In dieser Geschichte gibt es keinen Mord. Kein Blut.
STOLZ, jawohl, und VORURTEIL, na schön, aber wir befinden uns hier noch lange nicht im Jane-Austen-Land; es geht um den Kampf eines arbeitslosen Zeitungsredakteurs von heute gegen einen unverfrorenen Unternehmer, der sich mausig macht.
In Hemdsärmeln, einen starken schwarzen Kaffee vor sich, saß der Redakteur der Cotswold Voice an seinem Schreibtisch und las die sensationslüsterne Kolumne, die am nächsten Tag als Aufmacher in den Rennseiten der Zeitung erscheinen würde, wenn er nicht sein Veto einlegte. Die Worte verschwammen vor seinen Augen. Gekündigt, wirbelte es durch seine Gedanken.
Zweimal die Woche, dienstags und samstags, fütterte die Cotswold Voice von einem wenig inspirierenden, fabrikähnlichen Gebäude in einem Industriepark westlich von Oxford aus die Städte und Dörfer längs der Cotswoldhügel mit einem Strom aufregender Artikel.
Dienstags ging die Tendenz in Richtung Nachrichten, Kommentare und Analysen, während samstags Sport, Mode und unterhaltsame Denksportaufgaben gefragt waren. Etwas für jeden, hieß es in der Zeitung. Etwas für Mamas und Papas, etwas für den Nachwuchs und etwas für die Tantchen. Geburten, Todesfälle und Kleinanzeigen. Jede Menge Elan. Horoskope, Skandale… lauter saftige Würmer für einen Habicht.
Der gegenwärtige Chefredakteur der Cotswold Voice, bei seiner überraschenden Ernennung neunundzwanzig Jahre alt, hatte in vier kurzen Jahren die Auflage der Zeitung verdoppelt, obwohl man ihn — durchaus nicht grundlos — hätte für den Bürolaufburschen halten können.
Er war klein und dünn, hatte ein außerordentlich scharfes Auge, ein gutes Gehör und einen Geruchssinn, der Öl im Nordwind wahrnahm und Schafe im Westwind. Sein Akzent war eine Mischung aus Berkshire, Wiltshire und der Universität von Cambridge. Er konnte mit Lichtgeschwindigkeit lesen, und sein Gehirn war ein Schwamm. Getauft war er auf den Namen Absalom Elvis da Vinci Williams, und er konnte hochgehen wie eine Rakete. Seine Angestellten, die Autorität erkannten, wenn sie sie zu spüren bekamen, gingen auf Zehenspitzen um ihn herum und nannten ihn auf sein Geheiß hin Bill.
Der Chefredakteur — Absalom Elvis et cetera Williams — überflog den Aufmacher der Rennseite noch einmal. Konzentrier dich, befahl er sich. Geh nicht mit einem Winseln.
Er las:
Warnung an alle Herzpatienten: Bitte nicht weiterlesen. An alle anderen: Gönnt euren Herzklappen ein wenig Aerobic, während ihr euch samstags nachmittags auf der Couch räkelt. Schnappt euch eine Dose Bier. Liegen die Füße hoch? Dann an den Start, und ab geht die Post.
Die Arbeit war in technischer Hinsicht perfekt; sauber getippt, doppelter Zeilenabstand, der makellose Papierausdruck einer Computerdiskette. Dieser Rennsportredakteur verunstaltete seine Seiten niemals mit hingekritzelten Verbesserungen.
Nachdem er sich durch zwei weitere blumige Absätze geackert hatte, kam er endlich zum Kern des Ganzen: der Empfehlung, Anteile an Gemeinschaftseigentum von Rennpferden zu erwerben.
Williams runzelte die Stirn. Gemeinschaftseigentum an Rennpferden waren ein alter Hut. Neu war hier lediglich die Feststellung, daß die betreffenden Pferde nach dem gemeinschaftlichen Ankauf nicht zu einem etablierten Trainer geschickt werden, sondern den Kern eines neuen Stalles mit einem neuen Trainer bilden sollten, einem gewissen Dennis Kinser.
Die Voice versicherte ihren Lesern, daß dieses Vorhaben aufregende finanzielle Aussichten bot. Kaufen Sie, kaufen Sie und — ehm — kaufen Sie.
Der Chefredakteur nahm den pulsbeschleunigenden Artikel und ging ohne Hast den langen Redaktionsflur entlang zu seinem federführenden Rennkommentator, der auf ein Urteil wartete. In dem ganzen geschäftigen Raum herrschte eine bemerkenswerte Ruhe — dank dem Chefredakteur, der während seiner ersten Wochen im Amt auch die letzte der klappernden, ratschenden und klingelnden Schreibmaschinen in Pension geschickt und den bei jedem Schritt quietschenden, billigen Fußbodenbelag aus Kunststoff mit dunkelblauen, schalldämpfenden Teppichfliesen belegen lassen hatte. Die in Zeitungsredaktionen übliche hektische Hyperaktivität war mit dem Geklapper erstorben, die Produktivität gleichwohl zu neuen Höhen gelangt. Die alten Hasen sehnten sich nach einer Rückkehr zum Lärm der Vergangenheit.
Der Chefredakteur setzte sich auf einen Drehstuhl vor den Schreibtisch des Rennkommentators, ließ die getippten Seiten vor ihm herunterflattern und fragte ohne Aggressivität:»Worum geht es dabei wirklich?«»Ehm… um Eignergemeinschaften. «Der Rennkommentator, in mittleren Jahren, mit buschigem Schnurrbart, zeigte auf dem Papier mehr Energie als im wirklichen Leben.
«Dieser Dennis Kinser«, fragte der Chefredakteur,»haben Sie den persönlich kennengelernt?«
«Ehm. nein.«
«Wie sind Sie an die Story gekommen?«
«Ich habe sie von dem Agenten, der die Eignergemeinschaften zusammenbringt.«
«Kennen Sie den denn?«
«Nein. Er hat angerufen.«
Der Chefredakteur zog einen roten Kugelschreiberstrich durch den wiederholten Ratschlag, zu kaufen und nochmals zu kaufen, und zeichnete den Rest des Artikels ab, um ihn zur Veröffentlichung freizugeben. Es gab kaum etwas, das von größerem Interesse gewesen wäre: Es war August, Sauregurkenzeit bei Zeitungen ebenso wie beim Rennsport.
«Gehen Sie der Story nach«, sagte er.»Machen Sie einen Hintergrundartikel über Dennis Kinser. Beschaffen Sie sich ein Foto. Wenn es keine größeren Storys gibt und niemand sie mit einem Knüller aussticht, bringen wir die Sache nächsten Samstag.«
«Und wenn er ein Betrüger ist?«
«Betrüger sind Nachrichten«, sagte der Chefredakteur.
«Sehen Sie zu, daß Sie Ihre Fakten beisammen haben.«
Der Rennkommentator zuckte zusammen und sah dem Chefredakteur nach, während dieser den Raum verließ. Faul bis auf die Knochen, hatte er einmal einen beißenden, satirischen» Augenzeugen«-Bericht über eine vielbeachtete Parade von Champions geschrieben, die in Wirklichkeit wegen schwerer Regenfälle abgesagt worden war. Der Zorn des Chefredakteurs hatte dem zu Tode erschrockenen Rennsportredakteur Durchfall und Schüttelfrost beschert. Diesmal, überlegte er verdrossen, würde er tatsächlich seinen Hintern bewegen und den Möchtegerntrainer aufspüren müssen. (Der Rennkommentator schrieb nicht nur im Jargon, sondern dachte auch darin.) Der einzige Lichtblick an seinem beschränkten Horizont war der nächste Samstag, an dem der Chefredakteur für eine Woche in Urlaub ging. Der Rennsportredakteur konnte sich viel mehr Nachlässigkeit gestatten, dachte er voller Wohlbehagen, wenn der scharfsinnige kleine Rotstiftfetischist nicht um ihn herumschlich und verlangte, daß er tatsächlich arbeitete. Er beschaffte sich seine Informationen gern per Telefon und im Sitzen. Er griff nach dem Hörer und rief den Agenten an, der die Eignergemeinschaften zusammenbrachte.
Bill Williams kehrte an seinen Schreibtisch zurück und trank den Rest seines lauwarmen Kaffees, und seine Gedanken waren genauso bitter und schwarz wie die Flüssigkeit in seinem Becher. Die Voice hatte einer Dynastie gehört, deren wohlwollendes Oberhaupt vor kurzem verschieden war. Die Nachfahren hatten, in dem Verlangen, das Bargeld untereinander aufzuteilen, ihren größten Aktivposten an eine facettenreiche Firmengruppe verkauft, für die die Zeitung lediglich ein weiteres lokales Glied in der Kette ihrer kommerziellen Unternehmungen war. Individualismus war bei den neuen Herren nicht erwünscht. Maximaler Profit dagegen schon. Soweit als möglich sollten die Lokalzeitungen ihrer Gruppe ökonomischerweise mit einer Stimme sprechen. Infolgedessen wollten sie an der Spitze der Voice einen eigenen, für gut befundenen Chefredakteur sehen. Es traf sich daher günstig, daß Ex-Chefredakteur Williams noch eine Woche Urlaub zustand; er konnte seinen Schreibtisch aufräumen und würde nicht zurückkommen.
Bill Williams hatte gewußt, daß die Familiendynastie eines Tages verkaufen und er dann weiterziehen würde. Er hatte gewußt, daß in der halsabschneiderischen Zeitungswelt eine neue Brutalität Einzug gehalten hatte. Das Wissen allein hatte ihn jedoch nicht auf die Plötzlichkeit des Geschehens vorbereitet, auf die Grausamkeit und das absolute Fehlen auch nur eines Funkens von Höflichkeit von irgendeiner Seite. Es hatte keinen Händedruck gegeben, keine Entschuldigung, schon gar keine guten Wünsche, sondern lediglich eine unverblümte, seine Kündigung betreffende Notiz in seiner privaten E-Mail.
