11

Luke saß dem Bankdirektor gegenüber und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.

«Nun, das scheint ja sehr zufriedenstellend», sagte er. «Ich fürchte, ich habe viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen.»

Mr Jones winkte höflich ab.

«Nein, wirklich nicht, Mr Fitzwilliam. Hier ist es sehr ruhig, wissen Sie, und wir freuen uns immer, einen Fremden zu sehen.»

«Es ist ein bezauberndes Fleckchen Erde», schwärmte Luke. «Voll von Aberglauben.»

Mr Jones seufzte und meinte, es dauere lang, bis die Erziehung den Aberglauben ausgerottet habe. Luke stellte fest, dass Erziehung heutzutage zu hoch bewertet werde, eine Bemerkung, die Mr Jones schockierte.

«Lord Whitfield», erzählte er, «hat sich als großer Wohltäter für den Ort erwiesen. Er begriff die Nachteile, unter denen er selbst als Junge litt, und beschloss, dass die Jugend von heute besser ausgerüstet sein sollte.»

«Diese Nachteile haben ihn aber nicht gehindert, ein großes Vermögen zu erwerben», unterbrach Luke.

«Nein, er muss Fähigkeiten – große Fähigkeiten gehabt haben.»

«Oder Glück», sagte Luke.

Mr Jones sah wieder schockiert aus.

«Glück ist das Einzige, was zählt», behauptete Luke. «Nehmen Sie zum Beispiel einen Mörder. Warum wird der erfolgreiche Mörder nicht erwischt? Ist es Geschicklichkeit? Oder ist es pures Glück?»

Mr Jones gab zu, dass es wahrscheinlich Glück sei. Luke fuhr fort:

«Nehmen Sie zum Beispiel einen Menschen wie diesen Carter, den Wirt von einem Ihrer Gasthäuser. Der Kerl war wahrscheinlich an sechs von sieben Abenden betrunken – doch in einer Nacht fliegt er vom Steg in den Fluss. Wieder Glückssache.»

«Ein Glück für manche Leute», nickte der Bankdirektor.

«Wie meinen Sie?»

«Für seine Frau und Tochter.»

«Ach ja, natürlich.»

Ein Angestellter klopfte und trat mit Papieren ein. Luke gab zwei Musterunterschriften und erhielt ein Scheckbuch. Er erhob sich. «Nun, ich bin froh, dass das erledigt ist. Ich hatte dieses Jahr beim Derby Glück. Sie auch?»

Mr Jones sagte lächelnd, dass er nicht wette. Er fügte hinzu, dass seine Frau sehr entschiedene Ansichten über Pferderennen hätte.

«Dann waren Sie vermutlich auch nicht beim Derby?»

«Nein.»

«Ist überhaupt jemand von hier hingegangen?»

«Major Horton; der ist ganz versessen auf Rennen. Und Mr Abbot nimmt sich gewöhnlich den Tag frei. Er hat jedoch nicht auf den Sieger gesetzt.»

«Ich vermute, das taten wenige», sagte Luke und empfahl sich. Er zündete sich eine Zigarette an, während er aus dem Bankgebäude trat. Abgesehen von der Theorie des «Unwahrscheinlichsten», sah er keinen Grund, Mr Jones auf seiner Liste der Verdächtigen zu behalten. Der Bankdirektor hatte keinerlei interessante Reaktionen auf Lukes prüfende Fragen gezeigt; es schien auch ganz unmöglich, ihn sich als Mörder vorzustellen. Außerdem war er am Derbytag nicht fort gewesen. Im übrigen war Lukes Besuch nicht vergeblich gewesen, denn er hatte zwei kleine Einzelheiten erfahren: Sowohl Major Horton wie Mr Abbot, der Rechtsanwalt, waren am Derbytag nicht in Wychwood gewesen. Jeder von ihnen hätte also zu der Zeit, als Miss Pinkerton überfahren wurde, in London sein können. Obwohl Luke Dr. Thomas nicht verdächtigte, spürte er, dass es ihn nicht befriedigen würde, wüsste er bestimmt, dass letzterer an eben jenem Tag in Wychwood beruflich beschäftigt war. Er nahm sich vor, diesen Punkt zu klären.

