II

Das Cafe war groß und hell. Auf den Tischen in dem weitläufigen Raum brannten unzählige kleine Lampen. Es duftete nach Kuchen und frisch aufgebrühtem Kaffee. Kellnerinnen in schwarzen Kleidern und kleinen, spitzenbesetzten Schürzen eilten geschäftig hin und her.

Vater deutete auf einen freien Tisch am Fenster. Sie setzten sich. Vater zündete sich eine Zigarette an, hustete hinter vorgehaltener Hand und stützte die Arme auf der Tischplatte auf. Sein Gesicht wirkte müde, und als die Kellnerin kam, mußte sie ihn zweimal nach seinen Wünschen fragen, ehe er aufschreckte und Kaffee und für Kim ein Glas Cola bestellte.

»Wir sollten deine Schwester anrufen«, sagte Vater, zu Mutter gewandt. »Vielleicht kann sie für ein paar Tage zu uns kommen. Es wäre besser, wenn du jetzt nicht soviel allein bist.«

»Du meinst Tante Birgit?« fragte Kim.

Vater nickte. »Ich bin sicher, sie kommt, wenn sie hört, was... was passiert ist.«

»Warum nimmst du dir nicht ein paar Tage frei?« sagte Mutter. »Das geht doch, oder? Dein Büro wird nicht zusammenbrechen, wenn du eine Woche fehlst.«

Vater lächelte flüchtig. »Natürlich nicht. Aber ich habe im Moment viel zu tun.« Er seufzte. »Ich glaube nicht, daß ich dir eine große Hilfe wäre«, fügte er hinzu. »Außerdem lenkt mich die Arbeit ab.« Er lehnte sich zurück und streckte die Beine unter dem Tisch aus. »Ich werde mir noch oft genug freinehmen müssen, um in die Klinik zu fahren«, sagte er.

Die Kellnerin kam mit der Kanne Kaffee und einem Glas Cola. Kim war froh, daß sein Vater schwieg, während sie servierte. Vater hatte manchmal eine so kalte, sachliche Art, daß man sich grausam zurückgestoßen fühlte. Mutter hatte sich schon oft darüber beklagt, aber meist verstand er das gar nicht oder wollte es nicht verstehen. Jetzt verstand er es. Er meinte es freilich nicht böse und war auch nicht gefühllos. Es war eben seine Art, und die Familie hatte sich damit abgefunden, auch wenn er Außenstehende manchmal schockierte.

Kim nippte an seinem Cola und drückte sich tiefer in die Polsterbank. Er fröstelte. Das Cafe war behaglich geheizt, aber Kims Schuhe und Strümpfe waren naß, und er mußte sich beherrschen, um nicht mit den Zähnen zu klappern. Er trank noch einen Schluck, stellte das Glas vorsichtig auf den feuchten Ring auf der Tischplatte zurück und schaute aus dem Fenster. Der Himmel war noch bedeckt, aber der Regen hatte endgültig aufgehört, und es waren wieder Menschen und viel mehr Autos als zuvor auf der Straße. Die hellen Lampen, die auf den Tischen brannten, spiegelten sich in der Scheibe, und wenn Kim genau hinsah, konnte er auch sein eigenes und das Spiegelbild seiner Eltern sowie das der anderen Gäste erkennen, als säße er vor einem deckenhohen Spiegel, der auf sonderbare Weise durchsichtig geworden war und ihm einen Blick in eine andere, phantastische Welt gewährte. Für einen kurzen Moment erschien ihm das Bild dort draußen so fremd, als wäre die Straße keine Straße, sondern ein bizarrer Pfad durch einen exotischen Betondschungel, die Menschen keine Menschen, sondern fremdartige Zauberwesen, und die Häuser auf der anderen Straßenseite hohe, zinnenbewehrte Burgen, hinter deren Mauern sich finstere Geheimnisse verbargen. Dann verschwand das Gefühl, und er blickte wieder auf eine ganz gewöhnliche Straße an einem grauen, unfreundlichen Herbstnachmittag hinaus. Ein alter Mann humpelte mit schlurfenden Schritten vorüber, blieb stehen und kam dann wieder zurück, um durch die beschlagene Scheibe ins Innere des Cafes zu spähen.

Kim sah verwundert auf. Er erkannte den Mann wieder. Es war derselbe weißhaarige, bärtige Alte, der ihnen zuvor in der Klinik begegnet war. Statt des blauen Kittels trug er jetzt einen dunkelbraunen Mantel, der ihm um etliche Nummern zu groß war und dessen Ärmel so lang herunterhingen, daß die Hände darin verschwanden. Sein weißes Haar war naß vom Regen und klebte in wirren Strähnen an seinem Kopf. Er ging jetzt wirklich auf einen knorrigen Stock gestützt, den er in der vorgestreckten Hand hielt. Er wischte mit dem Ärmel über das nasse Glas und preßte das Gesicht an die Scheibe.

