Es dauerte nicht lang, da hatten Lukas und Jim mit Hilfe der Kinder die Lokomotive an Land gezogen. Auch der Drache kroch aufs Ufer und blieb vor Erschöpfung wie tot liegen. Es war ihm anzusehen, daß ihm vorderhand die Lust vergangen war, sich schlecht zu benehmen.
Etwa eine halbe Stunde später hatten Lukas und Jim Emma wieder landflott gemacht. Die kalfaterten Türen waren vom Pech befreit, der Kessel war wieder voll Wasser, und darunter prasselte ein lustiges Feuer.
Alle waren so eifrig bei der Arbeit, daß keiner von den Reisenden den chinesischen Landgendarm bemerkte, der auf einem hochrädrigen Fahrrad in einiger Entfernung die Landstraße entlangkam. Als er die Gruppe der Reisenden bemerkte, hielt er an und überlegte, ob es sich vielleicht um irgendwelche gefährlichen ausländischen Truppen handeln könne. Nachdem er aber festgestellt hatte, daß es fast nur Kinder waren, ließ er diese Vermutung fallen und fuhr etwas näher heran. Als er jedoch um das letzte Gebüsch herum einbog, wäre er um ein Haar auf den Schwanz des Drachen gefahren. Zu Tode erschrocken riß er sein Rad herum und jagte davon, als ob hundert Teufel hinter ihm her wären. Mit heraushängender Zunge erreichte er die Hauptstadt und meldete seinem Vorgesetzten, was er gesehen hatte.
„Mann!" rief der, „das ist die größte Glücksnachricht, die überhaupt möglich ist! Dafür wird Sie der Kaiser mindestens zum Generalgendarm ernennen, Sie Glückspilz!"
„Wiewiewieso?" stotterte der Gendarm.
„Ja, wissen Sie denn wirklich nicht, was Sie da gesehen haben?" schrie der Vorgesetzte in höchster Aufregung. „Dafür gibt es doch nur eine Erklärung: Es sind die beiden ehrenwerten Lokomotivführer mit ihrer Lokomotive. Und wenn sie tatsächlich den Drachen mitgebracht haben, dann muß auch unsere Prinzessin Li Si bei ihnen sein. Wir müssen sofort dem Kaiser Meldung machen!"
Und die beiden Gendarmen rannten zum kaiserlichen Palast. Allerdings nicht ohne die Neuigkeit unterwegs durch alle Gassen zu schreien.
Es ist einfach nicht zu beschreiben, was für eine Aufregung in der Hauptstadt auf diese Nachricht hin entstand. Wie ein Lauffeuer flog die Botschaft von Mund zu Mund, und in kürzester Zeit wußte jedermann in Ping, bis herab zum winzigsten Kindeskind, was für ein überaus freudiges Ereignis noch diesen Morgen bevorstand. Und da auch nicht einer in der ganzen Stadt war, der nicht auf irgendeine Weise mithelfen wollte, den Empfang der Heimkehrer so festlich wie möglich zu gestalten, waren in kürzester Zeit alle Straßen, durch die die Lokomotive auf ihrem Weg zum Palast kommen mußte, mit Blumen, Bändern, Fahnen, Luftschlangen und Transparenten geschmückt. Und zu beiden Seiten der Straßen stand die Menschenmenge dicht gedrängt und wartete auf den Einzug der ehrenwerten Helden.
Und schließlich kamen sie. Schon lange ehe sie zu sehen waren, hörte man viele Straßen weit die brausenden Hochrufe aus hunderttausend Kehlen. Emma mußte langsam fahren, denn der angekettete Drache war so schwach, daß er sich nur noch mühsam und Schritt für Schritt hinter ihr herschleppen konnte. Im Führerhäuschen standen Lukas und Jim und winkten aus den Fenstern nach links und rechts. Auf dem Dach saßen die Kinder, und in ihrer Mitte stand Li Si, die kleine Prinzessin.
Sie war zeitweilig kaum noch zu sehen in den Wolken von Blumen, die die Chinesen aus allen Fenstern der vielstöckigen Häuser andauernd über die Ankömmlinge ausschütteten, und die anderen, die die Straßen säumten, winkten mit Papierfähnchen und warfen ihre runden Hüte in die Luft und schrieen „Hoch!" und „Bravo!" und „Vivat!", und was man eben bei solchen Gelegenheiten in China sonst noch so schreit.