Dann war da noch Ellsworthy. War Ellsworthy am Derbytag in Wychwood gewesen? Wenn ja, sank die Wahrscheinlichkeit, dass er der Mörder war, entsprechend. Obwohl es immerhin möglich war, dass Miss Pinkertons Tod nicht mehr oder weniger war als der Unfall, als der er erscheinen sollte.

Diese Annahme verwarf er jedoch. Ihr Tod kam zu gelegen. Luke stieg in sein Auto und fuhr in Pipwells Garage, die am anderen Ende der Hauptstraße lag.

Es gab ein paar kleine Dinge bei dem Auto, über die er reden wollte. Ein gutaussehender junger Mechaniker mit einem sommersprossigen Gesicht hörte ihm aufmerksam zu. Die beiden hoben die Haube und vertieften sich in ein technisches Gespräch.

Eine Stimme rief:

«Jim, komm doch mal einen Augenblick her.»

Der sommersprossige Mechaniker gehorchte.

Jim Harvey. Das war richtig. Jim Harvey, der junge Mann von Amy Gibbs. Er kam bald zurück, entschuldigte sich, und die Unterhaltung wurde wieder technisch. Luke war damit einverstanden, dass der Wagen dort blieb.

Als er im Begriff war zu gehen, fragte er so nebenbei: «Glück gehabt beim Derby heuer?»

«Nein, Sir. Hatte auf Clarigold gesetzt.»

«Es können nicht viele gewesen sein, die auf Jujube II gesetzt haben.»

«Nein, wirklich nicht; ich glaube, dass keine der Zeitungen ihn auch nur als Geheimtip draufhatte.»

Luke schüttelte den Kopf.

«Rennen sind etwas Unsicheres. Waren Sie je bei einem Derby?»

«Nein, leider nicht. Ich hätte heuer zwar gern den Tag frei gehabt; es gab eine billige Fahrt nach London und dann bis Epsom, aber der Meister wollte nichts davon hören. Wir hatten ohnehin zuwenig Leute, und es gab eine Menge Arbeit an dem Tag.»

Luke nickte und ging.

Jim Harvey wurde von der Liste gestrichen. Dieser nette Junge war kein heimlicher Mörder, und er konnte auch nicht Lavinia Pinkerton zur Strecke gebracht haben.

Luke schlenderte am Flussufer entlang nach Hause. Wieder begegnete er dabei Major Horton mit seinen Hunden. Der Major war auch wieder in demselben Zustand apoplektischen Schreiens und Rufens. «Augustus – Nelly – Nelly – Nero – Nero – Nero!»

Wieder starrten die hervorstehenden Augen Luke an. Doch diesmal sollte mehr folgen; Major Horton sagte: «Entschuldigen Sie. Mr Fitzwilliam, nicht wahr?»

«Ja.»

«Horton – Major Horton. Ich glaube, ich werde Sie morgen in Ashe Manor treffen. Tennispartie. Miss Conway war so freundlich, mich einzuladen. Ihre Cousine, nicht wahr?»

«Ja.»

«Dachte es mir. Hier fällt gleich jedes neue Gesicht auf, wissen Sie.»

Es kam eine Ablenkung, die zwei Bulldoggen gingen auf einen weißen Köter los.

«Augustus – Nero. Hierher – augenblicklich hierher!»

Als Augustus und Nero endlich widerstrebend den Befehl befolgt hatten, nahm Major Horton die Unterhaltung wieder auf. Luke streichelte Nelly, die gefühlvoll zu ihm aufsah.

«Nette Hündin, was?» sagte der Major. «Ich liebe Bulldoggen, hab immer welche gehalten; ziehe sie jeder anderen Rasse vor. Ich wohne gleich hier in der Nähe, kommen Sie doch mit und trinken Sie ein Glas mit mir.»

Luke nahm die Einladung an, und die beiden Herren machten sich auf den Weg, während Major Horton einen Vortrag über Hunde hielt und über die Minderwertigkeit aller anderen Rassen gegenüber der von ihm bevorzugten.

Luke hörte von den Preisen, die Nelly errungen hatte, von dem unverschämten Benehmen eines Preisrichters, der Augustus nur ein «Bestens empfohlen» zugebilligt hatte, und von den Triumphen Neros.

