9 Aufbruch aus Malden

Eine kühle Frühlingsbrise kitzelte Perrins Gesicht. So eine Brise hätte den Geruch von Pollen und frischem Morgentau mit sich führen sollen, von Sprösslingen, die die Krume wendeten, wenn sie ins Licht drängten, von neuem Leben und wiedergeborener Erde.

Diese Brise brachte nur den Geruch von Blut und Tod.

Perrin wandte ihr den Rücken zu, kniete nieder und inspizierte die Wagenräder. Das Gefährt war eine stabile Konstruktion aus vom Alter gedunkeltem Hartholz. Es schien in gutem Zustand zu sein, aber er hatte gelernt, vorsichtig zu sein, wenn es um Ausrüstung aus Malden ging. Die Shaido lehnten Wagen und Ochsen nicht so rigoros ab wie Pferde, aber wie alle Aiel hielten sie viel davon, mit leichtem Gepäck zu reisen. Weder Karren noch Wagen hatten sie gewartet, und er hatte während seiner Inspektion mehr als nur einen Schaden entdeckt.

»Der Nächste!«, brüllte er, als er die Nabe des ersten Rades überprüfte. Die Bemerkung war an die Menschenmenge gerichtet, die darauf wartete, mit ihm sprechen zu können.

»Mein Lord.« Das war eine tiefe, raue Stimme, wie Holz, das gegen Holz schabte. Gerard Arganda, der Erste Hauptmann von Ghealdan. Er roch nach gut geölter Rüstung. »Ich muss auf das Thema unserer Abreise dringen. Erlaubt mir, mit Ihrer Majestät vorauszureiten.«

Die »Majestät«, auf die er sich bezog, war Alliandre, die Königin von Ghealdan. Perrin arbeitete weiter an dem Rad; im Zimmermannshandwerk kannte er sich nicht so gut aus wie im Schmiedehandwerk, aber sein Vater hatte jedem seiner Söhne beigebracht, bei Wagen die Anzeichen für Probleme zu erkennen. Besser, die Mängel vor dem Aufbruch zu richten, als auf halbem Weg liegen zu bleiben. Er fuhr mit den Fingern über das glatte braune Holz. Die Maserung war deutlich sichtbar, und er suchte mit tastenden Fingern nach Rissen. Alle vier Räder sahen gut aus.

»Mein Lord?«, fragte Arganda.

»Wir marschieren alle zusammen«, sagte Perrin. »So lautet mein Befehl, Arganda. Den Flüchtlingen werde ich nicht den Eindruck vermitteln, dass wir sie im Stich lassen.«

Flüchtlinge. Davon gab es mehr als einhunderttausend, um die man sich kümmern musste. Einhunderttausend! Beim Licht, das waren mehr Menschen, als im Umkreis der Zwei Flüsse lebten. Und er hatte die Aufgabe, jeden Einzelnen davon zu ernähren. Viele Männer verstanden einfach nicht, wie wichtig ein guter Wagen war. Er legte sich auf den Rücken und bereitete sich auf die Inspektion der Achsen vor, und das gab ihm einen Blick auf den bewölkten Himmel, der teilweise von Maldens in unmittelbarer Nähe befindlicher Stadtmauer versperrt wurde.

Die Stadt war groß für eine Stadt so weit im Norden von Altara. Beinahe mehr Festung als Stadt, mit beeindruckenden Mauern und Türmen. Bis zum Vortag war das Land um diese Stadt die Heimat der Shaido Aiel gewesen, aber die waren nicht mehr da; viele waren getötet worden, andere geflohen, ihre Gefangenen befreit von einer Allianz aus Perrins Streitkräften und den Seanchanern.

Die Shaido hatten ihm zwei Dinge hinterlassen: den Geruch von Blut in der Luft und einhunderttausend Flüchtlinge, um die man sich kümmern musste. Auch wenn er froh war, ihnen die Freiheit gebracht zu haben, hatte er Malden doch aus einem ganz anderen Grund befreit: um Faile zu retten.

Eine andere Gruppe Aiel war auf seine Position zugekommen, aber sie waren langsamer geworden, hatten ein Lager aufgeschlagen und eilten nicht länger auf Malden zu. Vielleicht hatten vor der Schlacht fliehende Shaido sie vor dem großen Heer gewarnt, das Heer, das die Shaido trotz ihrer Machtlenker besiegt hatte. Anscheinend hatte diese neue Gruppe hinter Perrin genauso wenig Interesse daran, ihn anzugreifen, wie er sie.

Das verschaffte ihm Zeit. Zumindest etwas.

Arganda betrachtete ihn noch immer. Der Hauptmann trug seinen polierten Harnisch und hatte den Helm unter den Arm geklemmt. Der stämmige Mann war kein aufgeplusterter Offizier, sondern war aus den Rängen aufgestiegen. Er kämpfte gut und tat, was man ihm befahl. Meistens jedenfalls.

»In diesem Punkt werde ich nicht nachgeben, Arganda«, sagte Perrin und zog sich unter dem Wagen über den feuchten Boden.

»Könnten wir denn wenigstens Wegetore benutzen?«, fragte Arganda und ging auf die Knie. Sein graues, kurz geschorenes Haar berührte beinahe den Boden, als er unter den Wagen spähte.