Übrigens konnte man noch den ganzen Tag lang in allen Kaufläden alles umsonst bekommen, was man nur haben wollte. Denn niemand hatte an diesem Freudentag Lust, Geld zu verdienen. Jeder wollte jedem Geschenke machen. So sind die Chinesen eben, wenn sie sehr glücklich sind.
Hinter dem Drachen - natürlich in respektvollem Abstand - bildete sich ein Zug von singenden und lachenden Chinesen, die so ausgelassen tanzten, daß ihre Zöpfe wie Propeller kreiselten. Und je näher die Lokomotive dem kaiserlichen Palast kam, desto länger wurde dieser Festzug.
Der Platz vor dem Palast war gedrängt voll von jubelnden Leuten. Und als Emma schließlich vor den neunundneunzig Silberstufen anhielt, sprangen oben die Flügel der großen Ebenholztüre auf, und der Kaiser kam mit wehendem Gewand die Treppe heruntergeeilt. Hinter ihm sah man Ping Pong, der sich an einem Zipfel des kaiserlichen Mantels festhielt, um mitzukommen.
„Li Si!" rief der Kaiser, „meine liebe, kleine Li Si!"
„Vater!" rief Li Si, sprang einfach von dem Dach der Lokomotive herunter, und der Kaiser fing sie in seinen Armen auf und drückte sie an sich und küßte sie immer wieder. Alle Chinesen auf dem Platz waren gerührt und schnauzten sich und wischten sich die Augen vor Ergriffenheit.
Inzwischen begrüßten Lukas und Jim den kleinen Ping Pong und bewunderten den winzig kleinen goldenen Schlafrock, den er jetzt anhatte. Ping Pong erklärte ihnen, daß er mittlerweile anstelle des abgesetzten Herrn Pi Pa Po zum Oberbonzen ernannt worden sei und die beiden Freunde gratulierten ihm herzlich.
Als der Kaiser schließlich mit der Begrüßung seiner Tochter fertig war, wandte er sich Lukas und Jim zu und umarmte sie beide. Er konnte vor Freude kaum sprechen. Dann schüttelte er all den anderen Kindern die Hände und sagte:
„Jetzt kommt erst einmal herein, meine Lieben, und stärkt euch mit einem guten Frühstück. Ihr seid doch gewiß sehr hungrig und müde. Jeder von euch darf sich wünschen, was er am liebsten mag."
Schon wollte er sich umdrehen, um seine Gäste in den Palast zu führen, da zupfte ihn Ping Pong am Ärmel, flüsterte ihm etwas zu und zeigte unauffällig mit dem Daumen auf Emma.
„Richtig!" rief der Kaiser bestürzt, „wie konnte ich das nur vergessen!"
Er winkte nach der Ebenholztür hinauf. Jetzt erschienen dort zwei Leibwächter. Der eine trug einen großen Stern aus purem Gold in den Händen, der so groß war wie ein Suppenteller. Der andere hielt wie eine Schleppe eine riesengroße Schleife, die an dem Stern befestigt war.
Und nun hielt der Kaiser folgende kleine Ansprache:
„Liebe Emma! Es gibt heute auf der ganzen Welt keinen glücklicheren Menschen als mich, weil ich meine kleine Tochter wiederbekommen habe. An deinem verbeulten Gesicht sehe ich, daß du für sie große Gefahren erduldet und Kämpfe ausgestanden hast. Als ein kleines Zeichen meiner großen Dankbarkeit möchte ich dir gerne diesen Orden verleihen. Ich habe ihn von meinen Hofgoldschmieden für den Fall eurer glücklichen Heimkehr anfertigen lassen. Ich weiß zwar nicht, ob Lokomotiven großen Wert auf Orden legen. Aber ich möchte gern, daß in Zukunft alle Leute sehen sollen, was für eine besondere Lokomotive du bist. Darum nimm ihn hin und trage ihn!"
Während die beiden Leibwächter Emma die Schleife mit dem Stern umhängten, brachen die abertausend Chinesen erneut in brausende Hochrufe aus.
