Ohne zu wenden oder den Kurs um auch nur einen Strich zu ändern, rauschte Argonaute an dem treibenden französischen Zweidecker vorbei, und bei jedem widerhallenden Abschuß ging ein heftiger Ruck durch ihren Rumpf. Die Geschützführer waren so gut bei der Sache, daß jedes Kanonenpaar feuerte wie ein einzelnes Stück.
Bolitho wankte und wäre beinahe ausgerutscht, als das Deck unter einem besonders hohen Brecher in Schräglage ging. Seine Nüstern blähten sich im beißenden Rauch, der Kanonendonner ließ seine Ohren singen. Keen wischte sich das Gesicht, als die letzten Geschütze an ihren Taljen binnenbords liefen und die Männer eifrig auswischten und nachluden.
Der Franzose war schwer beschädigt worden; qualmende schwarze Narben in seiner Bordwand zeugten von der Genauigkeit des sorgsam gezielten Feuers. Ein paar französische Kanonen erwiderten den Angriff, und eine Kugel schlug dicht über der Wasserlinie in den Rumpf der Argonaute wie eine gepanzerte Faust.
Keen sah aus schmalen Augen zu, wie der Franzose erst die Breitfock und dann das Großmarssegel setzte. Seine Mannschaft befolgte zwar die Befehle, aber das Schiff lag fast quer zu Wind und Seegang und war verzweifelt bemüht, dem Angreifer seine Schmalseite zu bieten.
«Achtung! In der Aufwärtsbewegung!«rief Keen. Dann schaute er für den Bruchteil einer Sekunde Bolitho an und sah ihn so, wie er ihn in Erinnerung hatte: kerzengerade, dem Feind zugekehrt, auch wenn er ihn nicht sehen konnte.»Volle Breitseite!«Dies mochte ihre letzte Chance sein. Undeutlich bekam er die spanische Korvette zu sehen, die nun weit achteraus lag, ein hilfloser, verblüffter Zuschauer.
Weitere Kugeln schlugen in ihre Bordwand ein, und irgendwo schrie ein Mann gequält auf.
Keen hob den Degen. Die Sonne blendete ihn, ihm traten Tränen in die Augen.
«Feuer!»
Als die Pfeifen schrillten und die Bramstengen dippten, donnerte die Breitseite mit solcher Wucht aus dem Rumpf, daß sie das Gefühl hatten, auf Felsen gelaufen zu sein.
Überall Rauch und verkohlte Ladepfropfen, aber Keen sah das feindliche Schiff erbeben und in Schräglage gehen, als es von der vollen Salve getroffen wurde. Schanzkleid und Takelage flogen in alle Richtungen, und fallende Trümmer und aufschießende Gischt hüllten den Rumpf ein.
«Zündloch stopfen! Auswischen! Laden!«Pagets Stimme übertönte den Wind und das Quietschen der Taljen.
Allday sagte in einer plötzlichen Pause:»Wir haben ihn verkrüppelt, Sir! Fast alle Segel sind durchschossen!»
Bolitho, der befürchtete, wieder das Gleichgewicht zu verlieren, hielt sich an der Reling fest. Er glaubte, selbst über diese Entfernung den Einschlag der Breitseite gehört zu haben.
«Gehen Sie näher ran. Kapitän Keen!«befahl er knapp.
«Mehr Steuerbord, Mr. Fallowfield!«Keen verstummte, als Kugeln in den Rumpf krachten und am Vorschiff Hängematten aus den Finknetzen flogen.
«Das war ein Kettenschuß!«schrie Keen und warf dem Master einen Blick zu.»Näher heran!»
Männer eilten an die Brassen, während andere auf dem oberen Batteriedeck wie die Teufel mit Handspaken und Taljen arbeiteten, Läufe richteten, ihr Ziel auffaßten.
«Feuer!»
Wieder donnerte eine Breitseite heraus. Bolitho hörte jemanden einen Hochruf ausstoßen.»Ihr Besanmast ist weg!«rief Allday.»Sie versuchen zu wenden, damit wir sie nicht durchs Heck der Länge nach beschießen können!»
Bolitho griff sich ein Fernrohr und preßte es ans rechte Auge. Die Witze über den einäugigen Nelson vor Kopenhagen kamen ihm nun längst nicht mehr so komisch vor. Er sah, wie sich der unscharfe Umriß des französischen Schiffes verkürzte, als die Argonaute auf es zuhielt, bis ihr Bugspriet direkt auf die Poop wies.
Der andere Kommandant hatte die Lage noch nicht ganz unter Kontrolle gebracht, als Argonautes zweite Breitseite einschlug und sein Schiff vom Bug bis zum Heck bestrich. Anstatt sein Wendemanöver fortzusetzen, verfiel er nach Lee. Sein Heck war in herabgefallene Spieren und Segel gehüllt, hier und da feuerten aus seiner lädierten Bordwand ein paar Geschütze unkoordiniert, und winzige Blitze über seinem Schanzkleid zeigten, daß Scharfschützen sich wehrten.
«Kurs halten!»