Kim erschrak. Der alte Mann sah nicht einfach nur unbestimmt herein, über ihren Tisch hinweg. Nein. Der Blick seiner grauen Augen schien sich direkt in den seinen zu bohren, und obwohl sich im Gesicht des Fremden nicht der kleinste Muskel regte, hatte Kim das Gefühl, daß er ihn anlächelte. Unwillkürlich lächelte er zurück. Der Schreck der Überraschung war verflogen. Auf eine seltsame, schwer zu begreifende Art flößte ihm dieses faltige Gesicht Vertrauen ein. Undenkbar, daß dieser Mann böse sein könnte - niemals. Er schien die Güte selbst zu sein, wie eine allegorische Gestalt in einem Film oder Theaterstück. Ein gütiger alter Opa oder - noch besser - ein weiser, guter Zauberer.

Vater räusperte sich. Kim senkte schuldbewußt den Blick und starrte in sein Glas. Er hatte ein schlechtes Gewissen, daß er sich Gedanken über irgendeinen dahergelaufenen alten Landstreicher machte, während seine Schwester bewußtlos in diesem großen, grauen Verlies dort drüben lag und womöglich sterben würde.

»Gehen wir«, sagte Vater. Er stand auf, legte einen Geldschein auf den Tisch und holte die Mäntel aus der Garderobe. Sie verließen das Cafe. Kim hielt nach dem alten Mann Ausschau, konnte ihn aber nicht mehr entdecken. Wahrscheinlich war er weitergegangen, um irgendwo ein warmes und trockenes Plätzchen zu finden.

Die Stadt versank allmählich in der Dämmerung, während sie nach Hause fuhren. Die Autos hatten das Licht eingeschaltet, und der nasse Asphalt reflektierte den Schein der grellen runden Lampen, so daß es aussah, als glitten sie in einem Boot über einen breiten, unbewegten Kanal, in dessen Oberfläche sich ein prachtvoller Sternenhimmel spiegelte. Auch in den Häusern gingen jetzt nach und nach die Lichter an, aber es gab auch welche, die ganz oder teilweise dunkel blieben, als hätten ihre Bewohner vergessen, Türen und Fenster zu schließen, ehe die Dunkelheit hereinkriechen konnte. Der Fluß wirkte noch ruhiger und dunkler als auf der Herfahrt, kaum noch wie ein Fluß, vielmehr wie ein tiefer, bodenloser Graben, der das Land in einer schnurgeraden Linie teilte und darauf wartete, daß ihm ein leichtsinniges Opfer zu nahe kam.

Es war beinah acht, als sie zu Hause ankamen. Vater hielt vor dem Haus an, wartete, bis sie ausgestiegen waren, und fuhr dann den Wagen in die Garage, die sich am unteren Ende der Straße befand. Ein bleicher Halbmond hing am Himmel, versilberte die Dächer und vertrieb die Farben aus den Vorgärten.

Im Haus war es wohlig warm. Kim hängte seine nasse Jacke in die Garderobe und lief in sein Zimmer hinauf, um sich umzuziehen. Das Buch mit der Mathematikaufgabe lag noch genauso da, wie er es hingelegt hatte, und die grünen Leuchtziffern des Taschenrechners starrten ihn wie zwei winzige, glühende Augen an.

Kim blieb in der Tür stehen, streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus und ließ sie auf halbem Weg wieder sinken. Einen Moment lang versuchte er, sich über das seltsame, befremdliche Gefühl in seinem Inneren klarzuwerden. Nichts in diesem Zimmer hatte sich verändert, und doch wirkte alles anders, fremd und geheimnisvoll. Durch das offenstehende Fenster strömte silbernes Mondlicht herein, und das Fensterkreuz warf einen langgestreckten schwarzen Schatten auf den Teppich. Der rechte Arm wies direkt auf das Bücherbord, der andere verlor sich irgendwo in den beigebraunen Mustern des Teppichs. Kim machte einen zögernden Schritt ins Zimmer hinein, blinzelte verblüfft und blieb abermals stehen. Für einen kurzen Moment hatte er den Eindruck gehabt, daß sich das Muster bewegte, helle und dunkle Umrisse ineinanderkrochen und sich zu einem völlig neuen Bild ordneten. Für einen winzigen Augenblick hatte er geglaubt, auf eine Miniaturlandschaft hinunterzusehen, eine Landschaft mit Flüssen und Bergen, Schluchten und Wäldern und großen fruchtbaren Ebenen. Ein Geräusch wie helles, fröhliches Lachen klang zu ihm herauf.

Dann fiel unten die Haustür ins Schloß, und der Raum wurde wieder zu seinem gewohnten, unordentlichen Zimmer. Kim seufzte, schaltete das Licht ein und zog sich um. Dann ging er hinunter in die Küche.

Seine Mutter hatte in der Zwischenzeit Tee gekocht und Brot und Butter und kalten Braten auf den Tisch gestellt. Vater saß auf einem Stuhl am Fenster, starrte in die Dunkelheit hinaus und rauchte schon wieder.