»Die Asha'man sind fast zu Tode erschöpft«, fauchte Perrin. »Und das wisst Ihr.«

»Sie sind zu müde für ein großes Wegetor«, fuhr Arganda fort, »aber vielleicht könnten sie eine kleine Gruppe durchschicken. Meine Herrin ist von ihrer Gefangenschaft erschöpft! Ihr könnt doch nicht ernsthaft wollen, dass sie marschiert!«

»Die Flüchtlinge sind auch erschöpft. Alliandre kann ja reiten, aber sie wird erst dann aufbrechen, wenn wir alle aufbrechen. Möge das Licht dafür sorgen, dass das bald geschieht.«

Arganda seufzte, gab dann aber nach. Er erhob sich, während Perrin über die Achse strich. Spannungen im Holz erkannte er mit einem Blick, aber er zog die Berührung vor. Tasten war verlässlicher. Es gab immer einen Spalt oder einen Splitter, wo das Holz geschwächt war, und man konnte fühlen, wenn es kurz vor dem Zerbrechen stand. In dieser Hinsicht war Holz verlässlich.

Im Gegensatz zu Menschen. Im Gegensatz zu ihm.

Er spannte die Lippen an. Er wollte nicht darüber nachdenken. Er musste weiterarbeiten, musste irgendetwas tun, um sich abzulenken. Er arbeitete gern. In letzter Zeit hatte es dafür viel zu wenig Gelegenheiten gegeben. »Der Nächste!«, rief er, und seine Stimme hallte gegen die Unterseite des Wagens.

»Mein Lord, wir sollten angreifen!«, verkündete eine ungestüme Stimme neben dem Wagen.

Perrin ließ den Kopf auf das zertrampelte Gras sinken und schloss die Augen. Bertain Gallenne, Lordhauptmann der Geflügelten Wachen, war für Mayene das, was Arganda für Ghealdan war. Von dieser einzigen Übereinstimmung abgesehen, waren die beiden Hauptmänner ungefähr so verschieden, wie zwei Männer nur sein konnten. Von seiner Position aus konnte Perrin Bertains große, wunderschön gearbeitete Stiefel mit den wie Falken geformten Schnallen sehen.

»Mein Lord«, fuhr Bertain fort. »Ein prächtiger Sturmangriff der Geflügelten Wachen würde diesen Aiel-Abschaum in alle Winde zerstreuen, da bin ich mir sicher. Schließlich haben wir die Aiel hier in der Stadt auch ohne große Anstrengungen besiegen können.«

»Da hatten wir auch die Seanchaner«, erwiderte Perrin, beendete die Kontrolle der Hinterachse und schob sich nach vorn, um die andere zu begutachten. Er trug seinen alten, fleckigen Mantel. Faile würde ihn deshalb schelten. Er sollte sich immer als Lord präsentieren. Aber würde sie wirklich von ihm erwarten, einen guten Mantel zu tragen, wenn er hier eine Stunde lang im schlammigen Gras lag und sich Wagen von unten anschaute?

Faile würde schon Einwände dagegen haben, dass er sich überhaupt auf den Boden legte. Er zögerte, die Hand auf der Vorderachse, dachte an ihr rabenschwarzes Haar und die unverkennbare saldaeanische Nase. Sie war die Summe seiner Liebe. Sie war alles für ihn.

Er hatte es geschafft - er hatte sie gerettet. Aber warum fühlte er sich dann noch immer so, als wären die Dinge genauso schlimm wie zuvor? Er hätte jubeln oder ekstatisch sein sollen, er hätte erleichtert sein sollen. Während ihrer Gefangenschaft hatte er sich solche Sorgen gemacht. Aber jetzt, da sie in Sicherheit war, fühlte sich noch immer alles falsch an. Irgendwie. Auf eine Weise, die er nicht erklären konnte.

Beim Licht! Konnte denn nichts so funktionieren, wie es sollte? Mechanisch griff er nach seiner Tasche und wollte die Schnur mit den Knoten anfassen, die er dort immer mit sich getragen hatte. Aber er hatte sie weggeworfen. Hör auf damit!, dachte er. Sie ist wieder da. Wir können da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Oder nicht?

»Ja, nun«, fuhr Bertain fort, »die Abreise der Seanchaner könnte unseren Angriff beeinträchtigen. Aber die Aiel, die dort lagern, sind bei weitem nicht so viele wie die, die wir bereits besiegt haben. Und wenn Ihr Euch Sorgen macht, könntet Ihr ja der seanchanischen Generalin eine Botschaft schicken und sie zurückholen. Sicherlich würde sie wieder gern an unserer Seite kämpfen!«

Perrin zwang sich zurück in den Augenblick. Seine albernen persönlichen Probleme waren unwichtig; im Moment musste er diese Wagen auf den Weg bringen. Die Vorderachse sah gut aus. Er drehte sich um und schob sich unter dem Wagen hervor.

Bertain war von mittlerer Größe, aber die drei Federn auf seinem Helm ließen ihn größer aussehen. Er trug seine rote Augenklappe - Perrin wusste nicht, wo er das Auge eigentlich verloren hatte -, und seine Rüstung funkelte. Er erschien aufgeregt, als würde Perrins Schweigen seiner Ansicht nach den Angriff andeuten.

