II Ein verwegener Plan

Leutnant Richard Bolitho ging zur Luvseite des Achterdecks und griff in das Mattennetz, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Über und vor ihm türmten sich die gewaltigen Pyramiden der Segel, beeindruckend selbst für jemanden, der diesen Anblick gewohnt war. Besonders nach all der Enttäuschung und Mühe der letzten viereinhalb Tage, dachte er.

Der Wind, der ihnen von Sandy Hook aus so vielversprechend gefolgt war, hatte innerhalb weniger Stunden gedreht, als habe der Teufel selbst die Hand im Spiel. Ohne Warnung sprang er um, schralte, frischte auf oder flaute ab, so daß keine Wache ohne wenigstens ein Alle-Mann-Manöver auskam, um Segel zu reffen, zu bergen oder wieder zu setzen. Ein ganzer Tag war nötig gewesen, um die gefürchteten Nantucketbänke zu umrunden. Die See kochte unter dem Klüverbaum, als würde sie von der Hölle angeheizt.

Als sie dann allmählich wieder vier, ja fünf Knoten Fahrt machten, hatte der Wind erneut gedreht und aufgefrischt. In den heulenden, orgelnden Böen kämpften die atemlosen Seeleute mit dem von der Nässe steifen Segeltuch, packten mit schwieligen Fäusten hinein, um zu reffen, während die stampfende Welt um sie herum, hoch über dem Deck, verrückt spielte.

Aber jetzt war es anders. Die Trojan steuerte beinahe rechtweisend Nord, die Rahen hart angebraßt, um so viel wie möglich vom Wind auszunutzen, und auf ihrer Leeseite schäumte das Wasser als Beweis ihrer beachtlichen Fahrt.

Bolitho ließ den Blick über das obere Batteriedeck schweifen.

Unter der Schanzreling lungerten die Leute herum und schwatzten wie immer, wenn sie gespannt darauf warteten, was der Koch ihnen wohl zu Mittag vorsetzen würde. Aus dem fettigen Qualm, der aus dem Kombüsenschornstein quoll und nach Lee davonzog, schloß Bolitho, daß es wieder einmal das Gebräu aus gehacktem Salzfleisch war, herausgekratzt aus den verkrusteten Fässern, gemischt mit feucht gewordenem, glitschigem und muffigem Schiffszwieback, Hafermehl und den Resten vom Vortag. George Triphook, den Chefkoch, haßte jeder mit Ausnahme einiger Speichellecker, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen schien er diesen Haß und die gegen ihn laut werdenden Flüche von Herzen zu genießen.

Bolitho spürte plötzlich Heißhunger; aber ihm war klar, daß das Essen, das ihn nach seiner Ablösung in der Messe erwartete, kaum besser sein würde als dieser Fraß hier.

Dann dachte er an seine Mutter und an das große graue Haus in Falmouth. Er ging ein paar Schritte zur Seite und ließ Couzens stehen, seinen aufmerksamen Midshipman, der ihm sonst auf Schritt und Tritt folgte.

Wie furchtbar der Schlag gewesen war! In der Marine riskierte man sein Leben wohl ein dutzendmal am Tage auf die verschiedenste Weise: durch Krankheit, Schiffbruch, Kanonendonner. Die Wände der Kirche in Falmouth hingen voller Gedenktafeln mit den Namen und Taten von Seeoffizieren — Söhnen der Stadt Falmouth — , die mit ihren Schiffen ausgelaufen waren, um nie mehr zurückzukommen.

Aber seine Mutter! Bei ihr dachte man nicht an so etwas. Sie war immer jugendlich und voller Leben gewesen, immer bereit, einzuspringen und die Verantwortung für die Familie auf ihre Schultern zu laden, die Verantwortung für Haus und Land, wenn der Vater, Kapitän James Bolitho, nicht daheim war. Und das war oft der Fall.

Bolitho und sein Bruder Hugh, seine beiden Schwestern Felicity und Nancy, sie alle hatten die Mutter geliebt, jeder auf seine Weise. Als er von der Destiny nach Hause gekommen war, noch an den Folgen seiner Verwundung leidend, hätte er sie nötiger gebraucht denn je. Aber sie war tot. Er konnte sich auch jetzt noch nicht vorstellen, daß sie nicht daheim war in Falmouth, die See unter Pendennis Castle mit einem Lachen beobachtete, das ansteckend wirkte und alle Niedergeschlagenheit beiseite fegte.

Eine Erkältung, hatten sie gesagt, dann ein plötzliches Fieber. In wenigen Wochen war es zu Ende gewesen.

Er konnte sich seinen Vater vorstellen, jetzt, in diesem Augenblick: Captain James, unter diesem Namen kannte und schätzte man ihn daheim. Er war ein angesehener Friedensrichter, seit er seinen Arm verloren hatte und aus dem aktiven Dienst ausscheiden mußte. Das Haus im Winter, die schlammigen, heckengesäumten Wege, auf denen die Neuigkeiten immer etwas verspätet eintrafen, die Landbevölkerung war viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Sorgen, mit der Kälte, der Nässe, verlorenen Tieren, räubernden Füchsen und anderem, um sich für den weit entfernten Krieg zu interessieren. Aber sein Vater tat es. Wie ein Kriegsschiff, das bei Carrick Roads vor Anker lag, so brütete er vor sich hin und sehnte sich nach dem Leben, das ihn ausgestoßen, ihn zurückgewiesen hatte. Nun war er vollständig allein.

