lediglich, dass sein eigener Wagen im Februar einen Totalschaden erlitten, er noch keinen Ersatz beschafft habe und der Ford daher völlig ausreichend sei.

»Gut«, sagte sie und schärfte ihm ein, anständig zu fahren, da er bis zum Eintreffen seiner Brieftasche ohne Führerschein unterwegs sein werde. »Das soll unser kleines Geheimnis bleiben«, fügte sie hinzu. Und dann wollte sie ihm etwas zeigen.

Gehorsam folgte er ihr nach Casvelyn. Er versuchte, sich auf das Fahren zu konzentrieren, aber er spürte, wie seine Kraft allein durch diesen Willensakt schwand.

Er hatte sich eingeredet, er sei ein für alle Mal fertig mit Mord und Totschlag. Man sah nicht den Tod einer geliebten Frau mit an — Opfer einer sinnlosen, willkürlichen Tat auf offener Straße — und sagte sich dann einfach: Morgen ist ein neuer Tag. Morgen war vielmehr etwas, was man ertragen musste. Bisher hatte er die endlose Abfolge von Tagen nur ertragen, indem er das getan hatte, was unmittelbar vor ihm lag, und sonst nichts.

Zuerst Howenstow. Er hatte sich um verschiedene Angelegenheiten des Landsitzes gekümmert, der sein Erbe war, und das große Haus inmitten dieses Landsitzes. Er hatte nicht darüber nachgedacht, dass seine Mutter, sein Bruder und ein Verwalter diese Aufgabe jahrelang ohne ihn gemeistert hatten. Er hatte sich in Arbeit vergraben, um zu verhindern, dass er gänzlich abstürzte, bis die eine Hälfte seiner Projekte im Chaos versank und die andere im Desaster geendet hatte. Der behutsame Tadel seiner Mutter: »Lass mich das erledigen, Liebling« oder: »John Penellin ist seit Wochen mit dieser Sache befasst, Tommy« und ähnliche Bemerkungen fegte er mit einer solchen Schroffheit beiseite, dass sie lediglich seufzte, seine Schulter drückte und ihn gewähren ließ.

Doch er hatte festgestellt, dass Howenstow und seine Belange ihm Helen ins Gedächtnis riefen, ob er wollte oder nicht: Das halbfertige Kinderzimmer musste leer geräumt werden. Die Kleidungsstücke, die Helen dort deponiert hatte, galt es auszusortieren. Eine Gedenktafel für ihre Ruhestätte in der Kapelle — die Ruhestätte, die sie mit ihrem ungeborenen Sohn teilte — musste entworfen werden. Und dann all die Dinge, die ihn an sie erinnerten: der Pfad, den sie gemeinsam vom Haus durch den Wald und hinüber zur Bucht genommen hatten. Die Ahnengalerie, wo sie vor den Gemälden gestanden und seine Züge scherzhaft mit denen einiger seiner fragwürdigeren Vorfahren verglichen hatte. Die Bibliothek, wo sie alte Ausgaben von Country Life durchgeblättert, sich mit einer dicken Biografie über Oscar Wilde aufs Sofa gelegt hatte und schließlich darüber eingeschlummert war…

Weil er sich überall in Howenstow an Helen erinnert fand, hatte er seine Wanderung begonnen. Den Südwestküstenpfad entlangzuwandern, wäre das Letzte gewesen, was Helen sich vorgenommen hätte. (»Du meine Güte, Tommy, du musst den Verstand verloren haben! Was für Schuhe sollte ich tragen, die nicht absolut schauderhaft aussähen?«) Er wusste also, dass er diese Wanderung gefahrlos antreten konnte. Nichts auf dem Weg würde ihn an sie erinnern.

Doch er hatte nicht mit all den Orten des Gedenkens gerechnet. Nichts, was er vor seinem Aufbruch über diesen Wanderweg gelesen hatte, hatte ihn darauf vorbereitet. Von schlichten, verwelkenden Blumensträußen bis hin zu den Sitzbänken, in die die Namen der Verstorbenen geschnitzt waren, begegnete er dem Tod tagaus, tagein. Er hatte New Scotland Yard verlassen, weil er dem plötzlichen, brutalen Ende eines menschlichen Lebens nicht mehr ins Auge sehen konnte, aber hier war er damit in einer Regelmäßigkeit konfrontiert, die all seine Mühen zu verspotten schien.

Und nun das. Detective Inspector Hannaford bezog ihn vielleicht nicht direkt in die Mordermittlung ein, aber sie brachte ihn in deren Nähe. Das wollte er nicht, aber er wusste nicht, wie er es hätte verhindern können, denn Hannaford schien ihm eine Frau zu sein, die meinte, was sie sagte: Wenn er sich aus der Umgebung von Casvelyn davonstahl, würde sie nicht rasten, ehe sie ihn zurückgeholt hatte.