Inzwischen hatte Ping Pong, der vor lauter Aufregung immerfort in die Höhe hüpfte und herumrannte und sich keinen Augenblick still halten konnte, nach dem Oberhoftierwärter des kaiserlichen Parks geschickt und ihm ausrichten lassen, er solle sofort mit seinen Gehilfen kommen und den Drachen abholen. Kaum war die Zeremonie der Ordensverleihung vorüber, da kam dieser auch schon mit sechs starken Knechten und einem riesigen Käfig, der auf Rädern fuhr und von vier Pferden gezogen wurde. Der Drache war so kleinlaut, daß er ohne Sträuben in den Käfig hineintrottete, nachdem Lukas ihn von der Kette befreit hatte. Als das Fuhrwerk davonrollte, fragte Lukas:
„Wo bringt ihr ihn denn hin? Ich muß nämlich noch mit ihm reden."
„Wir sperren ihn vorläufig einmal in das alte Elefantenhaus", antwortete Ping Pong mit wichtiger Miene. „Du kannst ihn jederzeit besuchen, ehrenwerter Führer einer ordengeschmückten Lokomotive."
Lukas nickte befriedigt und folgte mit Jim und den anderen Kindern dem Kaiser und der kleinen Prinzessin in den Palast, um im Thronsaal erst einmal gemütlich zu frühstücken.
Emma konnte natürlich nicht mit, sondern mußte auf dem Platz zurückbleiben, aber den ganzen Tag drängten sich die Chinesen um sie, die jetzt selbstverständlich kein bißchen Angst mehr vor ihr hatten. Sie fütterten sie mit Öl, weil ein weiser Mann irgendwo gelesen hatte, daß Lokomotiven gerne Öl mögen, und putzten an ihr herum und wuschen ihr den Schmutz ab und rieben sie mit feinen Tüchern blank, bis sie schließlich strahlte und blinkte, als ob sie neu wäre.
Währenddessen saßen der Kaiser und Li Si mit ihren Gästen auf der Terrasse vor dem Thronsaal in der Morgensonne beim Frühstück. Und wie versprochen, bekam jedes Kind das, was es am liebsten mochte. Der kleine Eskimo zum Beispiel aß Walfischschnitten und trank dazu eine große Tasse Lebertran. Der Indianerjunge bekam Maisbrot und am Spieß gebratene Büffelscheiben, und danach rauchte er aus seiner kleinen Friedenspfeife genau vier Züge, in jede Himmelsrichtung einen. Kurz und gut, jedes Kind hatte das, was es bei ihm zu Hause gab.
Das waren natürlich lang entbehrte Genüsse! Jim und Lukas taten sich an frischen Honigsemmeln und einer großen Kanne Kakao gütlich. Und zum erstenmal seit langer Zeit griff auch der Kaiser wieder tüchtig zu.
Als der Oberhofkoch Schu Fu Lu Pi Plu erschien, um sich zu erkundigen, wie es den ehrenwerten Gästen schmeckte, wurde er von Jim und Lukas mit fröhlichem Hallo begrüßt. Der Oberhofkoch hatte sich übrigens zur Feier des Tages wieder seine allergrößte Kochmütze aufgesetzt, die so groß war wie ein Federbett.
Der Kaiser fragte ihn, ob er sich nicht ein bißchen zu ihnen setzen wolle, um die Geschichten der Kinder und der beiden Freunde mit anzuhören. Herr Schu Fu Lu Pi Plu hatte gerade etwas Zeit und nahm, gerne Platz.
Nach der Reihe erzählten nun alle noch einmal ihre Abenteuer dem gespannt lauschenden Kaiser. Als sie damit fertig waren und auch alles aufgegessen hatten, meinte Lukas:, „Ich schlage vor, Leute, wir legen uns jetzt alle für eine Weile aufs Ohr. Wir haben die ganze Nacht kein Auge zugetan. Ich jedenfalls bin zum Umfallen müde."
Die meisten der Kinder hatten schon mehrmals heimlich gegähnt, und das kleinste war bereits vor einer ganzen Weile auf seinem Kissen eingeschlafen. So waren alle recht froh über den Vorschlag.
„Nur noch eine Frage zuvor, meine Freunde!" sagte der Kaiser. „Habt ihr Lust, ein paar Wochen bei uns zu Gast zu bleiben und euch erst einmal richtig zu erholen? Ihr seid herzlich eingeladen. Oder", fügte er lächelnd hinzu, „wollt ihr vielleicht lieber sofort in eure Heimatländer fahren?"