Für ihn muß es tausendmal schwerer sein, dachte Bolitho traurig.

Cairns erschien an Deck und kam nach einem prüfenden Blick auf Kompaß und Schiefertafel, wo der Steuermannsmaat der Wache seine halbstündlichen Eintragungen machte, herüber zu Bo-litho.

Dieser berührte grüßend seinen Hut.»Sie liegt stetig, Sir. Nord bei Ost, voll und bei.»

Cairns nickte. Er hatte sehr helle Augen, die durch einen hindurchsehen konnten.

«Wir müssen wohl reffen, wenn es noch mehr auffrischt. Trotzdem lassen wir soviel wie möglich stehen.»

Er hielt die Hand über die Augen, als er jetzt nach Backbord blickte, denn obwohl die Sonne nicht schien, war die Strahlung intensiv und blendete. Es war schwierig, die Grenze zwischen Himmel und Wasser zu erkennen, die See wirkte wie eine Wüste ruhelosen, grau glänzenden Stahls. Aber der Abstand zwischen den einzelnen Brechern war jetzt größer, sie rollten unter Trojans fettem Heck hinweg, lüfteten es und verursachten noch mehr Schlagseite. Gelegentlich brach sich einer von ihnen an der Luvpforte, bevor er zum jenseitigen Horizont weiterrollte.

Sie hatten den gesamten Seeraum für sich allein, denn seit sie

Nantucket gerundet und Kurs auf die Einfahrt der Massachusetts Bay genommen hatten, waren sie nicht nur frei von Land, sondern auch von der örtlichen Küstenschiffahrt. Irgendwo in Luv, rund sechzig Meilen entfernt, lag Boston. An Bord der Trojan konnten sich nicht wenige noch an die Stadt erinnern, wie sie einmal gewesen war, bevor aus Spannung und Verbitterung offener Haß und Blutvergießen wurde.

Die Bucht selbst mieden alle außer den verwegensten britischen Seefahrern. Hier waren einige der fähigsten Kaperkapitäne beheimatet, und Bolitho überlegte nicht zum ersten Male, ob man wohl den mächtigen Zweidecker bereits belauerte.

Cairns, der einen Wollschal um den Hals geschlungen hatte, fragte:»Was hältst du vom Wetter, Dick?»

Bolitho sah zu, wie die Leute auf ihrem Weg zur Kombüse aus den Niedergängen und dann wieder zurück in ihre überfüllten Mannschaftsräume strömten.

Er ging die Wache selbst, da Bunce streng darauf achtete, daß die Mittagsbreite genommen wurde, was bei dieser schwachen Sicht mehr ein routinemäßiges Ritual war. Die Fähnriche standen bereits mit ihren Sextanten in der Hand in einer Linie da, und die Steuermannsmaaten überwachten ihre Fortschritte beziehungsweise den Mangel daran.

Bolitho sagte ruhig:»Wir bekommen Nebel.»

Cairns starrte ihn verblüfft an.»Ist das eine deiner keltischen Halluzinationen, Dick?»

Bolitho lächelte.»Der Master sagt Nebel.»

Der Erste Offizier seufzte.»Dann gibt es auch Nebel. Obgleich ich bei diesem halben Sturm keine Chance dafür sehe.»

«An Deck!»

Sie blickten hoch, ein wenig achtlos geworden nach ihrer tagelangen Einsamkeit. Bolitho sah die verkleinerte Gestalt des Ausgucks im Großtopp, eine winzige Figur vor den tiefhängenden Wolken. Schon das Hinaufschauen machte ihn schwindlig.

«Segel in Luv querab, Sir!»

Die beiden Offiziere ergriffen ihre Fernrohre und kletterten in die Wanten. Aber es gab nichts zu sehen als Wellenkämme — steiler, drohender in der Vergrößerung — dazu das intensive, grellweiße Licht.

«Soll ich den Kommandanten informieren, Sir?»

Bolitho beobachtete Cairns Gesicht, als er wieder an Deck sprang. Er konnte beinahe seinen Verstand arbeiten sehen. Ein Segel! Was bedeutete es? Kaum anzunehmen, daß es befreundet war. Selbst ein verirrter und verwirrter Handelsschiffskapitän mußte die Gefahren hier draußen kennen.

«Noch nicht. «Cairns blickte vielsagend nach achtern.»Er wird die Meldung ohnehin gehört haben und erst darauf reagieren, wenn wir dazu bereit sind.»

Bolitho dachte darüber nach. Ein weiterer Aspekt von Kapitän Pears, den er noch nicht in Betracht gezogen hatte. Aber es stimmte: Er rannte niemals gleich an Deck wie manche Kapitäne, voller Angst um ihr Schiff, ungeduldig auf Antworten wartend, die noch nicht zu geben waren.