Perrin stand auf und klopfte sich seine schlichte braune Hose ab. »Wir gehen«, sagte er und hob die Hand, um jede weitere Debatte zu unterbinden. »Wir haben die Septimen hier besiegt, aber wir hatten sie mit Spaltwurzel betäubt, und es kämpften Damane auf unserer Seite. Wir sind erschöpft, verwundet, und wir haben Faile zurück. Wir haben keinen Grund zum Kämpfen mehr. Wir flüchten.«

Bertain sah nicht zufrieden aus, aber er nickte und wandte sich ab, stampfte über den schlammigen Boden zu seinen Männern, die auf ihren Pferden saßen. Perrin betrachtete die kleine Gruppe, die sich um den Wagen drängte, um mit ihm zu sprechen. Einst hatte ihn solche Arbeit nur geärgert. Sie war ihm immer als so sinnlos erschienen, da die meisten der Bittsteller seine Antwort bereits kannten.

Aber sie hatten das Bedürfnis, diese Antworten von ihm zu hören, und mittlerweile hatte er begriffen, wie wichtig das war. Darüber hinaus halfen ihre Fragen, ihn von der seltsamen Anspannung abzulenken, die er nach Failes Rettung verspürte.

Er begab sich zum nächsten Wagen in der Reihe, sein kleines Gefolge dicht auf den Fersen. Gut fünfzig solcher Wagen waren zu einem langen Karawanenzug aufgestellt. Die ersten waren mit aus Malden geborgenen Gütern beladen; mit denen in der Mitte wurde ebenfalls gerade so verfahren, und es waren nur noch zwei übrig, die er inspizieren musste. Bei Sonnenuntergang wollte er Malden ein gutes Stück hinter sich wissen. Das würde ihn vermutlich weit genug bringen, um in Sicherheit zu sein.

Es sei denn, diese neuen Shaido würden sie aus Rache verfolgen. Bei der Anzahl der Menschen, die Perrin zu transportieren hatte, hätte sie auch ein Blinder verfolgen können.

Die Sonne senkte sich bereits dem Horizont entgegen, eine leuchtende Kugel hinter der Wolkendecke. Beim Licht, wie schwierig und chaotisch war es doch, die Flüchtlinge zu organisieren und die Heerlager zu trennen. Fortzukommen sollte doch eigentlich der leichte Teil sein!

Das Shaido-Lager war eine Katastrophe. Seine Leute hatten sich viele der verlassenen Zelte geholt und verstaut. Die geräumte Ebene um die Stadt herum bestand nun nur noch aus zertrampelten Grün und Morast, übersät mit Abfall. Als echte Aiel hatten die Shaido es vorgezogen, außerhalb der Stadtmauern zu kampieren statt dahinter. Ein seltsames Volk, das konnte man nicht anders sagen. Wer würde schon ein schönes Bett ablehnen - ganz zu schweigen von der besseren militärischen Position -, um draußen in einem Zelt zu liegen?

Aber Aiel verabscheuten Städte. Die meisten der Gebäude waren beim ersten Angriff der Shaido entweder niedergebrannt oder geplündert worden. Man hatte Türen eingetreten, Fenster zerschlagen und Besitztümer auf die Straßen geworfen, die Gai'schain dann beim ununterbrochenen Wasserholen zertrampelt hatten.

Noch immer huschten Leute wie Insekten umher, eilten durch die Stadttore und das ehemalige Shaido-Lager und nahmen sich, was sie konnten, um es für den Transport zu verstauen. Sobald sie sich für das Schnelle Reisen entschieden, würden sie die Wagen zurücklassen müssen - Grady konnte keine Wegetore erschaffen, die groß genug für Wagen waren -, aber im Moment würden die Vehikel eine große Hilfe sein. Es gab auch eine ordentliche Zahl Ochsen; die inspizierte jemand anders, der sich davon überzeugte, dass sie auch stark genug waren. Viele der in der Stadt vorhandenen Pferde hatten die Shaido einfach weglaufen lassen. Eine echte Schande. Aber man benutzte das, was einem zur Verfügung stand.

Perrin erreichte den nächsten Wagen und begann seine Inspektion mit der langen Deichsel, an die man die Ochsen anschirrte. »Der Nächste!«

»Mein Lord«, sagte eine heisere Stimme. »Ich glaube, das bin ich.«

Perrin warf einen Blick auf den Sprecher: Sebban Balwer, sein Sekretär. Der Mann hatte ein staubtrockenes, verkniffenes Gesicht und beugte sich ständig vor, was ihn beinahe wie einen schlafenden Geier aussehen ließ. Obwohl sein Mantel und seine Hosen sauber waren, konnte sich Perrin nie des Eindrucks erwehren, dass aus ihnen bei jedem von Balwers Schritten eigentlich Staubwolken hätten aufwallen müssen. Er roch moderig, wie ein altes Buch.