Und das, was zu tun sie ihn gebeten hatte… Genau wie DI Hannaford war er überzeugt, dass Daidre Trahair bezüglich der Route, die sie am Vortag von Bristol nach Polcare Cove genommen hatte, log. Und im Gegensatz zu Hannaford wusste Lynley überdies, dass Daidre Trackhair auf die Frage, ob sie Santo Kerne gekannt habe, sogar mehr als einmal gelogen hatte. Es musste Gründe für diese Lügen geben, die weit über jene hinausgingen, die die Tierärztin angeführt hatte, als er sie damit konfrontiert hatte, und er war sich nicht sicher, ob er diese Gründe kennen wollte. Ihre Motive waren zweifellos persönlicher Natur, und die arme Frau war schwerlich eine Mörderin.

Aber wieso glaubte er das eigentlich, fragte er sich. Er wusste besser als die meisten, dass es Mörder in jeglicher Gestalt gab. Mörder konnten Männer oder Frauen sein. Oder wie er zu seinem Entsetzen hatte erfahren müssen Kinder. Und ganz gleich wie widerwärtig die Opfer gewesen sein mochten: Niemand hatte das Recht, sie vorzeitig aus dem Leben in die ewige Seligkeit oder Verdammnis zu schicken. Die Überzeugung, dass Mord falsch war, gehörte zu den Grundfesten der Gesellschaft. Genau wie die, dass der Gerechtigkeit Genüge getan werden musste, damit die ganze Angelegenheit zu einem Abschluss kam, auch wenn dies niemals Befriedigung, Erleichterung oder gar das Ende der Trauer bedeuten konnte. Gerechtigkeit bedeutete, den Täter zu finden und zu verurteilen, und diese Gerechtigkeit war den Hinterbliebenen der Opfer geschuldet.

Ein Teil von Lynley wollte vehement einwenden, dass das alles nicht sein Problem sei. Der andere Teil wusste, dass es das immer und inzwischen mehr denn je sein würde.

Bis sie Casvelyn erreichten, hatte er sich mit der Situation vielleicht nicht gerade abgefunden, aber doch zumindest arrangiert. In einer Ermittlung musste man allem nachgehen. Und Daidre Trahair hatte sich mit der ersten Lüge zu einem Teil von "allem" gemacht.

Die Polizeiwache von Casvelyn lag im Stadtzentrum zwischen Lansdown Close und Belle Vue Lane am höchsten Punkt des Ortes. Vor dem schlichten grauen zweistöckigen Gebäude parkte Bea Hannaford. Lynley glaubte, sie wollte ihn mit hineinnehmen und den Kollegen vorstellen, doch stattdessen sagte sie: »Kommen Sie mit!«, legte eine Hand auf seinen Ellbogen und führte ihn zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Wo Lansdown Close und Belle Vue Lane ineinandermündeten, überquerten sie eine dreieckige Grünfläche. Bänke, ein Brunnen und drei Bäume bildeten hier Casvelyns einzigen Freiluftversammlungsort. Von dort gelangten sie zur Queen Street, die genau wie die Belle Vue Lane von Geschäften gesäumt war: Von Möbelhäusern bis hin zu Apotheken war hier alles zu finden. Bea Hannaford hielt inne, sah in beide Richtungen die Straße entlang, bis sie offenbar entdeckte, wonach sie gesucht hatte. »Ja. Dort drüben. Ich wollte sehen, womit wir es zu tun haben.«

"Dort drüben" verortete ein Sportgeschäft, das sowohl Ausrüstung als auch Bekleidung für alle möglichen Outdoor-Aktivitäten feilbot. Hannaford erkundete den Laden in bewundernswert kurzer Zeit, fand, wonach sie suchte, versicherte dem Verkäufer, sie benötige keine Hilfe, und führte Lynley zu einer Wand im hinteren Teil des Ladens. Dort hingen unterschiedliche Metallgegenstände, die meisten aus Edelstahl und — unschwer zu erraten — für den Klettersport bestimmt.

Sie wählte einen Gegenstand aus, der aus drei Komponenten bestand: aus einem dicken Bleikeil, in der Länge doppelt durchbohrt, und durch die beiden parallelen Löcher verlief ein stabiles Stahlkabel von etwa einem halben Zentimeter Stärke, das hinter dem Keil zu einer flachen Schlaufe gelegt war, auf der freiliegenden Seite jedoch eine längere, bewegliche Schlinge bildete. Der Kabelstrang wurde von einer dicken Kunststoffummantelung fest zusammengehalten.