Sie aßen schweigend. Als sie fertig waren, stand Vater wortlos auf, ging ins Wohnzimmer hinüber und schaltete den Fernseher ein, während Mutter das Geschirr zum Spülstein trug und abzuwaschen begann, obwohl sie eine Spülmaschine hatte und schmutzige Tassen und Teller normalerweise nur in die Schublade unter der Spüle tat, bis sie genug für eine Füllung zusammen hatte.

Kim beobachtete sie eine Weile stumm, schob dann seinen Stuhl zurück und erklärte, er würde nach oben gehen und seine Rechenaufgabe fertigmachen.

»Das ist nicht nötig.« Mutter sah auf. Sie nahm die Hände aus dem Spülwasser und trocknete sie an einem Handtuch ab. »Du mußt morgen nicht in die Schule, wenn du nicht willst«, fügte sie hinzu. »Ich schreibe dir eine Entschuldigung. Es war ein anstrengender Tag. Für uns alle. Wir schlafen uns am besten erst einmal richtig aus. Sag Vater gute Nacht, und dann geh auf dein Zimmer.«

»Darf ich noch eine Stunde lesen?« fragte Kim.

Mutter lächelte. »Eine halbe«, schränkte sie ein. »Ausnahmsweise.«

Kim wollte noch etwas sagen, aber er spürte, daß es besser war, sich zurückzuziehen. Er nickte, ging in die Diele hinaus und zögerte einen Moment, ehe er das Wohnzimmer betrat. Sein Vater saß im Dunkeln auf der Couch, starrte den Fernseher an und spielte mit seinem Feuerzeug.

»Gute Nacht«, sagte Kim leise.

Sein Vater gab durch keine Regung zu erkennen, daß er es gehört hatte. Kim zuckte mit den Achseln, blieb noch einen Moment unschlüssig stehen und ging dann nach oben.

Er ging nicht direkt in sein Zimmer, sondern an diesem sowie am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei zum Zimmer seiner Schwester. Seine Finger zitterten ein wenig, als er die Klinke herunterdrückte, und er beeilte sich, nach dem Lichtschalter an der Wand zu tasten. Erst als er die Lampe eingeschaltet hatte und das helle Licht der Glühbirne die Schatten in ihre Ecken zurückgetrieben hatte, wagte er es, durch die Tür zu treten.

Das Zimmer ähnelte bis ins kleinste seinem eigenen. Seine Eltern hatten für beide Kinderzimmer die gleiche Einrichtung gekauft, als sie vor drei Jahren in das neue Haus gezogen waren. Selbst Teppich und Gardinen waren gleich, nur daß auf Rebekkas Schreibtisch bunte Kleinkinderkritzeleien statt Schulbüchern lagen und das schmale Bord über dem Bett nicht so vollgestopft war wie das seine.

Ohne besondere Absicht trat Kim zu dem Bücherregal und zog wahllos eines der farbigen Bilderbücher hervor. Er klappte es auf, betrachtete kurz die bunten Bilder und ließ dann die Seiten durch die Finger gleiten, so daß sie einen verschwommenen Umriß bildeten und er den sanften Luftzug im Gesicht spüren konnte. Er klappte das Buch zu, stellte es an seinen Platz zurück und fuhr mit dem Finger die Reihe von Buchrücken entlang. Es waren fast alles Bilderbücher, wie man sie bei einem Kind in Rebekkas Alter erwartete, aber es gab darunter auch einige, die sie noch gar nicht lesen konnte: Märchen- und Sagenbücher, aus denen Mutter manchmal vorlas oder die eine oder andere Geschichte aus dem Gedächtnis erzählte. Diese Bücher interessierten Kim nicht besonders. Geschichten von Ländern hinter dem Spiegel und geheimnisvollen Reichen jenseits der Zeit waren etwas für kleine Mädchen, nicht für einen fast schon erwachsenen Jungen wie ihn.

Er drehte sich um, zog die Tür lautlos hinter sich zu und schlich auf Zehenspitzen zu seinem Zimmer, fast als hätte er Angst, bei etwas Verbotenem überrascht zu werden. Er hörte, wie Mutter den Telefonhörer abnahm, eine Nummer wählte und dann mit leiser Stimme sprach. Einen Moment lang blieb er an das Treppengeländer gelehnt stehen, lauschte und huschte dann in sein Zimmer. Er zog sich aus, löschte das große Licht und ging ins Bett, nachdem er die Nachttischlampe eingeschaltet und den »Angriff der Telepathen«, den letzten Band der »Sternenkrieger«, vom Regal genommen hatte. Er fand die Stelle, wo er aufgehört hatte, rasch wieder. Aber es fiel ihm schwer, sich auf das Buch zu konzentrieren. Es war eine der spannendsten Szenen, der Moment, in dem sich Commander Arcana entscheiden mußte, ob er die Warlord II in einen aussichtslosen Kampf mit den technisch weit überlegenen Telepathiemonstern führen oder das Schiff retten und den Unheimlichen den Weg in die Galaxie freigeben sollte. Aber die Buchstaben hüpften vor Kims Augen auf und ab und ergaben keinen Sinn.