»Balwer«, sagte Perrin und strich mit den Fingern über die Riemen des Geschirrs. »Ich dachte, Ihr sprecht mit den Gefangenen.«

»In der Tat war ich dort sehr beschäftigt«, sagte Balwer. »Aber ich wurde neugierig. Habt Ihr den Seanchanern sämtliche Machtlenker der Shaido überlassen?«

Perrin sah seinen verstaubten Sekretär an. Die Spaltwurzel hatte die Weisen Frauen, die die Macht lenken konnten, in Ohnmacht versetzt; man hatte sie bewusstlos an die Seanchaner übergeben, die mit ihnen verfahren sollten, wie sie wollten. Diese Entscheidung hatte Perrin bei den Aes Sedai unter seinen Verbündeten nicht gerade populär gemacht, aber er würde diese Machtlenker nicht frei herumlaufen lassen, damit sie sich an ihm rächen konnten.

»Was hätte ich mit ihnen anfangen sollen?«, sagte er zu Balwer.

»Nun, mein Lord, es gibt viele interessante Dinge zu erfahren. Zum Beispiel hat es den Anschein, dass viele der Shaido sich für das Benehmen ihres Clans schämen. Die Weisen Frauen selbst waren sich uneins. Außerdem hatten sie mit sehr seltsamen Individuen zu tun, die ihnen Objekte der Macht aus dem Zeitalter der Legenden anboten. Wer auch immer sie waren, sie konnten Wegetore erschaffen.«

»Verlorene«, sagte Perrin schulterzuckend und ließ sich auf ein Knie nieder, um das rechte Vorderrad zu betrachten. »Ich bezweifle, dass wir herausbekommen, wer von ihnen das war. Vermutlich hatten sie sich sogar verkleidet.«

Aus den Augenwinkeln bekam er mit, wie Balwer bei dieser Bemerkung die Lippen schürzte.

»Ihr seid anderer Meinung?«, fragte er.

»Nein, mein Lord«, lautete die Antwort. »Die Objekte, die man den Shaido überließ, sind meiner Ansicht nach sehr verdächtig. Man hat die Aiel hereingelegt, auch wenn ich noch nicht ergründen kann, welcher Grund dahintersteckte. Aber wenn wir mehr Zeit hätten, um die Stadt zu durchsuchen ...«

Beim Licht! Wollte denn jeder im Lager ihn um Dinge bitten, von denen sie wussten, dass sie sie nicht bekommen würden? Er legte sich auf den Boden, um die Hinterseite der Radnabe zu begutachten. Etwas daran störte ihn. »Wir wissen bereits, dass uns die Verlorenen bekämpfen, Balwer. Sie werden Rand nicht mit offenen Armen willkommen heißen, um sich von ihm wieder mit einem Siegel wegsperren zu lassen oder was auch immer er vorhat.«

Diese verdammten Farben, die ihm Rand vor seinem inneren Auge zeigten! Er schob sie zur Seite. Jedes Mal erschienen sie, wenn er an Rand oder Mat dachte, brachten ihm Visionen von ihnen.

»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »ich verstehe nicht, was ich Eurer Meinung nach tun soll. Wir nehmen die Gai'schain der Shaido mit. Die Töchter haben viele von ihnen gefangen genommen. Ihr könnt sie verhören. Aber wir werden diesen Ort verlassen.«

»Ja, mein Lord«, sagte Balwer. »Es ist nur schade, dass wir diese Weisen Frauen verloren haben. Meiner Erfahrung nach sind das unter den Aiel diejenigen, die den größten ... Durchblick haben.«

»Die Seanchaner wollten sie«, sagte Perrin. »Also bekamen sie sie auch. In diesem Punkt habe ich mich nicht von Edarra herumschubsen lassen, und was getan ist, ist getan. Balwer, was wollt Ihr eigentlich von mir?«

»Vielleicht könnte man ja eine Nachricht schicken«, meinte Balwer, »um den Weisen Frauen ein paar Fragen zu stellen, wenn sie erwachen. Ich ...« Er hielt inne, dann beugte er sich zu Perrin herunter. »Mein Lord, das stört doch wirklich sehr. Könnten wir niemand anderen finden, der die Wagen inspiziert?«

»Alle anderen sind entweder zu erschöpft oder zu beschäftigt. Ich will, dass die Flüchtlinge in den Lagern warten, damit sie sich in Bewegung setzen können, wenn wir den Marschbefehl geben. Und die meisten unserer Soldaten durchsuchen die Stadt nach Vorräten - jede auffindbare Handvoll Getreide wird dringend benötigt. Die Hälfte ist sowieso verdorben. Dabei kann ich nicht helfen, da ich an einem Ort sein muss, an dem mich die Leute finden können.« Das hatte er akzeptiert, auch wenn er es lästig fand.

»Ja, mein Lord«, sagte Balwer. »Aber sicherlich könntet Ihr doch anderswo zu erreichen sein, ohne unter einen Wagen kriechen zu müssen.«

»Diese Arbeit kann ich erledigen, während Leute mit mir sprechen«, sagte Perrin. »Ihr braucht meine Hände nicht, sondern nur meine Zunge. Und diese Zunge sagt Euch, dass Ihr diese Aiel vergessen sollt.«

»Aber ...«

»Da kann ich nichts mehr machen, Balwer«, sagte Perrin fest und schaute ihn durch die Radspeichen an. »Wir ziehen nach Norden. Mit den Shaido bin ich fertig; meinetwegen können sie alle zu Asche verbrennen.«

Balwer schürzte wieder die schmalen Lippen und roch leicht nach Wut. »Natürlich, mein Lord«, sagte er und machte eine schnelle Verbeugung. Dann ging er.