»Das hier ist ein Klemmkeil«, erklärte Hannaford Lynley. »Wissen Sie, wie man ihn anwendet?«

Lynley schüttelte den Kopf. Nun, offensichtlich war er zum Klettern gedacht. Und ebenso offensichtlich war, dass die Schlinge dazu dienen sollte, ihn mit einem anderen Hilfsmittel zu verbinden. Aber mehr konnte er sich nicht erschließen.

»Heben Sie die Hand, Innenfläche dem Körper zugedreht. Finger ausgestreckt und zusammen. Ich zeige es Ihnen.«

Lynley tat, worum sie gebeten hatte. Sie schob das Kabel zwischen seinen ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger, sodass der Keil in seiner Handfläche lag und die Schlaufe über seinen Handrücken fiel.

»Ihre Finger sind ein Felsspalt«, erklärte sie. »Oder ein Schlitz zwischen zwei Felsblöcken. Ihre Hand ist die Klippe selbst. Beziehungsweise der Felsblock. Klar so weit?« Sie wartete sein Nicken ab. »Das Blei der eigentliche Klemmkeil wird, so weit es geht, in den Felsspalt gesteckt, und das Seil schaut heraus. In die Schlaufe…« Sie unterbrach sich, suchte mit den Augen die Wand ab, bis sie gefunden hatte, was sie benötigte, und griff danach, »… haken Sie einen Karabiner. So.« Sie führte es vor. »Dann befestigen Sie Ihr Seil mit einem Knoten an dem Karabiner. Wenn Sie nach oben klettern, benutzen Sie ein bis zwei Klemmkeile pro Meter oder was immer Ihnen behagt. Beim Abseilen können Sie sie oben anstatt einer Schlinge benutzen, um Ihr Seil an dem Fixpunkt zu befestigen, der Ihr Gewicht beim Abstieg halten soll.«

Sie nahm ihm den Klemmkeil ab und hängte ihn zusammen mit dem Karabiner zurück an die Wand. Dann wandte sie sich zu ihm um und sagte: »Kletterer kennzeichnen jedes Teil ihrer Ausrüstung, weil sie oft zu mehreren klettern. Sagen wir, Sie und ich wollen klettern. Ich benutze sechs Klemmkeile, Sie zehn. Wir nehmen meine Karabiner, aber Ihre Schlingen. Wie bekommen wir all das am Ende wieder ohne Streitereien auseinandersortiert? Indem wir jedes einzelne Teil mit etwas markieren, das sich nicht leicht ablöst. Farbiges Klebeband zum Beispiel ist perfekt. Santo Kerne hat schwarzes Isoliertape benutzt.«

Lynley erkannte, worauf sie mit alledem hinauswollte. »Wenn also jemand mit der Ausrüstung eines Kletterers Schindluder treiben will, muss er sich nur das gleiche Klebeband beschaffen.«

»Und Zugang zu der Ausrüstung selbst. Ja, genau. Man kann den Gegenstand beschädigen, identisches Klebeband verwenden, um den Schaden zu überdecken, und niemand merkt etwas.«

»Wie offenbar im Fall der Schlinge. Sie wäre wohl am einfachsten zu manipulieren obwohl der Schnitt sichtbar sein würde. Wenn nicht für das bloße Auge, so doch unter dem Mikroskop.«

»Und genau das ist passiert. Wie wir schon besprochen haben.«

»Aber das war noch nicht alles, richtig? Sonst hätten Sie mir das hier nicht gezeigt.«

»Die Kriminaltechnik hat Santos gesamte Ausrüstung untersucht«, berichtete Hannaford. Mit der Hand an seinem Ellbogen führte sie ihn wieder aus dem Geschäft. Sie hielt die Stimme gesenkt. »Zwei der Klemmkeile waren manipuliert. Unter dem schwarzen Isolierband waren sowohl die Kunststoffummantelung als auch das Stahlseil beschädigt. Die Ummantelung war durchgeschnitten, genau wie der Stahldraht selbst. Das Seil hing nur noch am sprichwörtlichen seidenen Faden. Das Schicksal des Jungen war im Grunde besiegelt. Er ist zwar noch zum Klettern gefahren, aber eigentlich war er schon so gut wie tot. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er das manipulierte Ausrüstungsteil im denkbar schlechtesten Moment benutzte.«

»Fingerabdrücke?«

»Jede Menge«, antwortete Hannaford. »Aber ich weiß nicht, wie viel sie uns nützen werden, denn die wenigsten Kletterer klettern allein, und vermutlich werden wir feststellen, dass das auch für Santo galt.«

»Es sei denn, es gibt einen Fingerabdruck auf einem der beschädigten Ausrüstungsteile, der sich auf keinem anderen findet. Da hätte jemand seine liebe Mühe, das zu erklären.«

»Hm. Ja. Aber die ganze Sache gibt mir Rätsel auf, Thomas.«

»Welche Sache genau?«, fragte Lynley.