Kim klappte das Buch zu, starrte einen Herzschlag lang ärgerlich die weißgestrichene Decke über seinem Kopf an und versuchte es dann noch einmal.

Es ging nicht. Sosehr er sich auch konzentrierte, zwischen den Zeilen schlichen sich immer wieder andere, beunruhigende Gedanken ein. Und wenn er versuchte, sich Commander Arcanas schmales, bärtiges Gesicht vorzustellen, sah er dahinter das kleine weiße Gesicht seiner Schwester, gefangen und verloren in der unendlichen Wüste des Krankenhausbettes.

Es klopfte. Kim ließ erschrocken das Buch sinken, setzte sich auf und sagte: »Herein.«

Die Klinke wurde zögernd heruntergedrückt. Ein schmaler, dreieckiger Lichtschein fiel aus dem Korridor herein, und Kim hörte Mutter unten im Flur reden. Sie telefonierte noch immer.

»Störe ich?« fragte Vater.

Kim antwortete nicht. Vater machte die Tür hinter sich zu und trat zu ihm ans Bett. Er schob die Decke beiseite und setzte sich auf die Bettkante. Mit einem nachsichtigen Lächeln griff er nach dem Buch in Kims Händen.

»Sag's mir ruhig, wenn ich dich beim Lesen störe«, sagte er.

»Du störst mich nicht«, versicherte Kim. »Das Buch ist... ich konnte sowieso nicht richtig lesen.«

Er war irritiert. Es kam selten vor, daß Vater noch einmal nach ihm sah, nachdem er zu Bett gegangen war, und wenn, dann nur um ihm zu sagen, daß er einen Fehler in seinen Hausaufgaben entdeckt hatte. Aber diesmal schien er aus einem anderen Grund gekommen zu sein.

»Das hier ist spannender als Hausaufgaben, nicht?« fragte Vater, mit dem Kinn auf das Buch in seinen Händen deutend.

Kim nickte. Dann biß er sich auf die Lippen und murmelte etwas Unverständliches.

Sein Vater hatte offenbar keine Antwort erwartet, denn er redete gleich weiter. »Weißt du, daß ich auch so etwas gelesen habe, als ich in deinem Alter war?«

Kim sah ihn verwirrt an. Sein Vater - und einen Zukunftsroman?

Vater lächelte. »Du kannst es mir ruhig glauben. In meiner Schulzeit habe ich die Dinger regelrecht gefressen. Und nicht nur ich. Meine Freunde waren genauso wild darauf. Wir haben regelrechte Klubs gegründet und die Hefte untereinander ausgetauscht. Heimlich natürlich. Unsere Eltern durften nichts davon wissen. Sie hätten uns den Hintern versohlt, wenn sie geahnt hätten, wofür wir unser Taschengeld ausgeben.« Er lachte leise.

»Du... du hast wirklich Science Fiction gelesen, früher?« fragte Kim ungläubig.

»Warum nicht?« Vater stand auf und ging zum Bücherbrett hinüber. »Meine Lieblingsserie war ›Raumschiff Orion‹, aber die kennst du wohl gar nicht mehr.«

Kim dachte angestrengt nach. Thomas, sein Banknachbar in der Schule, hatte einmal ein uraltes, zerlesenes Heft dieses Namens mitgebracht, aber er war nicht zu bewegen gewesen, Kim einen Blick hineinwerfen zu lassen.

»Ich glaube, ich habe die Schmöker sogar noch«, fuhr Vater nachdenklich fort. »In irgendeiner Kiste auf dem Dachboden müssen noch Dutzende davon sein.«

»Gibst du sie mir?« Die Frage war Kim einfach so herausgerutscht.

Zu seiner Verblüffung sagte sein Vater wieder: »Warum nicht«, während er jetzt ein Buch nach dem anderen vom Regal nahm, die Titelbilder betrachtete und eins ums andere wieder zurückstellte, um nach dem nächsten zu greifen. »Wie ich sehe, kann ich dich sowieso nicht daran hindern, diesen Kram zu lesen, und so gibst du dein Taschengeld vielleicht einmal für etwas Sinnvolleres aus. Weißt du«, fügte er hinzu, während er das letzte Buch in der Reihe zurückstellte und eines von Kims sorgfältig angefertigten Raumschiffmodellen zur Hand nahm, »ich kann gut verstehen, was dich daran so fasziniert.«

»Wirklich?« Kim streichelte das pfeilflügelige Raumschiff in Vaters Händen mit einem zärtlichen Blick. Sein Taschengeld für eine ganze Woche war dafür draufgegangen. Er hatte vier Abende an dem Modell gebastelt und fluchend all die winzigen Antennen, Sensoren und Laserstrahler montiert.