Er betrachtete nochmals Cairns ruhiges Gesicht. Es stimmte natürlich auch, daß Cairns solches Vertrauen rechtfertigte.

Bolitho fragte:»Soll ich nach oben und selbst nachsehen?»

Cairns schüttelte den Kopf.»Nein, ich gehe. Der Kommandant will zweifellos einen vollständigen Bericht.»

Bolitho sah zu, wie der Erste Offizier aufenterte, das Teleskop wie ein Gewehr über die Schulter geschlungen; hinauf und immer höher kletterte er hinauf, über die Marspüttings, vorbei an dem bezogenen Schwenkgeschütz auf dem Mars zur Bramstenge und weiter zur Bramsaling, wo der Ausguck so ruhig saß wie auf einer bequemen Dorfbank.

Er wandte den Blick von Cairns ab. Das war etwas, woran er sich nie gewöhnen, was er nie überwinden konnte: sein Schauder vor der Höhe. Jedesmal, wenn er nach oben mußte, was glücklicherweise selten der Fall war, überkam ihn dieselbe Übelkeit, fürchtete er abzustürzen.

Er sah eine vertraute Figur auf dem Batteriedeck unter der Schanzreling und fühlte etwas wie Zuneigung zu dem großen plumpen Mann in kariertem Hemd und flatternder weißer Hose. Ein weiteres Verbindungsglied zu der kleinen Destiny:

Stockdale, der muskulöse Preisboxer, den er von einem marktschreierischen Schausteller befreit hatte, als er und sein entmutigter Rekrutierungstrupp versucht hatte, Freiwillige für das Schiff anzuwerben.

Stockdale war der geborene Seemann. So stark wie fünf Männer, hatte er niemals diese Kraft mißbraucht und war gutmütiger als alle anderen an Bord. Der wütende Schausteller hatte ihn mit einer Kette geprügelt, weil er den Kampf gegen einen Mann Bolithos verloren hatte. Der Betreffende mußte wohl irgendwie gemogelt haben, denn Bolitho hatte danach niemals mehr eine Niederlage Stockdales erlebt.

Er sprach sehr wenig, und wenn, dann nur mit Anstrengung, da seine Stimmbänder in zahllosen Faustkämpfen auf fast allen Jahrmärkten des Landes grausam zugerichtet worden waren.

Als er ihn damals gesehen hatte, entblößt bis zum Gürtel, mit tiefen Platzwunden auf dem Rücken, war es zuviel gewesen für Bo-litho. Er fragte Stockdale, ob er sich anwerben ließe, und dieser hatte nur genickt, seine Sachen genommen und war ihm auf das

Schiff gefolgt.

Wenn Bolitho jemals Hilfe brauchte oder in Not geriet, dann war Stockdale immer zur Stelle. Wie beispielsweise, als Bolitho den schreienden Wilden mit einem Entermesser auf sich losstürzen sah, das er einem sterbenden Seemann entrissen hatte. Später hatte man ihm erzählt, wie Stockdale die sich zurückziehenden Seeleute gesammelt, ihn selbst aufgehoben und wie ein Kind in Sicherheit gebracht hatte.

Nach Bolithos Versetzung auf die Trojan nahm er zunächst an, daß dies das Ende ihrer seltsamen Beziehung war; aber irgendwie hatte Stockdale es geschafft, auch an Bord zu kommen.

Er krächzte:»Eines Tages, Sir, werden Sie Captain, und ich schätze, daß Sie dann einen Bootssteurer brauchen.»

Bolitho lächelte jetzt zu ihm hinunter. Stockdale konnte beinahe alles, spleißen, reffen und auch steuern, aber hauptamtlich war er Geschützführer an einem von den dreißig Achtzehnpfündern in der oberen Batterie. Und natürlich in Bolithos Abteilung.

«Was halten Sie davon, Stockdale?»

Des Mannes zerschlagenes Gesicht zeigte ein breites Grinsen.»Die beobachten uns, Mr. Bolitho.»

Er sah die mühsamen, krampfhaften Bewegungen des Kehlkopfes. Die scharfe Seeluft machte es für Stockdale besonders schwer.

«Meinen Sie?»

«Aye. «Es klang sehr bestimmt.»Die wissen, was wir vorhaben und wo wir hin wollen. Ich möchte sogar wetten, daß da noch ein zweites Fahrzeug ist, außer Sichtweite für uns.»

Cairns Füße prallten aufs Deck, als er mit der Leichtigkeit eines Fähnrichs eine Pardune heruntergerutscht kam.

Er sagte:»Ein Schoner, nach Art der Takelung zu schließen. Ich kann ihn kaum ausmachen, es ist so verdammt diesig. «Dann, als er das Lächeln sah, mit dem Bolitho auf Stockdales Äußerung reagiert hatte, fragte er:»Kann auch ich den Witz hören?»

«Stockdale meinte, daß wir von dem anderen Schiff beobachtet werden, Sir. Es hält sich wohlweislich in Luv.»