Aus der allgemeinen Ruhe in dem langgestreckten Raum zog er den Schluß, daß die neuen Besitzer bisher nichts über den Herrschaftswechsel hatten verlauten lassen. Ihm konnte das nur recht sein. Seine letzten drei Ausgaben — Samstag, Dienstag und Samstag — würden das Beste sein, dessen er fähig war. Und danach.
Er atmete tief durch und holte sich die Namen sämtlicher in London veröffentlichter Zeitungen mitsamt deren Besitzern auf den Bildschirm. Er hatte seine Zeit in der Provinz abgedient — wie die Pferde, die den äußeren Ring einer Kreisbahn auf und ab liefen, und fand, er sei jetzt an der Reihe, einmal selbst im Herzen des Geschehens zu sitzen. Wenn er selbst den Zirkusdirektoren nicht erzählte, daß er frei und willig war, dachte er, wobei er seine Metaphern frohen Mutes durcheinandermischte, wie sollten sie dann davon erfahren?
Er telefonierte, schrieb Briefe und E-Mails und schickte Kopien der Voice durchs ganze Land. Sein Lebenslauf war beeindruckend, aber die Zirkusdirektoren hatten anscheinend Wahrnehmungsstörungen.
Von einem Mischkonzern, der dafür bekannt war, daß er sein journalistisches Personal ziemlich schlecht behandelte, bekam er endlich ein konkretes Angebot für ein Zusammentreffen. Ein Abendessen für vier Personen in einem Lokal nach Williams Wahl. Außerhalb Londons, schlugen sie vor. Auf Williams Kosten.
Es war mittlerweile der Donnerstag seiner letzten Woche bei der Voice. Sobald die Samstagszeitung draußen war, war für ihn Feierabend. Er nahm die Selbsteinladung des Mischkonzerns mit philosophischer Gelassenheit hin und bestellte in einem Restaurant südlich von Oxford, direkt an der Themse, einen Tisch. Sein für Essen und Trinken zuständiger Redakteur hatte einen Monat lang von dem Lokal geschwärmt.
Der Rennsportredakteur der Voice hatte nach einer Reihe telefonischer Anfragen den vielversprechenden Dennis Kinser endlich ausfindig gemacht, und da er nicht ahnte, daß dieser Rotstiftfetischist von Chefredakteur ihn nur noch bis Samstag schikanieren konnte, hatte er sich tatsächlich zwecks Erleuchtung durch persönliche Gegenüberstellung zu einer Hundert-Kilometer-Fahrt aufgerafft.
Wenn er sich Mühe gab, war der Rennsportredakteur einer schmerzhaft genauen Einschätzung von Menschen und Pferden fähig — nur darum hatte sich Bill Williams überhaupt mit ihm abgegeben. Der Rennsportredakteur erkannte Schwachstellen und nannte sie beim Namen, und häufig genug behielt er recht.
Er sah Schwachstellen bei Dennis Kinser, die andere vielleicht für Stärken gehalten hätten und deren erste ein überwältigendes Selbstvertrauen war. Kinsers erstes Lebensziel war es, König des Turfs zu werden — danach dann: der ganzen Welt.
Der Rennsportredakteur hörte sich das Geprahle müde und nüchtern an und machte sich auf einem Spiralblock Notizen in Kurzschrift, als sei der Kassettenrekorder noch nicht erfunden. Er hätte Kinser als einen von Neid zerfres-senen, wichtigtuerischen, selbstherrlichen Wundermittelverkäufer beschrieben, wäre ihm nicht vollkommen klar gewesen, daß der kleine Rotstiftteufel ihm nur die Bezeichnung» ehrgeizig «würde durchgehen lassen.
Der dreißigjährige Dennis Kinser hatte einen Spielplan für sein Leben entwickelt, der einen schnellen Aufstieg auf der Leiter des Ruhms vorsah, bis er mit jeder erfolgreichen Berühmtheit auf du und du stand. Er würde jedem ererbten Titel mit verhaltenem Respekt begegnen. Er würde Gefälligkeiten erweisen, die die Empfänger seiner Güte zu entsprechenden Gegenleistungen zwingen würden. Er brauchte ein erstes öffentliches Sprungbrett für diesen geplanten Aufstieg, und der Leitartikel in den Sportseiten der Cotswold Voice würde ihm diese Hilfestellung geben.
Er erzählte dem Rennsportredakteur mit einer Spur trotzigen Stolzes, daß er zu kräftig gebaut sei, um es als Springjockey bis an die Spitze zu schaffen, und daß er deshalb sechs Jahre als Stallbursche gearbeitet, die obligatorischen zwei Pferde versorgt und in einem schäbigen Gasthaus gewohnt habe.
«War das auch ein Teil des Spielplans?«erkundigte sich der Rennsportredakteur.
«Klar doch«, log Kinser.
Der Rennsportredakteur notierte sich auf seinem Block:
«Wenn man sich mit diesem Knaben anfreunden will, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. «Laut sagte er:»Was haben Sie als nächstes vor?«
Kinser gab ihm erschöpfend Antwort. Er würde die Besitzer der Pferde, die er gepflegt hatte, beschwatzen, ihm einige der Tiere zum Training zu schicken. Ihre Pferde, so würde er ihnen lächelnd versichern, hätten auf Grund seiner kenntnisreichen Pflege gesiegt. Dann würde er die Eignergemeinschaften allgemein bekanntmachen und über den grünen Klee loben und alle Anteilseigner mit offenen Armen willkommen heißen. Man würde ihm eine Trainerlizenz erteilen, weil er alle drei der geforderten offiziellen Kurse der British Racing School absolviert habe — Pferdepflege, Geschäftsführung und Personalmanagement.
«Ein Intrigant ersten Ranges«, notierte sich der Rennsportredakteur und schrieb am Abend dann einen seiner allerbesten Artikel für die Voice nach dem Motto: im Zweifel
— den dieser selbst wachgerufen hatte — für Kinser.
Bill Williams, der am nächsten Tag, dem Freitag, immer noch Chefredakteur war, ging durch die stille Redaktionsetage, die brillanten Seiten unterm Arm, und zollte seinem Rennsportredakteur aufrichtiges Lob. Dann rief er seine Leute zusammen und erklärte ihnen ohne Emotionen, daß von Sonntag an ein anderer Chefredakteur die Zeitung leiten werde.
Bill Williams, dessen verschrobener Vater ihn mit Absalom, Elvis und da Vinci belastet hatte, hatte seine in billigen Mietwohnungen und staatlichen Schulen zugebrachten Jugendjahre darauf verwandt, seinen Verstand zu verheimlichen, um nicht von seinen Mitschülern gepiesackt zu werden. Seine Lehrer hatten ihm eine rätselhafte Begriffsstutzigkeit attestiert: Da sie selbst nicht dumm waren, sahen sie gelegentlich ein Aufblitzen unterdrückter Intelligenz und stimmten einmütig ein» Ich habe es mir doch immer gedacht «an, als A. E. da V. Williams gegen ihre mäßigenden Ratschläge darauf beharrte, das höchste Ziel anzusteuern, sich für Cambridge zu bewerben, mit Stipendien zugeschüttet wurde und anschließend mit einer Handvoll Einser und Doktortitel dastand.
Als Student hatte A. E. da V. Williams den Propter gegründet und herausgegeben, der, wie die Granta vor ihm, schnell zur angesehensten aller akademischen Universitätszeitungen wurde. Dr. Williams, MA, PHD und berühmt mit siebenundzwanzig, schlug eine Dozentur ab, ließ Cambridge und die akademische Welt hinter sich, verdingte sich bescheiden als freier Journalist mit Kommentaren und Kritiken, bis die Dynastie der Cotswold Voice Gefallen an seinem Stil fand und ihn — ein verlegerisches Wagnis — engagierte.
Da er sein hitziges Temperament durch Neigung und Gewohnheit größtenteils unter Kontrolle gebracht und nach innen gerichtet hatte, verbrachte Bill Williams seine Ferien (und einen großen Teil seines Lebens) allein. Aber im Gegensatz zu vielen Einzelgängern plätscherte bei ihm dicht unter der Oberfläche ein selbstkritischer Sinn für Humor, der ihn daran hinderte, sich selbst allzu ernst zu nehmen: Was auch der Grund war, warum er in jenem August des von ihm später so bezeichneten» Sommers der Verlorenen Voice «beschloß, seine geruhsamen Pläne für den einwöchigen Urlaub nicht zu ändern. Er würde sich trotz allem am Oberlauf der Themse einen Stocherkahn mieten, ganz wie er es beabsichtigt hatte, und ihn mit der Strömung nach Oxford staken.
Es war ein pragmatischer Gedanke, aber da er nun einmal die Dinnerverabredung mit dem wenig zufriedenstellenden Mischkonzern in einem Restaurant getroffen hatte, das von Oxford aus flußabwärts lag, und da er keinen Job hatte, zu dem er eiligst hätte zurückkehren müssen, würde er seine Flußreise zeitlich und streckenmäßig ausdehnen. Er konnte die Gelegenheit nutzen, um seinen angeknacksten Ambitionen eine Ruhekur zu verschaffen und gleichzeitig die Möglichkeiten zu durchdenken, wie man einem steinharten Mischkonzern etwas Saft abpreßte.