Mittlerweile waren sie bei der Tür des Majors angelangt; er öffnete sie – sie war übrigens nicht versperrt –, und sie betraten das Haus. Der Major ging voran in ein kleines Zimmer, das etwas nach Hund roch und dessen Wände entlang Bücherregale standen. Der Major bereitete die Drinks. Luke sah sich um. Es gab dort Fotografien von Hunden, Sportzeitschriften und ein paar stark abgenutzte Lehnsessel. Silberne Becher standen aufgereiht auf den Regalen. Über dem Kamin hing ein Ölgemälde.

«Meine Frau», sagte der Major, von seiner Beschäftigung aufsehend und der Richtung von Lukes Blick folgend. «Eine großartige Frau. Viel Charakter in ihrem Gesicht, finden Sie nicht?»

«Ja, wirklich», sagte Luke und betrachtete die verstorbene Mrs Horton.

Sie trug auf dem Bild ein rosa Atlaskleid und hielt einen Strauß Maiglöckchen in der Hand. Ihr braunes Haar war in der Mitte gescheitelt, und ihre Lippen waren fest aufeinandergepresst. Die Augen, von einem kalten Grau, blickten dem Beschauer verdrossen entgegen.

«Eine ausgezeichnete Frau», sagte der Major, während er Luke ein Glas reichte. «Sie ist vor über einem Jahr gestorben. Ich bin seitdem nicht mehr derselbe Mensch.»

«Nein?» Luke wusste nicht recht, was er sagen sollte.

«Nehmen Sie Platz.» Der Major deutete auf einen der Stühle. Er selbst setzte sich auf den zweiten und wiederholte, seinen Whisky-Soda trinkend:

«Nein, ich bin seitdem nicht mehr derselbe Mensch.»

«Sie müssen sie schrecklich vermissen», meinte Luke verlegen.

Major Horton schüttelte düster den Kopf:

«Der Mensch braucht eine Frau, um auf der Höhe zu sein, sonst wird er schlapp – ja, schlapp. Er lässt sich gehen.»

«Aber sicher – »

«Mein Junge, ich weiß, wovon ich rede. Merken Sie sich das, ich will nicht behaupten, dass die Ehe einen zuerst nicht hart hernimmt; das tut sie schon! Man sagt sich selbst, hol’s der Teufel, ich darf ja gar keinen eigenen Willen mehr haben! Aber man fügt sich. Es ist alles eine Frage der Disziplin.»

Luke dachte, dass das Eheleben des Majors mehr einem militärischen Feldzug als einem häuslichen Idyll geglichen haben musste.

«Die Frauen», sprach der Major weiter, «sind merkwürdige Geschöpfe. Manchmal scheint es, als könne man ihnen nichts recht machen. Aber, weiß Gott, sie halten einen auf der Höhe.»

Luke bewahrte achtungsvolles Schweigen.

«Sind Sie verheiratet?» fragte der Major.

«Nein.»

«Ah, Sie werden es auch noch packen. Und, wie gesagt, mein Junge, da geht nichts darüber.»

«Es ist immer erfreulich», entgegnete Luke, «jemanden gut vom Ehestand sprechen zu hören. Besonders in diesen Zeiten der leichten Scheidungen.»

«Pah!» brummte der Major. «Die jungen Leute sind nichts wert! Keine Geduld, keine Ausdauer, keine Kraft!» Luke hätte gern gefragt, wozu denn solch außerordentliche Kraft benötigt würde, beherrschte sich jedoch.

«Lydia war eine Frau unter Tausenden – unter Tausenden! Jedermann achtete sie und blickte zu ihr auf.»

«Ja?»

«Sie konnte keinen Unsinn vertragen. Sie hatte eine Art, jemanden zu fixieren, dass der Betreffende gleich Bescheid wusste. Ein paar von diesen unreifen Mädchen, die sich heutzutage Hausgehilfinnen nennen und glauben, man muss sich jede Frechheit gefallen lassen! Lydia hat es ihnen aber rasch gezeigt! Wissen Sie, dass wir fünfzehn Köchinnen und Stubenmädchen in einem Jahr hatten – fünfzehn!»

Luke fand, dass das kaum ein Lob für Mrs Hortons Talent als Hausfrau war, doch da der Hausherr es anscheinend anders sah, murmelte er nur irgend etwas Undeutliches.

