Die Residenz des britischen Marinebefehlshabers auf Malta, dem Schiffe, Lagerhäuser und Werften unterstanden, war ein imposantes Gebäude.
Nach den staubigen Straßen und der grellen Sonne fand Bolitho den Raum, in den er geführt wurde, angenehm und kühl. Ein hohes Fenster öffnete sich zum Hafen und bot Aussicht auf die dicht an dicht liegenden Schiffe und die kreuz und quer verlaufenden Kielwasser der Beiboote am Beginn eines neuen Arbeitstages.
Bolitho dachte an die Brigg Lord Egmont, die jetzt unter vollen Segeln schon auf dem Weg nach Gibraltar sein mußte. Das aber würde sie wegen des Fiebers ohne Aufenthalt passieren und erst auf der Carrick-Reede in Sichtweite des Bolithoschen Hauses Anker werfen. Er entsann sich auch der kleinen Achterkajüte der Brigg und ihres Kapitäns Isaac Tregidgo, der ihm am Tisch gegenübergesessen hatte.
Tregidgo hatte ein Gesicht wie ein verwitterter Holzklotz, faltig und narbig nach Jahren auf See. Er war selbst unter den Handelskapitänen von Falmouth eine Legende. Stürme, Fieber, Piraten und Krieg, der Alte hatte alles überlebt. Er muß über siebzig sein, dachte Bolitho, der ihn schon sein Leben lang kannte.
Selbst seine Begrüßung war typisch gewesen.»Dann setz dich mal, Dick. «Er hatte breit gegrinst, als Bolitho seinen Bootsmantel fallen ließ.»Wie ich höre, bist du sogar geadelt worden. Für mich bleibst du aber der junge Dick!»
Bolitho hatte Zenorias Bewegungen nebenan gehört. Ihr stand kaum mehr als ein Kabinett zur Verfügung, aber dort war sie sicher.
Der Kapitän hatte ihn neugierig gemustert.»Hätte mir doch denken sollen, daß du was im Schilde führst, Admiral hin oder her. Aber keine Sorge, Dick. Meine Mannschaft ist zwar ein rauher Verein, aber auf so kurzen Überfahrten nehme ich oft meine Enkel mit. Und die Männer hüten sich vor denen!«Er hatte grimmig die Faust geschüttelt.»Wenn ich einen dabei erwische, daß er sie belästigt, kriegt er Streifen aufs Hemd!»
Eine Bewegung der Brigg ließ Tregidgo zur Decke blinzeln.»Der Wind steht günstig. Aber nicht für dich, was, Dick?«Dann hatte er den Kopf abgewandt, um sich sein Mitleid nicht anmerken zu lassen.»Aber der Herr wird's schon richten.»
Zenoria hatte verlegen mit dem Rock der Fähnrichsuniform und der Seitenwaffe in der Hand die Kajüte betreten.
«Behalten Sie wenigstens die Schuhe. «Bolitho ergriff ihre Hände.»Mr. Hickling wird sie nicht vermissen. Denken Sie daran, Sie müssen ein Junge bleiben, bis Sie nach Fal-mouth kommen.»
Sie beobachtete ihn mit jenem verschleierten Blick, der ihm als erstes an ihr aufgefallen war. Er wirkte wie eine unausgesprochene Frage. Noch immer wußte er nicht genau, wie er sie beantworten sollte.
«Ich schicke Sie zu meiner Schwester Nancy. Sie wird wissen, was zu tun ist. Ihr Mann ist der Gutsherr und Amtsrichter.»
«Aber, Sir, er wird mich.»
«Nein. Ich habe zwar nicht besonders viel für ihn übrig, aber in diesem Fall wird er mich nicht im Stich lassen.»
Er legte ihr seinen Mantel um und wandte sich zur Tür.
«Danke. Ich werde Sie nie vergessen, Sir Richard.»
Er sah Tränen in ihren Augen. Trotz ihres kurzgeschorenen Haares und des zerknitterten Hemdes schien sie ihm schöner als je.»Ich Sie auch nicht, tapfere Zenoria.»
An Deck hatte ihn der verwirrte Hickling erwartet. In Begleitung eines Kameraden war Hickling an Bord gekommen, doch allein würde er das Schiff wieder verlassen. Bo-litho hatte ihm Rock und Seitenwaffe gereicht. Hickling drohte keine Gefahr, was auch geschehen mochte. Niemand konnte einem schlichten Midshipman blinden Gehorsam gegenüber seinem Vizeadmiral vorwerfen.
Am Schanzkleid sagte der alte Tregidgo:»Wie ich höre, dient einer der jungen Stayts unter dir, Dick.»
Bolitho lächelte.»Ja. «In Cornwall blieb nichts lange geheim. Nur die Steuereinnehmer fanden sich vom Nachrichtenstrom abgeschnitten.
In der Dunkelheit hatte Tregidgo zum Skylight gewiesen.
«Na, dann ist sie bei mir auf jeden Fall besser dran.»
«Wieso?»