Perrin schob sich wieder nach vorn und stand auf, nickte einer jungen Frau zu, die in einem schmutzigen Kleid und abgetragenen Schuhen neben der Wagenreihe stand. »Geht und holt Lyncon«, sagte er. »Sagt ihm, er soll sich diese Radnabe ansehen. Ich glaube, das Lager ist kaputt, das verdammte Ding sieht aus, als würde es gleich allein losrollen.«

Die junge Frau nickte und rannte los. Lyncon war ein Zimmermannmeister, der das Pech gehabt hatte, Verwandte in Cairhien zu besuchen, als die Shaido angriffen. Es hatte nicht viel gefehlt, und sie hätten ihm seinen Willen vollständig herausgeprügelt. Vielleicht hätte er die Wagen inspizieren sollen, aber bei dem heimgesuchten Ausdruck in seinen Augen war sich Perrin nicht sicher, wie weit er sich darauf verlassen konnte, dass der Mann die Arbeit vernünftig erledigte. Aber er schien gut genug darin zu sein, Dinge zu reparieren, wenn man ihm genaue Anweisungen gab.

Davon abgesehen war es nun einmal eine Tatsache, dass Perrin das Gefühl hatte, etwas zu erreichen, solange er nur in Bewegung blieb. Nicht über andere Dinge nachdachte. Wagen waren einfach zu reparieren. Sie waren nicht wie Menschen, nicht einmal annähernd.

Er drehte sich um und ließ die Blicke über das leere Lager schweifen, in dem überall Feuergruben und weggeworfene Lumpen ins Auge fielen. Faile kehrte gerade in die Stadt zurück; sie hatte mit einigen ihrer Anhänger die Gegend erkundet. Sie war atemberaubend. Wunderschön. Die Schönheit lag nicht nur in ihrem Gesicht oder ihrer schlanken Gestalt, sie lag auch darin begründet, wie mühelos sie Leute führte und wie schnell sie stets wusste, was zu tun war. Sie war auf eine Weise klug, die nie seine Art gewesen war.

Er war nicht dumm; er dachte einfach nur gern länger über die Dinge nach. Aber er hatte nie gut mit Leuten umgehen können, nicht so wie Mat oder Rand. Faile hatte ihm gezeigt, dass er gar nicht mit Leuten umgehen können musste, auch nicht mit Frauen, solange er nur eine Person dazu bringen konnte, ihn zu verstehen. Er musste nicht gut darin sein, mit anderen sprechen zu können, solange er nur mit ihr sprechen konnte.

Aber jetzt fand er einfach nicht mehr die richtigen Worte. Natürlich sorgte er sich wegen dem, was ihr in ihrer Gefangenschaft möglicherweise zugestoßen war, aber es störte ihn nicht. Sicher, es machte ihn wütend, aber davon war ja nichts ihre Schuld. Um zu Überleben, tat man eben das, was man tun musste. Er respektierte sie für ihre Stärke.

Beim Licht!, dachte er. Ich denke ja schon wieder nach. Ich muss weiterarbeiten. »Der Nächste!«, brüllte er und bückte sich, um mit der Wageninspektion weiterzumachen.

»Hätte ich nur Euer Gesicht gesehen, mein Junge«, sagte eine fröhliche Stimme, »hätte ich angenommen, dass wir diese Schlacht verloren haben!«

Perrin drehte sich überrascht um. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass sich Tam al'Thor zu jenen gesellt hatte, die mit ihm sprechen wollten. Die Menge war kleiner geworden, aber es waren immer noch ein paar Boten und Gefolgsleute da. Der stämmige Schafhirte stand ganz hinten und stützte sich auf seinen langen Stab, während er wartete. Sein Haar war völlig grau geworden. Perrin konnte sich an eine Zeit erinnern, da war es noch schwarz gewesen. Damals, als er noch ein Junge gewesen war, bevor er Hammer oder Schmiedeofen kennengelernt hatte.

Unwillkürlich griff er nach dem Hammer an seiner Seite. Er hatte ihn einer Axt vorgezogen. Es war die richtige Entscheidung gewesen, trotzdem hatte er bei der Schlacht um Malden die Kontrolle über sich verloren. War es das, was ihm so zu schaffen machte?

Oder wie sehr er doch das Töten genossen hatte?