»Drei manipulierte Ausrüstungsteile statt einem. Was schließen Sie daraus?«

Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er nachdenklich: »Ein einziges beschädigtes Ausrüstungsteil hätte ausgereicht, um ihn umzubringen. Aber er trug drei bei sich. Das könnte bedeuten, dass es dem Mörder gleichgültig war, wann es geschah oder ob der Sturz sein Opfer überhaupt tötete, denn Santo hätte die Klemmkeile ja auch ganz weit unten an einer Felswand benutzen können.«

»Irgendwelche weiteren Schlüsse?«

»Wenn der Junge sich grundsätzlich zuerst abseilte und anschließend wieder nach oben kletterte, könnten drei manipulierte Teile auch darauf hindeuten, dass der Mörder es eilig hatte, ihn loszuwerden. Oder, so unglaublich es auch scheinen mag…« Er grübelte einen Augenblick über die letzte Möglichkeit und welche Konsequenzen sich daraus ergaben.

Sie ermunterte ihn: »Ja?«

»Drei Ausrüstungsteile zu manipulieren… könnte auch bedeuten: Der Mörder wollte alle Welt wissen lassen, dass es Mord war.«

Sie nickte. »Verrückt, nicht wahr? Aber genau das habe ich auch gedacht.«


Es war die schiere Verrücktheit der Liebe, die Kerra aus dem Hotel und auf ihr Fahrrad trieb. Sie allein hatte sie dazu bewogen, ihre Lycrakleidung anzulegen. Kerra hatte beschlossen, dass zwanzig Meilen ausreichen mussten, den Gedanken daran aus ihrem Kopf zu vertreiben. Für zwanzig Meilen würde sie nicht allzu viel Zeit brauchen, nicht wenn das Wetter sich weiterhin besserte und erst recht nicht bei ihrer Kondition. An einem guten Tag und wenn das Wetter ihr keinen Strich durch die Rechnung machte, schaffte sie problemlos sechzig Meilen, also waren zwanzig ein Kinderspiel.

Doch die Ankunft des Polizisten hatte sie aufgehalten. Es war derselbe Mann gewesen wie am Abend zuvor, Constable McNulty, und sein kummervoller Gesichtsausdruck hatte Kerra bereits verraten, dass er schlechte Nachrichten brachte, noch ehe er sie aussprach.

Er hatte darum gebeten, ihre Eltern sprechen zu dürfen.

Sie erklärte ihm, das sei unmöglich.

»Sind sie nicht da?« Die Frage kam nicht überraschend.

»Doch, doch, sie sind zu Hause. Aber sie sind nicht zu sprechen. Sie können mir sagen, was Sie herführt. Meine Eltern haben darum gebeten, nicht gestört zu werden.«

»Ich fürchte, ich muss darauf bestehen, dass Sie sie holen«, hatte der Beamte entgegnet.

»Und ich fürchte, das ist ausgeschlossen. Sie wollen in Ruhe gelassen werden. Das haben sie klipp und klar gesagt. Sie haben endlich ein bisschen Ruhe gefunden. Ich bin sicher, dafür haben Sie Verständnis. Haben Sie Kinder, Constable? Denn wenn man ein Kind verliert, wird man vollkommen aus der Bahn geworfen. Und sie sind aus der Bahn geworfen.«

Das entsprach nicht exakt der Wahrheit, doch die Wahrheit hätte wohl kaum sein Mitgefühl erregt. Der Gedanke daran, dass ihre Mutter und ihr Vater es in Santos Zimmer miteinander trieben wie notgeile Teenager, zog ihr den Magen zusammen. Sie wollte im Moment nichts mit ihnen zu tun haben. Vor allem nicht mit ihrem Vater, den sie von Stunde zu Stunde mehr verachtete. Sie verachtete ihn schon seit Jahren, aber nichts, was er je getan oder zu tun versäumt hatte, reichte auch nur annähernd an das heran, was derzeit vor sich ging.

Constable McNulty hatte seine Information zögernd preisgegeben, nachdem Alan aus dem Marketingbüro gekommen war, wo er sich ein Werbevideo angesehen hatte.