Cairns öffnete den Mund, um zu widersprechen, sagte dann aber:»Ich fürchte, er hat recht. Statt einer Demonstration der Stärke" führt die Trojan das Rudel möglicherweise erst hin zu der Beute, die wir beschützen sollen. «Er rieb sich das Kinn.»Verdammt, das ist ein bitterer Gedanke. Ich habe einen Angriff auf die üblichen Nachzügler des Konvois erwartet, von achtern, bevor die Geleitfahrzeuge eingreifen können.»

«Trotzdem«, er rieb sich das Kinn noch stärker als vorher,»werden sie einen Angriff fast in Reichweite unserer Breitseiten nicht riskieren.»

Bolitho erinnerte sich an Pears Stimme bei der Besprechung, an die Andeutung eines Zweifels. Sein Verdacht hatte jetzt konkretere Formen angenommen.

Cairns blickte nach achtern, hinweg über die beiden Rudergänger, die breitbeinig an dem großen Doppelrad standen, ihre Augen bald auf dem Kompaß, bald auf den Segeln.

«Es ist nicht viel, was wir dem Kommandanten erzählen können, Dick. Er hat seine Befehle. Die Trojan ist keine Fregatte. Wenn wir mit sinnlosen Manövern Zeit verlieren, werden wir wahrscheinlich den Konvoi nicht mehr rechtzeitig erreichen. Sie haben ja die perverse Art des Windes hier selbst erlebt.»

Bolitho sagte ruhig:»Denken Sie daran, was der Weise gesagt hat: Nebel. «Er beobachtete, wie das Wort bei Cairns einschlug.»Wenn wir beidrehen müssen, nützen wir niemandem etwas.»

Cairns betrachtete ihn nachdenklich.»Das hätte ich voraussehen müssen. Diese Kaperkapitäne wissen mehr über die örtlichen Verhältnisse als irgendeiner von uns. «Er lächelte etwas schief:»Außer dem Weisen, natürlich.»

Leutnant Quinn kam an Deck und tippte grüßend an seinen Hut.»Ich soll Sie ablösen, Sir.»

Er blickte von Bolitho zu der prallen Masse der Segel auf. Bo-litho beabsichtigte, nur rasch zum Essen hinunterzugehen, besonders da er auf Pears Reaktion gespannt war. Für den Sechsten Offizier jedoch — achtzehn Jahre alt — bedeutete dies eine endlose Zeit furchteinflößender Verantwortung, denn er hatte das Geschick der Trojan in Händen, so lange er als Wachhabender auf dem Achterdeck auf und ab ging.

Bolitho wollte ihn beruhigen, nahm dann aber davon Abstand. Quinn mußte lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Jeder Offizier, der sich in brenzligen Situationen auf die Hilfe anderer verließ, war später auch in wirklichen Krisen hilflos.

Er folgte Cairns zum Niedergang, während Quinn sich mit dem Überprüfen des Logbuchs und beim Kontrollieren des Kompasses wichtig tat.

Cairns sagte leise:»Er wird später ganz in Ordnung sein, braucht halt noch Zeit.»

Bolitho saß an der Messetafel, während Mackenzie und Logan sich bemühten, das Mahl einigermaßen ansehnlich erscheinen zu lassen: Salzfleisch, zusammengekocht mit Haferbrei, dazu Schiffszwieback mit schwarzem Sirup und so viel Käse, wie jeder vertragen konnte. Außerdem gab es eine großzügige Zuteilung von Rotwein, der mit dem letzten Konvoi in New York angekommen war. Nach Probyns gerötetem Gesicht zu urteilen, hatte er ihm fleißig zugesprochen.

Jetzt starrte er hinüber zu Bolitho und fragte heiser:»Was war das für ein Gequatsche über Segel? Da ist wohl jemand nervös geworden und hat Gespenster gesehen, was?«Er lehnte sich vor und sah sich beifallheischend um.»Mein Gott, wie hat sich die Flotte verändert!»

Bunce saß am Kopf der Tafel und sprach mit tiefer Stimme, ohne aufzublicken:»Es ist nicht Sein Werk, Mr. Probyn. Er hat keine Zeit für die Gottlosen.»

Sparke sagte unbeteiligt:»Dieser verdammte Fraß ist Schweinefutter. Ich werde einen neuen Koch auftreiben, bei erster Gelegenheit. Dieser Schurke müßte am Strick baumeln, anstatt uns zu vergiften.»

Das Schiff holte stark über, und alle hielten Teller und Gläser fest, bis es sich wieder aufrichtete.

Bunce zog seine Uhr aus der Tasche und sah nach, wie spät es war. Bolitho fragte ruhig:»Der Nebel, Mr. Bunce — wird er kommen?»

Thorndike, der Schiffsarzt, hörte es und lachte schallend.

«Wirklich, Erasmus! Nebel, bei diesem Wind!»

Bunce ignorierte ihn.»Morgen. Wir müssen beidrehen, hier ist's zu tief zum Ankern. «Er schüttelte sein mächtiges Haupt.»Zeit verloren, nicht wieder einzuholen.»