»Natürlich«, antwortete Vater ernst. »Das Leben in diesen Geschichten ist viel einfacher als das wirkliche Leben, nicht? Keine Schule, keine bösen Lehrer, keine Eltern, die einen dazu zwingen, bei schönem Wetter im Haus zu sitzen und Schulaufgaben zu machen«, fügte er augenzwinkernd hinzu. »Du setzt dich einfach in dein Raumschiff und schwingst dich in den Weltraum empor.«

»Aber das stimmt doch gar nicht!« empörte sich Kim.

»O doch, es stimmt«, antwortete Vater ruhig. »Ich weiß es. Als ich so alt war wie du, da habe ich selbst neben Commander McLean in der Kommandozentrale der Orion gestanden und gezittert, als die Raumschiffe der Frogs die Erde angriffen.« Er drehte das Modell lächelnd ein paarmal in den Händen und fragte dann: »Was ist das?«

»Eine Viper«, erklärte Kim eifrig. »Ein Viperjäger. Er hat nur zwei Mann Besatzung, aber er ist unheimlich schnell und so wendig, daß er praktisch unangreifbar ist.« Er zeigte auf die beiden kleinen spitzen Dornen, die unter der gläsernen Bugkanzel des Schiffes hervorsahen. »Siehst du - das sind die Laserkanonen.«

»Laserkanonen, soso«, nickte Vater. Kim sah ihn aufmerksam an und versuchte vergeblich Spuren von Spott in seinem Gesicht zu erkennen; es schien ihm vollkommen ernst zu sein. »Zu meiner Zeit waren wir schon moderner«, sinnierte er. »Wir hatten riesige Raumschiffe, vier oder fünf Kilometer groß, mit Waffen, die einen ganzen Planeten zerstören konnten.«

»Das kann die Warlord II auch«, warf Kim ein.

»Warlord?«

»Commander Arcanas Heimatschiff. Sie ist so groß wie ein Mond, aber wendig wie ein Lichtstrahl«, zitierte er den Werbetext auf der Rückseite der »Sternenkrieger«. »Die Vipern werden dagegen für besondere Einsätze benutzt. Sie sind so klein, daß sie fast überall ungesehen starten und landen können. Und wenn sie in Schwärmen angreifen, sind sie durch ihre Schnelligkeit gefährlicher als ein großes Schiff.« Vater lächelte. Er stellte das Modell behutsam auf das Bord zurück und murmelte undeutlich: »Die Zeit der großen Raumschlachten scheint ja, Gott sei Dank, vorbei zu sein.« Laut sagte er: »Ich bin eigentlich nur gekommen, weil ich dir vorhin nicht gute Nacht gesagt habe. Entschuldige bitte.«

»Schon in Ordnung.«

Sein Vater ging zur Tür und wandte sich noch einmal um. »Über deine Bücher unterhalten wir uns morgen weiter. Vielleicht können wir erreichen, daß sich Commander... wie heißt er doch noch?«

»Arcana«, sagte Kim.

»Daß sich Commander Arcana mit deinen Hausaufgaben arrangiert.« Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, und er trat hinzu, um den Taschenrechner auszuschalten. Dann verließ er das Zimmer.

Kim starrte die geschlossene Tür an. Er hatte seinen Vater noch nie so erlebt, und er vermutete, daß er auch jetzt nur einen ganz kleinen Blick hinter die Maske getan hatte, die er normalerweise trug. Er war bestimmt nicht heraufgekommen, um sich mit ihm über Commander Arcanas Vipern zu unterhalten. Auch nicht, um ihm gute Nacht zu sagen.

Er verschränkte gähnend die Arme hinter dem Kopf und schloß die Augen. Plötzlich fühlte er sich furchtbar müde. Er hatte Durst, und einen Moment lang überlegte er, ob er aufstehen und in die Küche hinuntergehen sollte, um ein Glas Milch zu trinken. Aber die Müdigkeit hielt ihn fest. Er drehte sich auf die Seite, schaltete die Nachttischlampe aus und schloß endgültig die Augen.

Er schlief sofort ein, aber es war kein ruhiger Schlaf. Immer wieder warf er sich von einer Seite auf die andere. Er hatte einen verrückten, wirren Alptraum, in dem die Klinik, Dr. Schreiber, Commander Arcana und ein kleines, weißes Gesicht, das in einem gigantischen weißen Ozean zu ertrinken drohte, eine Rolle spielten. Er bemühte sich aufzuwachen, aber es gelang ihm nicht. Er versuchte sich zu kneifen, aber der Alptraum hatte ihn fest in seinen Fängen und lähmte ihn. Kim stöhnte, konzentrierte sich dann und - fuhr mit einem halblauten Schrei hoch.

Sein Herz hämmerte. In seinem Mund war ein bitterer, metallischer Geschmack, und sein Schlafanzug klebte in großen, feuchten Flecken an Brust und Rücken.

Er schüttelte den Kopf und schluckte ein paarmal, um den bitteren Geschmack im Mund loszuwerden.