«Tja, ihr Vater war doch in den Aufstand bei Zennor verwickelt, bei dem ein Mann umkam. Stayt war der Amtsrichter und hat ihren Vater aufhängen lassen. Komisch, daß sein Sohn nichts davon erwähnt hat.»
Darüber hatte Bolitho nachgedacht, als er ins Boot gestiegen war und Allday befohlen hatte, zunächst den Kai anzusteuern. Keen würde ihn sofort nach seiner Rückkehr sprechen wollen, und er brauchte Zeit zum Überlegen.
Wachtposten hatten ihm den Zugang zur Werft versperrt, bis er den Mantel abwarf und sie seine Epauletten erkannten. Allday hatte besorgt auf jeden seiner Schritte geachtet, nur für den Fall, daß er das Gleichgewicht verlor und fiel.
Bei dem Dock, in dem Supreme lag, brannten einige Laternen, in deren schwachem Schein sie fast wie früher aussah.
«Gehen Sie an Bord?«fragte Allday.
«Nein. «Ob er es wegen seines Zustands oder der bösen Erinnerungen halber unterließ, konnte er nicht sagen. Doch er schritt weiter über das holprige Pflaster, bis er das Heck sehen konnte und die Stelle, wo die Kugel eingeschlagen und ihn niedergerissen hatte.
Nun, da er in der Sonne am Fenster stand, schien die Supreme Teil eines nächtlichen Albtraumes zu sein, schrek-kenerregend, aber nicht mehr von Belang. Wieder fiel ihm ein, was Tregidgo über Stayt gesagt hatte. Auf dem Weg zum Oberbefehlshaber war Bolitho mehrere Male versucht gewesen, Stayt direkt darauf anzusprechen. Seinem Flaggleutnant mußte klar sein, daß das Mädchen nicht mehr an Bord war, obwohl Bolitho ihn während der fraglichen Zeit mit der Barkasse an Land geschickt hatte, um seinen guten Ruf zu schützen und zu verhindern, daß er in die Affäre mit hineingezogen wurde. Oder war es schon zu spät? War der Argwohn bereits gesät?
Zwei Lakaien rissen die hohe Doppeltür auf, und Bolitho wandte sich dem Mann zu, der die Öffnung fast ausfüllte: Sir Marcus Laforey, Admiral der Blauen Flotte, war von einer Leibesfülle, die selbst seine makellose Uniform nicht verbergen konnte. Er hatte geschwollene Augenlider und einen breiten Mund, und als er sich mit Mühe zu einem Sessel begab, stellte Bolitho fest, daß eines seiner Beine verbunden war: Gicht, die Plage mancher Admirale.
Admiral Laforey ließ sich behutsam in den Sessel sinken und verzog schmerzlich das Gesicht, als ihm ein Lakai sachte ein Kissen unter den Fuß schob. Im Sitzen sieht er aus wie eine übellaunige alte Kröte, dachte Bolitho.
Der Admiral wedelte mit seinem Taschentuch.»Nehmen Sie Platz, Bolitho. «Seine schweren Lider hoben sich, als er ihn kurz abschätzte.»Unangenehme Sache, was?»
Bolitho setzte sich und gewann den Eindruck, daß sein Sessel bewußt in einiger Distanz aufgestellt worden war.
Laforey hatte einen Landposten nach dem anderen bekommen und seit der Vorkriegszeit kein Schiff mehr kommandiert. Er sah verbraucht und obszön aus, und Malta war vermutlich sein letzter Posten. Den nächsten würde er im Himmel antreten.
«Habe Ihren Bericht gelesen, Bolitho. Prächtig, Ihre Versenkung des französischen Zweideckers. Wird Jobert zu denken geben, was?»
Bolitho packte den Griff seines Degens fester. Da sein Sessel zum Fenster gekehrt stand, konnte er sein Gegenüber nur undeutlich sehen. Er starrte über die fette Schulter des Admirals hinweg und sagte:»Ich glaube, daß die Franzosen bald auslaufen werden, Sir. Jobert plant wahrscheinlich ein Ablenkungsmanöver, damit sich die Hauptflotte aus Toulon wegstehlen kann. Das Ziel wäre dann Ägypten oder die Meerenge von Gibraltar.»
Laforey grunzte.»Reden Sie mir bloß nicht von Gibraltar! Wegen dieses verdammten Fiebers darf nichts und niemand dort an Land. Der Felsen ist wie ein gestrandetes Schiff, dauernd geht bei den Einwohnern oder beim Militär irgendeine Seuche um. «Er fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn.»Und guter Wein wird knapp. Hier gibt's kaum noch was anderes als den spanischen Dreck, verdammt!»
Er hat mir überhaupt nicht zugehört, dachte Bolitho.
Laforey rührte sich.»Tja, dann kommen wir mal zu dieser Untersuchung.»