Keen ging in die Hocke, um durch die Rauchwolken zu spähen. Er sah den Wasserleichter kentern und Männer und Fässer in die See kippen. Angesichts seines durchlöcherten Rumpfes war es ein Wunder, daß er überhaupt so lange schwimmfähig geblieben war. Auf der anderen Seite des Linienschiffes hatte ein weiteres kleines Fahrzeug, eine Yawl, abgelegt und versuchte sich zu entfernen, um nicht das Schicksal des Leichters zu teilen.
Keen faßte einen Entschluß.»Mr. Fallowfield, gehen Sie auf Backbordbug!«Der Franzose lag immer noch quer zum Wind und wurde von den Trümmern der Takelage, die er längsseits mitschleppte, am Manövrieren gehindert. Der zerschmetterte Leichter sank rasch, und Keen erkannte, daß er durch seine Bugleine noch mit dem Linienschiff verbunden war. Doch Keen, der schon an vielen Gefechten teilgenommen hatte, wußte, wie rasch das Glück sich wenden konnte. Der französische Kommandant hatte trotz der Katastrophe, die ihn unvorbereitet ereilt hatte, einen kühlen Kopf bewahrt und sich die Zeit genommen, seine Stückmannschaften mit Kettenkugeln laden zu lassen. Eine gutgezielte Salve davon mochte eine entscheidende Spiere aus ihrem Rigg reißen — und über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Befehle wurden gebrüllt, und wieder hievten die Männer an den Brassen. Bolitho spürte den Luftzug einer vorbeisausenden Kugel, hörte einen Aufschlag und etwas, das wie ein Keuchen klang, als das Geschoß einem Seesoldaten den halben Schädel wegriß und ihn von den Netzen schleuderte. Seine Kameraden verließen ihre Posten, als die Achterwache an die Brassen des Besanmastes gepfiffen wurde. Das Schiff holte stark über und begann auf dem entgegengesetzten Bug zu segeln.
Keen trat zu Bolitho und schrie, um den Lärm zu übertönen:»Der Feind kann Sie sehen, Sir! Ziehen Sie meinen Rock über!»
Bolitho klammerte sich an ein Want und schüttelte den Kopf.»Ich will gesehen werden!«Weitere Kugeln zischten an ihm vorbei, klatschten auf der anderen Seite in die Hängematten oder fuhren krachend in die Decksplanken. Bo-litho spürte Zorn in sich aufwallen, jede Vernunft und Vorsicht vertreiben. Keen verstand ihn nicht. Als Halbblinder fürchtete er sich davor, seinen Halt loszulassen und sich wie jeder andere Mann, der seine fünf Sinne beisammen hatte, so zu bewegen, daß er ein möglichst schlechtes Ziel bot. Mit seinen schimmernden Epauletten war er eine Herausforderung für jeden feindlichen Scharfschützen, aber er riskierte lieber einen Treffer, als noch einmal das Gleichgewicht zu verlieren.
Drei Donnerschläge — das französische Schiff erwiderte das Feuer.
Bolitho hob das Fernrohr. Es war schwer und mit einer Hand nicht leicht zu stabilisieren. Jäh sah er das französische Linienschiff groß und scharf umrissen an Steuerbord aufragen. Keens Wendemanöver hatte die Distanz verringert. Nun gab es für den französischen Kommandanten keine Chance mehr, das Gefecht abzubrechen, zu wenden und zu fliehen.
Er sah das verletzliche Heck des Feindes größer werden, hervorgehoben durch die Lücke, die der gefallene Besan-mast gerissen hatte.
«Wir passieren mit einer knappen Schiffslänge Abstand, Sir«, sagte Keen grimmig.
Ein Ausguckposten wartete auf eine Feuerpause und rief dann heiser:»Schiffe an Backbord, Sir!»
«Ein Offizier aufentern!«rief Keen. Er duckte sich und hustete, als eine Kugel durch die Netze fetzte und Hängematten in alle Richtungen schleuderte. Wäre nicht der Kurs geändert worden, hätten dort in dichter Reihe Seesoldaten gestanden.
Ein Schiffsjunge, ein Kind noch, der vorgebeugt mit frischen Kugeln für den Neunpfünder auf dem Achterdeck angerannt kam, wurde getroffen, als er das Geschütz erreichte. Die entsetzte Bedienungsmannschaft fand sich jäh blutbespritzt, als die Kugel den Jungen so sauber mitten entzweiriß, daß die Beine noch weiterzulaufen schienen, als der Rumpf schon auf den Planken lag.
«Kurs Nordost zu Ost, Sir!»
«Ziel auffassen!»
Keen winkte zum Vorschiff, obwohl die Bedienungsmannschaft der Karronade kaum der Ermunterung bedurfte. An jedes Geschütz waren zusätzliche Männer abkommandiert worden, abgezogen von den nicht beteiligten Kanonen der Backbordbatterie.
Weitere Schüsse jaulten über sie hinweg, und mehrere Segel tanzten, als plötzlich Löcher in ihnen klafften und Trümmer der Takelage klappernd über Netze und Seitendecks fielen.
Hauptmann Bouteiller brüllte:»Orde, schalten Sie diese Scharfschützen aus!»
Eine Drehbasse knallte. Bolitho fühlte das Deck unter seinen Füßen zittern und wußte, daß eine Kugel ihn fast erwischt hätte. Trotzdem rührte er sich nicht. Der Feind sollte ihn sehen, sollte wissen, wer ihm das angetan hatte.