»Was gibt es denn, Kerra?«, hatte Alan gefragt. »Kann ich helfen?« Er hatte sicher und selbstbewusst geklungen, als hätten die vergangenen sechzehn Stunden eine Verwandlung in ihm bewirkt. »Ich bin Kerras Verlobter«, hatte er den Polizisten aufgeklärt. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

Verlobter?, hatte Kerra gedacht. Verlobter? Was war das denn auf einmal?

Ehe sie die Chance bekam, ihm zu widersprechen, hatte der Constable seine Mitteilung gemacht: Mord. Verschiedene Gegenstände in Santos Kletterausrüstung waren manipuliert worden. Zwei Klemmkeile und eine Schlinge. Die Polizei wolle die Familie zuerst verhören.

Alan wartete mit der angemessenen Reaktion auf: »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, dass jemand aus der Familie…?«, und er brachte es fertig, gleichzeitig erstaunt und entrüstet zu klingen.

Jeder, der Santo gekannt habe, werde verhört, erklärte Constable McNulty. Die Aussicht schien ihn in Wallung zu bringen, und Kerra war aufgegangen, wie eintönig und langweilig das Leben des Polizisten in Casvelyn außerhalb der Saison sein musste, wenn drei Viertel der Sommerpopulation fort waren und die Verbliebenen sich entweder zu Hause gegen die atlantischen Stürme verbarrikadierten oder höchstens mal ein kleines Verkehrsdelikt begingen. McNulty erklärte, dass Santos persönliche Gegenstände ausnahmslos untersucht werden müssten. Die Familiengeschichte müsse zusammengestellt werden und…

Das war genug für Kerra. Familiengeschichte? O ja, die wäre mit Sicherheit erhellend. Die würde alles ans Licht bringen: die Leichen im Keller und die schmutzige Wäsche. Menschen, die unwiderruflich entfremdet waren, und Menschen, die sich einfach nur befremdlich verhielten.

All das lieferte ihr einen weiteren Grund, sich aufs Rad zu schwingen. Und dann waren da auch noch Cadan und die Unterhaltung mit ihm gewesen, die ihr das Gefühl gegeben hatte, ihr würde in irgendeiner Art und Weise Schuld zugewiesen.

Nachdem sie mit ihm gesprochen hatte, holte sie ihr Fahrrad. Ihr Vater wartete draußen auf sie, und Alan kam ebenfalls heraus. Sein Ausdruck verriet, dass er die Informationen über Santo weitergegeben hatte. So war es völlig überflüssig, dass er mit den Lippen die Worte Er weiß Bescheid formte, doch genau das tat er. Kerra wollte ihm vorhalten, er habe kein Recht, ihrem Vater irgendetwas zu sagen. Alan war schließlich kein Familienmitglied.

»Wo willst du hin?«, fragte Ben Kerne Kerra. »Ich möchte, dass du hierbleibst.«

Er klang erschöpft. Und er sah auch so aus.

Hast du sie wieder gevögelt?, hätte Kerra am liebsten gefragt. Hat sie ihr winziges rotes Negligé angezogen und mit dem Finger geschnipst, und bist du dahingeschmolzen und hast nichts anderes mehr gesehen? Nicht einmal, dass Santo tot ist? Gute Methode, um es für ein paar Minuten zu vergessen, he? Hat ja prima geklappt. Immer schon.

Doch sie sagte nichts von alldem, obwohl es sie drängte, ihm wehzutun. Stattdessen erklärte sie: »Ich muss ein Stück fahren. Ich brauche…«

»Du wirst hier gebraucht.«

Kerra sah zu Alan. Er beobachtete sie. Zu ihrer Überraschung ruckte er mit dem Kopf in Richtung Straße, um ihr zu bedeuten, sie solle ihre Radtour machen, ganz gleich was ihr Vater wünschte. Obwohl sie sich dagegen sträubte, war sie dankbar für sein Verständnis. Zumindest in diesem Punkt war Alan auf ihrer Seite.

»Braucht sie irgendwas von mir?«, fragte Kerra ihren Vater.

Er wandte sich um und schaute zu den Fenstern der Wohnung hinauf. Die Vorhänge des Elternschlafzimmers sperrten das Tageslicht aus. Dahinter verbarg sich Dellen und verarbeitete ihren Kummer auf ihre unnachahmliche Dellen-Art: auf dem zertrümmerten Rückgrat ihrer Lieben.

»Sie trägt Schwarz«, sagte Kerras Vater.

»Das wird eine ganze Reihe von Leuten bestimmt schwer enttäuschen«, gab Kerra zurück.

