XI TABLE D’HÔTE

1. Der Wind bläst das Zelt auf wie einen Ballon,

es zerrt an gespannten Seilen,

will sich losreißen und losfliegen

über wermutbedeckte Schluchten

und schartige Feuersteinhügel,

hinauf in die stürmische Nacht

und die heulenden Wolken.

Fest

wie ein Wurm sich listig

um das Staubblatt einer Fuchsie schlingt,

schlingt ein Mann die Hände um eine Kerze.

Die Flamme zittert im Wind,

züngelt an seinen Händen,

färbt die schwankenden Mauern rot.

Die Hände werfen Schatten auf die roten Mauern.

Das Kerzenlicht schwindet, flackert wieder auf.

Die Schatten sind voll von alten Zeltbewohnern –

Männer, neugierig auf das Leben in den Städten,

Männer, die andersartiges Brot probieren wollen,

Männer, die sich auskennen mit Polarstern

und Mondphasen,

die sich Ost und West

lässig über die Schulter werfen

wie einen Mantel:

Herodot, Thales, Demokrit,

Heraklit, der Flüsse beobachtete,

parosstirnige lohwangige Reisende,

die lange bei den Weinhändlern saßen und zuhörten,

früh aufstanden und den Hafenwind schnupperten

und das Leuchten der Wüstenorte in der

Morgendämmerung sahen,

und wachen Sinnes

Meere und Ebenen und Städte bereisten,

in festen Händen

bis an die grauen kühlen Augen

die eigenwilligen Seelen von Menschen und Göttern.

Die Kerze ist in Dunkelheit und Wind erloschen.

Das Zelt widersteht dem starken Wind,

festgezurrt, mit Steinen beschwert.

Mein Schlaf wird mit Träumen aufgepumpt,

will sich losreißen und hochfliegen

über wermutbedeckte Schluchten

und schartige Feuersteinhügel,

hinauf in die stürmische Nacht

und die heulenden Wolken.

Vielleicht wenn das Licht im Osten

blecherne und scharlachrote Becken schlägt

mit dem Brummen und Klingeln mächtiger Glocken,

werden weiß über feuersteinbedeckte Hügel

die suchenden zeltlosen Karawanen kommen,

die Bilkis[32] unermüdlich führt,

nickend in ihrem Gewand,

auf einem brüllenden Dromedar.

2. Képis, zwei Mützen, ein Filzhut und eine Melone, kopflos auf der Garderobe. Ein herunterhängender Schal, ein Regenschirm. Dazwischen mein Hut. Die Türen schwingen ...

Tisch, zwei Reihen grüner weißer Kiefer (comme on s’ennuie), kauende rasierte Kinnbacken vor Ketchup-Flaschen und Pickles-Gläsern; Kragen schnüren die Adern an schlaffen Hälsen ein; Messer und Gabeln klimpern in azetylenschimmerndem Zickzack (dans ce sale pays). Seitenblicke (comme on s’ennuie) halten Gedanken fest (dans ce sale pays) wie Klammern auf dem Vorderschnitt von Taschenbüchern.

Mit knarrenden Schritten gehe ich, gesättigt, unauffällig zu den Schwingtüren.

Und gestern

ritt ich auf einem grauen Hengst

in den ersten Olivengarten

und vorgestern

saß ich im vollen Wind,

aß Datteln, in Ghee gebraten,

rechts neben Jassem er-Rawwaf

in der roten Höhle des Feuerscheins,

und sah Hassun seine blutende Fußwunde

in glühender Asche stillen

und lehnte den Kopf an den Ballen

mit fadenartigem gelben persischen Tabak

die Augen gepeinigt vom durchdringenden Rauch

die Beine zerstochen von scharfen Wüstensteinen,

und hörte Salehs

leises durstiges Lied

vom ausgemergelten Hossein und Kerbela

für den schlanken Ali,

dessen Gang, wenn er rufend und rufend

in das Lager die zweiundvierzig Kamele führte,

ein Zug von Königen war, dunkle Heimkehrer,

eingemeißelt auf einem Berg

im Triumph,

und ich fragte mich,

die spitzen Wermutflammen betrachtend,

warum Nawwaf an jenem Tag davonritt

auf seinem großen weißbärtigen Dromedar

ohne ein Stück Brot,

krausbärtiger Nawwaf,

Freund des Winds, Kenner der vier Himmelsrichtungen,

der, wenn er lachte, Stahl

aus kajalschwarzen Augen sprühte.

esch-Scham

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