Eine Stimme drang durch den Lärm.»Es sind Spanier, Sir!»
Bolitho hörte Keen Befehle brüllen. Spanier also, in der Nähe stationierte Schiffe, die den Angreifer aus ihren Gewässern vertreiben wollten.
«Feuer!»
Ein heftiger Ruck fuhr durch das Schiff, als die Karronade auf kürzeste Distanz ins Heck des Feindes feuerte.
Es war ein Volltreffer. Das gesamte verzierte Heck schien nach innen einzubrechen, als die schwere Granate unter der Poop explodierte, ihren Geschoßhagel in die Geschützbedienungen jagte und das mit Menschen gefüllte Deck in ein Schlachthaus verwandelte.
Als die Argonaute langsam und unerbittlich das zerstörte Heck des Gegners querte, feuerte sie wieder eine mörderische Breitseite ab. Auf dem unteren Batteriedeck hatte man irgendwie Zeit gefunden, Doppelkugeln zu laden, als wisse jeder Stückmeister, daß dies ihre letzte Chance war, ehe die Argonaute vom auffrischenden Wind entweder gegen den Feind oder an ihm vorbeigetrieben wurde.
Keen sah betroffen zu, wie die Großbramstenge des Feindes weggerissen wurde und ein Kanonenrohr auf dem unteren Batteriedeck des Franzosen in einem Feuerball explodierte. Entweder hatte ein verängstigter Matrose vor dem Nachladen das Auswischen vergessen, oder die Kanone war zu alt gewesen.
Keen rief:»Die Spanier werden uns in einer Stunde erreichen, Sir. Sollen wir das Gefecht abbrechen?»
Weitere Schüsse donnerten aus dem unteren Batteriedeck der Argonaute. Die schweren Zweiunddreißigpfünder richteten auf dem anderen Schiff, das nun steuerlos zu treiben schien, schreckliche Verwüstungen an.
Als Bolitho keine Antwort gab, fuhr Keen herum aus Sorge, ein Scharfschütze könnte seinen Admiral getroffen haben. Doch Bolitho schaute zu dem anderen Schiff hinüber und hielt dabei den Kopf schräg, als könne er so klarer sehen.
«Dieses Schiff wird lange kampfunfähig bleiben, Sir«, ergänzte Keen.»Hat es die Flagge gestrichen?»
Keen starrte ihn an. Er erkannte Bolithos Stimme kaum wieder; sie war barsch, gnadenlos.»Nein, Sir.»
Bolitho blinzelte, als eine feindliche Kugel durch die Wanten fuhr und ein Mann so schrill aufschrie wie eine gepeinigte Frau.
«Es darf nie wieder kämpfen. Führen Sie das Gefecht fort. «Er hielt Keen, der sich hastig entfernen wollte, am Arm fest.»Wenn wir abbrechen, geht der Franzose hier vor Anker und repariert. Aber ich will, daß dieses Schiff total zerstört wird.»
Keen nickte. Ihm schwirrte der Kopf vom Krachen der Kanonen, dem aufgeregten Rufen der Marinesoldaten, und er empfand Übelkeit, als er Blut an der Bordwand des Feindes herablaufen sah; er konnte sich das Grauen unter Deck gut vorstellen.
Paget, die Augen hell im rauchgeschwärzten Gesicht, schaute fragend zu ihm auf.
Keen machte eine Kopfbewegung, und Sekunden später fetzte wieder eine Breitseite heraus, kalkuliert und mit Bedacht. Kaum ein Geschütz erwiderte das Feuer. Durchs Fernrohr sah Keen, wie der Fockmast des Franzosen zu kippen begann.
Er winkte Stayt, der sich ein Sprachrohr schnappte und gelenkig in die Wanten des Besanmastes kletterte.
«Abandonnez! Gebt auf!»
Doch nur Musketenfeuer antwortete ihm.
Die Segel der Argonaute schlugen und fingen erneut den Wind ein, als Fallowfield sie um das treibende, entmastete Wrack herumsteuerte. Keen warf Bolitho einen raschen. Blick zu, doch dessen Ausdruck blieb unerbittlich.
Keen hob den Degen und dachte an das Mädchen, das tief unter seinen Füßen im Laderaum Schutz gesucht hatte, und an die Leichen, die an den Geschützen herumlagen. Jemand hatte eine zerfetzte Persenning über den Schiffsjungen geworfen, der von der feindlichen Kanonenkugel entzweigerissen worden war.
Inzwischen war es kein Gefecht mehr. Der Feind erinnerte Keen an ein hilfloses wildes Tier, das auf den Gnadenstoß wartete.
Der nächste Stückmeister beobachtete ihn, die Abzugsleine schon gespannt.»Klar zum Feuern!«Er hörte, wie der Befehl durch Pfeifsignale zum unteren Batteriedeck weitergegeben wurde, und machte sich auf die Breitseite gefaßt.
«Weiße Flagge, Sir!«rief jemand.
Keen schaute zu Bolitho hinüber und erwartete fast doch noch die Order zum Abfeuern der Breitseite.