Ben Kerne sah sie an, und in seinen Augen stand ein solcher Schmerz, dass Kerra ihre Worte für einen Moment bereute. Es ist nicht seine Schuld, fuhr es ihr durch den Kopf. Und doch gab es Dinge, die seine Schuld waren nicht zuletzt die Tatsache, dass sie überhaupt über ihre Mutter sprachen und dabei gezwungen waren, ein sorgsam gewähltes Vokabular zu verwenden, eine Art Geheimsprache zwischen Vater und Tochter zwischen zwei unendlich weit voneinander entfernten Kommunikatoren.

Sie seufzte, denn sie hatte das Gefühl, hier die gekränkte Partei zu sein, und war unwillig, sich zu entschuldigen. Dass auch er gekränkt war, wollte sie nicht gelten lassen. Sie fragte: »Oder du?«

»Was?«

»Brauchst du irgendetwas? Denn sie bestimmt nicht. Sie braucht dich. Und umgekehrt ist es zweifellos genauso.«

Ben gab keine Antwort. Er ging ohne ein weiteres Wort zurück ins Hotel, drängte sich an Alan vorbei, der ein Gesicht machte wie jemand, der versucht, die Qumran-Rollen zu entziffern.

»Das war ein bisschen hart, Kerra, meinst du nicht?«, merkte er an.

Das Letzte, was Kerra Alan demonstrieren wollte, war Dankbarkeit für sein soeben bekundetes Verständnis, darum kam seine Kritik ihr gerade recht. »Wenn du dich entschlossen hast, weiterhin hier zu arbeiten, solltest du ein bisschen mehr über deine Rolle hier lernen, okay?«, erwiderte sie.

Wie zuvor ihr Vater wirkte Alan getroffen. Es freute sie, dass ihre Worte ihn schmerzten.

»Ich weiß, dass du wütend bist«, erwiderte er. »Was ich nicht verstehe, ist das Warum. Nicht das Warum der Wut selbst, sondern das Warum der Furcht, die dahintersteckt. Diese Furcht begreife ich nicht. Ich hab's versucht. Ich hab letzte Nacht stundenlang wach gelegen und versucht, es zu verstehen.«

»Du Ärmster.«

»Kerra, das alles sieht dir überhaupt nicht ähnlich. Wovor hast du solche Angst?«

»Vor gar nichts«, gab sie zurück. »Ich habe überhaupt keine Angst. Du versuchst, über Dinge zu reden, die du nicht verstehst.«

»Dann hilf mir, sie zu verstehen!«

»Das ist nicht mein Job«, sagte sie. »Ich habe dich gewarnt.«

»Du hast mich davor gewarnt, hier zu arbeiten. Das hier — du, das, was mit dir passiert und was mit Santo passiert ist — hat nichts mit meiner Stellung hier zu tun.«

Sie lächelte freudlos. »Bleib nur noch ein Weilchen. Dann wirst du schon noch herausfinden, was alles zu deiner Stellung gehört, falls du das nicht schon längst weißt. Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich würde gerne losfahren. Ich bezweifle, dass du noch hier bist, wenn ich zurückkomme.«

»Kommst du heute Abend rüber?«

Sie zog die Brauen in die Höhe. »Ich glaube, dieser Teil unserer Beziehung ist vorbei.«

»Was soll das heißen? Irgendetwas ist passiert seit gestern. Mal ganz abgesehen von Santo. Irgendetwas ist passiert.«

»Oh, das weiß ich.« Sie stieg aufs Rad, legte den geeigneten Gang ein, um die steile Auffahrt zu bewältigen, und fuhr in Richtung Stadt.

Sie nahm die südöstliche Flanke des St. Mevan Down, wo das ungemähte Gras sich unter dem Gewicht der Regentropfen bog und ein paar Hunde umhertollten, dankbar für die Regenpause. Auch sie war dankbar und beschloss, in Richtung Polcare Cove zu fahren. Sie hatte keineswegs die Absicht, die Stelle aufzusuchen, wo Santo gestorben war, aber wenn der Zufall sie dorthin verschlagen sollte, würde sie es als eine Fügung des Schicksals betrachten. Eigentlich wollte sie der Strecke überhaupt keine Beachtung schenken. Einfach radeln, so schnell sie konnte, abbiegen, wenn ihr danach war, und geradeaus fahren, wann immer sie wollte. Doch sie wusste, sie brauchte irgendetwas, was ihr die nötige Energie für diesen Kraftakt verschaffte, darum hielt sie rechter Hand an der Ecke Burn View Lane bei der Großbäckerei Casvelyn of Cornwall an einem riesigen Betrieb, der Restaurants, Geschäfte, Pubs und kleinere Bäckereien entlang der ganzen Küste mit den herzhaften Pasteten belieferte, für die Cornwall so berühmt war. Im hinteren Teil befand sich die beinahe fabrikgroße Bäckerei, die zehn Bäcker beschäftigte, vorne der Laden, wo zwei Verkäuferinnen bedienten.