Das Haus war vollkommen ruhig. Der Mond war weitergewandert und schien jetzt nicht mehr ins Zimmer herein. Draußen vor dem Fenster herrschte tiefschwarze Nacht.

Plötzlich hörte Kim ein leises, knarrendes Geräusch.

Sein Herz schien mit einem schmerzhaften Schlag bis in den Hals hinaufzuhüpfen, und er hatte das Gefühl, als führe ihm eine eisige, elektrisierende Hand über den Rücken.

Das Geräusch wiederholte sich, dann noch einmal und immer wieder. Er kannte dieses Geräusch. Es war das Knarren und Quietschen des Schaukelstuhles neben seinem Bett! Langsam, mit klopfendem Herzen öffnete er die Augen, starrte zur Decke hinauf und ließ den Blick dann vorsichtig an der Wand herabwandern. Er spürte plötzlich, daß außer ihm noch jemand im Zimmer war!

Für einen Augenblick preßte er die Lider zusammen, sammelte all seinen Mut und zwang sich dann, die Wand hinter seinem Bett anzusehen.

Auf der weißen Rauhfasertapete war deutlich der Schatten des hin- und herschwingenden Schaukelstuhles zu erkennen. Und in ihm saß der Schatten eines Mannes!

Kim fuhr mit einem leisen Schrei herum, setzte sich vollends auf und preßte den Rücken dicht gegen die Wand. Der Schaukelstuhl bewegte sich sacht vor und zurück, und darin saß ein weißhaariger, bärtiger alter Mann, der Kim aus dunklen Augen ansah. Es war der Alte, den er an diesem Tag schon zweimal gesehen hatte.

Kim schluckte. Er rang nach Luft und preßte die Hände flach gegen die Wand in seinem Rücken, um ihr Zittern zu verbergen.

»Wer... wer sind Sie?« fragte er heiser. Er hatte Mühe, die Worte hervorzustoßen.

Der Alte lächelte wieder dieses seltsame Lächeln, bei dem sich kein Muskel in seinem Gesicht regte.

»Du kennst mich«, sagte er ruhig. Seine Stimme war tief und durchdringend. Sie paßte zu ihm. Kim hätte sich keine andere Stimme für ihn vorstellen können. Commander Arcana mußte eine solche Stimme haben, dachte er.

»Ich... ich glaube, ich habe Sie schon einmal gesehen«, antwortete er zögernd.

»Zweimal«, verbesserte ihn der Alte. »Zuerst im Krankenhaus, als du deine Schwester besucht hast, und später noch einmal auf der Straße. Erinnerst du dich nicht mehr?«

»Doch.« Kim nickte. »Sie... Sie kennen Rebekka?« fragte er verwundert.

Ein belustigtes Lächeln glitt über das Gesicht des alten Mannes. Er hörte auf zu schaukeln, richtete sich gerade auf und strich sich mit der Linken über den Bart.

»Natürlich kenne ich deine Schwester, Kim«, sagte er. »Und ich kenne auch dich. Deine kleine Schwester hat viel von dir erzählt.«

»Sie... wieso... ich meine...« stotterte Kim verwirrt.

»Ich kenne euch beide«, nickte der alte Mann. »Ich kenne auch deine Eltern und deine Tante Birgit, aber sie kennen mich nicht. Leider, möchte ich sagen. Aber tu mir den Gefallen und hör endlich auf, mich ›Sie‹ zu nennen. Wir sind doch Freunde, oder?«

Kim nickte lebhaft. »Natürlich, wenn Sie... wenn du nichts dagegen hast. Aber wie soll ich dich nennen?«

»Nenne mich, wie du willst«, antwortete der Alte. »Arcana vielleicht. Ich glaube, dieser Name würde dir gefallen.«

Arcana? Kim überlegte. Commander Arcana war größer als dieser alte Mann, jünger und stärker, und während die Züge des Alten Güte und Weisheit prägten, dominierte im Gesicht von Commander Arcana Kraft und Entschlossenheit. Er schüttelte den Kopf. »Du bist nicht Commander Arcana«, sagte er bestimmt.

Der Alte schmunzelte. »Doch, Kim, das bin ich. Ich bin Commander Arcana, aber auch Gandalf, Merlin und der Mann im Mond, wenn du es so willst. Man hat mir viele Namen gegeben, und mir ist jeder recht.« Als er die Ratlosigkeit in Kims Gesicht sah, schüttelte er leicht den Kopf und fügte hinzu: »Wenn du möchtest, nenne mich Themistokles. So hat mich deine Schwester immer genannt.«

»Themistokles?« Kim legte den Kopf schief und musterte sein Gegenüber. Der Name paßte, fand er. »Gut. Aber wieso hat dich meine Schwester so genannt? Kennt sie dich denn?«

»Selbstverständlich«, sagte Themistokles. »Deine Schwester und ich sind gute Freunde.« Er hob beschwichtigend die Hand. »Gemach, Kim, gemach«, sagte er. »Wir haben zwar nicht viel Zeit, aber ich werde dir alles erklären. Ich bin gekommen, um dich um Hilfe zu bitten.«

»Mich?« fragte Kim zweifelnd. Was in aller Welt mochte es geben, bei dem er, ein kleiner, schwacher Junge, einem so klugen Mann wie Themistokles helfen konnte?