„Ach, bitte, wenn es sich machen ließe", antwortete der kleine Indianer, „ich möchte lieber schnell nach Hause. Je eher, je lieber." „Ich auch! Ich auch!" riefen die anderen Kinder. „Gut", meinte der Kaiser verständnisvoll, „ich hätte euch natürlich sehr gern noch eine Weile zu Gast gehabt. Aber ich sehe ein, daß ihr lieber heim wollt. Mein Oberbonze Ping Pong wird veranlassen, daß sofort ein Schiff ausgerüstet wird."
„Danke!" sagte der kleine Indianer erleichtert.
Für jeden war inzwischen ein eigenes Gemach vorbereitet worden, in dem ein wundervolles Himmelbett stand. Man kann sich vorstellen, wie herrlich die Kinder, die so lange Zeit auf steinernen Betten hatten liegen müssen, in den weichen Seidenkissen schlummerten.
Die beiden Freunde hatten natürlich ein gemeinsames Zimmer bekommen, in dem ein zweistöckiges Himmelbett stand. Jim zog seine Schuhe aus und kletterte über eine kleine Leiter in die obere Etage hinauf. Er hatte sich noch kaum auf den seidenen Decken ausgestreckt, als er auch schon fest eingeschlafen war.
Lukas dagegen saß auf dem Rand der unteren Etage und stützte nachdenklich das Kinn in die Hand. Ihm gingen verschiedene sehr schwierige Fragen durch den Kopf:
Die kleine Prinzessin war nun also glücklich wieder bei ihrem Vater. Auch die übrigen Kinder würden bald zu Hause sein. Soweit war alles gut. Aber was sollte aus ihm und Jim werden? Sie beide konnten ja nicht einfach nach Lummerland zurückkehren. Einmal deshalb, weil König Alfons ganz bestimmt sehr erbost darüber war, daß sie damals, ohne etwas zu sagen, mit Emma die Insel verlassen hatten, anstatt seinen Anordnungen zu folgen. Es bestand wenig Aussicht, daß er ihnen jetzt ohne weiteres erlauben würde, wiederzukommen. Und selbst wenn der König nicht mehr böse auf sie wäre, könnten sie nicht zurückkehren, weil sonst alles wieder ganz genau so sein würde wie damals, als sie sich entschlossen hatten, alle drei wegzufahren. Schließlich war Lummerland inzwischen ja nicht größer geworden. Sollten sie sich nicht vielleicht doch von der dicken, alten Emma trennen, sie hier in China lassen und nur zu zweit nach ihrer Insel zurückfahren? Lukas stellte sich vor, was er ohne Emma in Lummerland tun würde. In Gedanken versunken schüttelte er den Kopf. Von Emma konnte er sich nicht trennen. Jetzt, nach all den Abenteuern, die sie zusammen erlebt hatten und in denen sie so treu und zuverlässig gewesen war, weniger denn je. Nein, das war auch keine Lösung. Aber vielleicht war der erhabene Kaiser damit einverstanden, daß sie hier blieben und eine Eisenbahnlinie quer durch China legten. Das war natürlich ein bißchen traurig, denn China war trotz allem ein fremdes Land, aber es war die einzige Möglichkeit, und irgendwo mußten sie ja bleiben, wenn sie nicht immer weiter durch die Welt fahren wollten.
Lukas seufzte, stand auf und ging leise aus dem Zimmer, um sich mit dem Kaiser zu besprechen. Er fand ihn auf der Terrasse vor dem Thronsaal unter einem Sonnenschirm sitzend und in einem Geschiehtenbuch lesend.
„Verzeihen Sie, wenn ich störe, Majestät", sagte Lukas, als er auf ihn zutrat.
Der Kaiser schlug sein Buch zu und rief erfreut:
„Mein lieber Lukas, das ist ausgezeichnet, daß wir uneinmal allein unterhalten können. Ich möchte nämlich gerne mit Ihnen eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit ins reine bringen."
„Das möchte ich auch", antwortete Lukas ernst, während er dem Kaiser gegenüber Platz nahm, „aber sagen Sie erst, was Sie auf dem Herzen haben."
„Wie Sie sich vielleicht erinnern", begann der Kaiser, „habe ich mich öffentlich verpflichtet, meine Tochter demjenigen zu vermählen, der sie aus der Drachenstadt befreit."
„Ja, das haben Sie getan, Majestät", antwortete Lukas.
„Aber nun seid ihr ja zwei", fuhr der Kaiser fort. „Was ist da zu tun? Wer von euch beiden soll sie denn bekommen?"