«Mein Flaggkapitän wird angeklagt…»
Laforey wackelte mit einem breiten Zeigefinger.»Nein, mein Bester, niemand klagt ihn hier an! Das werden womöglich andere zu tun haben. Aber das Ganze ist doch nur eine Formsache. Die Einzelheiten habe ich zwar nicht gelesen, doch mein Flaggkapitän und dieser Mr. Pullen aus London versichern mir, daß das Verfahren nur Stunden, nicht Tage, dauern wird.»
Bolitho sagte gelassen:»Kapitän Keen ist der wahrscheinlich beste Offizier, der je unter mir gedient hat, Sir Marcus. Er hat seinen Mut und sein Können unzählige Male unter Beweis gestellt. Meiner Auffassung nach hat er das Zeug zum Admiral.»
Laforey hob wieder die Lider. Die kleinen Augen darunter waren kalt und mitleidslos.
«Bißchen jung. Wir haben heutzutage manchen unerfahrenen Springinsfeld, nicht?«Er warf einen Blick auf seinen verbundenen Fuß.»Wenn ich meine Flagge über der Kanalflotte hissen könnte statt hier in diesem, diesem. «Er sah ärgerlich in die Runde,»dann kämen diesen Muttersöhnchen bald die Tränen!«Er wollte sich vorbeugen, doch sein Schmerbauch hinderte ihn daran.»So, Bolitho, was ist nun eigentlich wirklich passiert?«Er sah Bolitho forschend an.»Er hat eine Frau nötig gehabt, stimmt's?»
Bolitho stand auf.»Ich weigere mich, in diesem Ton über meine Offiziere zu sprechen, Sir Marcus.»
Laforey wirkte überraschenderweise erfreut.»Wie Sie wollen. Das Tribunal tritt morgen zusammen. Wenn Kapitän Keen Vernunft beweist, werden Sie ohne weitere Verzögerung wieder auslaufen können. Wir erwarten einen Geleitzug, und ich kann Unfähigkeit wie alles, was das Leben hier noch unerträglicher macht, nicht ausstehen. «Er sah zu, wie Bolitho aufstand.»Wie ich höre, sind Sie verwundet worden, Sir Richard. «Weiter ließ er sich dazu nicht aus.»Aber das gehört wohl zu unserem Dienst.»
«In der Tat, Sir. «Bolitho konnte sich den ironischen Ton kaum verkneifen.»Und es wird noch sehr viel mehr Verwundete geben, wenn es den Franzosen gelingt, ihre Flotten zu vereinigen.»
Laforey zuckte die Achseln.»Ich fürchte, ich muß die Unterhaltung mit Ihnen beenden. Mein Tag ist zu ausgefüllt. Manchmal frage ich mich, ob man sich bei der Admiralität und in Whitehall des Ausmaßes meiner Verantwortung überhaupt bewußt ist.»
Die Besprechung war vorüber.
Bolitho ging durch den Korridor und sah einen Lakai mit einem Tablett, auf dem zwei Karaffen und nur ein Glas standen, zu dem Raum schreiten, den er gerade verlassen hatte. Der Admiral war im Begriff, seine Verantwortung voll wahrzunehmen, dachte er bitter.
Stayt erwartete ihn in der Empfangshalle. Als er sah, wie Bolitho hinaus über den Hafen schaute, sagte er:»Sie erkundigten sich nach der Benbow, Sir. Sie ist hier von Grund auf überholt worden.»
«Und wessen Flagge hat sie gehißt?»
«Ich dachte, Sie wüßten es, Sir: Sie ist Konteradmiral Herricks Flaggschiff.»
Bolitho wandte sich ab, um seine Gefühle nicht zu verraten. Nun war das Muster komplett. Er ahnte, was kommen würde, noch ehe Stayt sagte:»Konteradmiral Herrick wird im Untersuchungsausschuß den Vorsitz führen, Sir.»
«Ich werde ihn aufsuchen.»
«Das wäre vielleicht unklug, Sir. «Stayts tiefliegende Augen beobachteten ihn ruhig.»Es könnte falsch ausgelegt werden.»
Von Thomas Herrick, seinem besten Freund, der mehr als einmal sein Leben für ihn gewagt hatte? Er konnte Herricks Augen vor sich sehen, klar und blau, gelegentlich trotzig, zu leicht verletzt, aber stets ehrlich. Ehrlich? Das Wort kam ihm bei dieser Intrige wie Hohn vor.
«Wie ich hörte, Sir, erwartet Sie an Bord ein Schreiben«, sagte Stayt.»Sie brauchen bei dem Verfahren nicht zugegen zu sein, Ihre schriftliche Aussage genügt.»
Bolitho fuhr zu ihm herum und sagte scharf:»Werden Sie ebenfalls eine abfassen?»
Stayt hielt seinem Blick stand.»Auch mich hat man als Zeugen vorgeladen, Sir.»
Bolitho war, als sei er in einem Netz gefangen, das stündlich enger zugezogen wurde.
«Ich werde persönlich zugegen sein, darauf können Sie sich verlassen!»