«Warf sie einfach hinaus, wenn sie ihr nicht passten.»

«Und war es immer auf diese Art?» fragte Luke.

«Nun, natürlich gingen auch eine Menge freiwillig. ‹Gut, dass wir sie los sind›, pflegte Lydia zu sagen!»

«War das nicht manchmal etwas unbequem?»

«Ach, mir machte es nichts, selbst mit anzupacken», sagte Horton. «Ich kann recht gut kochen und glänzend Feuer anmachen. Um das Abwaschen habe ich mich ja nie gerissen, aber natürlich muss es auch sein – dem kann man nicht entgehen.»

Luke stimmte zu und fragte, ob Mrs Horton tüchtig in häuslichen Arbeiten war.

«Ich bin nicht der Mensch, der sich von seiner Frau bedienen lässt», sagte Major Horton. «Überhaupt war Lydia viel zu zart, um Hausarbeit zu verrichten.»

«Sie war nicht kräftig?»

Major Horton schüttelte den Kopf.

«Sie hatte einen so starken Geist. Sie gab nicht auf! Aber wie diese Frau gelitten hat! Und dabei kein Mitgefühl von den Ärzten! Ärzte sind gefühllose Bestien. Sie verstehen nur kruden körperlichen Schmerz; etwas Außergewöhnliches geht über ihren Horizont. Humbleby zum Beispiel, den hielt jeder für einen guten Arzt.»

«Sie nicht?»

«Der Mann war ein vollkommener Ignorant. Wusste nichts von modernen Erkenntnissen. Ich bezweifle, dass er überhaupt je von einer Neurose gehört hatte! Er verstand vermutlich etwas von Masern und Mumps und gebrochenen Knochen, aber sonst nichts. Zum Schluss hatte ich Krach mit ihm. Er verstand Lydias Fall gar nicht. Ich sagte es ihm geradeheraus, und das schluckte er nicht. Er war beleidigt und schnauzte, ich solle mir doch einen anderen Doktor nehmen. Danach hatten wir Thomas.»

«Der war Ihnen lieber?»

«War überhaupt ein viel geschickterer Arzt. Wenn irgendeiner sie hätte durchbringen können, so wäre es Thomas gewesen. Tatsächlich ging es ihr vorübergehend besser, aber dann hatte sie einen plötzlichen Rückfall.»

«War es schmerzhaft?»

«Hm, ja. Gastritis, heftiger Schmerz – Übelkeiten – alles zusammen. Wie die arme Frau litt! Sie war eine Märtyrerin, wenn es je eine gab. Und zwei Pflegerinnen im Haus, die ungefähr soviel Mitgefühl hatten wie zwei Stöcke!» Der Major schüttelte den Kopf und leerte sein Glas. «Ich kann Pflegerinnen nicht ausstehen! So was von selbstzufrieden! Lydia behauptete steif und fest, dass sie sie vergifteten. Das war natürlich nicht wahr – eine richtige krankhafte Einbildung –, eine Menge Leute haben so was, sagte Thomas, aber eins war wahr, diese Frauenzimmer mochten sie nicht. Das ist das Schlimme bei den Frauen, können einfach nicht mit ihresgleichen.»

«Ich vermute», sagte Luke, der meinte, sich ungeschickt auszudrücken, es aber nicht besser sagen konnte, «dass Mrs Horton eine Menge ergebener Freunde in Wychwood hatte?»

«Die Leute waren sehr freundlich», erwiderte der Major etwas ausweichend. «Whitfield schickte Trauben und Pfirsiche aus seinem Gewächshaus, und die alten Katzen kamen und leisteten ihr Gesellschaft, Honoria Waynflete und Lavinia Pinkerton.»

«Miss Pinkerton kam oft, nicht wahr?»

«Ja. Eine richtige alte Jungfer – aber ein gutes Geschöpf! Sehr besorgt war sie um Lydia, pflegte sich nach der Diät und den Medikamenten zu erkundigen. Alles gut gemeint, wissen Sie, aber ein schreckliches Getue nenne ich’s.»

Luke nickte verständnisvoll.

«Getue kann ich nicht vertragen», sagte der Major. «In dem Ort sind überhaupt zuviel Frauenzimmer! Es ist schwer, anständige Golfspieler zu finden.»