Kerra lehnte ihr Rad ans Schaufenster ein beeindruckendes Monument aus Pasteten, Brotlaiben, Törtchen und süßen Brötchen. Während sie eintrat, entschied sie sich für eine Steak-und-Bier-Pastete, die sie auf der Fahrt stadtauswärts vertilgen wollte.

An der Ladentheke gab sie ihre Bestellung bei einem jungen Mädchen auf, dessen gewaltige Oberschenkel die Vermutung nahelegten, dass es nur allzu häufig selbst von seiner Ware kostete. Die Pastete wurde eingetütet und der Preis gerade in die Kasse getippt, als die zweite Verkäuferin mit einem Blech frischen Gebäcks für die Glastheke in den Laden trat. Kerra hörte, wie die rückwärtige Tür zufiel, und schaute auf. In dem Moment, als sie die junge Frau mit dem Tablett entdeckte, blickte diese in Kerras Richtung. Ihr Schritt stockte. Sie stand mit ausdrucksloser Miene da, das Blech vor sich ausgestreckt.

»Madlyn«, sagte Kerra. Erst viel später ging ihr auf, wie dämlich sie sich anhörte. »Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest.«

Madlyn Angarrack ging zu einer der Glastheken, öffnete und befüllte sie mit den frischen Teigtaschen. Sie fragte das andere Mädchen, das dabei war, Kerras Pastete zu verpacken: »Was für eine ist das, Shar?« Ihre Stimme klang barsch.

»Steak und Bier.« Es war Kerra, die antwortete. Und dann: »Madlyn, ich habe vor kaum zwanzig Minuten mit Cadan über dich gesprochen. Wie lange bist du schon…«

»Gib ihr eine von denen hier, Shar. Die sind frischer.«

Shar blickte von Madlyn zu Kerra, als nähme sie die Witterung der Spannung auf, die plötzlich im Raum lag, und fragte sich, woher sie kam. Doch sie tat, worum Madlyn gebeten hatte.

Kerra ging einen Schritt auf Madlyn zu, die ihre Ware in Reih und Glied anrichtete. »Seit wann arbeitest du hier?«

Madlyn warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Was interessiert dich das?« Sie ließ die Tür der Glastheke geräuschvoll zuschnappen. »Würde das irgendetwas für dich ändern?« Mit dem Handrücken strich sie sich die Haare aus dem Gesicht. Sie waren kurz geschnitten, dunkel und lockig. Die kupferfarbenen Strähnen, die die Sommersonne im vergangenen Jahr hineingebleicht hatte, waren verschwunden. Kerra ging auf, wie ähnlich Madlyn und Cadan sich sahen. Die gleichen Locken, der gleiche dunkle Teint, dunkle Augen, die gleiche Gesichtsform. Mit den Kerne-Geschwistern verhielt es sich hingegen völlig anders. Äußerlich wie auch in jeder anderen Hinsicht waren Kerra und Santo vollkommen verschieden gewesen.

Der plötzliche Gedanke an Santo zwang Kerra, heftig zu blinzeln. Sie wollte ihn nicht nicht in ihren Gedanken und ganz sicher nirgendwo in der Nähe ihres Herzens. Madlyn verstand dies als Reaktion auf ihre Frage und deren feindseligen Tonfall, denn sie fügte hinzu: »Ich habe das mit Santo gehört. Tut mir leid, dass er abgestürzt ist.«

Doch es klang förmlich, so als erfüllte sie lediglich eine Pflicht. Darum erwiderte Kerra schonungsloser, als sie es sonst vielleicht getan hätte: »Er ist nicht abgestürzt. Er wurde ermordet. Die Polizei war eben da, um es uns zu sagen. Als er gefunden wurde, wussten sie es nicht gleich. Man konnte es nicht sehen.«

Madlyns Mund öffnete sich, und ihre Lippen formten die erste Silbe des Wortes ermordet, aber sie sprach es nicht aus, sondern fragte nur: »Warum?«

»Weil sie erst noch seine Ausrüstung untersuchen mussten. Unter dem Mikroskop oder so. Ich schätze, den Rest kannst du dir denken.«

»Ich meinte, warum sollte irgendwer Santo ermorden?«

»Ich kann kaum glauben, dass ausgerechnet du diese Frage stellst.«

»Willst du etwa sagen…« Madlyn stemmte das leere Backblech auf ihre Hüfte. »Wir waren befreundet, Kerra.«