In Lechlade, der Stadt am höchsten befahrbaren Punkt der Themse, hatte der Bootsverleiher einen seiner frisch überholten Kähne für Mr. Williams reserviert — eingedenk der Tatsache, daß dieser eine zusätzliche Gebühr dafür entrichtet hatte, nur das Allerbeste zu bekommen. Der Lack auf dem soliden Holz war kräftig und dunkel, und der breite, bequeme Sitz, den man zum Schlafen zu einer Matratze ausziehen konnte, war mit einem neuen, blauen Samtpolster versehen.
Von beiden Enden des Kahns aus konnte man eine Persenning aufspannen, die in der Mitte mit der anderen zusammentraf, um die Nacht und den Regen auszusperren; überdies stellte der Bootsverleih auch Festmacher, eine Gaslampe, Riemen und Dollen als alternativen Antrieb, einen sechs Fuß langen Bootshaken und einen zwölf Fuß langen Staken zum Antrieb des achtzehn Fuß langen Flachbodenkahns zur Verfügung.
Bill Williams hatte das Staken auf den Backs gelernt, dem Altwassersystem des Flusses in Cambridge, und er fühlte sich absolut zu Hause auf diesem Boot ohne Riemen noch Motor, da er das Staken dem Rudern ohnehin bei weitem vorzog. Von tiefer Zufriedenheit erfüllt, roch er den frischen Lack und testete das Gewicht, die Flexibilität und die Balance des langen Stakens. Er stellte Fragen, die die Leute vom Bootsverleih beruhigten, und kaufte sich in deren Laden einige Grundnahrungsmittel. Sie hatten nur selten Kunden, die so weit flußabwärts fahren wollten, wie er es vorhatte, aber sie waren gern bereit, seinen Wagen in ihre Obhut zu nehmen, solange er unterwegs war, und ihn und ihr Boot zurückzuholen, wann immer er genug hatte.
Zur zivilisatorischen Grundausstattung, die ihr Kunde mitnahm, gehörten ein Schlafsack, ein Fernrohr, Badehosen, Stifte und Schreibpapier, saubere Kleidung, ein batteriebetriebener Rasierapparat und zehn Bücher. Nachdem all das sicher verstaut war, zog er seinen Pullover aus und sprang in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen leichtfüßig auf die Stakplattform an einem Ende des Boots. Er wirkte jung und bedeutungslos und nicht im mindesten wie der Chefredakteur einer Zeitung, schon gar nicht der florierenden, erfolgreichen Cotswold Voice.
Er stakte sein flaches Boot mit einer Mühelosigkeit durchs Wasser, die dem Personal vom Bootsverleih ein anerkennendes Nicken entlockte, und die Leute schauten ihm nach, bis er an der ersten sachten Biegung außer Sicht geriet. Bill Williams, der über die Felder hinweg noch einmal zu der kleinen Stadt mit ihrem im Nachmittagslicht glitzernden Kirchturm zurückblickte, verspürte ein gewaltiges Gefühl der Erleichterung. Kein Mühlrad hing um seinen Hals, keine Krise verlangte seine Rückkehr an den Schreibtisch: Er hatte wohlüberlegterweise nicht einmal sein Handy und die dazugehörige Batterie aufgeladener Akkus mitgenommen — für gewöhnlich die ersten Dinge, die er einpackte.
Zwei Tage zuvor war seine Samstagsausgabe — seine letzte — ein Triumph gewesen, ausverkauft bis auf das letzte Blatt. Er hatte alles an Ideen hineingepackt, was den Lesern gefiel, Ideen, die er in früheren Jahren über den ganzen Herbst verteilt hätte. So aber hatte er mit pulstreibendem Entzücken am Fenster eines Pubs gegenüber einem großen Zeitungskiosk gesessen und am frühen Abend zugesehen, wie eine Voice-Ausgabe nach der anderen davongetragen wurde. Mundpropaganda in Reinkultur, hatte er gedacht. Absolut umwerfend, wunderbar.
So stakte Bill Williams am Montag, während die Abenddämmerung des langen Augustabends sich dahinzog, seinen geruhsamen Kahn still und zufrieden über den Fluß, hielt auf einen süßduftenden Abschnitt des Ufers zu und machte dort an einer jungen Weide fest. Die leisen Geräusche der Wasservögel, die sich für die Nacht in ei-nem Schilffeld niederließen, das Wispern des schwachen Windhauchs in den toten, vertrockneten Grasstengeln am Ufer, das sanfte Glucksen der Strömung, während der Fluß friedlich an seinem trägen Boot vorüberstrich, all die winzigen, natürlichen Dinge verschlangen für eine Weile das Getöse der rauhen Außenwelt, mit der man fertig werden, in der man leben und die man — wenn nur irgend möglich
— verbessern mußte. Vor langer Zeit hat der junge Dr. A. E. da V. et cetera zu seiner Überraschung zu der Selbsterkenntnis gefunden, daß er um einer gerechten Sache willen sogar jemanden umbringen würde.
Aber dazu kam es in dieser Woche auf der Themse nicht; lediglich die» Flußwut «lernte er kennen, schlechte Manieren wie bei Autofahrern, die sich in erhobenen Stimmen und Fäusteschütteln Luft machten. Der Kahn war langsam. Schnelle Fiberglaskreuzer voller Urlauber glitten eilig und mit dröhnenden Lautsprechern vorbei. Angler, die halb versteckt auf Hockern entlang des Ufers saßen (und geduldig darauf warteten, Uneßbares an den Haken zu bekommen), beschimpften den lautlosen Kahn, der ihre Angelschnüre durcheinanderbrachte. Schleusenwärter unterdrückten ihre Ungeduld, während er das Boot lediglich mit dem Staken durch die schwierigen Strudel am Eingang und Ausgang der Schleusen manövrierte.
Obwohl er sich auskannte, zog Bill Williams allerlei Beschimpfungen auf sich.
Auf der Habenseite standen die Sonnenuntergänge, die er beobachten konnte, wenn auf dem befahrenen Fluß Ruhe einkehrte; er lauschte den Gänsen, die auf den Wiesen oberhalb von Oxford schrien, und aß in einem Gasthaus mit Pfauen auf dem Dach. Einmal bemerkte er sogar, halb ungläubig, das hellblaue Aufblitzen eines der seltenen Eisvögel auf dem Jagdflug.
Er lebte inmitten von Teichhühnern, mit Löwenmäul-chen und wildem Mohn direkt neben sich. Er schwamm Augapfel in Augapfel mit übellaunigen, zischenden Schwänen und sah sich dem hochmütigen Blick aufgeschreckter Reiher gegenüber, die geziert ihre Füße hoben und davonstolzierten.
Als Bill Williams die öffentliche Anlegestelle in Oxford erreichte, waren seine Gedanken voller Heiterkeit, und seine Arme waren kräftig und durchtrainiert vom Schwingen und Ab stoßen des Stakens. Er hatte einen Leitartikel verfaßt (aus Gewohnheit) und neun Bücher gelesen.
Er ging zum Essen ans Ufer und rief aus einer öffentlichen Telefonzelle den Anrufannahmedienst an, den er in den seltenen Fällen seiner Abwesenheit benutzte. Die meisten Anrufe waren wie gewöhnlich von verstimmten Lesern der Voice eingegangen. Angebote oder auch nur Interessensbekundungen von Leuten, die ihm einen Job geben konnten, waren nicht dabei.
In Oxford kaufte er wie gewöhnlich jede Lokalzeitung und jedes Londoner Blatt, das er in die Finger bekommen konnte, und kehrte auf sein Boot zurück.
Es war an einem Dienstag. Er war acht anspruchslose Tage lang den Fluß hinuntergefahren und würde in zwei weiteren Tagen ohne jede Mühe das Restaurant erreichen, in dem er seine Dinnerverabredung mit den Konzernbesitzern hatte. Jetzt, so schien es, hing vieles davon ab, was sie von ihm hielten. Er las ihre Zeitungen zuerst.
Es waren zwei Zeitungen, die Blondel News und der Daily Troubadour, jeweils in zwei Teile unterteilt, wobei Sport, Kunst und Finanzen an zweiter Stelle kamen.
Er wußte natürlich, daß beide Zeitungen als seriöse Blätter ihre Verantwortung ernst nahmen und nur selten eine entblößte Brust zeigten. Er wußte auch, daß die erbitterten Nahkämpfe um Marktanteile sie veranlaßt hatten, Sonn-tagsausgaben mit ein wenig mehr Flitter aus der Taufe zu heben. Er kam zu dem Schluß, daß die Dienstagsausgabe des Troubadour langweilig sei, und er entdeckte, daß dieselbe Story (identische Absätze) unverzeihlicherweise auf zwei verschiedenen Seiten abgedruckt war. Er fühlte sich nicht im mindesten entmutigt, sondern verspürte eher das Verlangen, den Troubadour bei seinem selbstgefälligen Schlendrian zu packen und ordentlich durchzuschütteln.
Als er später behaglich flußabwärts im Halbschatten einer anmutigen Weide saß, las er mit sorgsam unter Verschluß gehaltenen Gefühlen die Cotswold Voice vom Tage, ebenfalls eine Dienstagsausgabe. Die beiden Ausgaben der vergangenen Woche, die er in Pubs flußaufwärts gelesen hatte, hatten beide noch seine eigene, unverkennbare Handschrift getragen. Diese Dienstagsausgabe, die dritte unter der Herrschaft des neuen Besitzers, war voll und ganz in den Stil der alten Cotswold Voice zurückgefallen, aus Zeiten, bevor der junge da V. Williams die Zeitung in die Finger bekam.
Bill Williams seufzte.
Der Rennsportredakteur der Cotswold Voice vermißte den kleinen, armseligen Rotstiftteufel schon empfindlich (wie er es ausdrückte).