Stayt folgte ihm hinaus in den staubigen Sonnenschein und blieb auf der Freitreppe überm Hafen stehen, als Bolitho fragte:»Dachten Sie vielleicht, ich würde das schweigend hinnehmen?»
«Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, Sir.»
Bolithos Auge brannte, aber das lag am Zorn, nicht an seiner Verletzung.
«Vorerst nicht. Sie können abtreten. Kehren Sie an Bord zurück.»
Er schritt auf den Kai zu, wo Allday bei seiner Barkasse stand. Stayt mochte ein anderes Boot benutzen.
Die Bootsgasten standen auf und legten grüßend die Hände an die Hüte, als sie ihn erblickten.
«Zur Benbow, bitte«, sagte Bolitho.
Allday ließ sich keine Überraschung anmerken. Herrick war hier. Es war normal, daß sich die beiden trafen, ganz gleich, was andere davon halten mochten.
«Platz da!»
Die grüne Barkasse glitt durch das belebte Hafenwasser, und andere Boote hoben die Ruder oder wichen aus, um den Flaggoffizier vorbeizulassen.
Bolitho saß steif im Heck. Nur seine Augen bewegten sich, als er sich auf vertraute Dinge konzentrierte, Masten und Takelwerk, Seevögel und kleine Wolken über der Festung.
Zur Hölle mit Laforey und seiner trunkenen Indolenz, dachte er, und zur Hölle mit allen, die ihm diese Sache angehängt hatten. Er sah erst zum Schlagmann und dann in die Reihe gebräunter Gesichter. Sie wußten alle Bescheid. Vermutlich wußte die ganze Flotte Bescheid. Aber Bolitho war das nur recht.
Ihm gingen vage Gedanken durch den Kopf — an Belindas Brief, an Stayts kühles Verhalten, als er die Vorladung erwähnte, an Inch und die Männer des Geschwaders, die von ihm erwarteten, daß er über menschliche Regungen erhaben war. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß er sich gegen das Diktat der Obrigkeit auflehnte. Er lächelte verbittert. Der alte Bolitho, der seinen Söhnen immer das strenge Vorbild eines Marineoffiziers gewesen war, hatte sich während einer Belagerung in der Karibik einmal mit dem ranggleichen Kommandeur der Seesoldaten entzweit. Kapitän James Bolitho löste das Problem, indem er den Soldaten wegen Verletzung seiner Dienstpflicht sistieren ließ und dann eine Schlacht begann, die siegreich endete. Hätte er sie verloren, wäre die Marinetradition der Familie zu Ende gewesen, dessen war Bolitho sicher.
Allday murmelte:»Stolz sieht sie aus, Sir Richard.»
Die mit vierundsiebzig Geschützen bestückte Benbow bot in der Tat einen prächtigen Anblick: frisch getrieben, das geteerte Rigg wie schwarzes Glas, Rahen gekreuzt, Segel sauber aufgetucht. Alle Stückpforten standen offen, und es fiel Bolitho nicht schwer, sich ihren furchteinflößenden Donner vor Kopenhagen und später im Kampf gegen das Eingreifgeschwader der Franzosen vorzustellen. Immer wieder plagte ihn die Erinnerung an seine Kriegsgefangenschaft in Frankreich und seine Flucht. Allday war damals an seiner Seite gewesen und hatte den sterbenden John Neale, dessen Schiff untergegangen war, getragen. Ja, im tiefen Rumpf der Benbow ruhten viele Erinnerungen.
Die Barkasse rauschte in weitem Bogen heran, und er sah, wie die Ehrenwache antrat. Sein unerwartetes Eintreffen mußte ihnen Beine gemacht haben. Abermals lächelte Bolitho. Falsch — Herrick mußte eigentlich mit ihm gerechnet haben.
Die Benbow schien bereit zum Auslaufen. Nur noch wenige Hafenboote lagen längsseits, und an nur einer Talje wurde Fracht in schwankenden Netzen zu den Männern auf dem Seitendeck hochgehievt.
«Halte das Boot klar, Allday«, murmelte Bolitho.»Es wird nicht lange dauern.»
Sein Blick fiel kurz in Alldays sonnenbeschienenes Gesicht, als der Bootsführer die schnittige Barkasse behutsam auf die Großrüsten zusteuerte. Bolitho sah mit Entsetzen, wie verkniffen die kräftigen Züge des Mannes waren, und schämte sich, weil er dessen Sorgen um seinen Sohn vergessen hatte.
«Riemen hoch!«Die fahlen Ruder hoben sich triefend, die Blätter perfekt ausgerichtet. Allday hatte seine Leute gut gedrillt. Dann das Fallreep hinauf zum durchdringenden Gezwitscher der Bootsmannspfeifen, zum Rhythmus der Trommeln und Querpfeifen. Tonwolken schwebten wie weißer Staub über den Marinesoldaten, als sie ihm zu Ehren die Waffen präsentierten. Und da kam auch schon Thomas Herrick mit strahlendem Gesicht herbeigeeilt und ließ die Förmlichkeit verwehen wie Pfeifenton.