»Was braucht Ihr, Tam?«

»Ich will nur Bericht erstatten, mein Lord«, sagte Tam. »Die Männer von den Zwei Flüssen sind marschbereit, jeder Mann trägt zwei Zelte, nur für den Fall. Wegen der Spaltwurzel konnten wir kein Wasser aus der Stadt nehmen, also schickte ich einige Jungs zum Aquädukt, um dort ein paar Fässer zu füllen. Wir könnten einen Wagen brauchen, um sie zu holen.«

»Selbstverständlich.« Perrin lächelte. Endlich tat einmal jemand das, was getan werden musste, ohne vorher fragen zu müssen! »Richtet den Männern von den Zwei Flüssen aus, dass ich sie so schnell wie möglich wieder nach Hause schicken möchte. In dem Augenblick, in dem Grady und Neald wieder stark genug sind, um ein Wegetor zu erschaffen. Das könnte allerdings noch eine Weile dauern.«

»Das wissen sie zu schätzen, mein Lord«, sagte Tam. Es kam einem so merkwürdig vor, wenn er einen Titel benutzte. »Aber könnte ich Euch kurz unter vier Augen sprechen?«

Perrin nickte. Lyncon kam - sein Humpeln war unverkennbar -, um sich um den Wagen zu kümmern. Perrin entfernte sich zusammen mit Tam von der wartenden Gruppe, begab sich in den Schatten von Maldens Stadtmauer. Auf dem Fundament der massiven Steinblöcke wucherte grünes Moos; es war irgendwie seltsam, dass das Moos viel heller als das zertrampelte, schlammige Unkraut unter ihren Füßen war. In diesem Frühling schien nur Moos grün zu sein.

»Was ist denn, Tam?«, wollte Perrin wissen, sobald sie weit genug weg waren.

Tam rieb sich übers Gesicht; dort wuchsen graue Stoppeln. Die letzten paar Tage hatte Perrin seine Männer hart angetrieben, und es war keine Zeit zum Rasieren gewesen. Tam trug einen schlichten blauen Wollmantel, und der dicke Stoff war vermutlich ein willkommener Schutz gegen die Bergluft.

»Perrin, die Jungs sind nachdenklich geworden«, sagte Tam nun etwas weniger förmlich, wo sie allein waren. »Hast du das ernst gemeint, dass du Manetheren aufgeben willst?«

»Aye«, antwortete Perrin. »Dieses Banner hat nichts als Ärger gebracht. Die Seanchaner und alle anderen können das gern wissen. Ich bin kein König.«

»Du hast eine Königin, die dir als Lehnsherr die Treue geschworen hat.«

Er dachte über Tams Worte nach, suchte nach der besten Erwiderung. Früher hatte diese Art von Benehmen die Leute glauben lassen, dass er geistig nicht besonders rege war. Jetzt glaubten sie, dass ihn seine Nachdenklichkeit scharfsinnig und einfallsreich machte. Was für ein Unterschied doch ein paar hübsche Worte vor dem Namen machten!

»Ich finde, du hast das richtig gemacht«, sagte Tam überraschenderweise. »Die Zwei Flüsse Manetheren zu nennen hätte nicht nur die Seanchaner zum Feind gemacht, sondern auch die Königin von Andor aufgebracht. Es würde unterstellen, dass du mehr als nur die Zwei Flüsse halten willst, dass du vielleicht das ganze Land erobern willst, das einst Manetheren umfasste.«

Perrin schüttelte den Kopf. »Ich will gar nichts erobern, Tam. Beim Licht! Nicht einmal das will ich behalten, was ich angeblich beherrsche. Je eher Elayne ihren Thron besteigt und den Zwei Flüssen einen vernünftigen Herrn schickt, umso besser. Wir können mit diesem ganzen Lord Perrin-Gerede aufhören und zur Normalität zurückkehren.«

»Und Königin Alliandre?«

»Sie kann den Schwur dann Elayne leisten«, sagte er stur. »Oder direkt Rand. Ihm scheint es zu gefallen, Königreiche einzusammeln. Wie ein Kind, das eine Partie Häuser spielt.«

Tam roch besorgt. Perrin schaute zur Seite. Alles hätte einfacher sein sollen. Warum nur war es das nicht? »Was?«

»Ich hätte gedacht, du hast es überwunden.«

»Nichts hat sich verändert seit den Tagen, in denen Faile entführt wurde«, sagte Perrin. »Und das Wolfskopfbanner gefällt mir immer noch nicht. Vielleicht ist es Zeit, auch das einzuholen.«

»Perrin, mein Junge, die Männer glauben an dieses Banner«, sagte Tam leise. Er hatte diese zurückhaltende Art an sich, aber sie ließ einen zuhören, wenn er sprach. Natürlich sagte er für gewöhnlich vernünftige Dinge. »Ich habe dich zur Seite genommen, weil ich dich warnen möchte. Wenn du den Jungs die Rückkehr zu den Zwei Flüssen ermöglichst, dann werden einige die Gelegenheit auch nutzen. Aber nicht viele. Man erzählt sich, die meisten hätten geschworen, dir zum Shayol Ghul zu folgen. Sie wissen, dass die Letzte Schlacht naht - wer könnte das nicht wissen, bei all den Vorzeichen in letzter Zeit? Sie werden nicht zulassen, dass man sie zurücklässt.« Er zögerte. »Und ich auch nicht.« Er roch nach Entschlossenheit.

»Wir werden sehen«, murmelte Perrin stirnrunzelnd. »Wir werden sehen.«

Er schickte Tam mit dem Befehl los, einen Wagen für die Wasserfässer zu requirieren. Die Soldaten würden auf ihn hören; Tam war Perrins Erster Hauptmann, auch wenn Perrin das verdreht erschien. Er wusste nicht viel über die Vergangenheit des Mannes, aber Tam hatte vor langer Zeit im Aiel-Krieg gekämpft, er hatte schon ein Schwert gehalten, bevor Perrin geboren worden war. Und jetzt befolgte der Mann seine Befehle.