Der neue Chefredakteur, ein großer Mann mit schikanösem Temperament, hatte ihm unverzüglich eröffnet, daß die Voice in Zukunft einen zentral verfaßten Meinungsbeitrag als Leitartikel auf der Rennseite haben wolle. Die Beiträge des gegenwärtigen Rennsportredakteurs würden an zweiter Stelle kommen, und ja, da es noch immer keine großartigen frischen Neuigkeiten zu geben scheine, dürfe er — wenn auch ungern — in dieser Woche einen weiteren Artikel über Dennis Kinser und seine Eignergemeinschaf-ten schreiben, immer vorausgesetzt, daß die Voice selbst es für sich als Erfolg verbuchen konnte, Kinsers Karriere als Trainer gefördert zu haben. Danach würde der Rennsportredakteur keine weiteren Features mehr schreiben, sondern sich darauf konzentrieren, seinen Lesern Renntips zu geben.
Der bekümmerte Rennsportredakteur rief Dennis Kinser an, und gemeinsam kochten er und Dennis Kinser, Anstifter und Angestifteter, einen von Grund auf falschen Bericht über den neuen Trainer zusammen, bei dem aufgeregte Möchtegerngemeinschaftseigner Schlange standen, damit er ihre Pferde übernehme, was selbstverständlich auf die begeisterte Unterstützung von seilen der Cotswold Voice zurückzuführen sei.
Der neue Chefredakteur quittierte den Artikel mit einem weisen Nicken und zeichnete ihn zur Veröffentlichung ab. Der Ex-Chefredakteur schüttelte den Kopf und glaubte, da er seinen Rennsportredakteur kannte, kein einziges Wort von dessen Erguß, den er sich in einer Bar flußaufwärts zu Gemüte führte.
Bill Williams glitt in zwei Tagen von Oxford zu dem Treffpunkt hinunter, einem Restaurant am Flußufer — das einfallsreicherweise den Namen Mainstream Mile trug —, und vertäute im Licht der Spätnachmittagssonne seinen Kahn am Anleger. Er gab seinem Restaurantkritiker sofort recht, daß der Speisesaal von Mainstream Mile zumindest vom Wasser aus einer der schönsten an der Themse war, mit Tischen, die hinter einer Glaswand auf Terrassen standen, so daß die Gäste einen erstklassigen Blick auf das Treiben auf dem Fluß hatten.
Zwischen dem Gebäude und dem Fluß befand sich ein kleiner Rosengarten, durch den sich vom Pier aus ein Pfad nach oben schlängelte. Als Bill Williams am Anleger stand und sich nach seiner langen Reise in seinen Jeans und seinem T-Shirt reckte und die Glieder ausschüttelte, kam ein junger, mit einem dunklen Anzug angetaner Mann ebendiesen Pfad hinuntergelaufen. Mit blasierter Miene forderte er den Besucher auf, unverzüglich wieder zu gehen, da er nicht willkommen sei.
«Wie bitte«, sagte Bill Williams, der das für einen Scherz hielt.»Wie meinen Sie das, ich soll wieder gehen?«
«Der Speisesaal ist für heute abend vollkommen ausgebucht.«
«Oh«, lachte Bill Williams,»dann ist ja alles in Ordnung.
Ich habe vor zwei Wochen einen Tisch für heute abend reservieren lassen.«
«Das ist unmöglich!«Die blasierte Miene des jungen Mannes bekam ihre ersten Risse.»Das kann nicht sein. Wir akzeptieren keine Boote.«
Bill Williams sah sich ungläubig um. Dann sagte er:
«Dieses Restaurant heißt Mainstream Mile. Es liegt am Ufer der Themse. Es hat einen öffentlichen Anleger, an dem ich, wie Sie sehen, ordnungsgemäß festgemacht habe. Wie können Sie da behaupten, Sie würden keine Boote akzeptieren?«
«Weil das die Regel des Hauses ist.«
Bill Williams büßte mehr als die Hälfte seiner guten Laune ein.»Dann sagen Sie dem Haus«, erwiderte er nachdrücklich und tippte dem jungen Mann dabei mit dem Zeigefinger auf die Brust,»daß ich vor zwei Wochen einen Tisch hier habe reservieren lassen und mir niemand irgend etwas davon gesagt hat, daß Boote nicht akzeptiert würden.«
Die Redaktion der Cotswold Voice wäre nie so töricht gewesen, Einwände zu erheben, wenn Williams einen seiner Anfälle von gerechtem Zorn erlitt. Der junge Mann trat nervös den Rückzug an und sagte:»Auf welchen Namen?«
«Williams. Vier Personen. Acht Uhr. Ich treffe meine drei Gäste um halb acht, hier in der Bar. Und Sie gehen jetzt nach oben und erklären das dem Haus.«
Mrs. Robin Dawkins fuhr von London aus mit schlechter Laune nach Nordwesten, und diese Laune verschlechterte sich noch, weil die untergehende Sonne ihr direkt in die Augen schien.
Neben ihr saß F. Harold Field und hinter ihr Russell Maudsley, der sich auf dem Rücksitz angeschnallt hatte. Wenn es nach Mrs. Dawkins gegangen wäre, hätte nicht sie selbst, sondern der Chauffeur der Gesellschaft bei dieser höchst ärgerlichen Expedition am Steuerrad des firmeneigenen Daimlers gesessen, aber sie war mit der vernünftigen Begründung überstimmt worden, daß die Diskretion des Chauffeurs große Löcher aufwies, wenn man ihm nur genug Bares in Aussicht stellte.
Mrs. Robin Dawkins, Mr. F. Harold Field und Mr. Russell Maudsley besaßen gemeinschaftlich den Zeitungskonzern The Lionheart News Group. Alle drei waren sie knallharte Rechner. Alle drei waren sie fünfzig, gerissen und besorgt. Die Absatzzahlen sämtlicher Zeitungen waren wegen des Fernsehens gesunken, aber in ihrem Falle schlimmer als bei den meisten anderen. Der Vorstand lag sich ständig in den Haaren. Jeder der drei Eigner hatte eine starke Abneigung gegen die beiden anderen, und es waren die ständigen Fehden zwischen ihnen, die zu der letzten katastrophalen Ernennung eines Chefredakteurs für den Daily Troubadour geführt hatten.
Mrs. Robin Dawkins hielt es für absolut sinnlos, ein Vorstellungsgespräch mit einem Dreiunddreißigjährigen aus der finstersten Provinz zu führen, und einzig die Verzweiflung hatte sie dazu gebracht, diesen Weg einzuschlagen.
Der Daimler der Lionheart News Group fuhr um 19 Uhr 35 vor dem Restaurant» Mainstream Mile «vor, und die Besitzer begaben sich steifbeinig in die Bar. An verschiedenen kleinen Tischen saßen Leute zusammen, von denen auf den ersten Blick keiner Mrs. Robin Dawkins’ Vorstellung von einem Chefredakteur entsprach. Ihr Blick glitt über den jungen Mann, der mit einem Aktenordner in der Hand in einer Ecke stand, und als der Mann zögernd auf sie zukam, wurde ihr niederschmetternd bewußt, daß diese fleischgewordene Zeitverschwendung die Person war, die zu treffen sie den ganzen weiten Weg in Kauf genommen hatten.
F. Harold Field und Russell Maudsley schüttelten ihm die Hand, stellten sich vor und waren beide entsetzt von seiner Jugend. In dunklen Hosen, weißem Hemd und marineblauem Jackett schien er durchaus passend zu sein für einen Donnerstagabend an der sommerlichen Themse, aber vollkommen ungeeignet, ihrer Meinung nach, um eine Zeitungsbelegschaft auf Trab zu bringen. Bill Williams, den seine Berufsaussichten nervöser machten, als er es zugegeben hätte, war zudem von der fortgesetzten Feindseligkeit des Restaurants ihm gegenüber aus der Ruhe gebracht worden, denn er sah keinen logischen Grund dafür. Warum, um Himmels willen, sollte er nicht in einem Kahn hier ankommen?
In der Bar ließ Bill Williams seine Gäste an einem kleinen Tisch Platz nehmen und bestellte Drinks, die lange auf sich warten ließen. Die Bar füllte sich mit Gästen und leerte sich wieder, während der Oberkellner in offiziellem
Dinnerjackett Speisekarten zu verteilen begann, Bestellungen entgegennahm und Gäste zu ihren Plätzen im Speisesaal führte. Andere Gäste: nicht die von Williams.
Verärgert darüber, daß man ihn übersah, bat Bill Williams den Oberkellner um Speisekarten, als dieser gerade mit einigen lächelnden Kunden im Schlepptau vorüberging.
Der Oberkellner sagte:»Aber gewiß«, runzelte die Stirn und brauchte fünf Minuten, um wiederzukommen.
Mrs. Robin Dawkins ärgerte sich maßlos über die nachlässige Behandlung und wartete wutschnaubend darauf, daß ihr Gastgeber sich durchsetzen würde. Bill Williams verlangte zweimal nachdrücklich, daß der Oberkellner sie zu ihren Plätzen führen möge, aber er und seine Gäste waren die letzten, die die Bar verließen, und die letzten, die im Speisesaal ankamen, und man führte sie zu dem schlechtesten Tisch, einem Ecktisch. Bill Williams war nahe daran, dem Oberkellner seine Selbstgefälligkeit mit einem Boxhieb aus dem Gesicht zu schlagen.
Unglaublich, dachte Mrs. Robin Dawkins. Das Essen, das sie bestellte, kam spät und war kalt. F. Harold Field und Russell Maudsley versuchten sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob dieser Junge, Williams, eine Zeitung leiten könne, was schließlich der Grund ihres Besuchs hier war, aber auch sie wurden von dem schlechten Service des Restaurantpersonals immer wieder abgelenkt.