Themistokles lächelte, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Es gibt etwas, Kim«, sagte er leise. »Etwas, wobei nur du helfen kannst. Oder, um es anders auszudrücken: Es gibt jemanden, dem nur du helfen kannst und sonst niemand. Nicht einmal ich. Deiner Schwester!«

»Rebekka?« stieß Kim hervor.

Themistokles nickte.

»Aber... woher kennst du Rebekka überhaupt?«

»Ich kenne sie schon lange«, erklärte Themistokles. »Sie hat mich oft besucht, dort, wo ich lebe. Sie hat viele Freunde drüben. In Wahrheit«, fügte er nachdenklich hinzu, »hat jeder sie gern. Um so wichtiger ist es, daß du uns hilfst.«

Kim schüttelte verwirrt den Kopf. »Aber ich... ich verstehe nicht«, sagte er. »Wo ist das, wo du herkommst? Und wie könnte ich dir helfen?«

»Wo ich herkomme?« Themistokles nickte wieder. Er schien überhaupt jeden Satz mit einem Nicken zu beenden. »Das Land, woher ich komme, heißt Märchenmond.«

»Märchenmond?«

»Der Name, den ihm deine Schwester gab. Er hat uns so gut gefallen, daß wir ihn übernommen haben.«

»Und Märchenmond ist...«

»Ein Land, ein Reich, eine Welt - wie du möchtest, Kim. Deine Schwester war oft drüben, und wir haben immer gehofft, daß sie dich eines Tages mitbringen würde. Wir haben gerne Besuch, weißt du.« Er seufzte und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch den Bart. »Aber leider ist jetzt etwas geschehen, was niemand voraussehen konnte. Und deswegen bin ich hier.«

Kim rutschte ein Stück in seinem Bett herunter, zog die Beine an den Körper und umschlang mit den Armen beide Knie. Sein Blick hing wie hypnotisiert an Themistokles' Gesicht.

»Für deine Schwester ist Märchenmond ein Land voller Freunde, voll Spaß und lustiger Spiele«, erklärte Themistokles ernst. »Aber Märchenmond ist auch ein Stück von eurer Welt. Es gibt Gutes und Böses dort, und wenn wir bisher auch stärker waren und das Böse unter Kontrolle halten konnten, so ist es doch da. Deine Schwester ist oft allein in Märchenmond spazierengegangen, und nie ist ihr etwas zugestoßen. Wir beobachten die bösen Mächte ständig, weißt du. Aber deine Schwester drang zu tief in den Wald vor, so tief, daß wir nicht mehr auf sie achthaben konnten. Wir bewachen unsere Grenzen scharf, aber es gibt Pfade und Wege über das Schattengebirge...«

»Schattengebirge?«

»Die Grenze unseres Landes. Es sind Berge, höher als der Mond, deren Schatten so tief sind, daß nichts Lebendes sie durchdringen kann. Aber es gibt Wege hinüber, die nicht einmal wir kennen. Und deine Schwester hat einen solchen Weg entdeckt. Sie ging hinüber.«

»Und dann?« fragte Kim atemlos.

Themistokles schwieg einen Moment und sah ihn durchdringend an. »Sie wurde gefangen. Boraas, der Herr der Schatten, sperrte sie in eines seiner Verliese.«

Kim fuhr auf. »Aber ihr...« rief er aufgeregt, »ihr müßt sie befreien.«

»Das geht nicht, Kim«, sagte Themistokles traurig. »Kein Bewohner Märchenmonds kann das Reich der Schatten betreten, ohne selbst zum Schatten zu werden. Glaube mir, ich selbst hätte gern mein Leben geopfert, um deine Schwester zu befreien, aber es ist unmöglich. Ich würde Boraas' Macht nur stärken, wenn ich es versuchte. Ich glaube sogar, daß er deine Schwester nur gefangenhält, um mich und vielleicht ganz Märchenmond zu vernichten.«

»Und du glaubst, daß... daß ich hinübergehen könnte, ohne zum Schatten zu werden?«

Themistokles nickte. »Ja, Kim. Jeder Bewohner eurer Welt kann sich im Reich der Schatten frei bewegen. Auch du.«

Kim überlegte einen Moment, schlug dann die Decke zurück und sprang mit einem Satz aus dem Bett.

»Worauf warten wir noch?« fragte er. »Gehen wir!«

Themistokles rührte sich nicht. »Ich wußte, daß du deiner Schwester helfen würdest«, sagte er. »Aber ich muß dich warnen. Es könnte gefährlich werden.«

»Das macht nichts«, sagte Kim.