Bolitho spürte den Blick. Er konnte von Keen nur einen verschwommenen Umriß erkennen, das Blau und Weiß der Uniform, sein blondes Haar. Rauch und Anstrengung ließen sein Auge brennen, doch seine Stimme klang beherrscht:»Die Franzosen sollen das Schiff verlassen. Dann versenken Sie es.»
Paget rief:»Starke Rauchentwicklung, Sir. Er muß Feuer gefangen haben.»
Bolitho wartete, bis das Deck waagrecht war, und ging dann zur Querreling. Er hörte schwache Rufe von dem anderen Schiff und roch schwelende Takelage, die den Franzosen jeden Augenblick in ein Inferno verwandeln konnte.
«Der Krieg ist kein Spiel, Val«, sagte er leise,»und auch kein Ehrenhandel für Freund oder Feind. «Sein Ton verhärtete sich.»Denken Sie an die Supreme. Da gab es kein Pardon für den armen Hallowes. Jetzt gebe auch ich keins. «Er machte kehrt und ging auf die andere Seite, rutschte dabei in einer Blutlache aus. Hier war ein Seesoldat von einer Kugel gefällt worden, die Bolitho nur um eine Handbreit verfehlt hatte.
Paget schrie:»Nein, die Yawl hat Feuer gefangen, Sir!»
Keen hob das Fernrohr und sah das kleinere Schiff vom Zweidecker wegtreiben. Anstatt den Versuch zu unternehmen, die Flammen zu löschen, sprangen die Männer zu seinem Erstaunen ins Wasser.
Bolitho, der die eifrigen Spekulationen auf dem Achterdeck mitangehört hatte, sagte scharf:»Nehmen Sie sofort Fahrt auf! Diese Yawl muß Pulver geladen haben!»
Pfeifen zwitscherten, und die Männer hasteten wieder auf ihre Posten. Andere legten auf den Rahen über den durchlöcherten Segeln aus, als sich das Schiff langsam dem einladenden Horizont zuwandte.
Die Explosion kam wie ein Vulkanausbruch. Sie überraschte die Männer und erschütterte den Rumpf, als wolle sie ihre Rache bis hin zur Argonaute tragen.
Die ihnen abgewandte Seite des Zweideckers war der vollen Wucht der Explosion ausgesetzt. Schon als das Wasser wieder ins Meer zurück zu stürzen begann wie ein zerfetzter Vorhang, hatte das Kriegsschiff Schlagseite. Die Explosion, bei der die Yawl so gründlich zerstört worden war, daß noch nicht einmal eine treibende Spiere an sie gemahnte, mußte das Unterwasserschiff des Zweideckers eingedrückt haben.
Keen schaute hin und konnte die jähe Katastrophe kaum begreifen. Ein wenig näher, und Argonaute hätte das Schicksal ihrer Gegnerin geteilt.
Bolitho überquerte das Achterdeck und blieb stehen, um sich den stummen Offizieren zuzuwenden.
«Damit ist uns eine Mühe erspart, Gentlemen.»
Der Rauch hatte seinem Auge so übel mitgespielt, daß er ihre Gesichter kaum erkennen konnte. Doch ihre Bestürzung spürte er auch so, und sie bereitete ihm Genugtuung. Auf dem Weg nach unten, von Allday gestützt, dachte er an Keens ungläubigen Tonfall, als er ihm befohlen hatte, das Gefecht weiterzuführen. In diesem Augenblick hatte er mehr als nur Zorn empfunden, mehr als die Schmerzen, die ihn fast geblendet hätten. Nein, es war Haß gewesen. Etwas Weißglühendes, Gnadenloses, das ihn fast dazu bewogen hätte, eine weitere Breitseite zu befehlen. Der Feind war längst geschlagen gewesen, als ein Verzweifelter an einem Bootshaken die weiße Flagge gehißt hatte. Argwöhnisch, fast furchtsam dachte er darüber nach. Also Haß. Dieses Gefühl war ihm bisher so fremd gewesen wie Feigheit.
Das Deck neigte sich, und als der Wind das neugesetzte Großbramsegel blähte, entfernte sich die Argonaute von dem sterbenden Schiff und den treibenden Überlebenden. Zumindest sie würden von den Spaniern gerettet werden.
Keen hatte Bolithos Gesicht beobachtet und die Wirkung seiner kaltschnäuzigen Bemerkung auf die jungen Offiziere.
Er kannte seinen Admiral in fast jeder Situation und liebte ihn mehr als jeden anderen Mann. Aber manchmal war er ihm ein Fremder.
Tuson wischte sich die Finger an einem Lappen ab und musterte Bolitho streng.
«Wenn Sie so weitermachen, Sir Richard, kann ich Ihre Genesung nicht länger garantieren.»
Er rechnete mit einer scharfen Entgegnung, aber zu seinem Schrecken schien Bolitho überhaupt nicht zugehört zu haben. Er war an die Heckfenster getreten und starrte apathisch ins glitzernde Kielwasser.
Durch das Schiff hallten Hammerschläge, und Taljen quietschten, als neues Tauwerk zu den Rahen hinaufgehievt wurde, um während des Gefechts beschädigtes zu ersetzen.