«Wie ist denn der junge Mensch vom Antiquitätenladen?» fragte Luke.

Der Major schnaubte verächtlich:

«Der spielt nicht Golf.»

«Ist er schon lange in Wychwood?»

«Ungefähr zwei Jahre. Ein unangenehmer Kerl! Ich hasse diese langhaarigen, sanftmäuligen Burschen. Komischerweise konnte Lydia ihn gut leiden. Dem Urteil von Frauen über Männer ist nicht zu trauen; sie mögen oft ganz unmögliche Typen. Sie bestand sogar darauf, eins von seinen Quacksalber-Tränklein zu nehmen, ein Zeug in einem purpurroten Glasgefäß, auf dem die Zeichen des Tierkreises standen! Gewisse Kräuter, beim Schein des Vollmonds gepflückt. Lauter Narreteien, aber die Frauen schlucken das – schlucken es sogar buchstäblich – haha!»

Luke wechselte jäh das Thema, doch war er sich bewusst, dass es dem Major nicht auffallen würde:

«Was ist das für ein Mensch, der hiesige Rechtsanwalt, Mr Abbot? Kennt er sich im Gesetz gut aus? Ich brauche nämlich einen einschlägigen Rat und dachte, ich könnte zu ihm gehen.»

«Man sagt, er sei recht klug», berichtete Major Horton objektiv. «Ich weiß es nicht. Tatsächlich habe ich mit ihm einen Krach gehabt und ihn nicht gesehen, seit er hier war, um Lydias Testament kurz vor ihrem Tod aufzusetzen. Meiner Ansicht nach ist der Mann unmöglich. Aber», setzte er fair hinzu, «das berührt natürlich nicht seine Fähigkeiten als Rechtskundiger.»

«Nein, natürlich nicht», bestätigte Luke. «Er scheint übrigens ein streitsüchtiger Mensch zu sein, denn nach allem, was ich höre, hat er sich mit einer Menge Leute zerstritten.»

«Das Schlimme bei ihm ist, dass er so verdammt empfindlich ist», sagte Major Horton. «Er scheint zu glauben, dass er der liebe Gott ist und dass jeder, der nicht seine Meinung teilt, Majestätsbeleidigung begeht. Haben Sie von seinem Streit mit Humbleby gehört?»

«Sie hatten Streit, so?»

«Einen Mordskrach! Nicht dass mich das überraschen würde; Humbleby war ein dickschädliger Esel! Dennoch, so war es.»

«Sein Tod war sehr traurig.»

«Humblebys Tod? Ja, freilich. Mangel an der einfachsten Sorgfalt. Blutvergiftung ist eine verdammt gefährliche Sache. Man soll immer Jod auf eine Verletzung geben – ich mache das immer! Einfache Vorsichtsmaßnahme. Humbleby, der doch Arzt ist, tut nichts dergleichen – da sieht man’s wieder!»

Luke warf einen Blick auf seine Uhr und erhob sich. Major Horton sagte:

«Geht’s schon auf Mittag? Richtig. Hat mich gefreut, mit Ihnen zu plaudern, tut mir gut, mit einem Mann zu reden, der ein bisschen in der Welt herumgekommen ist. Wir müssen das wieder einmal tun. Wo waren Sie eigentlich stationiert? Mayang-Straße? Dort war ich nie. Ich höre, Sie schreiben ein Buch über Aberglauben und dergleichen.»

«Ja – ich – »

Jedoch Major Horton fuhr unbeirrt fort.

«Da kann ich Ihnen verschiedene sehr interessante Dinge erzählen: Als ich in Indien war, mein Junge…»

Luke entkam nach ungefähr zehn Minuten, nachdem er die üblichen Geschichten über Fakire, Seil- und Mangobaumwunder, die dem Angloinder teuer sind, über sich hatte ergehen lassen. Während er ins Freie trat, die Stimme des Majors hinter sich, der Nero anbrüllte, staunte er über das Wunder des Ehelebens. Der Major schien einer Frau aufrichtig nachzutrauern, die nach allen Berichten, sein eigener nicht ausgenommen, eng verwandt mit einem Tiger gewesen sein musste.

Oder war es – Luke stellte sich plötzlich diese Frage – war es ein außerordentlich geschickter Bluff?

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