«Kommen Sie nach achtern, Sir Richard«, rief Herrick. Er lächelte schüchtern.»An den Titel habe ich mich noch nicht ganz gewöhnt.»
Ich auch nicht, dachte Bolitho, als sie unter die vertraute Poop schritten. Hier hatten Männer die Waffen gegeneinander erhoben und waren gefallen. Dort oben hatten Kugeln Matrosen und Seesoldaten umgemäht, und wo nun zwei kleine Kadetten aufmerksam dem Sailing Master lauschten, war er selbst getroffen worden.
In der Achterkajüte war es warm, obwohl Fenster und Skylight weit offenstanden. Herrick eilte geschäftig umher.»Hier stinkt es nach Farbe und Teer wie auf der Werft von Chatham!»
Ein Kabinensteward stellte Pokale auf ein Tablett, und Bolitho, dem das Hemd bereits am Leib klebte, setzte sich unters Skylight. Er sah Herrick voller Zuneigung an. Sein Haar war nun graumeliert, und er wirkte fülliger, was vermutlich am Eheleben und den Kochkünsten seiner Dulcie lag. Doch sonst sah er so aus wie früher: die gleichen klaren blauen Augen und die forschende Neugier, wenn er seinen Freund ansah, der früher einmal sein Kommandant gewesen war in einem Krieg, in dem Meuterei eine ärgere Bedrohung darstellte als der Feind.
«Ich habe den jungen Adam gesehen, als er hier war, Richard.»
Bolitho nahm einen Pokal vom Tablett. Roter Bordeaux. Mit Herricks Beförderung war auch sein Geschmack besser geworden.
«Eine schöne Brigg«, fuhr Herrick fort.»Als nächstes bekommt er eine Fregatte, wie er es sich immer erträumt hat. Falls er keine Schwierigkeiten kriegt. «Er machte eine Pause und blickte jäh besorgt drein.»Na, dann trinken wir mal auf dich, mein Freund, und bleibe Fortuna dir treu.»
Bolitho griff nach seinem Pokal, verfehlte ihn aber und streifte ihn mit der Stulpe. Der Wein floß über den Tisch wie Blut, und als Herrick und der Steward ihm zu Hilfe eilen wollten, sagte Bolitho:»Schon gut, ich komme allein zurecht!«Das klang schärfer als beabsichtigt, deshalb setzte er rasch hinzu:»Entschuldige, Thomas.»
Herrick nickte langsam und schenkte ihm neu ein.
«Ich habe natürlich von deiner Verwundung gehört, Richard, und war schockiert. «Er beugte sich vor und schaute Bolitho zum ersten Mal direkt an.»Aber ich kann keinen Schaden erkennen, außer vielleicht.»
Bolitho senkte den Blick.»Aye, Thomas, außer vielleicht — das sagt alles. «Er leerte den Pokal, ohne es überhaupt zu merken.»So, und nun zu dieser Untersuchung, Thomas.»
Herrick lehnte sich zurück und musterte ihn ernst.»Die Verhandlung findet morgen hier statt.»
«Das ist doch alles Mumpitz, Thomas. «Bolitho wäre am liebsten aufgestanden und auf- und abgegangen, wie er es in dieser Kajüte so oft getan hatte.»Mein Gott, du kennst Valentine Keen doch. Er ist ein vorzüglicher Charakter und inzwischen ein hervorragender Kommandant.»
«Natürlich habe ich ihn nicht vergessen. Schließlich sind wir oft genug miteinander zur See gefahren. «Herrick wurde ernst.»Über die Verhandlung kann ich nicht sprechen, Richard, aber du hast dieses schmutzige Geschäft ja schon selbst erledigen müssen und verstehst das bestimmt.»
«Nur zu gut. Mein Flaggleutnant hat mir gleich von diesem Besuch abgeraten.»
Herrick beobachtete ihn besorgt.»Da hatte er recht. Jeder Kontakt zwischen uns könnte als Absprache gedeutet werden. Schließlich sind wir alle Freunde.»
Bolitho starrte zornig aus den Fenstern.»Wirklich? Ich frage mich langsam. «Herricks verletzter Blick entging ihm.»Als meine Flagge auf der Benbow wehte und du das Kommando hattest, war der junge Keen Kommandant der Nicator.«Hastig fuhr er fort:»Als wir dann nach Westindien fuhren und um diese verdammte Insel kämpften, gab Val ein größeres Schiff auf, um die Achates, einen kleinen Vierundsechziger, zu übernehmen, weil ich ihn gebeten hatte, mein Flaggkapitän zu sein.»
Herrick packte die Tischkante.»Ich weiß, Richard, ich weiß. Doch das ändert nichts an der Tatsache, daß wir hier eine Verhandlung zu führen haben. Ohne den entsprechenden Befehl würde ich kein Wort mehr darüber verlieren.»