Das taten sie alle. Und sie wollten es auch weiterhin tun! Hatten sie denn nichts gelernt? Perrin lehnte sich gegen die Mauer, ging nicht zu den anderen zurück, blieb im Schatten.

Jetzt, da er so darüber nachdachte, wurde ihm bewusst, dass das eines der Dinge war, die ihn störten. Nicht alles davon, aber ein Teil dessen, was ihm Sorgen bereitete. Selbst jetzt noch, nachdem Faile wieder da war.

In letzter Zeit war er kein guter Anführer gewesen. Natürlich war er noch nie ein Bilderbuchanführer gewesen, nicht einmal, als Faile ihn geleitet hatte. Aber während ihrer Abwesenheit war er schlechter geworden. Viel schlechter. Er hatte Rands Befehle ignoriert, hatte alles ignoriert, nur um sie zurückzubekommen.

Aber was konnte man von einem Mann denn anderes erwarten? Seine Ehefrau war entführt worden!

Er hatte sie gerettet. Aber dabei hatte er alles andere im Stich gelassen. Und seinetwegen waren Männer gestorben. Gute Männer. Männer, die ihm vertraut hatten.

Dort im Schatten erinnerte er sich an einen Augenblick - der erst einen Tag in der Vergangenheit lag -, an dem ein Verbündeter den Pfeilen der Aiel zum Opfer gefallen war, dessen Herz Masema vergiftet hatte. Aram war ein Freund gewesen, ein Freund, den er in seinem Bemühen, Faile zu retten, ignoriert hatte. Aram hatte Besseres verdient.

Niemals hätte ich zulassen dürfen, dass ein Kesselflicker ein Schwert in die Hand nimmt, dachte er, aber eigentlich wollte er sich im Moment nicht mit diesem Problem auseinandersetzen. Er konnte es nicht. Es gab zu viel zu tun. Er stieß sich von der Mauer ab und wollte den letzten Wagen der Reihe inspizieren.

»Der Nächste!«, bellte er, als er damit begann.

Aravine Carnel trat vor. Die Amadicianerin trug nicht länger die Kluft eines Gai'schain; stattdessen hatte sie sich ein einfaches hellgrünes Kleid besorgt, das alles andere als sauber war. Beutegut. Sie war recht mollig, aber die Tage ihrer Gefangenschaft ließen ihre Züge hager erscheinen. Entschlossenheit ging von ihr aus. Sie war überraschend gut darin, Dinge zu organisieren, und er vermutete, dass sie von adliger Herkunft war. Da war dieser Geruch an ihr: Selbstbewusstsein, die Eigenschaft, mühelos Befehle geben zu können. Es war ein Wunder, dass diese Dinge die Gefangenschaft überlebt hatten.

Als er auf die Knie ging, um das erste Rad zu betrachten, kam ihm ein Gedanke. Eigentlich war es seltsam, dass Faile gerade Aravine ausgesucht hatte, um die Flüchtlinge zu beaufsichtigen. Warum nicht einen der jungen Leute der Cha Faile? Diese Dandys konnten nervtötend sein, aber sie bewiesen stets eine überraschende Kompetenz.

»Mein Lord«, sagte Aravine und machte geschickt einen Knicks, der ebenfalls auf ihren Hintergrund verwies. »Ich habe die Leute zur Abreise eingeteilt.«

»So schnell?«, fragte er und schaute von dem Rad auf.

»Es war nicht so schwierig wie erwartet, mein Lord. Ich habe ihnen befohlen, sich nach der Nationalität zu versammeln, dann nach dem Geburtsort. Die Cairhiener bilden die größte Gruppe, was nicht sehr überraschend ist, dann kommen die Altaraner, gefolgt von Amadicianern und ein paar anderen. Ein paar Domani, ein paar Taraboner, eine Handvoll Grenzländer und Tairener.«

»Wie viele können zwei Tage Marsch überstehen, ohne auf den Wagen fahren zu müssen?«

»Die meisten, mein Lord. Die Kranken und Alten wurden von den Shaido aus der Stadt vertrieben, als sie sie eroberten. Die Leute hier sind an harte Arbeit gewöhnt. Sie sind erschöpft, Lord, haben aber keine große Lust, hier herumzusitzen, wo diese anderen Shaido keinen halben Tagesmarsch entfernt lagern.«

»Gut«, sagte Perrin. »Sie sollen sofort aufbrechen.«

»Sofort?«, fragte Aravine überrascht.

Er nickte. »Ich will sie so schnell auf der Straße nach Norden marschieren sehen, wie Ihr sie antreiben könnt. Alliandre und ihre Wache schicke ich los, um den Zug anzuführen.« Das dürfte Argandas Beschwerden verstummen lassen, und es würde die Flüchtlinge aus dem Weg schaffen. Ohne sie würden die Töchter viel effizienter Vorräte zusammentragen. Die Suche nach Lebensmitteln war sowieso so gut wie abgeschlossen. Seine Leute würden nur ein paar Wochen auf der Straße überleben müssen. Danach konnten sie durch ein Wegetor an einen sichereren Ort gelangen. Vielleicht Andor oder Cairhien.