Die Atmosphäre an Bord war fast unbeschwert. Man hatte einen Sieg errungen. Fünf Männer waren gefallen, zwei schwer verwundet. Den Rest hatte Tuson als leichtverletzt bezeichnet. Die Heftigkeit ihres Angriffs hat die Verluste niedriger gehalten, als Bolitho zu hoffen gewagt hatte. Er hatte Tusons Warnung verstanden; aber es war sinnlos, Einwände zu erheben.
Durch die dicke Scheibe sah er den dunstigen Umriß der Icarus, deren Großsegel in der Mittagssonne fast weiß leuchtete. Rapid war voraus auf Station, und abgesehen von den Reparaturen und fünf Seebestattungen wies nichts darauf hin, daß sie einen französischen Zweidecker versenkt hatten. Keen hatte festgestellt, daß der Name des Schiffes Calliope war, ehe die Karronade sein Heck zu Kleinholz gemacht hatte.
«Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sir…«fuhr Tu-son fort.
Bolitho schaute in seine Richtung.»Sie sind ein guter Arzt. Aber was können Sie mir schon raten? Beim Gehen verliere ich das Gleichgewicht wie ein betrunkener Matrose, und ich kann kaum einen Mann vom anderen unterscheiden. Was wollen Sie mir dagegen raten?»
«Trotz allem haben Sie ein Gefecht gewonnen, Sir.»
Bolitho wies nach oben zum Skylight.»Die Männer haben es gewonnen, nicht ich.»
«Sie könnten einen Stellvertreter anfordern«, Tuson sprach trotzig weiter, auch als Bolitho wütend herumfuhr,»und sich daheim von einem Facharzt behandeln lassen.»
«Ich werde Nelson nicht um einen Gefallen bitten. Die Franzosen kommen heraus, das weiß ich genau.»
«Und was soll aus dem Mädchen werden?»
Bolitho lehnte sich zurück und spürte die Sonne durch das Glas heiß auf seiner Brust.
«Ich werde Vorkehrungen für sie treffen.»
Tuson lächelte.»Sie wollen mich nicht mit hineinziehen, wie?»
Es klopfte an, und Keen betrat die Kajüte. Er war in den drei Tagen seit dem Gefecht fast unablässig auf den Beinen gewesen.
«Geht es Ihnen gut, Sir?«fragte er Bolitho. Bolitho wies auf einen Stuhl.»Jedenfalls nicht schlechter.»
Keen sah, daß Bolithos Fuß nervös wippte. »Rapid hat ein Schiff im Südwesten gemeldet, Sir. Ein kleines, das sich unter vollen Segeln nähert.«»Aha.»
Keen war bemüht, seine Besorgnis zu verbergen. Bolitho wirkte so uninteressiert. Alles Feuer, alle Entschlossenheit, die er bei der Vernichtung des Franzosen gezeigt hatte, schien verschwunden zu sein.
Der Posten rief:»Midshipman der Wache, Sir!»
Keen seufzte und ging zur Tür.»Na, was ist, Mr. Hickling? Spannen Sie uns nicht auf die Folter.»
Der Junge zog eine Grimasse und versuchte, sich an den genauen Wortlaut der Meldung zu erinnern.
«Empfehlung von Mr. Paget, Sir. «Sein Blick glitt an Keen vorbei in die Kajüte, wo sich Bolithos Umriß vor den Heckfenstern abhob. Hickling war erst dreizehn und hatte während des Gefechts auf dem unteren Batteriedeck mit ansehen müssen, wie ein Mann von Splittern zerrissen wurde. Trotzdem wirkt er unverändert, dachte Keen.
Hickling fuhr fort:»Das Schiff ist als die Brigg Firefly identifiziert worden, Sir.»
Bolitho kam wankend auf die Beine und rief:»Ist er ganz sicher?»
Hickling beobachtete seinen Admiral neugierig und ohne Ehrfurcht. Dafür war er einfach noch zu jung.»Mr. Paget meint ja, Sir Richard.»
Bolitho legte dem Midshipman die Hand auf die Schulter.»Eine gute Nachricht. «Hickling starrte die Hand an und wagte sich nicht zu rühren, als Bolitho hinzufügte:»Leutnant Paget hat Ihr Verhalten unter Feuer sehr gelobt. Gut gemacht, Mr. Hickling.»
Der Midshipman eilte fort, und Keen sagte leise:»Das war sehr freundlich von Ihnen, Sir. Nicht jeder hätte sich die Mühe gemacht.»
Er sah Bolitho zur Sitzbank zurückkehren und merkte, daß er bedächtig einen Fuß vor den anderen setzte, als wolle er die Bewegungen des Schiffes ertasten, einer Falle ausweichen.
Bolitho wußte, daß Keen ihn beobachtete. Aber wie könnte ich meinen Kummer teilen? dachte er. Wie kann ich ihm sagen, daß ich außer mir vor Sorge bin? Haß, Rachsucht, Kaltblütigkeit sollten in meinem Leben keine Rolle spielen, und dennoch.
«Ich mache mir die Mühe, weil ich nicht vergessen habe, wie ich mich in seinem Alter fühlte, Val. Getreten und schikaniert, von keinem geachtet, keiner vertraute mir — ein gutes Wort hätte da einen gewaltigen Unterschied gemacht. «Er schüttelte den Kopf.»Ich hoffe nur, daß ich das nicht vergesse.»