Er hatte genug gesprochen und erhob sich. Als er an Probyns Stuhl vorbeikam, sagte er mit seiner tiefen Stimme:»Dann werden wir Zeit haben und sehen, wer nervös wird.»

Probyn schnippte mit den Fingern nach mehr Wein und rief ärgerlich:»Er wird auf seine alten Tage wunderlich!«Er lachte laut, aber niemand stimmte ein.

Hauptmann d'Esterre musterte Probyn kalt.»Wenigstens scheint er den Herrn auf seiner Seite zu haben. Was haben Sie vorzuweisen?»

In seinem Salon darüber saß Kapitän Pears an der großen Tafel, eine Serviette in sein Halstuch gesteckt. Er hörte den Ausbruch des Gelächters aus der Messe und sagte zu Cairns:»Sie sind fröhlicher auf See, nicht?»

Cairns nickte.»Scheint so, Sir. «Er beobachtete Pears gebeugten Kopf und wartete auf dessen Schlußfolgerungen oder Gedanken.

Dieser sagte:»Allein oder im Verband, der Schoner ist eine Bedrohung für uns. Wenn wir doch wenigstens als Sicherung eine Brigg oder ein Kanonenboot hätten, um uns diese Wölfe vom Hals zu halten. So wie es jetzt ist.«. Er hob die Schultern.

«Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?»

Pears schnitt sich ein kleines Stück Käse ab und betrachtete es zweifelnd.

«Deswegen sind Sie ja wohl zu mir gekommen. «Er lächelte.»Schießen Sie los.»

Cairns legte die Hände auf den Rücken, seine Augen glänzten sehr hell.

«Sie haben des Masters Meinung über die Aussicht auf Nebel gehört, Sir?»

Pears nickte.»Ich kenne diese Gewässer auch. Nebel ist hier häufig genug, obwohl ich es nicht wagen würde, im Augenblick eine so bestimmte Voraussage zu machen. «Er schob den Käse beiseite.»Aber wenn der Master so etwas sagt, trifft es gewöhnlich zu.»

«Wir werden also beigedreht liegen müssen, bis es wieder aufklart.»

«Ich habe das schon in Betracht gezogen. Verdammter Mist!»

«Aber genau das wird auch unser Bewacher tun, einmal zu seiner eigenen Sicherheit, dann auch aus Angst, uns zu verlieren. Der Nebel könnte unter Umständen ein Bundesgenosse für uns sein. «Er zögerte, um des Kommandanten Reaktion zu ergründen.»Wenn wir ihn aufspüren und entern…«Er schwieg.

«Was, um Gottes willen, Mr. Cairns, schlagen Sie da vor? Daß ich Boote aussetzen, sie mit ausgebildeten Leuten bemannen und dann in diesen gottverdammten Nebel hinausschicken soll? Nein, Sir, sie würden in den sicheren Tod fahren!»

«Wahrscheinlich liegt da außer dem Schoner noch ein weiteres Fahrzeug. «Cairns sprach mit plötzlicher Dickköpfigkeit.»Sie werden also Lichter zeigen. Mit der nötigen Vorsicht und mit einem guten Bootskompaß müßte ein Angriff Aussicht auf Erfolg haben. «Er machte eine Pause, da er Zweifel in Pears Augen sah.»Er brächte uns ein zusätzliches Schiff ein, wahrscheinlich auch Informationen über die Tätigkeit oder die Absichten der Kaperer.»

Pears lehnte sich zurück und starrte ihn grimmig an.»Sie sind ein Mann mit Ideen, das muß ich sagen.»

Cairns entgegnete:»Der Vierte Offizier hat mir diese Idee in den Kopf gesetzt, Sir.»

«Das hätte ich mir denken können. «Pears stand auf und trat an eins der Fenster; seine stämmige Figur bildete dabei einen Winkel zum Deck, der der Krängung des Schiffes entsprach.»Verdammtes Pack aus Cornwall! Alles Piraten und Strandräuber! Wußten Sie das nicht?»

Cairns Gesicht blieb unbewegt.»Meines Wissens war Falmouth, Mr. Bolithos Heimatort, die letzte Stadt, die für König Charles gegen Cromwell und das Parlament kämpfte, Sir.»

Pears lächelte grimmig.»Guter Einwand! Aber dieser Plan ist mehr als gefährlich. Wahrscheinlich finden wir die Boote nie wieder, oder sie können den Feind nicht erreichen, geschweige denn ihn kapern.»

Cairns beharrte auf seiner Version.»Der Nebel muß das andere Schiff lange vor uns erreichen. Ich würde vorschlagen, daß wir dann so nahe wie möglich auf schließen, und zwar mit jedem Fe t-zen Tuch, bevor es gänzlich abflaut.»

«Aber wenn der Wind gegen uns dreht?«Pears hob die Hand.»Stopp, Mr. Cairns. Ich sehe die Enttäuschung in Ihrem Gesicht, aber es ist meine Verantwortung. Ich muß alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.»