»Sehr gefährlich. Vielleicht...« Themistokles sah an Kim vorbei in die Richtung, in der jenseits der Wand Rebekkas Zimmer lag. »Vielleicht kommst du nie mehr zurück«, fuhr er fort. »Vielleicht wirst du selbst gefangen. Boraas ist ein mächtiger, böser Zauberer. Seine Macht ist der meinen vollkommen ebenbürtig.«

»Das macht nichts«, wiederholte Kim. »Ich habe keine Angst. Dieser niederträchtige Kerl wird noch den Tag verfluchen, an dem er Rebekka gefangengenommen hat.«

Themistokles erhob sich. Er deutete zur Tür. »Nun gut. Wenn es dein fester Wille ist, dann folge mir.«

Kim folgte ihm. Im Treppenhaus brannte kein Licht, trotzdem konnte Kim sehen, als hätte er plötzlich Katzenaugen. Themistokles ging vor ihm die Treppe hinab. In der Diele blieb er stehen und öffnete lautlos die Wohnzimmertür.

»Du bist wirklich entschlossen?«

Kim nickte fest.

»So sei es denn.«

Themistokles durchquerte mit schnellen Schritten das Wohnzimmer und hielt vor der altmodischen Standuhr an. Kim fiel auf, daß sich das Pendel der Uhr nicht mehr bewegte. Jedoch das Uhrwerk tickte weiter.

»Es gibt noch viel, was ich dir erklären muß«, sagte Themistokles. »Aber die Zeit läuft uns davon. Ich werde drüben auf dich warten.« Er öffnete die Tür des Gehäuses, trat hinein und war verschwunden.

Kim rieb sich verwundert die Augen. Zögernd streckte er die Hand aus, berührte das stillstehende Pendel und stieß schließlich mit den Fingerspitzen gegen das harte Holz der Rückwand.

»Nein, Kim«, wisperte Themistokles' Stimme in seinem Kopf. »Dieser Weg nach Märchenmond ist dir versperrt.«

»Aber wie...«

»Jeder Mensch kennt den Weg zu uns«, fuhr Themistokles fort. »Aber jeder muß seinen eigenen Weg gehen. Auch du. Finde ihn. Du kannst es. Beeil dich. Ich warte auf dich.«

Die Stimme verklang, und im gleichen Augenblick begann das Uhrpendel wieder zu schwingen.

Kim schloß die Tür des Gehäuses, blieb einen Moment unschlüssig stehen und ging dann in die Diele hinaus. Durch die Milchglasscheibe der Haustür drang mildes, weißes Licht herein. Er drückte die Klinke herunter, trat auf die Treppenstufen hinaus und zog die Tür leise hinter sich ins Schloß.

Die Viper stand direkt vor dem Haus, in der Mitte der Straße. Die schmalen Flügelspitzen reichten bis an den Vorgarten seines eigenen und den des gegenüberliegenden Hauses, und der schlanke Rumpf schien vor mühsam beherrschter Erregung zu pulsieren.

Kim lief die Stufen hinunter, strich sich mit der Hand über die glatte, dunkelbraune Lederuniform, die seinen Körper wie eine zweite Haut umspannte, und stand auch schon neben der Maschine. Seine Hand drückte die verborgene Sensortaste neben der schmalen Metalleiter, die zum Cockpit hinaufführte. Leises Summen ertönte, als die gläserne Pilotenkanzel nach oben schwang. Kim kletterte die Leiter hinauf, ließ sich in den weichen Kontursessel fallen und griff nach den Anschnallgurten. Die Kanzel schloß sich automatisch wieder, als der Verschluß einrastete. Gleichzeitig flammte die Instrumentenbeleuchtung auf und tauchte die Kabine in mildes, grünes Licht.

Kim griff nach dem Helm, setzte ihn auf und klappte das Visier herunter. Seine Finger tasteten zielsicher über die komplizierte Anordnung von Knöpfen, Instrumenten und Reglern vor sich, legten Schalter auf Schalter um und erweckten die komplizierte Technik der Viper Stück für Stück zum Leben.

Sanftes Vibrieren lief durch den deltaförmigen Raumjäger. Im Zentrum des halbrunden Steuerknüppels begann ein winziges rotes Licht zu flackern. Kim streckte die Hand nach dem Hebel aus, holte noch einmal tief Luft und drückte dann mit einer entschlossenen Bewegung den Startknopf.

Die beiden Staustrahltriebwerke der Viper sprangen brüllend an. Ein berstender, vielfach gebrochener Donnerschlag brachte die Fensterscheiben in weitem Umkreis zum Klirren. Kims Finger griffen nach dem Beschleunigungshebel. Die Nachbrenner zündeten mit dumpfem Röhren. Gleißendes Licht brach aus den Raketendüsen der Viper und tauchte die Häuser rechts und links der Straße in unerträgliche Helligkeit. Die Viper setzte sich dröhnend in Bewegung, zog dicht über die Hausdächer hinweg und stieg dann, von einem hellodernden Feuerstrahl getragen, zu den Sternen empor.

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