»Ich glaube, ihr wart sehr viel mehr als befreundet.«

»Ich rede nicht von Santo. Ich meine dich und mich. Wir waren Freundinnen. Enge Freundinnen. Man könnte sagen, beste Freundinnen. Wie kannst du nur glauben, ich würde je…«

»Du hast unsere Freundschaft beendet.«

»Ich hatte eine Beziehung mit deinem Bruder. Das war alles, was ich getan habe. Punkt.«

»Tja.«

»Und von da an hast du alles bestimmt. Niemand ist mit meinem Bruder zusammen und gleichzeitig meine Freundin. Das war deine Position. Nur hast du das nicht einmal klar und deutlich gesagt. Du hast einfach einen Schnitt mit einer rostigen Schere gemacht, und das war's dann. Wenn jemand etwas tut, was dir nicht passt, ist es aus mit der Freundschaft.«

»Es war zu deinem Besten.«

»Ach wirklich? Was genau? Plötzlich abgeschnitten zu sein von… von einer Schwester? Denn das warst du für mich, eine Schwester, kapiert?«

»Du hättest…« Kerra wusste nicht, wie sie fortfahren sollte. Sie verstand auch nicht, wie sie an diesen Punkt gelangt waren. Es stimmte, sie hatte mit Madlyn reden wollen. Darum war sie zu Cadan gegangen und hatte ihn nach seiner Schwester gefragt. Aber die Unterhaltung, die sie in ihrer Fantasie mit Madlyn Angarrack geführt hatte, war eine völlig andere als die, welche sich nun hier entwickelte. Ihre Fantasieunterhaltung hatte beispielsweise nicht vor einer Zeugin stattgefunden, die ihren Streit mit der gierigen Aufmerksamkeit verfolgte, die normalerweise eine Mädchenschlägerei auf dem Schulhof begleitete.

Kerra sagte leise: »Es ist nicht so, als hätte ich dich nicht gewarnt.«

»Wovor?«

»Davor, worauf du dich mit meinem Bruder eingelassen hast…« Kerra sah zu Shar hinüber, deren Augen ein Glitzern angenommen hatten, das einen schier aus der Fassung bringen konnte. »Du weißt genau, was ich meine. Ich habe dir gesagt, wie er war.«

»Aber was du mir nicht gesagt hast, war, wie du warst. Wie du bist. Gehässig und rachsüchtig. Sieh dich doch an, Kerra. Hast du überhaupt geweint? Dein Bruder ist tot, und da stehst du, als wäre nichts, und radelst fröhlich durch die Gegend.«

»Du raufst dir auch nicht gerade die Haare«, konterte Kerra.

»Wenigstens wollte ich nicht, dass er stirbt.«

»Wirklich nicht? Warum arbeitest du hier? Was ist mit der Farm?«

»Ich hab auf der Farm gekündigt, okay?« Ihr Gesicht hatte sich gerötet. Der Griff, mit dem sie das Backblech umklammerte, war jetzt so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Bist du jetzt glücklich, Kerra? Hast du erfahren, was du wissen wolltest? Ich hab die Wahrheit rausgekriegt. Und willst du wissen, wie ich das angestellt habe? Er hat natürlich behauptet, er wäre immer ehrlich zu mir gewesen, aber als es zu dieser Sache kam… Ach, verschwinde einfach. Raus hier!« Sie hob das Blech, als wollte sie es werfen.

»Hey, Madlyn…«, begann Shar nervös. Vermutlich hatte sie noch nie gesehen, zu welchem Zorn Madlyn Angarrack fähig war, dachte Kerra. Zweifellos hatte Shar noch nie ein Päckchen geöffnet und darin Fotos von sich mit abgeschnittenem Kopf gefunden, Fotos, auf denen ihre Augen mit einer Bleistiftspitze ausgestochen waren. Oder handgeschriebene Briefe und Geburtstagskarten, einst liebevoll aufbewahrt, aber jetzt mit Kot beschmiert. Einen Zeitungsartikel über die Cheftrainerin von Adventures Unlimited, auf den mit Rotstift die Worte "Dreck" und "Scheiße" geschmiert waren. Ohne Absenderadresse, aber die war auch gar nicht nötig gewesen. Ebenso wenig wie irgendein Begleitschreiben, waren die Absichten der Absenderin doch durch den Inhalt der Sendungen offensichtlich.

Diese Eigenschaft ihrer einstigen Freundin war ein weiterer Grund, warum Kerra mit Madlyn Angarrack hatte sprechen wollen. Kerra hatte ihren Bruder vielleicht gehasst, aber irgendwie hatte sie ihn auch geliebt. Es hatte nichts damit zu tun, dass Blut dicker war als Wasser. Aber es hatte auf alle Fälle etwas mit Blut zu tun.

Загрузка...