Bolitho war bemüht, sich zu entspannen. Seit seiner Verwundung schien ihm jeder Zwischenfall, jedes Problem direkt unter die Haut zu gehen. Er griff nach seinem Pokal und merkte, daß Herrick mit Absicht nicht hinsah, nur für den Fall, daß er ihn wieder umstieß.
«Ich werde persönlich erscheinen«, sagte er.»Ich habe nicht die Absicht, eine schriftliche Aussage einzureichen, als wäre das nur eine zweitrangige Angelegenheit. Die Zukunft meines Flaggkapitäns ist in Gefahr, und ich denke nicht daran, tatenlos zuzusehen, wie er von Feinden, über deren Namen ich nur Vermutungen anstellen kann, verleumdet wird!»
Herrick winkte seinen Steward hinaus. Dann sagte er beherrscht:»Es war nicht recht von Keen, eine verurteilte Strafgefangene von einem Schiff zu entfernen. Die Tatsache, daß es sich um eine junge Frau handelt, erschwert noch den Fall.»
Bolitho stellte sich das schmutzige Sträflingsschiff und die junge Zenoria an der Gräting vor. Das Mädchen würde für den Rest seines Lebens die Narbe auf dem Rücken tragen. Es hätte sterben müssen, wenn Keen nicht gewesen wäre. Niemand hatte damals voraussehen können, welche Folgen dieser Zwischenfall haben würde.
«Wenn es sich um einen gewöhnlichen männlichen Gefangenen gehandelt hätte. «meinte Herrick.
«Aber das war eben nicht der Fall, Thomas. Sie wurde fälschlich beschuldigt und zu Unrecht verbannt. Mein Gott, Mann, man wollte sie wegen ihres Vaters aus dem Weg schaffen!»
Herrick rutschte unter Bolithos zornigem Blick unbehaglich auf seinem Stuhl herum.»Andere sagen aber…»
Bolitho stand auf.»Wenn du wieder mal an Dulcie schreibst, richte ihr bitte meine besten Grüße aus.»
Auch Herrick war jetzt auf den Beinen.»Bitte geh nicht im Zorn, Richard!»
Bolitho atmete tief, um sich wieder zu fassen, ehe er vor die Ehrenwache trat.
«Wer wird sonst noch zugegen sein? Kannst du mir wenigstens das verraten?«Er verbarg seine Verbitterung nicht.
Herrick erwiderte:»Admiral Sir Marcus Laforey und sein Flaggkapitän. «Abrupt fügte er hinzu:»Ist diese Frau noch auf der Argonaute?».
Bolitho griff nach seinem Hut.»Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Thomas. «Er ging durch die Tür.»Das könnte als Absprache ausgelegt werden.»
Bolitho wußte, diese Bemerkung war unfair, aber im Augenblick stand mehr auf dem Spiel als nur Worte. Seine und Keens Karriere waren auch dann gefährdet, wenn kein negatives Urteil erging, denn das Gerücht würde sich rasch verbreiten. Dem mußte Einhalt geboten werden.
Die beiden Admirale gingen zwar gemeinsam zur Pforte, aber Bolitho hatte sich noch nie von seinem Freund ferner gefühlt. Dabei kannte er Herrick länger als Allday, der auf eben dieses Schiff zwangsverpflichtet worden war.
Er zögerte, als die erste Reihe Seesoldaten in sein Blickfeld kam. Der Oberfeldwebel am Ende, dessen Blick starr aufs Land gerichtet war, wirkte seltsam steif. Bolitho blieb stehen und konnte dann das Gesicht unterbringen. Der Mann, damals nur ein gemeiner Seesoldat, hatte ihm an jenem gräßlichen Tag geholfen.
«McCall, ich habe Sie in guter Erinnerung«, sagte er leise.
Der Oberfeldwebel, dessen Hauptmann hinter Bolitho stand und zuschaute, blieb steif stehen. Doch seine Augen wurden lebhaft, als er sagte:»Vielen Dank, Sir. «Er zögerte, als fürchte er, zu weit zu gehen.»War ein heißer Kampf, Sir.»
Bolitho lächelte.»Aye. Freut mich, daß Sie beim Marinekorps vorangekommen sind. «Vielsagend fügte er hinzu:»Aber passen Sie auf, daß andere Ihre Anstrengungen nicht zunichte machen.»
Bolitho blieb an der Pforte stehen und lüftete grüßend seinen Hut zum Achterdeck. Von morgen an mochte er das Schiff mit ganz anderen Augen sehen.
Er wußte, daß Herrick ihn besorgt beobachtete — entweder weil er befürchtete, er könne wegen seiner beeinträchtigten Sehkraft stolpern, oder weil er wußte, daß seine Aufrichtigkeit zu einer Entfremdung zwischen ihnen geführt hatte.
Kapitän Francis Inch beugte sich über die Seekarte und zupfte mehrmals an seinem linken Ohrläppchen, was er oft tat, wenn er über seinen nächsten Schritt nachdachte. Heli-con stampfte unangenehm im groben Seegang, den der zunehmende Wind aufwühlte. Es war fast Mittag, doch ein dicker werdender Dunst, den selbst der Wind nicht vertreiben konnte, hatte die Sicht auf wenige Meilen reduziert.