Bill Williams verlangte wütend mit geballten, aber hilflosen Fäusten, daß die Manieren des Kellners sich besserten, was jedoch nicht geschah. Als Mrs. Robin Dawkins einen Kaffee bestellte, bekam sie den Bescheid, daß sie ihn in der Bar trinken könne.
Zu diesem Zeitpunkt war jeder Tisch in der Bar bereits besetzt. Mrs. Robin Dawkins marschierte geradewegs durch die Tür hinaus zum Parkplatz, ohne sich noch einmal umzusehen. F. Harold Field und Russell Maudsley bedachten Bill Williams mit einem wissenden Kopfschütteln und bemerkten vage, daß sie ihm Bescheid geben würden. Bill Williams drängte F. Harold Field den Aktenordner auf, an dem er sich den ganzen Abend festgehalten hatte, und F. Harold Field, der zwar ein Gesicht machte, als hätte man ihm einen Haufen Dynamit in die Arme gelegt, nahm die Akte entgegen, umfaßte sie zuerst sehr vorsichtig, dann aber mit wachsender Entschlossenheit, bevor er Mrs. Dawkins und Russell Maudsley zu ihrem Wagen folgte.
«Ich hab’s Ihnen ja gesagt«, meinte Mrs. Robin Dawkins zähneknirschend, reckte das Kinn vor und drückte das Gaspedal durch.
«Noch grün hinter den Ohren und obendrein eine Niete, die nicht mal ein Sandwich organisieren kann.«
F. Harold Field sagte:»Ich hatte den Eindruck, daß Williams den Oberkellner mit Freuden verprügelt hätte, wenn nicht wir und alle anderen zugesehen hätten.«
«Unfug«, widersprach Mrs. Dawkins, aber F. Harold Field wußte, was er gesehen hatte. Er ließ seine Finger über die Akte gleiten, die ihm in die Arme gedrückt worden war, und beschloß, ihren Inhalt am nächsten Morgen zu lesen.
Bill Williams kehrte in den Speisesaal zurück, dessen Tische inzwischen leer waren und fürs Frühstück neu eingedeckt wurden. Er verlangte, den Oberkellner zu sprechen. Keiner der vielbeschäftigten Unterkellner beeilte sich, ihm zu helfen, aber einer von ihnen erklärte ihm endlich, daß der Oberkellner, dessen Arbeit für den Abend getan war, nach Hause gegangen sei.
Bill Williams stand, steif vor unterdrücktem Ärger, im Raum, als hätte man ihn dort unverrückbar eingepflanzt, und bestand darauf, wenigstens denjenigen zu sprechen, der im Augenblick das Kommando hatte. Die Kellner traten ein wenig von einem Fuß auf den anderen. Leute, die mit Booten kamen, sollten still und leise wieder gehen und nicht so aussehen, als könnten sie jeden Augenblick das gesamte Personal des Restaurants am anderen Ende des Anlegers ins Wasser scheuchen. Vielleicht wandte er sich da besser an die Direktion, schlug einer von ihnen nach einer ganzen Weile und ein wenig lahm vor.
«Sofort«, sagte Bill Williams.
Die Direktion, die in einem kleinen Raum in einem Flur hinter der Bar untergebracht war, erwies sich als eine eindrucksvolle Frau, die in einem wallenden, rotgoldenen Kaftan Geld zählte. Sie saß hinter einem Schreibtisch. Sie forderte Bill Williams nicht auf, auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz zu nehmen, aber er tat es dennoch. Sie blickte an ihrer langen, dünnen Nase entlang auf ihn herab.
Dann sagte sie, als sei etwas Derartiges einfach undenkbar:»Ich höre, Sie haben eine Beschwerde.«
Bill Williams berichtete ihr überzeugend von seinem verdorbenen Abend.
Die Direktion zeigte keinerlei Überraschung.»Als Sie einen Tisch reserviert haben«, sagte sie, ohne zu bestreiten, daß der Tisch in der Tat reserviert worden war,»hätten Sie erwähnen sollen, daß Sie mit einem Boot kommen würden.«
«Warum?«
«Wir akzeptieren keine Boote.«
«Warum nicht?«
«Leute, die auf Booten Urlaub machen, können sich nicht benehmen. Sie machen alles kaputt. Sie sind laut. Sie verschmutzen unsere WCs. Sie haben ungezogene Kinder. Sie beschweren sich über unsere Preise.«
«Ich habe einen Tisch auf die gewohnte Art und Weise bestellt«, sagte Bill Williams mit langsamer, deutlicher und nachdrücklicher Betonung,»und ich bin zornig.«
Die Wahrheit dieser Feststellung drang klar genug zur Direktion vor, um den Kaftan mit einem Zittern zu durchlaufen, aber sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wiederholte verstockt:»Sie hätten erwähnen müssen, daß Sie mit einem Boot kommen. Als Sie den Tisch reservieren ließen, hätten Sie das erwähnen müssen. Dann wären wir vorbereitet gewesen.«
«Als ich den Tisch reserviert habe, haben Sie nicht gesagt: >Wie werden Sie anreisen?< Sie sagten nicht: >Wer-den Sie mit dem Rolls Royce ankommen?< >Werden Sie mit einem Trecker kommen? < >Mit einem Fahrrad? < >Zu Fuß?< Meine drei Gäste sind mit einem Daimler gekommen, und Sie haben sie behandelt, als seien sie hier, um Ihre Gabeln zu stehlen.«
Die Direktion warf den Kopf in den Nacken, preßte die Lippen zusammen und starrte blicklos ihren wutschnaubenden, schlecht behandelten Kunden an. Sie wollte, daß er ging. Sie hatte kein Verlangen nach einem Streit.
Bill Williams, der ein solches Verlangen sehr wohl hatte, spürte, wie die Kampfbereitschaft der Direktion abflaute, und wie immer, wenn er sich durchgesetzt hatte, ließ auch seine eigene Feindseligkeit nach. Die Schutzschilde sinken zu lassen ist tödlich, hatte man ihn oft gewarnt, aber er hatte noch nie den Bogen raus gehabt, einen am Boden liegenden Feind zu treten. Mit einer jähen Gebärde erhob er sich vom Stuhl der Direktion und strebte der frischen Nachtluft und dem Pfad durch den Rosengarten und der blauen Polstermatratze seines Kahns entgegen.
Er wechselte seine Kleider, schlug die Regenschutzbaldachine des Kahns zurück und blickte von seinem Schlafsack aus in den trockenen, klaren Himmel hinauf. Er wußte, daß er jede Chance verloren hatte, den Daily Troubadour zu leiten. Statt zu schlafen, verbrachte er die Nacht damit, in Gedanken wieder und wieder die Demütigungen nachzuvollziehen, die man ihm unverdientermaßen zugefügt hatte, und sein eigenes Unvermögen, öffentlich Theater zu machen. Und hätte das Theater ihm den Troubadour eingetragen? Hätte ein solches Verhalten sich nicht eher in eine Geschichte verwandelt, die unter höhnischem Gelächter zum besten gegeben wurde, während der Abend, so wie er gelaufen war, Mrs. Robin Dawkins sicherlich als eine neue Waffe in diesem gegenseitigen Vernichtungskrieg dienen würde, weil er ihre vorgefaßte Meinung bestätigt hatte?
Er gab sich Phantasien über eine geziemende Rache hin und bezweifelte gleichzeitig seine Fähigkeit, etwas Derartiges in die Tat umzusetzen. Als Ex-Chefredakteur konnte er den Restaurantkritiker nicht dazu bewegen, eine Vernichtungskampagne zu starten: Es war derselbe Kolumnist, der dem jüngst eröffneten Restaurant eine Bombenkritik geschrieben hatte. Als Mister Normalbürger konnte er vor sich hin wüten, ohne daß das Mainstream Mile es auch nur einen Bruchteil seiner schlaflosen Nacht kostete.
Die Dämmerung bescherte ihm keine süßen Träume. Bei hellem Tageslicht konnte man ihn sehen, wie er den Kahn auf Hochglanz brachte, obwohl ihm seine Reise keinen Spaß mehr machte. In der nächsten Stadt flußabwärts würde er die Lechlade-Leute anrufen, damit sie ihr Boot holen kamen.
Über den Weg durch den Rosengarten kam derselbe, dunkel beanzugte Kellner wie am Vortag, wenn auch diesmal ohne den federnden Schritt und das Grinsen im Gesicht.
«Die Direktion«, sagte er,»lädt Sie zu einem Kaffee ein.«
«Kaffee?«
«In der Bar.«
Er wandte sich ab und ging, ohne auf eine Antwort zu warten.
Bill Williams hätte auch nicht gewußt, was er hätte antworten sollen. War Kaffee ein Olivenzweig? Eine Entschuldigung? Ihm stand nicht der Sinn danach, etwas Derartiges anzunehmen. Konnte der Kaffee aber vielleicht das Vorspiel zu der Stornierung seiner Kreditkartenbelastung sein? Hatte die Direktion befunden, daß er für die abscheuliche Behandlung nicht auch noch bezahlen sollte?
Hatte die Direktion nicht. Es war keinesfalls das Geld, das Bill Williams erzürnte, da sein abrupter Hinauswurf aus der Voice die neuen Besitzer mehrere Nullen gekostet hatte. Er betrat das Restaurant in der Absicht, eine Entschädigung widerwillig zu akzeptieren, bekam aber nicht einen einzigen Cent angeboten.