Diese Shaido hinter ihnen machten ihn nervös. Sie konnten sich jederzeit zu einem Angriff entscheiden. Es war besser, hier zu verschwinden und der Verlockung ein Ende zu bereiten.

Aravine machte ihren Knicks und eilte los, und er dankte dem Licht für eine weitere Person, die seine Anweisungen weder erraten noch infrage stellen wollte. Er schickte einen Botenjungen los, um Arganda von dem gleich beginnenden Marsch zu unterrichten, und beendete die Wageninspektion. Danach stand er auf und wischte sich die Hände an den Hosen ab. »Der Nächste!«

Keiner trat vor. Die einzigen noch verbliebenen Leute um ihn herum waren Wächter, Botenjungen und ein paar Kutscher, die darauf warteten, ihre Ochsen anschirren und die Wagen zum Beladen fahren zu können. In der Mitte des ehemaligen Lagers hatten die Töchter Vorräte und Ausrüstungsgegenstände zu einem großen Berg angehäuft, und er konnte Faile entdecken, die dort arbeitete, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.

Er schickte ihr die Umstehenden zu Hilfe, dann stand er plötzlich allein da. Ohne etwas zu tun.

Genau das, was er hatte vermeiden wollen.

Der Wind wehte wieder und brachte diesen grässlichen Gestank nach Tod mit. Und auch Erinnerungen. Der Zorn der Schlacht, die Leidenschaft und Aufregung eines jeden Schlages. Aiel waren ausgezeichnete Krieger - die besten im ganzen Land. Jedes Duell war eine ungewisse Angelegenheit gewesen, und er hatte seinen Teil an Schnitten und Prellungen abbekommen, auch wenn sie mittlerweile Geheilt worden waren.

Der Kampf gegen die Aiel hatte ihn sich lebendig fühlen lassen. Jeder von ihm Getötete war ein Experte mit dem Speer gewesen; jeder von ihnen hätte ihn töten können. Aber er hatte gewonnen. Während der Momente des Kampfes hatte er eine treibende Leidenschaft verspürt. Die Leidenschaft, endlich etwas zu tun. Nach zwei Monaten des Wartens hatte jeder Schlag einen Schritt näher zu Faile bedeutet.

Kein Reden mehr. Kein Planen mehr. Er hatte ein Ziel gefunden. Und jetzt war es nicht mehr da.

Er fühlte sich leer. Es war wie ... wie der Augenblick damals, als ihm sein Vater ein ganz besonderes Geschenk zur Winternacht versprochen hatte. Monatelang hatte er begierig darauf gewartet, hatte die ihm auferlegten Arbeiten brav erledigt, um sich das geheimnisvolle Geschenk zu verdienen. Als er das kleine Holzpferd schließlich bekommen hatte, war er einen Augenblick lang aufgeregt gewesen. Aber am nächsten Tag hatte er sich schrecklich niedergeschlagen gefühlt. Nicht des Geschenks wegen, sondern weil es nichts mehr gab, für das man sich bemühen konnte. Die Aufregung war verschwunden, und erst da war ihm bewusst geworden, dass er die Vorfreude viel spannender gefunden hatte als das Geschenk selbst.

Kurz darauf hatte er angefangen, Meister Luhhans Schmiede zu besuchen, und war schließlich sein Geselle geworden.

Er war froh, dass er Faile zurückhatte. Innerlich jubelte er. Und dennoch, was wartete auf ihn? Diese verdammten Männer betrachteten ihn als ihren Anführer. Einige hielten ihn sogar für ihren König! Darum hatte er nie gebeten. Jedes Mal, wenn sie die Banner hervorgeholt hatten, hatte er sie wieder einpacken lassen, bis Faile ihn dazu überredet hatte, dass sie einen Vorteil für ihn darstellten. Er glaubte noch immer nicht, dass das Wolfskopfbanner, das da so anmaßend über seinem Lager flatterte, hierher gehörte.

Aber konnte er es einholen? Die Männer sahen zu ihm auf. Jedes Mal, wenn sie daran vorbeigingen, konnte er ihren Stolz riechen. Er konnte sie nicht abweisen. In der Letzten Schlacht würde Rand ihre Hilfe brauchen - er würde jedermanns Hilfe brauchen.

Die Letzte Schlacht. Konnte ein Mann wie er, ein Mann, der gar kein Anführer sein wollte, diese Streitkräfte zu dem wichtigsten Augenblick im Leben dieser Männer führen?

Die Farben wirbelten umher und zeigten ihm Rand, der anscheinend in einem tairenischen Steinhaus saß. Sein alter Freund trug eine finstere Miene zur Schau, wie ein Mann, dem gewichtige Gedanken zu schaffen machten. Selbst wenn er so dasaß, erschien Rand majestätisch. Er war das, was ein König darstellen sollte, mit diesem kostbaren roten Mantel und dieser noblen Haltung. Perrin war bloß ein einfacher Schmied.

Er seufzte, schüttelte den Kopf und vertrieb das Bild. Er musste Rand suchen. Da war etwas, das an ihm zupfte, das ihn anzog.

Rand brauchte ihn. Darauf musste er sich nun konzentrieren. Das war sein Ziel.

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