Auf Deck und vor den Kajütstüren ging das Leben seinen gewohnten Gang. Das Rasseln einer Pumpe, das Scharren von Füßen über ihren Köpfen, wenn die Leute der Wache beim Brassen hin und her liefen.

Dann meinte Pears langsam:»Immerhin hat der Plan das Überraschungsmoment für sich. «Er überlegte.»Bitte sagen Sie dem Master, er möchte zu uns in den Kartenraum kommen. «Er lachte leise in sich hinein.»Obwohl er schon dort ist, wie ich ihn kenne.»

Auf dem vom Wind gepeitschten Achterdeck beobachtete Bo-litho mit vom Salzwasser schmerzenden Augen die Leute bei der Arbeit in der Takelage. Bald Zeit zum Reffen, dachte er. Muß dem Captain Bescheid sagen. Vorhin hatte er Pears und Cairns in den Kartenraum gehen sehen, der neben Bunces Kabine lag.

Einen Augenblick später trat Cairns wieder in den Sprühregen heraus, zu Bolithos Erstaunen ohne Hut, etwas ganz Ungewöhnliches, da er sonst immer peinlich korrekt gekleidet war.

«Weitere Meldungen vom Ausguck?»

«Aye, Sir.»

Bolitho duckte sich, als eine Bö den Gischthagel eines Brechers über das Schiff peitschte, der sie beide durchnäßte. Cairns nahm kaum Notiz davon.

Bolitho berichtete rasch, bevor der nächste Brecher sie erreichte:»Wie vorher. Der Fremde hält sich in Luv von uns, Peilung unverändert.»

«Ich werde dem Kommandanten berichten«, sagte Cairns und fügte dann hinzu:»Nicht nötig, da ist er ja.»

Bolitho wollte zur Leeseite hinüber, wie üblich, wenn der Kommandant an Deck erschien, aber Pears Stimme rief ihn zurück.

«Bleiben Sie, Mr. Bolitho. «Pears kämpfte sich zur Luvreling, den Hut tief in die Augen gezogen.»Sie haben da mit dem Ersten Offizier einen verwegenen Plan ausgebrütet!»

«Sir, ich.»

«Verrückt. «Pears beobachtete das steife Großsegel.»Aber mit einem Körnchen, einem winzigen Körnchen Wert.»

Bolitho starrte ihn an.»Besten Dank, Sir!»

Pears ignorierte ihn und sagte zu Cairns:»Die beiden Kutter müssen genügen. Ich möchte, daß Sie jeden Mann selbst auswählen. Sie wissen, welche Leute wir für diese Aufgabe brauchen.»

Dann blickte er Cairns ins Gesicht und sagte beinahe sanft:»Aber Sie gehen nicht mit!»

Als Cairns protestieren wollte, fügte Pears hinzu:»Ich kann Sie nicht entbehren. Ich könnte morgen umkommen, und wenn auch Sie ausfallen, was sollte dann aus der Trojan werden?»

Bolitho beobachtete beide und kam sich wie ein Eindringling vor, als er die Enttäuschung in Cairns Gesicht sah.

Dann erwiderte dieser:»Aye, Sir, ich werde mich danach richten. «Als er wegging, sagte Pears barsch:»Aber Sie können den hier mitschicken, den wird man nicht vermissen!»

Pears ging nach achtern, wo Bunce auf ihn wartete, das störrische Haar im Winde flatternd. Im Weggehen rief er:»Der Zweite Offizier soll zu mir kommen.»

Bolitho überlegte. Er würde also mitgehen. Und Sparke. Stellen Sie den Namen dieses Mannes fest.

Er dachte an Cairns, dem diese einmalige Chance, seinen Mut und seine Tüchtigkeit zu beweisen, genommen wurde. Es war auch wieder typisch für ihn, dachte er. Mancher Erste Offizier hätte den Plan, das feindliche Schiff zu entern, für seinen eigenen ausgegeben und alles Lob dafür eingeheimst.

Es wurde früh dunkel, die tiefhängende Wolkendecke und der Sprühregen trugen das Ihrige dazu bei.

Cairns erwartete Bolitho, als dieser von der Wache kam, und sagte:»Ich habe ein paar gute Leute für dich ausgewählt, Dick. Der Zweite Offizier übernimmt das Kommando, unterstützt von Frowd, dem fähigsten unserer Steuermannsmaaten, dazu Midshipman Lib-by. Zu deiner Unterstützung gehen Mr. Quinn und Midshipman Couzens mit.»

Bolitho begegnete seinem ruhigen Blick. Außer Sparke, Frowd und bis zu einem gewissen Grade ihm selbst, waren alle anderen halbe Kinder und nicht geeignet für ein solches Unternehmen. Er bezweifelte, daß der nervöse Quinn oder der willige Couzens jemals das Abfeuern eines Schusses erlebt hatten, außer vielleicht bei der Entenjagd.

Er sagte jedoch:»Danke, Sir«, womit er dieselbe Haltung zeigte wie Cairns sie gegenüber dem Kommandanten an den Tag gelegt hatte.