Er ging in die Bar, die um die Frühstückszeit dunkel und mit geschlossenen Fensterläden vor ihm lag. Ein Kellner kam langsam herbei und stellte auf einen der kleinen Tische ein Tablett mit einer Tasse und einer Untertasse, einem Milchkännchen, Zucker und einer Porzellankanne mit Kaffee.
Und das war alles. In kaltem Staunen trank Bill Williams zwei einsame Tassen zugegebenermaßen guten, starken Kaffees. Niemand kam in die Bar. Niemand sagte irgend etwas.
Wenn der Kaffee ein Olivenzweig war, so war er gleichzeitig auch eine Beleidigung.
Als er die zweite Tasse geleert hatte, erhob Bill Williams sich von seinem kleinen Tisch, ging durch den Raum und öffnete die Ausgangstür, die durch eine kleine Halle zu dem Parkplatz draußen führte. Über der Eingangstür eines jeden Lokals in Großbritannien, dem es gestattet war, alkoholische Getränke auszuschenken, mußte von Gesetzes wegen der Name des Lizenzinhabers geschrieben stehen. Bill Williams ging, ohne einen klaren Vergeltungsplan zu haben, hinaus, um wenigstens den Namen zu lesen, der hinter dem Affront stand.
Der Name über der Eingangstür des Mainstream Mile lautete Pauline Kinser.
Kinser. Ein Zufall, aber doch merkwürdig. Bill Williams kehrte wieder in die Bar zurück und fand sie diesmal nicht leer vor. Die Direktionsdame vom vergangenen Abend stand dort, begleitet von vier ihrer Angestellten. Sie standen steif da — Leibwächter —, aber auch wachsam, damit die Dame sie nicht für ihr Benehmen tadeln konnte.
«Sind Sie«, fragte Bill Williams die Dame langsam,»Pauline Kinser?«
Sie nickte widerstrebend.
«Bekomme ich eine Entschuldigung für gestern abend?«
Sie sagte nichts.
Er fragte:»Kennen Sie jemanden mit Namen Dennis?«
Bill Williams war sich einzig einer sich vertiefenden Stille bewußt. Pauline Kinser starrte ihn düster an, und in ihren Augen war nicht der geringste Anflug eines Schuldeingeständnisses zu lesen. Er zitterte, so heftig war der primitive Impuls, der in ihm aufwallte; am liebsten hätte er sie gegen die Wand geschleudert und mit Drohungen zum Sprechen gebracht. Was ihn daran hinderte, war nicht Barmherzigkeit, sondern der Gedanke an Handschellen.
Pauline Kinser war erleichtert, ihren schwierigen Gast zu seinem Kahn zurückkehren und flußabwärts davonfahren zu sehen, und sie glaubte, damit sei die Sache erledigt. Sie erwähnte diesen Vorfall, der in ihren Gedanken mit dem Etikett» unerfreulich «abgetan war, nicht einmal, als ihr Neffe Dennis Kinser zu einer ihrer regelmäßigen Geschäftsbesprechungen vorbeikam. Dennis Kinser, der schon immer eine goldene Zunge besessen hatte, hatte seine unverheiratete Tante zuerst überredet, ihr Haus zu verkaufen und das Restaurant zu eröffnen, und es dann mit einer Hypothek belegt, um sich als Rennpferdtrainer etablieren zu können. Seine Tante Pauline sträubte sich dagegen, den Erlös aus dem Verkauf ihres Hauses direkt in einen Rennstall fließen zu lassen, da sie Pferde nicht mochte. Davon abgesehen konnte Dennis in ihren Augen nichts falsch machen. Dennis war derjenige, der die bequemen Stühle im Restaurant und das hübsche Porzellan ausgesucht, sie mit Kaftans ausstaffiert, die Zeitungskolumnisten hergelockt und mit Perfektion geblendet hatte, und es war auch Dennis gewesen, der die Regel aufgestellt hatte, nach der Boote nicht zugelassen wurden.
«Londoner Restaurants weisen Kunden, die sie nicht haben wollen, einfach ab«, hatte er seiner Tante erklärt.»Und ich möchte nicht, daß vulgäre Mietboote unseren Pier verstopfen und uns Krethi und Plethi ins Haus bringen.«
«Nein, Dennis«, sagte seine Tante getreulich, da sie die Vernunft seiner Worte einsah.
Ihr Neffe erfuhr die Sache mit dem Kunden in dem Kahn von den Kellnern in der Küche, und da ihre ausweichenden Rechtfertigungsversuche ihn mit einem vagen Unbehagen erfüllten, fragte er seine Tante, was geschehen sei.
Dennis Kinser war nur mäßig bestürzt. Wie groß das Unrecht auch sein mochte, das man ihm angetan hatte, ein einziger mißgestimmter Gast konnte ein sagenhaft erfolgreiches Unternehmen kaum ruinieren.
«Dieser Typ mit dem Kahn«, sagte er, als er die Rechnungsbücher durchblätterte,»hat hier wirklich einen Tisch reservieren lassen?«
«Ja, hatte er.«
«Dann hättest du ihn ordentlich bedienen lassen sollen, genau wie alle anderen Gäste auch.«
«Aber du sagtest doch, keine…«
«Ja, ja, aber benutz doch deinen Verstand.«
Pauline Kinsers Reservierungsbuch lag aufgeschlagen auf dem Tisch. Dennis Kinser warf einen Blick darauf und fragte:»Welche Reservierung gehört zu dem Mann mit dem Kahn?«
«Die da. «Seine Tante zeigte auf die entsprechende Stelle.
«Die erste für gestern abend. Williams, vier Personen, acht Uhr. Wir haben natürlich auch seine Telefonnummer notiert.«
Dennis Kinser warf einen Blick auf die Telefonnummer, und sein ganzer Körper zuckte. Er kannte diese Nummer. Er konnte es nicht glauben. Wollte es nicht glauben. Er riß das Telefon seiner Tante heftig zu sich herüber, drückte auf die Knöpfe und lauschte der Frau, die am anderen Ende sagte: »Cotswold Voice, guten Morgen.«
Halb sprachlos bat Dennis Kinser, mit dem Rennsportredakteur verbunden zu werden, der wie gewöhnlich mit seinem Stuhl schaukelte und sich die Fingernägel saubermachte.
«Williams?«fragte der Rennsportredakteur.»Klar, natürlich kenne ich den. Der war früher unser Chefredakteur. Und ein verdammt guter, obwohl ich ihm das nie gesagt hätte. Ihm ist es zu verdanken, daß du die ganze Publicity für deine Renngemeinschaften und so weiter bekommen hast. Er hat mich beauftragt, dich zu interviewen, an dem Tag, an dem wir den Fotografen für die Bilder da hatten. Was willst du von ihm?«
«Ich… ähm… ich wollt’s nur mal wissen. «Dennis Kinsers Kehle fühlte sich an, als hätte er Leim getrunken.
«Leg dich besser nicht mit ihm an«, sagte der Rennsportredakteur, und sein Tonfall enthielt eine halbernste Warnung.»Er mag ja klein und harmlos aussehen, aber wenn er wütend ist, greift er an wie eine Klapperschlange.«
Dennis Kinser, der sich ein wenig benommen fühlte, schluckte und sprach als nächstes mit dem Restaurantkritiker, der den Souffles seiner Tante Pauline mit seinen Lobgesängen den nötigen Aufwind gegeben hatte.
«Williams?«sagte der Restauranttyp.»Er hat mich immer gerne Rezepte machen lassen. Der neue Chefredakteur hat einen Chips-und-Ketchup-Komplex. Bill Williams hat mich gefragt — na ja, wahrscheinlich hat er einen Witz gemacht, aber er fragte mich, wohin er drei Geschäftsleute zum Essen einladen solle, die über seine ganze Zukunft entscheiden könnten, also habe ich ihm das Restaurant Ihrer Tante empfohlen, und ich weiß, daß er auf der Stelle da angerufen hat.«
Dennis Kinser legte den Hörer auf, während sein ganzes Gehirn wie ein Mantra immer wieder dieselben Worte wiederholte:»O mein Gott, o mein Gott.«
«Was ist los?«fragte seine Tante.»Du bist ja ganz blaß geworden.«
«Dieser Mann, Williams…«Dennis Kinsers Stimme klang erstickt.»Was hast du zu ihm gesagt, um die Sache wieder geradezubiegen?«
Pauline Kinser zog die Stirn kraus.»Ich hab ihm einen Kaffee spendiert.«
«Kaffee! Und eine demütige Entschuldigung? Und die Rückerstattung seines Geldes? Und einen Gang nach Canossa, wie man ihn in diesem Jahrhundert noch nicht gesehen hat?«
Verwirrt schüttelte sie den Kopf.»Bloß Kaffee.«
Ihr erschrockener Neffe schrie sie an:»Du dämliches Weibsbild. Du verfluchtes, dämliches Weibsbild. Dieser Mann wird einen Weg finden, uns beide in den Bankrott zu treiben. Er schreibt für Zeitungen. Und ich stehe in seiner Schuld… bei Gott, ich stehe in seiner Schuld… und für gestern abend wird er uns ruinieren.«
Seine Tante sagte störrisch:»Es ist alles deine Schuld. Du warst es, der gesagt hat, wir sollen keine Boote annehmen.«
An diesem Nachmittag hielt in London die Lionheart News Group ihre monatliche Routinesitzung ab, eine Versammlung, bei der sich die drei sich befehdenden Eigentümer, die geschäftsführenden Direktoren sämtlicher Zeitungen und Zeitschriften des Konzerns sowie verschiedene Finanzberater trafen. Zu dieser Art von Zusammenkunft wurden niemals Redakteure oder Journalisten eingeladen: Für Mrs. Robin Dawkins — die als Vorsitzende fungierte — waren diese Leute lediglich untere Chargen, bezahlte Dienstboten.