„Das ist ganz einfach", meinte Lukas bedächtig. „Derjenige, den sie selbst am liebsten mag und dem sie zuerst einen Kuß gegeben hat."
„Und wer ist das?" fragte der Kaiser gespannt.
„Jim Knopf natürlich", sagte Lukas. „Wenn ich mich nicht irre, haben die beiden sich sehr gern -" und schmunzelnd setzte er hinzu: „Wenn sie sich auch vorläufig über manche Dinge noch nicht ganz einig geworden sind, zum Beispiel, ob es nötig ist, lesen und schreiben zu lernen. Jedenfalls passen sie sehr gut zueinander, finde ich. Und außerdem war es Jim, der Li Si befreit hat. Darüber besteht kein Zweifel. Ich und Emma, wir haben ihm bloß dabei geholfen."
„Ach, das freut mich aber wirklich", erwiderte der Kaiser befriedigt. „Ich bin übrigens ganz Ihrer Meinung, lieber Freund. Die beiden passen wirklich sehr gut zueinander. Zwar sind sie noch ein bißchen zu klein, um zu heiraten, aber sie können sich ja zunächst einmal verloben."
„Das überlassen wir den beiden am besten selbst", schlug Lukas vor.
„Richtig", stimmte der Kaiser zu, „wir wollen uns nicht zu sehr einmischen. Aber sagen Sie, lieber Lukas, wie kann ich mich denn nun bei Ihnen bedanken? Leider habe ich nur diese eine Tochter, sonst würde ich Ihnen ebenfalls eine Prinzessin zur Frau geben. Doch das geht ja nun leider nicht. Haben Sie vielleicht irgendeinen Wunsch, den ich erfüllen kann? Bitte, sprechen Sie ihn aus! Aber es soll wirklich ein großer Wunsch sein, der größte, den Sie haben."
„Den können Sie mir nicht erfüllen, Majestät", antwortete Lukas und schüttelte langsam den Kopf. „Der wäre nämlich, daß ich mit Jim und Emma zusammen nach Lummerland zurückkehren könnte. Aber Sie wissen ja, warum wir von dort weggefahren sind. Die Insel ist nicht groß genug für uns alle. Es wäre ein Wunder nötig, um diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Aber ich habe eine andere Bitte, Majestät: Lassen Sie mich eine Eisenbahnlinie quer durch China anlegen. Das wäre nützlich für Sie und Ihre Untertanen, und meine gute alte Emma käme endlich wieder auf ordentliche Schienen."
„Mein verehrter Freund", sagte der Kaiser mit leuchtenden Augen, „ich danke Ihnen, daß Sie bei uns bleiben wollen. Sie bereiten mir eine große Freude damit. Ich werde sofort befehlen, daß Ihnen das schönste und längste Eisenbahngleis mit den prunkvollsten Bahnhöfen gebaut wird, das die Welt je gesehen hat. Ich hoffe Ihnen dadurch ein wenig zu helfen. Ihre geliebte Heimatinsel nach und nach vergessen zu können."
„Danke schön", antwortete Lukas. „Sie meinen es gut, Majestät. Das ist sehr nett von Ihnen."
In diesem Augenblick trat der kleine Ping Pong auf die Terrasse heraus, verneigte sich tief und piepste:
„Erhabener Kaiser, das Schiff für die Kinder liegt im Hafen. Heute abend gegen Sonnenuntergang ist es bereit, in See zu stechen."
„Sehr schön", erwiderte der Kaiser und nickte Ping Pong zu, „du bist wirklich ein außerordentlich tüchtiger Oberbonze."
Lukas stand auf.
„Ich glaube, fürs erste haben wir alles besprochen, Majestät. Wenn Sie nichts dagegen haben, dann lege ich mich jetzt auch schlafen. Ich bin todmüde."
Der Kaiser wünschte ihm angenehme Ruhe, und Lukas ging in das Zimmer mit dem zweistöckigen Himmelbett zurück. Jim, der von der Abwesenheit seines Freundes nichts gemerkt hatte, atmete ruhig und tief im Schlaf. Lukas streckte sich auf dem unteren Bett aus, und während er schon am Einschlummern war, dachte er: „Was Jim wohl dazu sagen wird, daß wir hierbleiben und nicht nach Lummerland heimfahren? Oder wird er vielleicht noch lieber allein nach Hause zurückkehren wollen und mich und Emma verlassen? Ich könnt's schon verstehen." Und Lukas seufzte tief, und dann schlief auch er.