Cairns faßte ihn am Arm.»Sieh zu, daß du etwas Trockenes zum Anziehen findest. «Dann, während er sich seiner Kabine zuwandte, fügte er hinzu:»Du hast natürlich auch den Unhold Stockdale in deinem Kutter. Ich hätte nie den Mut aufgebracht, ihn davon abzuhalten!»

Bolitho durchquerte die Messe und betrat seine eigene, kleine Kabine. Dort zog er sich nackt aus und frottierte sich die feuchten, kalten Gliedmaßen, bis er so etwas wie Wärme verspürte.

Dann saß er auf dem Rand seiner schwankenden Koje und lauschte auf die Geräusche des großen Schiffes, das Ächzen beim Überholen, das Beben beim Aufprall eines Brechers, das anschließende Prasseln der über Deck peitschenden Gischt.

Morgen um diese Zeit war er vielleicht auf dem Weg in sein Unheil, wenn nicht sogar schon tot. Er fröstelte und frottierte sich heftig die Bauchmuskeln, um die plötzlich aufkommende Verzagtheit zu überwinden.

Aber wenigstens würde er etwas unternehmen, und das war besser als diese ewige Untätigkeit. Er zog sich ein sauberes Hemd über den Kopf und langte nach seiner Hose.

Er war kaum damit fertig, als er schon das näherkommende Geschrei hörte:

Alle Mann an Deck, Marssegel reffen!

Er stand abrupt auf und stieß mit dem Kopf gegen einen Ringbolzen.

Verdammt!

Aber dann war er auf und eilte wieder in jene andere Welt des Windes und des Lärms, gehorsam den Forderungen der Trojan, die immer erfüllt werden mußten.

Als er an Probyns unordentlicher Erscheinung vorbeilief, grinste der ihn an.»Nebel, wie?»

Bolitho grinste zurück.»Geh zur Hölle!»

Es dauerte zwei volle Stunden, bis das Reffen zu des Kommandanten Zufriedenheit ausgeführt und die Trojan für die Nacht klargemacht worden war. Die Nachricht über den beabsichtigten Angriff hatte sich im Schiff wie ein Lauffeuer verbreitet, und Bolitho hörte, wie überall Wetten abgeschlossen wurden: des Seemanns enger Spielraum zwischen Leben und Tod.

Möglicherweise würde es überhaupt zu nichts kommen, wie schon so oft während dieses Einsatzes. Große Vorbereitungen, und dann die Enttäuschung.

Bolitho wußte, daß es ein beinahe unmögliches Unterfangen war, das andere Schiff zu finden und zu kapern. Gleichzeitig wußte er aber auch, daß er sich betrogen vorkommen würde, falls es abgeblasen werden sollte.

Er kehrte in die Messe zurück und stellte fest, daß die meisten Offiziere schon in die Koje gegangen waren — verständlich nach diesem stürmischen und arbeitsreichen Tag. Lediglich der Arzt und der Hauptmann d'Esterre spielten im Licht einer einzelnen Lampe Karten, während unter den überfluteten Heckfenstern Leutnant Quinn saß und auf den vibrierenden Ruderkopf starrte.

Im schwankenden Lampenschein sah er noch jünger aus als sonst.

Bolitho setzte sich neben ihn und schüttelte den Kopf, als Logan, der Messejunge, mit einem Weinkrug auftauchte.

«Fühlst du dich nicht wohl, James?»

Quinn blickte ihn überrascht an.»Doch, danke, Sir.»

Bolitho lächelte.»Richard oder Dick, wenn dir das lieber ist. «Er beobachtete des anderen Verzweiflung.»Dies ist nicht das Fähnrichslogis, wie du weißt.»

Quinn warf einen raschen Blick auf die Kartenspieler, auf den wachsenden Stapel von Münzen neben dem scharlachroten Ärmel d'Esterres und den dahinschwindenden seines Gegenübers.

Dann sagte er ruhig:»Sie haben so etwas schon früher gemacht, Sir — ich meine, Dick!»

Bolitho nickte.»Ein paarmal.»

Er wollte nicht Quinns Vertrauen durch eine Unterbrechung riskieren, nun, da dieser zu sprechen begann.

«Ich… Ich dachte, es würde an Bord sein, wenn es dazu käme. «Er machte eine hilflose Armbewegung, die die Messe und die angrenzenden Kabinen umfaßte.»All seine Freunde weiß man in der Nähe. Ich glaube, hier könnte ich es zum erstenmal, das Kämpfen.»

Bolitho sagte:»Ich weiß. Das Schiff ist unsere Heimat. Es hilft.»

Quinn rang die Hände.»Meine Familie ist im Lederhandel in der City von London. Mein Vater wollte nicht, daß ich zur Marine ging. «Sein Kinn hob sich ein wenig.»Aber ich war entschlossen. Ich hatte oft genug ein Kriegsschiff den Fluß herunterfahren und in See stechen sehen. Ich wußte, was ich wollte.»