Vor seinem inneren Auge sah Inch die Schiffe vor sich: Dispatch direkt achteraus und Icarus ein undeutlicher Schemen am Ende der Linie. Inch haßte das unbeständige Wetter. Der Wind war in den zwei Tagen, seit Bolitho das Geschwader verlassen hatte, umgesprungen und blies nun aus West, von Frankreich her.
Er studierte die Karte aufmerksamer und war sich der Gegenwart der beiden anderen Kommandanten, die schweigend ihren Wein tranken, sehr bewußt.
Zweihundert Meilen südwestlich von Toulon, und schon mußten sie sich in einem aufkommenden Sturm abquälen. Wenn der Wind nicht bald umschlug oder nachließ, mochten sie von ihrer Station abgetrieben oder gar so weit zerstreut werden, daß sie den Kontakt verloren.
Er dachte an die kleine Brigg Rapid, die den anderen Schiffen weit vorauslief. Inch nahm sie hart ran, beneidete aber ihren Kommandanten Kapitän Quarrell mehr, als er sich eingestehen mochte. Quarrell hatte wenigstens Bewegungsfreiheit, während sie sich schwerfällig und langsam mit dem Sturm herumschlugen, auf Station blieben. Er sah auf und gewahrte durch die Heckfenster Schaumkronen.
«Ich muß bald aufbrechen«, sagte Kapitän Houston.»Sonst finde ich in diesem Wetter mein Schiff nie wieder.»
Montresor von der Dispatch bemerkte:»Solange der Wind so bleibt, können wir nichts unternehmen.»
Inch schaute sie ungeduldig an. Negative Einstellung. Keiner war bereit, über das Naheliegende hinauszusehen. Montresor entpuppte sich als guter Kommandant, schien sich aber von dem säuerlichen Houston leiten zu lassen.
Letzterer sagte:»Ich halte es für Wahnsinn, unsere einzige Fregatte zu einem wilden Täuschungsmanöver auszuschicken, obwohl wir sie doch hier brauchen. «Von Inchs Schweigen ermuntert, fuhr er fort: «Rapid allein ist mit der Suche nach den Franzosen überfordert.»
Inch sah sich in der Kajüte um. Trotz der Gemälde, die er aufgehängt hatte, wirkte sie noch immer französisch. Die Bilder stellten ländliche Szenen dar, Bäche und Wiesen, Kirchen und Bauernhöfe seiner Heimat Dorset. Er dachte an Hannah, seine Frau. Sie hatte ihm bereits einen Sohn geschenkt, und das zweite Kind war unterwegs. Konnte sie sich eigentlich vorstellen, was er tat?
«Vizeadmiral Bolitho hat uns Barracoutas Aufgabe erklärt«, sagte er.»Ich vertraue seinem Urteil.»
«Aber sicher«, meinte Houston und lächelte Montresor schief an.»Wir kennen ihn halt nur noch nicht so lange wie Sie.»
Inch setzte ein gefährliches Grinsen auf.»Er hat mir bis zu seiner Rückkehr das Kommando übergeben. Das sollte Ihnen reichen.»
Houstons Lächeln schwand bei Inchs neuem Tonfall.»Ich wollte keine Kritik an seinen Überlegungen üben. Es geht nur.»
«Gut. «Inch lauschte dem Ächzen der Balken, dem fernen Knallen der Segel, als das Schiff vom Wind gekrängt wurde. Bolitho fehlte ihm. Er schien immer in der Lage zu sein, die Pläne des Feindes vorauszusagen, und Inch hatte nie erlebt, daß er die Tricks der Franzosen unterschätzte.
«Vielleicht sollten wir uns mit Nelsons Geschwader vor Toulon in Verbindung setzen«, sagte Houston.»Mag sein, daß er weiß, worum es geht. Ich glaube noch immer, daß das Ziel der Franzosen Ägypten ist. Wir haben Napoleon einmal bei Abukir geschlagen, aber vielleicht will er es noch mal versuchen. «Er stand auf uid wiegte sich mit den Bewegungen des Decks.»Nun muß ich mich empfehlen.»
Inch nickte bedauernd. Es gab noch viel zu besprechen, doch Houston hatte recht: Wenn das Wetter sich weiter verschlechterte, würde er nie zu seinem Schiff zurückfinden.
Er hörte eine ferne, wie verlorene Stimme aus dem Rigg.
Montresor sagte:»Der Ausguck hat etwas gesichtet. «Er schüttelte sich.»Kein guter Tag für Überraschungen.»
Es klopfte an. Inchs Erster Offizier war persönlich gekommen.»Signal von Rapid, Sir: Schiff im Nordwesten gesichtet.»
Er warf den anderen einen Blick zu.»Der Wind wird immer stärker. Soll ich mehr Segel wegnehmen lassen?«Inch zupfte sich am Ohr.»Nein. Lassen Sie die Herren hier zu ihren Booten bringen. Danach möchte ich an Rapid signalisieren, ehe sie außer Sicht kommt.»