Mrs. Dawkins behandelte die dringende Notwendigkeit, einen neuen Chefredakteur für den Daily Troubadour zu finden — der vierte Punkt auf der Tagesordnung —, als fehle ihr noch ein Butler. Solange er seinen Platz kannte und, im übertragenen Sinne, sich gut darauf verstand, das Silber in makellosem Zustand zu halten, konnte sie seine nachmittägliche Vorliebe für Portwein übersehen. Die bestürzten Direktoren versuchten taktvoll darauf hinzuweisen, daß die Schwäche des gegenwärtigen Chefredakteurs für
Portwein am Nachmittag drei Viertel des Problems ausmachte.
Russell Maudsley trug mit großem Nachdruck vor, daß Absalom Williams, Ex-Chefredakteur der Cotswold Voice, den sie zunächst in Erwägung gezogen hatten, keine weitere Beachtung verdiene, und F. Harold Field erklärte gar mit noch größerem Nachdruck, daß Absalom Williams mit seinen dreiunddreißig Jahren zu jung sei, zu viele akademische Abschlüsse habe und sich überdies nicht durchsetzen könne.
Mehrere Direktoren hielten den Atem an, nicht zuletzt die tüchtige, aber unauffällige Geschäftsführerin des Daily Troubadour, die aus Erfahrung wußte, daß Field und Maudsley nur gegen eine Maßnahme zu sein brauchten, damit Mrs. Robin Dawkins sich plötzlich dafür aussprach. Als Mehrheitsaktionärin würde sie darauf bestehen, und die beiden Männer würden die Achseln zucken und nachgeben.
Die Geschäftsführerin des Daily Troubadour wußte, daß die meisten großartigen Chefredakteure mit Mitte Dreißig an die Spitze kamen: daß sie wie Orchesterdirigenten das gewisse Etwas hatten oder es nicht hatten. Sie hörte sich an, wie Mr. Field sich bei Mrs. Dawkins darüber beklagte, daß Williams überdies nicht einmal schreiben könne, und dann las sie einen Teil von nur einem der fotokopierten Blätter, die F. Harold lustlos aus einem Aktenordner gezogen und auf dem Tisch verteilt hatte, und spürte darin die unvermittelte Wucht von Williams’ sprühendem Talent. Der Mann konnte nicht schreiben? Das war das Beste, was ihr je unter die Augen gekommen war.
Als die Geschäftsführerin aufblickte, sah sie, daß F. Harold Field sie beobachtete. Er lächelte. Er will diesen Absalom, dachte sie.
An eben diesem Nachmittag verschlimmerte sich Dennis Kinsers anfängliche explosive Wut auf seine Tante zu etwas äußerst Schmerzhaftem, wie es etwa Verbrennungen durch Senfgas sind. Er saß an ihrem Schreibtisch, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf in die Hände vergraben, und suchte nach einem Ausweg aus dem Treibsand seiner Schuld.
Seine Tante murmelte mit monotonem Regelmaß: »Du warst es, der gesagt hatte, keine Boote.«
«Halt den Mund.«
«Aber.«
«Zum Teufel mit den Booten«, sagte Dennis Kinser aufgebracht, und seine Tante, die in einem Kaftan nach Dennis’ Wahl — einem Gemisch aus Blau, Silber und Purpur — geradezu königlich wirkte, zog sich verletzt zurück und weinte in dem winzigen Wohnzimmer vor sich hin, in dem alles stand, was ihr von ihrem früheren Heim übriggeblieben war. Alles andere hatte sie Dennis gegeben. Sie konnte seinen Ärger nicht ertragen. Sie mochte keine Pferde. Sie haßte den Mann mit dem Kahn.
Dennis Kinsers Machenschaften gründeten zwingend auf dem Gedeihen des Mainstream Mile, des letzten Schreis der Region. Trotz der goldenen Superlative des Rennschreibers der Voice hatte es bisher bei weitem nicht genügend erfolgversprechende Anfragen für die Samstag-nachmittags-Couch-Eignergemeinschaften gegeben, um auch nur eine kurze Boxenreihe mit Pferden belegen zu können, ganz zu schweigen den gesamten glanzvollen Stall, nach dem es ihn verlangte. Um der Lizenzbehörde des Rennsports weiszumachen, daß er die erforderlichen zwölf Pferde in seinem Stall stehen hatte, hatte er ein paar erfunden und andere humpelnd von den Weiden herbeischaffen lassen, wo sie ihr Gnadenbrot erhielten; und in einem Anfall von typischer Selbstüberschätzung hatte er versprochen, ein Hürdenrennen über 3200 Meter für den Renntag in Marlborough zu sponsern — den Kinser Cup. Der Ruhm würde schon folgen. Reiche Besitzer würden beeindruckt sein, in seinem Restaurant essen und ihm dutzendweise Pferde schicken. Ruhm und Reichtum zogen Ruhm und Reichtum an. Er hatte es gesehen. Er, Dennis Kinser, würde beides haben.
Sein Problem war, daß er es zu eilig hatte. An ebenjenem Morgen hatte er Pressemitteilungen an jede Zeitschrift verschickt, die auch nur im entferntesten ahnte, daß es so etwas wie Reitsport überhaupt gab. Seine Einladungen an jeden einflußreichen Schreiberling ließen sich aus der Königlichen Post nicht mehr zurückholen. Sein Ausruf» Seht mich an, ich bin große Klasse!«würde von der Klapperschlange mit dem Kahn schwarz auf weiß öffentlich beantwortet werden:
«Seht ihn an, er ist ein Betrüger. «Die Presseberichte zu seiner Person würden daraufhin höhnisch statt bewundernd ausfallen.
Dennis Kinser stöhnte laut.
Bill (Absalom Elvis etc.) Williams kaufte sich am nächsten Tag, einem Samstag, die Cotswold Voice und bahnte sich unter Schmerzen seinen Weg von den Schlagzeilen bis nach hinten.
Auf der Rennseite freute sich sein Rennsportredakteur, dem jetzt nur noch die Hälfte des verfügbaren Platzes zugestanden wurde, die Leser wissen zu lassen, daß ihr eigener Trainer, der mit den Eignergemeinschaften, am nächsten Samstag ein Rennen in Marlborough sponserte.»Lassen Sie sich das nicht entgehen!«ermutigte die Voice ihr Publikum.»Kinser kann siegen.«
Wie er es immer getan hatte, um Enttäuschungen abzumildern und Frustration erträglich zu machen, griff Bill Williams nach Kugelschreiber und Papier und schrieb sich die Bitterkeit aus dem Leib.
Er schrieb voller Inbrunst und mit unversöhnlichem Feuer. Er schrieb aus der scharfen Erinnerung an eine Demütigung heraus und aus einem ungestillten Hunger nach Rache. Er verspottete Pauline Kinser mit ihren Kaftanen und ihrem Dünkel und der snobistischen Achtung von Booten. Er nahm voller Leidenschaft die zahlreichen Lügen des scheinbar florierenden Rennstalls auseinander und goß seinen Hohn auch über Dennis Kinser selbst aus, den er als eingebildeten Spitzbuben entlarvte, als zungenfertigen Gauner und irregeleiteten Hochstapler. Es war ein Artikel, der eigens dazu ersonnen und berechnet war, niederzutrampeln und zu zerstören. Er würde wahrscheinlich niemals einen öffentlichen Abdruck erleben.
Eine von Dennis Kinsers marktschreierischen Pressemitteilungen fand ihren Weg in das wenig benutzte Büro von F. Harold Field bei der Lionheart News Group. F. Harold, dessen Hand schon über dem Aktenvernichter schwebte, nahm flüchtig die Worte» Mainstream Mile «wahr und warf einen kurzen Blick auf die Reklame.
«Ein herzliches Willkommen«, las er und lächelte grimmig. Nicht gerade der Eindruck, mit dem sich der Oberkellner in sein Gedächtnis eingeprägt hatte.
«Hürdenrennen, gesponsert von Trainer Dennis Kinser, Mitbesitzer des Mainstream Mile. Lunchbüfett. Erstklassiges Restaurant. Günstige Gelegenheit, einen Anteil an einer Eignergemeinschaft zu erwerben!«
Hm. F. Harold Field, der immer gerne eine kleine Wette riskierte, beschloß hinzufahren.
Bill Williams, Dennis Kinser und F. Harold Field stießen auf dem Rennplatz von Marlborough zusammen.
Während der letzten Woche hatte die Kühle der frühen Septembermorgen die Erinnerung an die Augusttage nahezu ausgelöscht.
Während dieser Woche schrieb Bill Williams fünf Meinungsbeiträge und Kommentare und schickte sie allesamt an angesehene Londoner Zeitungen, bei denen er in Zeiten vor der Voice veröffentlicht hatte. Am Telefon klangen sie alle begeistert, aber keiner brauchte einen Redakteur.
Während dieser Woche bekam Dennis Kinser von dem Organisator der Eignergemeinschaft ein erst halb bezahltes, aber talentiertes Hürdenpferd mitsamt einer Nennung im Kinser Cup. Dennis, der Ex-Stallbursche, wußte in der Tat, wie man Pferde trainierte und so zurechtmachte, daß sie eine gute Figur abgaben. Als das Pferd vor dem Cup auf und ab geführt wurde, leuchtete sein Fell in der Sonne.
Dennis Kinser verbrachte den Rest der Woche damit, Geld zu leihen und das Restaurant bis auf den letzten Tropfen auszusaugen.