Bolitho konnte den Schock nachempfinden, den Quinn erlitten haben mußte, als er zum ersten Mal der rauhen Wirklichkeit an Bord eines Kriegsschiffes begegnete, mit all der harten Disziplin und dem Gefühl, daß man als neuer Fähnrich an Bord der einzige ist, der völlig nutzlos zu sein scheint und von nichts eine Ahnung hat.

Bolitho war damit aufgewachsen. Die dunklen Porträts an den Treppenhauswänden seines Elternhauses in Cornwall waren eine ständige Erinnerung an alle, die vor ihm diesen Weg gegangen waren. Jetzt setzten er und sein Bruder Hugh die Tradition fort. Hugh fuhr auf einer Fregatte, wahrscheinlich im Mittelmeer, während er hier im Begriff war, sich einzuschiffen für ein Unternehmen, wie es oft in den Kneipen von Falmouth geschildert wurde, wenn die Seeleute ihr Garn spönnen.

Er sagte:»Es wird alles klargehen, James. Mr. Sparke führt uns.»

Zum ersten Mal sah er Quinn lächeln, als dieser sagte:»Ich muß zugeben, vor dem habe ich mehr Angst als vorm Feind!»

Bolitho lachte und fragte sich, wieso Quinns Angst ihm selbst irgendwie Mut einflößte.

«Geh jetzt in die Koje und versuch zu schlafen. Sag Mackenzie, du möchtest ein Glas Brandy, George Probyns Allheilmittel.»

Quinn stand auf und wäre beinahe gefallen, als das Schiff mit einem Ruck überholte.

«Nein, ich muß noch einen Brief schreiben.»

Als er wegging, verließ d'Esterre den Tisch, steckte seinen Gewinn ein und gesellte sich zu Bolitho an den Heckfenstern.

Der Arzt wollte ihm folgen, aber d'Esterre sagte:»Schluß, Robert. Dein stümperhaftes Spiel würde auf die Dauer mein eigenes Können beeinflussen und abstumpfen. «Er lächelte.»Hebe dich hinweg zu deinen Flaschen und Pillen!»

Der Arzt antwortete nicht mit seinem sonstigen Lächeln, sondern ging still von dannen, mit den Händen nach einem Halt suchend.

D'Esterre deutete auf Quinns Kabine.»Ist er aufgeregt?»

«Ein bißchen.»

Der Marineinfanterist zerrte an seinem engen Halstuch.»Ich wünschte bei Gott, ich könnte mitkommen. Wenn ich meine Jungs nicht bald in einen Kampf führe, werden sie rostig wie alte Nägel!»

Bolitho gähnte herzhaft.»Ich bin für Schlafengehen. «Er schüttelte den Kopf, als d'Esterre über die Karten strich.»Ich würde ohnehin nicht mit dir spielen. Du hast den Trick raus, wie man gewinnt.»

Als er mit hinter dem Kopf verschränkten Händen in der Koje lag, lauschte Bolitho auf die Geräusche des Schiffes und identifizierte jedes einzelne, wie es sich in das große Ganze einfügte.

Die Leute der Freiwache lagen unten in ihren Hängematten wie Erbsen in den Schoten; bei den gegen die See dichtgeschlossenen Stückpforten und dem aus den Bilgen aufsteigenden Gestank war die Luft entsetzlich. Alles triefte vor Nässe, von den Decksbalken tropfte es, dazu kam das eintönige Rasseln der Pumpen, wenn die Trojan besonders stark überholte.

Im Orlopdeck, dem Deck unter der Wasserlinie, würde der Schiffsarzt in seinem Lazarett vermutlich bald eingeschlafen sein. Er hatte zur Zeit nur eine Handvoll Kranker und Verletzter zu betreuen; es war nur zu hoffen, daß es so blieb.

Weiter vorn im Fähnrichslogis war alles ruhig, wenn auch vielleicht ein gelegentlicher Lichtschimmer verriet, daß einer der jungen Leute verzweifelt an einem schwierigen navigatorischen Problem arbeitete, dessen Lösung er am Morgen Bunce vorlegen sollte.

Ihre eigene Welt: Seeleute und Seesoldaten, Anstreicher und Kalfaterer, Seiler und Segelmacher, Klempner und Toppsgasten, Geschützführer und Zimmerleute — eine Mischung, wie man sie sonst in einer ganzen Stadt antraf.

Und achtern, zweifellos noch an seinem großen Schreibtisch sitzend, der eine, der über sie alle herrschte: der Kommandant.

Bolitho blickte in der Dunkelheit nach oben, wo ein Deck höher, ziemlich genau über ihm, Pears jetzt wohl saß, den aufmerksamen Foley in seiner Nähe, ein Glas Wein neben sich. So würde er jetzt noch einmal die Ereignisse des Tages sowie das für morgen geplante Unternehmen überdenken.

Das war der Unterschied, dachte Bolitho. Wir gehorchen und führen die Befehle aus, so gut wir können. Aber er muß sie geben, und Lob oder Tadel ruhen immer auf seinen Schultern.

Dann rollte er sich auf die Seite und vergrub das Gesicht in dem muffigen Kissen. Es hatte doch manches für sich, noch ein Leutnant zu sein.

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