Als der Leutnant hinwegeilte, wandte er sich an die anderen.
«Daß Rapid bei diesem Wetter ein bloßes Fischerboot meldet, ist ausgeschlossen. «Er sah zu, wie seine Worte ihre Wirkung taten.»Bleiben Sie also gut auf Station hinter Helicon und bereiten Sie sich auf ein Gefecht vor.»
Montresor starrte ihn an. Er war noch nicht lange genug Kommandant, um seine Gefühle verbergen zu können.»Glauben Sie wirklich, daß es ein Franzose ist?»
Inch dachte an Bolitho. Wie hätte er die Lage dargestellt?
«Ja. Der Wind steht günstig für sie, ungünstig für uns. «Er hob die knochigen Schultern.»Wir müssen unseren Auftrag erfüllen, dazu sind wir hier.»
Die beiden Kommandanten verließen das Schiff mit ungebührlicher Hast. Helicon drehte so kurz wie möglich bei, um sich dann wieder gegen die schweren Brecher zu stemmen.
Inch warf einen Blick auf den Kompaß: Nordost zu Ost. Gischt prasselte in Luv über die Netze und ließ die Männer der Wache fluchen. Savill, sein Erster Offizier, überschrie den Wind:»Der Ausguck meldet, daß Rapid das Signal immer noch gesetzt hat, Sir. «Er schien freudig erregt.
Inch dachte nach. Das bedeutete vermutlich, daß Quarrell mit einem weiteren fremden Schiff rechnete.
«Signal von Dispatch, Sir: Kommandant ist wohlbehalten an Bord.»
Inch grunzte und dachte besorgt an Houstons Boot, das sich weiter mühsam zur Icarus quälte.
Der Ausguck schrie:»Neues Signal von Rapid, Sir! Im Nordwesten zwei Schiffe in Sicht!»
Inch schaute seinen Ersten Offizier an. Zwei Schiffe? Zu Nelsons Flotte konnten sie so weit südlich im Golfe du Lion nicht gehören. Und bei diesem Wetter würde bestimmt kein Handelsschiff die Blockade durchbrechen, schon gar nicht in Begleitung eines zweiten.
Houston hatte recht gehabt: Barracouta mochte den Ausschlag geben, wenn sie jetzt zur Stelle gewesen wäre.
«Diesmal meinen die Franzosen es wohl ernst, Mr. Savill. Setzen Sie bitte mehr Segel. Ich beabsichtige, zu Rapid aufzuschließen. «Er nahm ein Teleskop und ging aufs Hüttendeck, um Ausschau nach Icarus zu halten. Doch im nassen Nebel achteraus war nichts zu erkennen; selbst Dispatch wurde von ihm eingehüllt. Gott, mußte das ausgerechnet jetzt passieren? Er fuhr den Midshipman, der ihm wie ein Hündchen gefolgt war, an:»Signal ans Geschwader: >Mehr Segel setzen<.»
Die Signalflaggen wirkten vor den tiefen Wolken sehr bunt.
Nun hatte er seine Chance. Zur Abwechslung brauchte er sich mal nicht nach den Anweisungen vom Flaggschiff zu richten. Diesmal hatte er selbst den Befehl. Wenn er Hannah davon erzählte, würde sie ihn mit ihren veilchenblauen Augen bewundernd anschauen. Bolitho verwundet und mit Keen nach Malta gerufen: absurd, daß man ihn wegen dieses dummen Verfahrens vom Geschwader wegbeordert hatte. Doch ganz gleich, was die Gründe waren: Francis Inch befehligte vorübergehend das Geschwader. Ihm war, als sei plötzlich eine schwere Last von ihm genommen. Jetzt hatte er keine Zweifel mehr und wußte, daß er furchtlos in das Gefecht gehen konnte.
Er war stolz auf sein Schiff und die Mannschaft. Die Matrosen kletterten mit wild flatternden Hosen hinaus auf die Rahen, Segel lösten sich donnernd und füllten sich unter dem Winddruck, so daß die Schräglage des Decks noch zunahm. Achteraus wurde Icarus hinter Dispatch ganz kurz sichtbar.
«An Deck!«Das war ein Leutnant. Savill hatte mit der Entsendung eines erfahrenen Mannes ins Krähennest recht getan.»Signal von Rapid: Drei Linienschiffe im Nordwesten!»
Inch spürte am ganzen Körper ein Prickeln. Also drei. Nun konnte kein Zweifel mehr bestehen. Das waren die Franzosen.
«Signal ans Geschwader, Mr. Savill: Klar zum Gefecht.»
Inch dachte an Bolitho und war stolz, an diesem Tag mit der Führung betraut zu sein.
Trommelwirbel erklang, und als wieder Gischt über den Bug der Helicon fegte, schien die Brutalität von See und Wind einen Vorgeschmack auf das zu bieten, was ihnen bevorstand.