Während dieser Woche besuchte F. Harold Field einen nach dem anderen sämtliche Direktoren der Lionheart News Group und ließ in seinem Kielwasser ein eindeutiges Votum für Williams zurück. Russell Maudsley nickte. Mrs. Robin Dawkins, immer noch in dem Glauben, ihre Kollegen beabsichtigten, gegen Williams zu stimmen, sagte streitlustig:»Ich glaube, es wäre falsch, ihn sausenzulassen, Harold.«
F. Harold schwenkte seine auffällige Einladung und ging von seinem (chauffeurgesteuerten) Daimler zu der großen Privatloge hinauf, wo Dennis Kinser mit Hilfe von großflächiger, unterschiedsloser Anwendung von Champagner versuchte, sich eine glänzende Zukunft zu erkaufen, obwohl er mittlerweile mit einem leeren Benzintank fuhr.
Dennis Kinser, der die Hälfte der Parasiten, die seinen Schampus in sich hineinschütteten, nicht einmal vom Sehen her kannte, begrüßte F. Harold mit einem jovialen Hallo und legte seinem Gast mit weit ausholender Gebärde vertraulich seinen Arm um die Schultern. F. Harold Field, ein nüchterner Geschäftsmann, der immun war gegen Weichspülmittel, Öl und Honig, mißbilligte den allzu intimen, unerwünschten Druck auf seinem Arm zutiefst, aber ohne sich aus dem Griff des anderen Mannes zu befreien, drehte er seinen gut frisierten Kopf, um Dennis Kinser in die Augen zu sehen und ihn direkt zu fragen, was Williams, der ehemalige Chefredakteur der Cotswold Voice, nur getan haben konnte, um von der Direktion und dem Personal des Mainstream Mile auf so unerträgliche Weise behandelt zu werden.
Für F. Harold Field war dies keineswegs eine müßige Frage: Er wollte wissen, was A. E. da V. Williams dazu bringen konnte, die Fäuste zu ballen, und darüber hinaus, was ihn daran hinderte, sie auch zu benutzen. F. Harold hatte die Gewohnheit, Menschen anhand ihrer Wutausbrüche zu beurteilen: Er suchte nach dem Anlaß und beobachtete, wie der Betreffende sich in seiner Wut verhielt. Wenn er nicht gerade von Mrs. Robin Dawkins überstimmt wurde (wie es der Fall gewesen war, als sie das letzte Mal einen Chefredakteur ausgewählt hatten), machte F. Harold Field selten Fehler.
Dennis Kinser ließ seinen Arm mit abstoßender Schnelligkeit von den Schultern seines Gastes heruntergleiten. Die ganze Woche über war er außerstande gewesen, halbwegs entspannt zu schlafen oder zu essen. Jeden Tag hatte er damit gerechnet, die Klapperschlange zu hören und von deren Giftzähnen durchbohrt zu werden. Aber dies, dachte er voller Bestürzung, dieser solide, grau gekleidete Steuerzahler paßte in keiner Weise zu dem Phantombild, das der Rennsportredakteur mit seinen Worten gezeichnet hatte. Das hier konnte unmöglich der muskulöse, bösartige Mann mit dem Kahn sein.
F. Harold Field fuhr energisch fort:»Als Williams’ Gast hat man mich wie Dreck behandelt, und ich weiß nicht, warum. Nennen Sie mir einen Grund, warum nicht sämtliche Zeitungen und Zeitschriften, deren Mitbesitzer ich bei der Lionheart Group bin, Ihr Haus bis auf den letzten Stein zerpflücken sollten.«
«Aber… a-aber«, stammelte Dennis Kinser, der entsetzt in diesen neuen Abgrund starrte,»er ist mit einem Boot gekommen.«
«Er ist… was?«
Dennis Kinser schlug jäh einen Haken nach links und stürzte in die Herrentoilette. Er hatte tagelang Medikamente eingenommen, um der Bakterien in seinem Darm Herr zu werden, aber die Katastrophe, die sich vor ihm anbahnte, war damit nicht zu bewältigen.
F. Harold Field ging (da sein Gastgeber nicht wieder auftauchte) noch immer nicht recht zufriedengestellt hinunter, um den Pferden zuzusehen, die durch den Führring trabten. Vor Dennis Kinsers extravagantem Cup kamen noch zwei andere Rennen. F. Harold Field schlug die Zeit tot, indem er am Toto bescheidenes Geld für einen Dritt-plazierten gewann.
Bill (Absalom etc.) Williams fuhr zum Renntag in Marlborough, nachdem er die ganze Woche lang bei weitem zuviel über Kinsers Ruhmestaten gelesen hatte. Kinser hier und Kinser dort… Kinsers Pferde, Kinser der Trainer, Kinser an der Themse. Jede Rennseite schien schon die Vorleistung für ein gutes Mittagessen entrichtet zu ha-ben. Die Cotswold Voice veröffentlichte eine frohgemute Aufforderung, dem Ereignis beizuwohnen, aber der Rennsportredakteur selbst lümmelte sich zu Hause herum, um sich die Sache bei ein paar Dosen Bier im Fernsehen anzusehen.
Nach dem Motto» Erkenne deine Feinde «ging Bill Williams nach Marlborough, um herauszufinden, wie Dennis Kinser aussah. Er sah den Wirbel, den die Leute um ihn veranstalteten, aber nicht den Mann selbst, der, von Schmerzen geplagt, in der Herrentoilette steckte. Statt dessen fand er sich unerwartet von Angesicht zu Angesicht dem entscheidenden Mann von Lionheart gegenüber, der wie eine Totenglocke seinen Kopf geschüttelt und damit alle Troubadour-Träume im Keim erstickt hatte.
F. Harold Field hatte von seinem Gastgeber, Absalom Williams, mehr als nur Schweigen erwartet. Er hatte die geballten Fäuste gesehen. Jetzt ging er der Sache unverblümt auf den Grund.
«Warum hätten Sie dem Oberkellner in diesem Restaurant gern eine verpaßt? Und warum haben Sie’s nicht getan?«
Bill Williams erklärte es ihm.»Er hat mich auf Anweisung der Direktion beleidigt. Man erschießt nicht den Boten wegen der Botschaft, die er bringt.«
Er fischte etwas aus einer seiner Taschen und reichte F. Harold eine Kopie der wütenden Schmähschrift, mit der er Dennis Kinser bedacht hatte. F. Harold Field warf einen kurzen Blick darauf und begann dann zu lesen, während seine Augenbrauen sich langsam Richtung Haaransatz hoben.
«Geben Sie diesen Artikel niemand anderem als Kinser«, sagte Bill Williams.»Ich habe ihn nicht geschrieben, um ihn zu veröffentlichen.«
Dennis Kinser kam vor dem Kinser Cup mit bleichem Gesicht in den Führring und legte mit gespielter Tapferkeit eine Nummer als Besitzer, Sponsor und allgemeiner König der Veranstaltung hin; jede seiner Gesten war darauf bedacht, das Interesse der Medien auf sich zu ziehen. Seite an Seite beobachteten Bill Williams und F. Harold Field aus der Ferne das Spektakel und waren angeekelt.
Zwanzig Minuten später nahm ihr Ekel exponentiell zu, da das Pferd der Renngemeinschaft mit fliegenden Hufen den Kinser Cup gewann.
Dennis Kinsers Jubel und seine wachsende Arroganz füllten die Fernsehschirme der Nation. Er verkündete, er sei der Trainer Nummer eins der Zukunft, und tief im Innern glaubte er es auch. Der Rennsieg bedeutete, daß er zumindest die Hälfte seiner Geldprobleme vergessen konnte, und nun würden sie gewiß in seinen Stall strömen, die Reichen und Berühmten.
Und genau in dem Augenblick, in dem er vor zahllosen Kameraobjektiven auf und ab paradierte, überreichte F. Harold Field ihm Bill Williams’ Blitzschlag.
Die applaudierenden Mengen verzogen sich zum nächsten Rennen. Auf der Rennbahn ist Erfolg eine Eintagsfliege.
Dennis Kinser las das explosive Papier in seiner Hand, und als er sich seinen beiden schlecht behandelten Kunden zuwandte, hatte er das Gefühl, daß er die Welt zwar gewonnen hatte, sie aber alsbald wieder verlieren würde. Verlieren wegen eines gottverdammten Kahns. Es war nicht fair. Er hatte so hart gearbeitet…
Getrieben von aggressiver Verzweiflung sagte er verbittert zu Absalom Elvis da Vinci Williams:»Was verlangen Sie, damit dieser Artikel nicht veröffentlicht wird?«
«Erpressung?«fragte Bill Williams überrascht.
Dennis Kinser geriet ins Stottern.»Wollen Sie das Pferd? Würde Ihnen das reichen?«
«Sie können es gar nicht weggeben, weil es Ihnen nicht gehört«, bemerkte Bill Williams.
«Was dann? Geld? Nicht das Restaurant. «Angst klang in seiner Stimme durch.»Sie können nicht… das können Sie nicht machen.«
Bill Williams beobachtete, wie echte Panik in seinem Gegenüber aufstieg, und fand, es sei der Rache genug.
«Ich will«, sagte er langsam,»ich will eine Entschuldigung und mein Geld zurück… und eine Notiz in Ihrer Bar und auf Ihrer Speisekarte, des Inhalts, daß Gäste mit Booten willkommen sind, vor allem wenn sie im voraus einen Tisch reserviert haben.«
Dennis Kinser blinzelte, schluckte, schwankte, biß die Zähne zusammen und nickte schließlich. Es gefiel ihm nicht — er haßte es, klein beigeben zu müssen —, aber ein Kompromiß war besser als der Ruin.
F. Harold Field streckte die Hand aus, zog das Papier aus Dennis Kinsers Fingern und riß es in Stücke.
An Bill Williams gewandt sagte er dann:»Kommen Sie Montag in mein Büro beim Troubadour.«