Der Schiffsarzt hatte seine Tasche gepackt und verabschiedete sich. An der Tür schaute er Keen an.»Da der junge Mr. Bolitho im Anmarsch ist, hoffe ich, daß wir in dieser schwierigen Situation bald einen Verbündeten bekommen.»
Bolitho zog die Stirn kraus.»Unverschämtheit!»
Keen schloß die Tür.»Was er sagt, hat Hand und Fuß.»
In jäher Erkenntnis fuhr Bolitho zusammen. Adam wußte nichts von seiner Verletzung. Wie würde er es aufnehmen?
«Ihr Neffe ist stolz auf Sie, Sir«, meinte Keen sanft, als hätte er seine Gedanken gelesen.»Und ich bin es auch.»
Bolitho gab keine Antwort und starrte noch immer achteraus, als Keen sich entfernte.
Oben nickte Keen seinen Offizieren zu und schaute zum klaren Himmel auf. Es war schön, aber kühl. Er trat an die Querreling und blickte hinab in die Kühl, den Marktplatz, wie er es nannte. Der Segelmacher und seine Gehilfen waren darin mit ihrem Handwerk beschäftigt, flickten und verstärkten. Bootsmann und Schiffszimmermann berieten über die Holzvorräte, und starker Teergeruch lag in der Luft.
Doch Keen dachte an das Nachspiel des Gefechts. An die Erleichterung, als er Zenoria wieder in den Armen hielt, an das unglaubliche Glück, das einer dem anderen bedeutete. Sie hatte das Gesicht an seiner Brust vergraben, als er sie so fest umarmte, daß er durch das Hemd hindurch die Narbe auf ihrem Rücken spürte.
Die letzte, fürchterliche Explosion war durch den Laderaum gefahren wie ein Donnerschlag, hatte Ozzard berichtet. Zenoria habe seine und Millies Hand gehalten und mehr Mut bewiesen als sie beide zusammen.
Keen erblickte Allday an den inzwischen wieder eingesetzten Booten. Wütend reckte er den Kopf bis auf eine Handbreit vor das Gesicht des Zweiten Bootsführers. Das sah übel aus. Wie den Arzt begann auch Keen Bankarts Anwesenheit zu stören.
«An Deck! Schiff Backbord voraus!»
Keen warf Paget einen Blick zu und nickte. Firefly hätte zu keinem günstigeren Augenblick eintreffen können. Der junge Hickling konnte nicht ahnen, wie willkommen seine Meldung gewesen war.
Firefly brachte Nachrichten aus der Heimat, vielleicht einen Brief für den Admiral. Aus London konnte noch nichts eingetroffen sein, was Zenoria anging. Aber zumindest war die Sache in die Wege geleitet, Krieg hin oder her. Er dachte an sie in seinen Armen, wie selbstverständlich sich das angefühlt hatte.
Paget betrachtete ihn und wandte sich zufrieden ab.
Der Kommandant sah glücklich aus. Das mußte jedem Ersten Offizier nur recht sein.
Bolitho erhob sich, als vertraute Geräusche durchs Skylight drangen. Die Männer waren an die Brassen gerufen worden. Das Flaggschiff bereitete sich zum Beidrehen vor und zum Empfang des Kommandanten der Brigg.
Wie gern hätte er an der Schanzkleidpforte gestanden, wenn Adam an Bord kam. Doch das war Keens Privileg — ein Kommandant begrüßte den anderen. Aber er wußte, daß er nicht nur aus Tradition fernblieb. Er hatte auch Angst vor dem, was sein Neffe denken und sagen mochte, wenn er ihn zu Gesicht bekam.
Allday trat aus der Schlafkabine und hielt ihm den Rock hin. Bolitho war so in Gedanken, daß er Alldays finstere Laune nicht spürte. Vielleicht ein Brief von Belinda…
Er hob den Kopf, als Pagets Stimme übers Deck schallte.
Das Ruder der Argonaute wurde gelegt, und sie schwang mit laut killendem Tuch in den Wind, schwankte eine Zeitlang heftig, bis die verbliebenen Segel aufgegeit waren.
Einen Augenblick lang hatte er Adams Brigg durch die wassertriefenden Fenster gesehen, ihre Flagge als kleinen Farbfleck im Wind. Er fragte sich, ob Fireflys Eintreffen von einem ungesehenen Fischerboot bemerkt, ob ihr Auftrag bereits einem Spion in Gibraltar oder Verräter in London bekannt geworden war.
Allday musterte ihn stumpf. Er konnte es nicht ertragen, seinen Admiral so hilflos und unsicher zu sehen. Er hatte versucht, ihn mit seinem Körper zu decken, als sie den Franzosen angriffen, weil Bolitho einfach dagestanden hatte, unfähig oder nicht bereit, sich in Deckung zu begeben.
«Schön, Adam wiederzusehen, auch wenn es nur für kurze Zeit ist«, sagte Bolitho.»Inch stößt in ein paar Tagen zu uns, und dann machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach Jobert!»
Allday nahm den alten Degen von der Wand. Er haßte Jobert, weil er Bolitho so zugerichtet hatte.
Pfeifen trillerten, die Seesoldaten präsentierten ihre Musketen. Aber es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Yovell die äußere Tür öffnete. Bolitho kam Adam ein paar Schritte entgegen, bemüht, an einer Stelle zu bleiben, von der aus er an einem Tisch oder Stuhl Halt finden konnte.
Doch es kamen zwei Besucher, nicht nur einer.
Bolitho ergriff Adams Hände und merkte, daß sein Neffe bereits Bescheid wußte.
«Wie geht's, Onkel?«Adam versuchte nicht, seine Besorgnis zu verbergen.
«Nicht übel. «Er wollte das Thema wechseln.»Du vernachlässigst deine Pflicht. Wie heißt unser Gast?»
«Mr. Pullen«, erwiderte Adam betreten.»Von der Admiralität.»
Der Mann hatte einen knochigen Händedruck.»Unterwegs nach Malta, Sir Richard. «Es hörte sich an, als lächelte er.
«Bitte nehmen Sie Platz. Allday, geh Ozzard holen. «Er wußte, daß Adam ihn anstarrte, um die Schwere seiner Verletzung abzuschätzen.
«Und was führt Sie hierher, Mr. Pullen?»
Der Mann machte es sich bequem. Er war ganz in Schwarz wie eine Krähe, fand Bolitho und kehrte dem Licht den Rücken zu, da er wußte, daß sie so nur seinen Verband zu sehen bekamen und sonst nichts.
«Ich habe mich in Malta im Auftrag von Admiral Sir Hayward Sheaffe um gewisse Angelegenheiten zu kümmern, Sir Richard.»
Bolitho rang sich ein Lächeln ab.»Geheime Angelegenheiten, nicht wahr?»
«Gewiß, Sir Richard. «Als Ozzard mit einem Tablett herbeigeeilt kam, sagte er:»Vielen Dank, Wein mit Wasser genügt mir.»
«Ich hätte dich gern gesprochen, Onkel«, sagte Adam.
Bolitho entnahm seinem Ton, daß etwas nicht stimmte.»Kann das nicht warten?«fragte er.»Ich bin sehr beschäftigt.»
Pullen zog einen Umschlag hervor und legte ihn auf den Tisch. Bolitho starrte ihn an, fühlte sich in die Enge getrieben, denn er konnte nicht lesen.»Darf ich auch Sie um Geduld bitten?»
Der Mann zuckte die Achseln.»Ich kann mir vorstellen, daß Sie alle Hände voll zu tun haben, Sir Richard. Schließlich haben Sie ein Gefecht hinter sich, auch wenn man das dem Schiff kaum ansieht.»
Bolitho unterdrückte eine jähe Gereiztheit.»Wir haben einen französischen Zweidecker versenkt. «Mehr sagte er nicht.
«Vorzüglich. Sir Hayward wird sich freuen. «Pullen musterte sein Glas mit verdünntem Wein.»Ich belästige Sie nur ungern, Sir Richard. Aber die Angelegenheit ist wichtig. Man hat mich ersucht, Ihren Flaggkapitän aufzufordern, in Malta umgehend vor einem Untersuchungsausschuß zu erscheinen.»
Kein Wunder, daß Adam versucht hatte, ihn zu warnen.»Zu welchem Zweck?«fragte Bolitho gelassen.
«Aus zwei Gründen, wie ich höre, Sir Richard«, meinte Pullen selbstgefällig.»Er verhielt sich unklug, indem er einen Verbannungsbefehl mißachtete und eine Frau — «, er betonte das Wort, als sei es eine Obszönität —»aus dem Gewahrsam entfernte. Ich nehme an, daß er für seine Handlungen, wie fehlgeleitet sie auch sein mögen, eine Erklärung hat, muß aber darauf hinweisen…»
«Wer hat diese Anschuldigung erhoben?»
Pullen seufzte.»Es ging eine schriftliche Anzeige ein, Sir Richard. Aber Ihnen sollte die Angelegenheit keinen Anlaß zur Sorge bieten. Es handelt sich nur um einen lästigen Zwischenfall.»
«Sie sind impertinent, Sir«, sagte Bolitho leise.»Diese Frau wurde mißhandelt und ausgepeitscht! Kapitän Keen tat nur seine Pflicht.»
«Das ist nicht von Belang, Sir Richard.»
Bolitho starrte ihn an und erwiderte:»Wir sind hier auf einem Schlachtfeld, Mr. Pullen, nicht in einem sicheren und bequemen Büro. Hier habe ich die Befehlsgewalt. Wenn ich Sie ergreifen und halb totpeitschen lassen würde, dürfte niemand meinen Befehl in Frage stellen. «Er hörte, wie der Mann scharf Luft holte.»Es könnte Monate dauern, bis mich jemand zur Rechenschaft zieht. Würden Sie auch das als einen >lästigen Zwischenfall bezeichnen?»
Pullen schluckte.»Ich wollte Sie nicht beleidigen, Sir Richard.»
«Das haben Sie aber getan! Glauben Sie vielleicht, ich sehe tatenlos zu, wie der Name eines mutigen Offiziers wegen dieser Absurdität in den Schmutz gezogen wird?»
Pullen beugte sich vor. Sein Selbstvertrauen kehrte zurück.»Dann ist an der ganzen Sache also nichts Wahres dran?»
«Darauf brauche ich nicht zu antworten.»
Pullen erhob sich und stellte sein noch volles Glas auf den Tisch.»Nicht mir, Sir. Aber Sie werden dem Befehl entnehmen, daß Sie zusammen mit Ihrem Flaggkapitän vorgeladen sind.»
Bolitho starrte ihn an.»Ich soll diese Station verlassen? Wissen Sie, was Sie da sagen? Haben Sie denn keine Vorstellung von den Absichten des Feindes?»
«Für Erwägungen dieser Art bin ich nicht zuständig, Sir Richard. «Pullen verbeugte sich knapp.»Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich mich nun zurückziehen, während Sie Ihre Entscheidung treffen.»
Lange Zeit blieb Bolitho stocksteif unterm Skylight stehen. Das Ganze war nur ein böser Traum. Wie die Schatten vor seinen Augen mußte er bald verfliegen.
Adam sagte bitter:»Ich hatte keine Ahnung davon, Onkel. Warum hast du mir nichts von dieser Frau gesagt?«Er zögerte.»Es darf keinen Klatsch geben.»
Bolitho ergriff seinen Arm.»Sie ist hier an Bord, Adam. Wenn dieser Widerling der Sache einen so unanständigen Anstrich geben konnte, ist mehr Schaden angerichtet worden, als ich dachte. Es handelt sich um ein braves, tapferes Mädchen, das wegen einer falschen Beschuldigung in die Verbannung geschickt wurde. Und das werden wir beweisen.»
Die Tür ging auf, und Keen kam mit bleichem Gesicht herein.
«Aber bis uns das gelungen ist, kommt sie in Eisen auf ein Sträflingsschiff«, sagte er und schaute Adam an.»Ich liebe sie, müssen Sie wissen. Ich liebe sie mehr als mein Leben.»
Adam schaute von einem zum anderen, spürte sofort Keens Aufrichtigkeit und das Mitgefühl seines Onkels.
«Pullen ist Kartenspieler«, meinte Adam. Beide starrten sein dunkles Gesicht an, das nun grimmig geworden war.»Ich könnte ihn des Falschspiels bezichtigen und zum Duell fordern.»
Bolitho trat zu ihm und packte ihn an den Schultern.
«Nein. Wir haben schon genug Ärger. Laß deinen Degen stecken. «Er drückte seine Schultern.»Aber du bist ein Prachtkerl.»
«Ich habe einen Brief von Lady Belinda für dich«, sagte Adam bedrückt und hielt Bolitho den Umschlag hin.»Und ich weiß, weshalb du Pullens Papiere nicht gelesen hast. «Diese Erkenntnis schien ihn zu schockieren.
«Mußt du sofort weiter?«fragte Bolitho.
«Aye. «Als Adam den Kopf senkte, fiel ihm das widerspenstige Haar in die Stirn.»Ich hörte, daß John Hallowes gefallen ist, Onkel. Er war mein Freund.»
«Ich weiß. «Gemeinsam gingen sie zur Tür.»Ausgerechnet jetzt, da ich hier am meisten gebraucht werde, muß ich wegen dieser dummen Affäre das Geschwader verlassen. Bis zu meiner Rückkehr übergebe ich Inch das Kommando. «Er schaute Keen an.»Keine Angst, ich lasse das Mädchen nicht im Stich.»
Adam folgte Keen hinaus und sah Pullen an der Pforte warten. Wer steckt hinter diesen Anschuldigungen? fragte er sich. Daß sie auf Wahrheit beruhten, fand er weniger wichtig.
Er grüßte die Ehrenkompanie und sah dann Keen an.
«Sie haben meine Loyalität, Sir. «Er berührte seinen Degen.»Und meine Waffe auch, wenn Sie sie brauchen. «Dann folgte er Pullen ins Boot.
Keen wartete, bis die Gig angerudert hatte, und ging dann hinüber zu seinem Ersten Offizier.»Wir setzen Segel, sobald der Admiral einen Brief zur Firefly geschickt hat.»
Pullen hatte offensichtlich als Beobachter bis Malta an Bord bleiben wollen, um sich dann am Ziel in einen Kerkermeister zu verwandeln. Bolithos Drohungen hatten ihn wohl umgestimmt. Nun würde er sie dort mit noch verschärfter Feindseligkeit erwarten.
«Ich finde das Ganze sehr bedauerlich, Sir. «Paget zuckte unter Keens scharfem Blick zusammen, wich aber nicht zurück.»Uns tut das allen leid. Es ist nicht fair.»
Keen senkte den Blick.»Vielen Dank. Ich glaubte, es sei genug, im Krieg tapfer zu kämpfen. Aber offenbar gibt es Leute, die meinen, es stünde uns besser an, uns gegenseitig an die Kehle zu springen.»
Ein Boot trug Bolithos hastig diktierten Brief hinüber zur Brigg, und als die Nacht hereinbrach, war Firefly bereits hinter der Kimm verschwunden.
Keen ging auf dem Achterdeck auf und ab und starrte in den roten Sonnenuntergang. Firefly hatte also doch nur schlechte Nachrichten gebracht.